Geschlechtsspezifische Fluchtgründe anerkennen – das europäische Bündnis „Feminist Asylum“ eine Umkehr in der Migrationspolitik

Bündnis "Feminist Asylum" hat eine Feministische Petition gestartet„Seit dem Februar 2018 ist die „Istanbul-Konvention“ (IK) in Deutschland als Gesetz „zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ in Kraft. Die Umsetzung des Gesetzes soll ohne Diskriminierung erfolgen (…) Aber bislang steht das Gesetz nur auf dem Papier. Darum fordert das Europäische Bündnis „Feminist Asylum“ zum Internationalen Frauentag am heutigen 8. März die konsequente Anerkennung besonderer Fluchtgründe von Frauen und LGBTIQA+ Personen (LGBTIQA+ bedeutet: lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell, queer, asexuell, und weitere). Das Bündnis hat eine Feministische Petition gestartet, [die] sich an die Organe der EU und die nationalen Regierungen des Schengen-Raums. (…) Die Petition soll am 11. Mai 2022, dem Jahrestag der Istanbul Konvention, den europäischen Institutionen übergeben werden…“ Beitrag von Elisabeth Voß vom 8. März 2022 bei Telepolis externer Link, siehe die Petition und ihre Forderungen:

  • Grundlegendes Urteil des EuGH unter Berufung auf die Istanbul-Konvention: Schutzstatus wegen häuslicher Gewalt und Zwangsverheiratung möglich New
    • Urteil des EuGH: Schutzstatus wegen häuslicher Gewalt möglich
      „… Das Oberste Gericht der EU hat in einer grundlegenden Entscheidung festgelegt, dass auch häusliche Gewalt Anlass sein kann, Frauen als Flüchtlinge anzuerkennen. Schutz sei zu gewähren, selbst wenn die Bedrohung nicht vom Staat, sondern von Privatpersonen ausgehe. Geklagt hatte eine türkische Kurdin, die 2018 nach Bulgarien eingereist war. Sie hatte bei Befragungen angegeben, sie sei mit 16 Jahren zwangsverheiratet worden, habe drei Töchter bekommen und sei während ihrer Ehe von ihrem Mann immer wieder geschlagen worden. Ihre eigene Familie habe ihr nie geholfen. 2016 sei sie aus der Wohnung geflohen. Im Jahr darauf habe sie eine Strafanzeige erstattet, auch weil sie am Telefon immer wieder von ihrem Mann bedroht worden sei. 2018 wurde sie geschieden und fürchtet nun, von ihm, von seiner oder ihrer Familie getötet zu werden, wenn sie in die Türkei zurückkehren muss. (…) Die bulgarischen Gerichte lehnten es allerdings ab, der Frau Schutz zu gewähren. Häusliche Gewalt sei nach bulgarischem Recht kein Verfolgungsgrund, und sie sei auch nicht Opfer von Verfolgung aufgrund ihres Geschlechts. Sie könne vor allem auch deswegen keinen Schutz bekommen, weil es nicht der türkische Staat sei, der sie verfolgt habe. (…) Aber diese Argumente greifen nicht, urteilten nun die Obersten Richterinnen und Richter der EU. Die große Kammer, ein wichtiges Gremium des Gerichthofs, hat entschieden: Wenn Frauen in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts sexueller oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, kann ihnen internationaler Schutz in der EU gewährt werden. Sei es, dass sie als Flüchtlinge anerkannt werden oder zumindest nicht abgeschoben werden dürfen. Dabei bezieht sich der Gerichtshof auf die sogenannte Istanbul-Konvention, also das internationale Übereinkommen von 2011 zum Schutz von Frauen vor Gewalt. (…) In dem Urteil setzt sich der Europäische Gerichtshof auch mit der Frage auseinander, inwieweit bedrohte Frauen Gelegenheit hätten, an ihrer Situation selbst etwas zu ändern. Die Ansicht der Richterinnen und Richter: Frauen, die sich einer Zwangsehe entziehen oder ihren Haushalt verlassen, könnten häufig nichts machen. Das würde in bestimmten Ländern von der Gesellschaft missbilligt und sie würden stigmatisiert. (…) Allerdings müssen Behörden und Gerichte nach diesem Urteil die jeweiligen Tatsachen trotzdem individuell prüfen. Der EuGH entschied, die Bedrohung sei von Fall zu Fall „mit Wachsamkeit und Vorsicht“ zu ermitteln.“ Beitrag von Gigi Deppe vom 16. Januar 2024 bei tagesschau.de externer Link
    • Zwangsverheiratung: EU-Gericht erkennt Gewalt gegen Frauen als Fluchtgrund an
      Frauen, die häusliche Gewalt erfahren, können in der EU als Flüchtling anerkannt werden, entschied der Europäische Gerichtshof in einem Fall aus Bulgarien. Eine Kurdin hatte dort einen Asylantrag gestellt. Sie gab an, zwangsverheiratet und geschlagen worden zu sein.
      Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Flüchtlingsschutz von Frauen gestärkt. In einem Urteil vom Dienstag erkennen die Richter in Luxemburg Gewalt gegen Frauen aufgrund ihres Geschlechts als eine Form der Verfolgung an. Auch können Frauen als „soziale Gruppe“ im EU-Recht gelten. Folglich könnten Frauen als Flüchtlinge anerkannt werden, „wenn sie in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt und häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind“, hieß es. Werden sie nicht als Flüchtling anerkannt, können Frauen subsidiären Schutz erhalten, wenn ihnen in ihrem Heimatland Gewalt oder der Tod droht. (…)
      In der EU werden Menschen als Flüchtlinge anerkannt in Fällen der Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Das regelt die Richtlinie 2011/951. Der subsidiäre Schutz gilt für Drittstaatsangehörige, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, die aber glaubhaft machen können, dass sie bei der Rückkehr in ihre Heimat Gefahr laufen, unmenschlich behandelt oder gar getötet zu werden.
      Im Sommer 2023 trat die EU der Istanbul Konvention externer Link zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen bei. Der Gerichtshof entschied nun, das EU-Recht zum Flüchtlingsschutz müsse in Einklang mit der Konvention ausgelegt werden. Die Konvention erkennt Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts als eine Form der Verfolgung an. Außerdem weist der Gerichtshof darauf hin, dass Frauen insgesamt als eine soziale Gruppe im Sinne der Richtlinie zum Flüchtlingsschutz angesehen werden können.“ Meldung vom 16.01.2024 im Migazin externer Link
    • Siehe das Urteil externer Link
  • Das Bündnis „Feminist Asylum“ hat eine Feministische Petition gestartet, die bei feministasylum.org externer Link unterzeichnet werden kann.
  • Ihre Forderungen sind:
  1. Das Recht auf internationalen Schutz durch die konsequente Anerkennung spezifischer Asylgründe für Frauen, Mädchen und LGBTIQA+ Personen zu gewährleisten.
  2. Die Einrichtung einer europäischen Überwachungsstelle zur konsequenten Umsetzung des Rechts auf internationalen Schutz für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und für geschlechtsspezifische Aufnahme- und Asylverfahren und Unterstützungshilfen (Art. 60 und 61 Istanbul-Konvention) sowie zur Einhaltung des Abkommens zur Bekämpfung von Menschenhandel, insbesondere dessen Artikel 10 bis 16.
  3. Den Zugang zu Asyl in EU-Mitgliedsländern für Frauen, Mädchen und LGBTIQA+ Personen zu gewährleisten.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=198623
nach oben