Tönnies fordert Schadensersatz von Aktivist*innen – Demonstration am 29.8.20 in Kellinghusen: Kriminell ist das System Tönnies – nicht der Widerstand dagegen

Dossier

16.7.2020: Greenpeace-Protest am Fleischwerk Tönnies in RhedaWeil sie den Tönnies-Schlachthof in Kellinghusen im Oktober 2019 für knapp elf Stunden blockierten, will der Tönnies-Konzern 40.000 Euro Schadensersatz von 30 Tierrechts- und Klima-Aktivist*innen der Aktionsgruppe „Tear Down Tönnies“ und droht damit, die Zahlung gerichtlich durchzusetzen. Die Aktivist*innen bereiten sich auf einen Prozess vor. Das Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ kritisiert die Forderung und ruft zu einer Demonstration gegen Tönnies am 29.8.2020 in Kellinghusen auf…“ Pressemitteilung vom 10. August 2020 von und bei »Gemeinsam gegen die Tierindustrie« externer Link, siehe den Aufruf zur Demonstration am 29.8. externer Link („Kriminell ist das System Tönnies – nicht der Widerstand dagegen. Schluss mit der Ausbeutung von Mensch, Tier & Natur“ ab 14 Uhr Unterer Marktplatz, 25548 Kellinghusen). Siehe auch Hintergründe und Details:

  • [Fazit der die Aktionsgruppe „Tear Down Tönnies“] Ein klarer Fall von Klassenjustiz: Tönnies verklagt Tierbefreiungsaktivist*innen New
    „… Wir (TDT) [die Aktionsgruppe „Tear Down Tönnies“] blockierten am 21. Oktober 2019 den Tönnies-Schlachthof der Thomsen GmbH in Kellinghusen. Durch die Besetzung von zwei Laderampen sowie des Dachs der Schlachtfabrik wurde für knapp elf Stunden der reguläre Betrieb gestört und das Töten von mehreren Tausend Individuen verhindert. Ziel der Aktion war es, auf die prekären Arbeitsbedingungen, das endlose Tierleid und die starke Klima- und Umweltbelastung durch die Tierindustrie aufmerksam zu machen sowie die politischen Kämpfe darum zusammenzuführen. Im August 2020 erhielten einige Aktivist*innen in Folge der Blockadeaktion einen Brief der internationalen Wirtschaftskanzlei Eversheds Sutherland mit einer Schadensersatzforderung über 37.354,32 Euro. Auf die absurden Forderungen des Konzerns wurde nicht eingegangen. Schließlich wurde die Schadenssumme vom Fleischriesen auf 15.626,20 Euro reduziert. Wohl auch, um vor Gericht keine Bilanzen offenlegen zu müssen. Die Schadensersatzklage wurde zudem um eine Unterlassungsforderung erweitert. Mit der Unterlassungserklärung will Tönnies erreichen, dass die betroffenen Aktivist*innen 250.000 Euro zahlen müssen oder zu einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten verurteilt werden, wenn sie das Gelände des Schlachthofs erneut betreten, die Zufahrt zum Schlachthof oder den Zugang zu den Rampen beeinträchtigen oder Dritte dazu veranlassen beziehungsweise dabei unterstützen. (…) Bisher fanden Prozesse in Kiel, Braunschweig, Aachen, Ingolstadt und Itzehoe statt. Die Richter*innen zeigten leider kein Interesse daran, das krude Firmengeflecht von Tönnies zu durchleuchten und die Rechnungen zu überprüfen. Lediglich das Landgericht (LG) Braunschweig folgte unserer Argumentation, dass die Aufsplittung der Verfahren einen Missbrauch der Prozessordnung darstellt, und hat das Verfahren an das LG Itzehoe (zuständig nach Tatort) verwiesen. Alle Gerichte entschieden, dass der von Tönnies angegebene Schaden zu zahlen sei, schränkten aber die Unterlassungserklärung auf ein Betretungsverbot des Schlachtfabrikgeländes ein. Zusätzlich zur Schadensersatzsumme sind bislang Gerichtskosten in Höhe von 30.000 Euro entstanden. Um gegen die bisherigen Urteile in Berufung zu gehen, müsste eine Sicherheitsleistung von jeweils 20.000 Euro hinterlegt werden. Aufgrund der hohen Kosten war es für uns Aktivist*innen nicht möglich, in Berufung zu gehen. De facto können Menschen und Gruppen, die nicht die entsprechenden finanziellen Mittel haben, sich vor Gericht nicht verteidigen. Ein klarer Fall von Klassenjustiz…“ Beitrag von TDT-Aktivist*innen in der Graswurzelrevolution am 29. November 2021 externer Link
  • Zum Prozessbeginn: Kieler Landgericht hält Schadensersatzforderungen des Tönnies-Konzerns für berechtigt 
    „… Der Schlachthof in Kellinhusen, der zum Tönnies-Konzern gehört, war vor etwa anderthalb Jahren von 26 Mitgliedern der Klima- und Tierschutzgruppe „Tear Down Tönnies“ blockiert worden. Am Donnerstag begann der Prozess gegen eine 21-jährige Frau, die an der Blockade beteiligt war. Das Kieler Landgericht hat bestätigt, dass es die Schadensersatzforderungen des Unternehmens für berechtigt hält. „Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen im Eigentumsrecht der Klägerseite auf deren privatem Grundstück“, sagte Richterin Katharina Castringius. (…) Das Unternehmen Tönnies verlangt von der Frau 15.000 Euro. Der Fleisch-Konzern argumentiert, dass ihm durch die Blockade ein Verlust von 40.000 Euro entstanden sei. Das Gericht sieht bei der Höhe des Schadensersatzes noch Klärungsbedarf. Auch Martin Bocklage, Geschäftsführer Tönnies Central Services, gab vor Gericht an, dass diese nicht „schlüssig dargestellt“ seien. (…) Begleitet wurde der Auftakt des Verfahrens von Protesten – unter anderem von Mitgliedern der Aktionsgruppe „Tear Down Tönnies“, die 2019 den Schlachthof blockiert hatte. „Kriminell ist das System Tönnies, nicht der Widerstand dagegen“, so das Motto der Demonstration in der Nähe des Landgerichts im Kieler Schützenpark. Laut Polizei nahmen daran in der Spitze 30 Menschen teil. (…) Das Urteil gegen die 21-jährige Demonstrantin wird für den 3. Juni erwartet. Sollte sie zu Schadensersatz verurteilt werden, wird sie nach Angaben der Aktionsgruppe ebenfalls in Berufung gehen. Im März hatte das Kieler Landgericht einen anderen Teilnehmer der Blockade-Aktion erstinstanzlich zu fast 16.800 Euro Schadenersatz plus Zinsen verurteilt. Er hat bereits Berufung eingelegt. Vergleichbare Verfahren gibt es in Aachen, Ingolstadt, Braunschweig und Berlin…“ Meldung vom 22. April 2021 vom und beim NDR Schleswig-Holstein Magazin externer Link: „Nach Protestaktion: Tönnies will Schadensersatz von Demonstrantin“
  • Gerichtsverhandlung Tönnies gegen Aktivistin am 22. April 2021: Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung in Kiel: „Kriminell ist das System Tönnies – nicht der Widerstand dagegen“ 
    Am 22. April um 09.00 Uhr Kundgebung mit dem Motto „Kriminell ist das System Tönnies – nicht der Widerstand dagegen“ vor dem Landgericht Kiel. Um 09.30 Uhr Öffentliche Verhandlung im Landgericht. Hintergrund des Prozesses ist eine Aktion am 21. Oktober 2019, zahlreiche Aktivist*innen der Gruppe „Tear Down Tönnies“ blockierten die Zufahrt einer Schlachtfabrik des größten Fleischkonzerns Europas in Kellinghusen in Schleswig-Holtstein. Dort werden täglich bis zu 6.000 Schweine geschlachtet. Tönnies gibt an, dass durch die Aktion ein Schaden von knapp 40.000 € entstanden sei. Seit Juli 2020 fordert der Konzern das Geld von einigen Aktivist*innen und versucht nun, diese Forderung auch gerichtlich durchzusetzen. „Wir werden die Kriminalisierungs- und Einschüchterungsversuche von Tönnies nicht hinnehmen. Wir sind nicht bereit diesem Unternehmen Geld zu zahlen. Tönnies ist verantworlich für extreme Ausbeutung von Arbeiter*innen, die Klimakrise und Gewalt gegen Tiere.“ So Michaela Hund von Tear Down Tönnies. Tönnies hat veranlasst, dass das Verfahren gegen die Aktionsgruppe aufgesplittet wurde und es somit zahlreiche einzelne Verfahren u. a. in Kiel, Aachen, Ingolstadt, Braunschweig und Berlin gibt. Die einzelnen Gerichte werden darüber zu entscheiden haben, ob dies einen Missbrauch der Prozessordnung durch Tönnies darstellt. Tönnies hat die Klage mittlerweile um eine Unterlassungsforderung ergänzt…“ Pressemitteilung von Tear Down Tönnies externer Link, unterstützt auch vom Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ externer Link, siehe dessen aktuelle Meldungen auf Twitter externer Link
  • Interview mir Tear Down Tönnies über die Schadenersatzklagen von Tönnies 
    Interview: Elmar Wigand spricht mit Anica, einer Aktivisten der Gruppe Tear Down Tönnies. Nach der Schlachthofbesetzung am 21. Oktober 2019 sehen sich die 9 Personen, die dort mit insgesamt rund 30 Protestierenden einen Tönnies-Schlachthof für mehrere Stunden stilllegten, Schadenersatzklagen und absurden Unterlassungsforderungen gegenüber. Die Kellinghusener 9 machten mit ihrer Aktion auf Verstöße gegen Menschen- und Tierrechte durch Tönnies aufmerksam. Die Besetzung nur in einem Fall strafrechtlich verfolgt. Doch Tönnies hat mit der Kanzlei Eversheds Sutherland Schadenersatzklagen gestellt – z.B. sollen ihm pro nicht geschehener Schweineschlachtung 11,34 Euro Gewinn entgangen. Das lässt den Wert der Arbeit der Werkvertragsarbeiter:innen und auch der einzelnen Schweine erahnen. – Die Gerichtsverfahren finden nicht zentral im für Kellinghusen zuständigen Amtsgericht statt, sondern an den jeweiligen Wohnorten von neun Beteiligten. Ist dieses Vorgehen von Tönnies nicht extrem ungeschickt? Die vielen und langwierigen Gerichtsverfahren könnten eher für viel unerwünschte Aufmerksam sorgen. Und für eine große Solidarisierung mit den Aktivisten.“ Podcast der Sendung von arbeitsunrecht Fm Nr.14 vom 9. April 2021 externer Link Audio Datei
  • 250 Menschen demonstrieren in Kellinghusen gegen Tönnies 
    250 Menschen folgten dem Aufruf des Bündnisses „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“, um gegen die Schadensersatzforderungen des Tönnies-Konzerns gegen Aktivist*innen zu protestieren. Das Unternehmen fordert 40.000 Euro von 30 Tierrechts- und Klima-Aktivist*innen der Aktionsgruppe „Tear Down Tönnies“, die im Oktober 2019 den Schlachthof für einige Stunden blockierten. (…) Mit Sprechchören wie „Wir sind laut und wir sind hier – für die Befreiung von Mensch und Tier“ machten sie ihre Forderungen unmissverständlich deutlich. Mehrere Redner*innen beschrieben die prekären und unwürdigen Bedingungen der Arbeiter*innen in den Schlachthöfen und wiesen auf die Verantwortung der Fleischindustrie für die Zerstörung von natürlichen Lebensgrundlagen und damit den menschengemachten Klimawandel hin. Auch auf die Bedürfnisse von Tieren und deren Missachtung durch die Fleischindustrie wurde angesprochen. In einer Grußbotschaft der Kampagne „We don’t shut up, we shut down“ wurde erläutert, wie sich Aktivist*innen erfolgreich gegen den Stromkonzern RWE gewehrt haben, der ebenfalls Schadensersatz von Klima-Aktivist*innen für eine Aktion gegen den Kohleabbau forderte.“ Pressemitteilung und Bilder vom 29. August 2020 von und bei „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ externer Link, siehe auch eine Photoserie bei den Kieler Nachrichten online externer Link
  • Letzte Infos zur Demo „Schluss mit dem System Tönnies“ am Samstag 29.08. in Kellinghusen (bei Hamburg) 
  • Aus dem Aufruf:
    Deutschlands größter Fleischkonzern Tönnies geht aktuell mit Verfügungen und Schadensersatzforderungen gegen Kritiker*innen vor. 40.000 Euro sollen mehrere Aktivist*innen der Tierrechts- und Klimagerechtigkeitsbewegung zahlen, die im Oktober 2019 den Tönnies-Schlachthof Kellinghusen blockierten, um gegen die Fleischindustrie zu protestieren.
    “Wir sind hier, weil Tiere ermordet werden. Wir sind hier aus Solidarität mit den Arbeitern, die unter extrem schlechten Bedingungen sehr harte Arbeit verrichten müssen, und wir sind hier im Kampf für die Natur, da die Natur unter dem Fleischkonsum extrem leidet.” Es sind klare Worte, die die Aktivist*innen am Tag der Besetzung gegenüber dem NDR finden. 30 Menschen blockieren unter dem Motto ‚Tear Down Tönnies‘ die Zufahrten zum Schlachthofgelände und besetzen das Dach des Betriebes. Die Besetzung und die kurzzeitige Stilllegung des Schweineschlachthofs Thomsen machen bundesweit Schlagzeilen.
    Mehrere Monate später ist das ausbeuterische Geschäftsmodell von Tönnies und anderen Fleischkonzernen völlig zu Recht eines der beherrschenden Themen der öffentlichen Debatte. Der Kritik und den erstarkten Protesten entgegnet Tönnies mit Repression. Wie schon RWE im Rheinischen Braunkohlerevier versucht der Konzern Kritiker*innen durch Schadensersatzklagen mundtot zu machen. Bereits in den vergangenen Jahren ging das Unternehmen mit zivilrechtlichen Mitteln wie Unterlassungsklagen gegen die Gewerkschaftslinke Hamburg, die Aktion gegen Arbeitsunrecht und andere Kritiker*innen vor. Die aktuelle Repression gegen die Tierrechts- und Klimaaktivist*innen zielt klar darauf, diese einzuschüchtern und andere Menschen von weiteren Protesten abzuhalten.
    Vor diesem Hintergrund rufen wir, das Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie, zusammen mit anderen Gruppen zur einer Demonstration am 29. August in Kellinghusen auf. Wir werden lautstark, kreativ und entschlossen unsere Kritik an Tönnies und allen weiteren Konzernen der Fleischindustrie auf die Straße tragen. Wir sagen unmissverständlich: Wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Wir werden weiter unsere Stimme erheben, gegen die erniedrigenden Arbeitsbedingungen, gegen die systematische Ausbeutung der Tiere, gegen die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Wir solidarisieren uns mit den kriminalisierten Aktivist*innen, denn kriminell ist das System Tönnies – nicht der Widerstand!
  • Siehe zum Hintergrund die Pressemitteilung von „Tear Down Tönnies“ externer Link sowie im LabourNet: Gewerkschaftslinke Hamburg: Solidarität mit dem Itzehoher Polizeisprecher – anlässlich der Besetzung des Kellinghusener Tönnies-Schlachthofes
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=176652
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