Strafe für Spontanprotest nach dem NRW-Versammlungsgesetz: Polizei nimmt Unmut gegen AfD-Infostand zum Anlass für Razzia beim Antifaschisten in Siegen

noAfD (1. Mai 2019 in Aschaffenburg)Ein Antifaschist aus Siegen musste am eigenen Leib erfahren, wozu das seit einem Jahr gültige NRW-Versammlungsgesetz die Polizei ermächtigt: Weil er sich im April 2022 zusammen mit anderen vor einen Wahlkampfstand der AfD gestellt und ein Schild (»Gegen Nazis«) hochgehalten hatte, führte die Staatsmacht am 12. Januar 2023 eine Razzia bei dem 29jährigen durch. (…) Demnach hatte es gegen 6.30 Uhr an der Haustür des 29jährigen geklingelt. Als dieser öffnete, habe eine Polizistin unmittelbar ihren Fuß in die Tür gestellt und »Hausdurchsuchung!« gerufen. Der Betroffene habe um Aushändigung eines Durchsuchungsbeschlusses gebeten und wollte Kontakt zu seiner Anwältin aufnehmen. Dem seien die Beamtinnen und Beamten zunächst nachgekommen. Doch noch während des Telefongesprächs hätten sie versucht, weiter in die Wohnung zu gelangen. Mit den Worten »Es reicht jetzt« sei der Mann gewaltsam zu Boden gebracht, mit Handschellen fixiert und mit Pfefferspray angegriffen worden. Es sei eine rund eineinhalbstündige Durchsuchung der Wohnung ohne unabhängige Zeugen erfolgt. Diese sind gesetzlich allerdings vorgesehen…“ Artikel von Henning von Stoltzenberg in der jungen Welt vom 08.02.2023 externer Link („Strafe für Spontanprotest“) und mehr dazu:

  • Hausdurchsuchung in Siegen auf Grundlage des Versammlungsgesetzes in NRW
    „Strafvorwurf lautet, ohne Anmeldung gegen einen AfD-Infostand protestiert zu haben +++ Bündnis Versammlungsgesetz NRW stoppen hält Strafandrohung für Nichtanmeldung für verfassungswidrig
    Das neu eingeführte Versammlungsgesetz in NRW stellt das Leiten von Versammlungen ohne Anmeldung unter Strafe. Anfang Januar wurde nun einer Person in Siegen vorgeworfen, ohne Anmeldung gegen einen AfD-Infostand protestiert zu haben. Das zuständige Amtsgericht bestätigte daraufhin eine Hausdurchsuchung bei dieser Person, die am 12.01.2023 unter Anwendung von körperlicher und psychischer Gewalt durchgeführt wurde. Laut einer Pressemitteilung der Roten Hilfe Siegen wurde die beschuldigte Person mit Handschellen fixiert, dazu genötigt ihre Notdurft zu verrichten, während ein Hund mit ihr in der Toilette eingesperrt war und bedrängt, die PINs für ihre elektronischen Geräte mitzuteilen.
    Lola Münch erklärt: „Solche Erfahrungen hinterlassen den Beigeschmack, dass jede Form von politischer Meinungsäußerung auf der Straße diffuse Verfolgungen durch staatliche Organe bis in die eigene Wohnung nach sich ziehen kann. Insbesondere spontane politische Beteiligung wird dadurch unmöglich gemacht.“ (…) Bereits die Begründung des Gesetzesentwurfs ließ allerdings erkennen, dass in Zukunft bei Versammlungen ohne Leiter:in diese Pflicht auch dadurch durchgesetzt werden können soll, dass die Polizei das Verhalten einer Person als sogenannte „faktische Leitung einer Versammlung“ einordnet. Dieser Umstand, dass die Polizei vor Ort hier ein politische Entscheidung treffen darf, und die drohenden Konsequenzen stehen der Selbstorganisation demokratischer Versammlungen entgegen. Zudem nennt Artikel 8 GG ausdrücklich das Recht zur Versammlung OHNE Anmeldung als Grundrecht. Die gesetzlich vorgesehene Bestrafung einer Nichtanmeldung ist daher verfassungswidrig, eine darauf gestütze Hausdurchsuchung erst recht.
    „Das Versammlungsgesetz erkennt weiterhin das Recht darauf an, aus aktuellem Anlass augenblicklich eine Spontanversammlung ohne Anmeldung zu bilden. Deswegen fragen wir uns, warum ein Informationsstand, mit dem die AfD Passant:innen für sich gewinnen will, nicht genau so einen aktuellen Anlass darstellen sollte.“, kritisiert Lola Münch, eine der Sprecher:innen des Bündnisses gegen das Versammlungsgesetz…“ Mitteilung vom 6. Februar 2023 beim Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ externer Link
  • Rote Hilfe Siegen hat ihre Stellungnahme der zu der aktuellen Hausdurchsuchung am 3.2.23 auf ihrem Twitter-ACC als Foto dokumentiert externer Link

Siehe auch unser Dossier: NRW: Schwarz-gelbe Landesregierung will neues Versammlungs- bzw. Versammlungsverhinderungsgesetz

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=208702
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