Schwerkranke Menschen vor Abschiebung schützen

Tödliche Folgen der Flüchtlingspolitik„PRO ASYL geht gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) gegen die überhöhten gesetzlichen Anforderungen an den Nachweis eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses vor. Ziel ist es, die bisherige Praxis in diesem Bereich vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Zu diesem Zweck stellen die Organisationen ab heute ausführliche Schriftsatzmuster und finanzielle Unterstützung für entsprechende Verfahren zur Verfügung. (…) Viele Geflüchtete sind von Krieg und Verfolgung schwer traumatisiert und unterstehen damit einem besonderen Schutz. Ein Abschiebehindernis besteht insbesondere dann, wenn sich eine schwerwiegende psychische Erkrankung durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die große Koalition hat die Anforderungen an den Nachweis einer Erkrankung in den vergangenen Jahren derart verschärft, dass Betroffene diese praktisch nicht mehr erfüllen können.  (…) Die Kosten für die ärztliche Bescheinigung müssen die Betroffenen selbst tragen, im Regelfall mehrere hundert Euro – in etwa die Summe, die Geflüchtete für ihr komplettes Leben monatlich zur Verfügung haben. Hinzu kommen Kosten für Dolmetscher*innen. Psychisch erkrankte Betroffene befinden sich zudem meist nicht in psychiatrischer, sondern in psychotherapeutischer Behandlung. Diese wird in der Regel über die psychosozialen Zentren für Geflüchtete organisiert und finanziert. Die Begutachtungen von Psychotherapeut*innen erfüllen nach bisheriger Praxis von Behörden und Gerichten nicht die gesetzlichen Anforderungen, weil sie nicht durch eine*n Arzt*in erfolgen…“ Pressemitteilung vom 30. November 2021 von und bei Pro Asyl externer Link, siehe dazu:

  • Repression gegen Geflüchtete: Menschenrechtsvereinigungen gehen gegen Nachweispflicht bei schwerer Erkrankung vor New
    Im Gespräch mit Gitta Düperthal in der jungen Welt vom 13. Dezember 2021 externer Link kritisiert der rechtspolitische Referent bei Pro Asyl, Peter von Auer, die staatliche Repressionen: „… 2016 wurde das Aufenthaltsgesetz verschärft. Im Paragraph 60 a heißt es: »Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen.« Falls durch eine Abschiebung eine Erkrankung verschlimmert werden könnte, müsse das durch eine ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht werden. So hat der Gesetzgeber ausgeschlossen, dass psychische Erkrankungen durch Bescheinigungen approbierter Psychotherapeuten nachgewiesen werden können – obgleich diese im Fall von posttraumatischen Belastungsstörungen, um die es bei vor Verfolgung oder Krieg Geflüchteten oft geht, genauso kompetent sind wie etwa Psychiater, deren Attest anerkannt wird. Weiterhin wurde 2019 Paragraph 60 verschärft: Auch hier gelten nun erhöhte Anforderungen an ein Attest. Deshalb wollen wir den Gesetzgeber zu Veränderungen bewegen sowie die bisherige Praxis gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V., GFF, und der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e. V., BAfF, vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. (…) [Die Betroffenen] müssen die Kosten für die ärztliche Bescheinigung selbst tragen, im Regelfall mehrere hundert Euro – in etwa die Summe, die Geflüchtete für ihr komplettes Leben monatlich zur Verfügung gestellt bekommen. Hinzu kommen Kosten für das Dolmetschen. (…) Geflüchtete müssen vor Abschiebung geschützt werden, weil es oft um ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit geht. Das schreibt Artikel 2 des Grundgesetzes vor. Wir hoffen, dass das Karlsruher Gericht es so auslegt: Wenn im Gesetz von Ärzten die Rede ist, müssen auch Psychotherapeuten damit gemeint sein. Eine Art Beweispflicht für Betroffene sollte es nicht geben, da sie in Verwaltungsverfahren sonst unüblich ist. Der erkrankten Person ist nicht zuzumuten, den Beweis für ihren Zustand selbst erbringen zu müssen. Das Gericht könnte diese Norm auch für verfassungswidrig erklären. Dann müsste die Beweispflicht wieder beim Amt liegen. Zusammen mit der GFF und der BAfF suchen wir Personen, denen die Abschiebung trotz schwerer Erkrankung droht. Wir können ihre Verfahren durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht bringen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=196141
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