Zeitarbeitsfirmen setzen auf Geflüchtete – diese haben selten eine Wahl
Dossier
„… Es dürfte in Mitteldeutschland niemanden geben, der mehr Flüchtlinge beschäftigt als Florian Meyer. Der Vorstand der GeAT – Gesellschaft für Arbeitnehmerüberlassung Thüringen AG hat rund 150 Flüchtlinge unter Vertrag. Er verleiht sie an Logistiker, an Lebensmittelhersteller oder an die Kunststoffindustrie. (…) Auch andere Zeitarbeitsfirmen engagieren verstärkt Flüchtlinge. on denen, die eine Arbeit aufnehmen, fängt fast jeder fünfte Flüchtling bei einer Zeitarbeitsfirma an. Unter deutschen Arbeitnehmern geht nicht einmal jeder Zwanzigste in die Zeitarbeit. (…) Rolf Düber ist Sekretär für Strukturpolitik beim DGB Thüringen. Er kritisiert, Zeitarbeit schaffe ein Zwei-Klassen-System. Im Durchschnitt würden Zeitarbeiter noch immer 20 Prozent weniger verdienen als Stammbeschäftigte eines Betriebes. (…) Fast die Hälfte aller Zeitarbeiter bleibe höchstens drei Monate in einem Betrieb. Von Integration könne da keine Rede sein, kritisiert Düber…“ Beitrag von Ralf Geißler in MDR AKTUELL vom 30. Mai 2017
(„Zeitarbeitsfirmen setzen auf Flüchtlinge“). Siehe zum Problem seitdem:
- Die gute Nachricht von der schrumpfenden Zeitarbeitsbranche und der bittere Beigeschmack, dass MigrantInnen überdurchschnittlich oft entlassen werden…
- Studie: Zeitarbeit-Krise trifft Migranten besonders stark
„Die Zeitarbeitsbranche steckt laut einer Studie in einer Rezension – und entlässt. Überdurchschnittlich oft sind Migranten betroffen. Strukturelle Diskriminierung, ungleiche Löhne und verzerrte Debatten verschärfen ihre Lage zusätzlich.
Die Zeitarbeitsbranche leidet besonders stark unter der schwierigen Wirtschaftslage in Deutschland. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. „Die Industrie als einer der Hauptkunden der Zeitarbeit steckt im Krisenmodus und reduziert den Personalbestand. Das trifft die Personaldienstleister unmittelbar“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Zunächst werde bevorzugt externes Personal wie Leiharbeiter abgebaut, weniger die Stammbelegschaft. Die Branche gehöre deshalb zu den Verlierern der Rezession und stehe stark unter Druck.
Wie aus früheren Studien deutlich wird, trifft die aktuelle Entwicklung Menschen mit Einwanderungsgeschichte besonders stark. Rund 40 Prozent der Zeitarbeitnehmer haben in Deutschland eine Migrationsgeschichte, 2019 waren es noch rund 30 Prozent. Damit sind sie in dieser Branche deutlich stärker vertreten als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. (…)
Die wirtschaftlichen Einbrüche in der Zeitarbeitsbranche haben nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Folgen. Der Anstieg arbeitsloser Personen mit Migrationsgeschichte wird in der Statistik oft mit anderen Vorzeichen und Augen gelesen. Sozialverbände warnen, dass solche Zahlen in politischen Debatten oft verkürzt dargestellt werden und Vorurteile gegen vermeintlich „faule Ausländer“ befeuern. Dabei sind sie nicht „faul“, sondern in besonderem Maße von konjunkturellen Schwankungen und struktureller Benachteiligung betroffen… “ Meldung vom 23.10.2025 im Migazin
- Zeitarbeit unter Druck: Die Zeitarbeitsbranche gehört zu den Verlierern der Rezession in Deutschland.
Pressemeldung vom 21. Oktober 2025 bei Creditreform
zur aktuellen Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss
- Studie: Zeitarbeit-Krise trifft Migranten besonders stark
- Wenn der Arbeitsmarkt versagt, machen die Sklavenhändler aus Mist Gold: Zeitarbeit soll nun „Integrationsmotor“ sein
„Für Migranten und Bewerber ohne Berufsabschluss sind die Hürden auf dem Weg in Arbeit oft besonders hoch. Das gilt erst recht in der Corona-Krise. Der Anteil der Arbeitslosen in diesen Personengruppen ist laut amtlicher Statistik drei- bis viermal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Eine Branche aber erweist sich immer stärker als Beschäftigungsmotor für sie: die Zeitarbeit. Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten dort sind mittlerweile ausländische Staatsbürger, fast 30 Prozent sind Beschäftigte ohne Berufsabschluss. Und selbst im Krisenjahr 2020 sind diese Anteile weiter gewachsen. Das zeigen aktuelle Auswertungen des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP), die der F.A.Z. vorliegen. Der Anteil der Arbeitnehmer mit ausländischem Pass unter den Zeitarbeitskräften in Deutschland hat sich demnach von unter 20 Prozent im Jahr 2013 auf 42,2 Prozent im September 2020 mehr als verdoppelt. (…)Für den Zeitarbeitsverband sind sie ein klarer Beleg dafür, dass seine Branche eine bedeutsame Funktion als „Integrationsdienstleister“ wahrnehme. „Sie ermöglicht auch den Personen einen Zugang zur Arbeit, die es schwer haben, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, schreibt der BAP in seiner Analyse. Er wendet sich damit auch gegen die verbreitete Kritik an der Zeitarbeit als flexibler Beschäftigungsform…“ Aus dem Artikel „Zeitarbeit bringt viele Einwanderer in Arbeit. Mehr als 40 Prozent der Zeitarbeiter sind Ausländer“ von Dietrich Creutzburg vom 31.05.2021 in der FAZ online
- Flüchtlinge: Der Trend geht zur Leiharbeit – Immer mehr Geflüchtete arbeiten, aber Bürokratie und fehlende Qualifikation stehen häufig im Weg
„Die Beschäftigungsquote steigt, die Arbeitslosenquote sinkt: Auf den ersten Blick lassen die Zahlen zur Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen Gutes vermuten. Für den Herbst 2019 erfasst der Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine Beschäftigungsquote von 36,6 Prozent unter Personen aus Asylherkunftsländern. Im Vergleich zum Vorjahr stieg sie um knapp fünf Prozentpunkte. Parallel dazu sank die Arbeitslosenquote seit dem Hoch nach der Fluchtmigration von 2015 stetig und lag im Oktober 2019 bei 32,5 Prozent. Laut IAB stellt dies eine positive Entwicklung dar. Dennoch gibt es weiterhin Probleme bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Allein der Erhalt der Arbeitserlaubnis ist eine Hürde. Nur Personen, die einen positiven Asylbescheid haben, als Flüchtling anerkannt sind oder unter subsidiärem Schutz stehen, dürfen uneingeschränkt einer Tätigkeit nachgehen oder sich selbstständig machen. (…) Personen, die eine Aufenthaltsgestattung oder Duldung erhalten, dürfen lediglich nach Genehmigung durch die Ausländerbehörde und das Arbeitsamt arbeiten. Von den Mitte 2019 etwa 572 000 Personen in dieser Gruppe traf das auf knapp 79 000 Personen zu. (…) Die meisten derjenigen mit Arbeitserlaubnis sind in der Leiharbeitsbranche untergekommen. Im Jahr 2018 war es laut einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung rund ein Drittel. Auch im einfachen Dienstleistungsgewerbe und dem Gastgewerbe haben viele Arbeit gefunden. Doch laut Berlin-Institut seien diese Stellen nicht nachhaltig und gingen oft nicht über Helfertätigkeiten hinaus. (…) Besonders schlecht sehen die Beschäftigungszahlen bei geflüchteten Frauen aus. Die Erhebungen der Bundesagentur zeigen, dass im Juni 2019 Männer rund 87 Prozent der Erwerbstätigen aus Asylherkunftsländern ausmachten, während es bei den Frauen nur rund 13 Prozent waren. (…) Es ist eine Mischung aus persönlichen, rechtlichen und institutionellen Barrieren, die es für geflüchtete Menschen besonders schwer macht, im hiesigen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Noch dazu erschweren selbst Maßnahmen, die Integration erleichtern sollen, den Zugang… „ Beitrag von Valerie Eiseler vom 27. Januar 2020 bei der Frankfurter Rundschau online
- „Acht von zehn Migranten finden hier dauerhaft Arbeit“ [allerdings nur durch Leiharbeit bei „Social Bee“]
Die Betreiberin einer gemeinnützigen Zeitarbeitsfirma, Zarah Bruhn, lobt sich in einem Welt-Interview von Elke Bodderas vom 22. Juli 2019
mit den Worten: „… Unser Geschäftsmodell sieht ziemlich anders aus als das branchenübliche. Wir machen keinen Gewinn, es ist gemeinnützige Zeitarbeit. Bei uns haben Firmen keine Chance, die von uns mal eben eine Arbeitskraft für zwei oder drei Monate ausleihen wollen, um sie dann wieder auf die Straße zu setzen. Wir stellen Geflüchtete bei uns ein, versorgen sie mit einem regelmäßigen Gehalt, wir finanzieren ein einjähriges Integrationsprogramm mit Sprachkursen, Tickets, Qualifikationen und einem Integrationsmanager, der sich um ihre privaten und beruflichen Probleme kümmert. Die Unternehmen zahlen einen Stundensatz, von dem wir einerseits die Löhne finanzieren und den Rest in die Integration investieren. (…) Zu unseren Kunden gehören Dachser, Alnatura, Kärcher, Denns Biomarkt und auch Daimler. Allerdings sortieren wir auch Hunderte Firmen aus. Es gibt jede Menge Anfragen nach dem Motto, wir hätten gerne günstig jemanden für ein paar Wochen oder Monate. Aber wir denken an Firmen, die langfristig Mitarbeiter wollen, die ein Personalproblem haben, die keine guten Mitarbeiter finden und hier eine Chance sehen. (…) Acht von zehn Mitarbeitern, die mindestens drei Monate in einem Unternehmen waren, arbeiteten dort anschließend dauerhaft. Wir haben bis heute 180 Geflüchtete eingestellt, derzeit sind 100 in Unternehmen im Einsatz, 80 haben das Programm durchlaufen und wurden übernommen. Wir können jedem, für den wir eine Arbeitserlaubnis bekommen, einen Arbeitsplatz beschaffen. Auch wenn über den Asylantrag noch nicht entschieden wurde..“ Interessant ist diese „gemeinnützige“ Unternehmenstaktik schon: Auch ohne Asylgenehmigung günstige Arbeitskräfte und kostengünstige Probezeit. Siehe die Selbstdarstellung von „Social-Bee: Integration leicht gemacht“
München: „Integration durch gemeinnützige Zeitarbeit“
- Hoffnungen auf Integration durch Leiharbeit erfüllen sich für die meisten Flüchtlinge nicht
„Die Hoffnungen auf eine Integration der Flüchtlinge in den regulären Arbeitsmarkt haben sich für die meisten Leiharbeiter unter ihnen nicht erfüllt. Das berichtet die Düsseldorfer „Rheinische Post“ (Freitag) unter Berufung auf eine Auflistung der Bundesregierung auf Anfrage der Linken. 90 Tage nach dem Ende eines Leiharbeitsverhältnisses landen danach rund 80 Prozent aller syrischen, afghanischen und irakischen Staatsangehörigen nicht in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern in der Arbeitslosigkeit (54 Prozent), in geringfügiger Beschäftigung (knapp sechs Prozent) oder in neuer Leiharbeit (20 Prozent). Konkret schafften es im vergangenen Jahr von 9742 Leiharbeitern aus den Kriegsgebieten nur 2191 nach dem Ende ihrer Verträge in reguläre Jobs. Wie sich aus der Übersicht des Bundesarbeitsministeriums weiter ergibt, unterscheidet sich der Umgang mit Flüchtlingen als Leiharbeiter signifikant von dem mit ihren deutschen Kollegen. Bezogen auf alle beendeten Leiharbeitsverhältnisse werden bei Syrern, Afghanen und Irakern 83 Prozent bereits innerhalb von neun Monaten beendet, während es bei deutschen Staatsangehörigen nur 27 Prozent sind. Nach neun Monaten müssen Leiharbeiter vergleichbare Löhne zur Stammbelegschaft erhalten. Linken-Arbeitsmarktexpertin Jutta Krellmann bezeichnet es vor diesem Hintergrund als „zynisch“, Leiharbeit als Integrationsmotor anzupreisen. „Leiharbeit ist eine Sackgasse und kein Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt“, unterstrich die Politikerin.“ Meldung von Dirk Lauer vom 16. November 2018 bei Behoerdenstress.de
- Adecco: „Zeitarbeit eignet sich sehr gut, um Flüchtlinge zu integrieren“
Interview von Zacharias Zacharakis mit Alain Dehaze vom 26. April 2018 bei der Zeit online
in dem der Chef der weltgrößten Personalfirma Adecco u.a. erklärt: „… Wir wollen allen Menschen in den Arbeitsmarkt helfen – egal ob Deutscher oder Flüchtling. Wenn wir aber schon über Flüchtlinge reden: Wir wollen Deutschland dabei helfen, das Demografieproblem zu verringern und diese Menschen in Jobs zu bringen. Zeitarbeit eignet sich sehr gut, um sie zu integrieren, auch in ihr soziales Umfeld. (…) Meistens sind das allein aufgrund der geringen Sprachkenntnisse schon Stellen, die eine niedrige Qualifikation oder nur einfache technische Fähigkeiten erfordern. Das erleichtert den Einstieg erheblich. Das kann zum Beispiel in der Logistik oder in der Produktion sein. Aber auch im Bau und im Handel gibt es einen Personalmangel. (…) In Deutschland waren es zuletzt mehr als eintausend Flüchtlinge, die wir gemeinsam mit deutschen Firmen in den Arbeitsmarkt integrieren konnten…“
- Am häufigsten bieten Zeitarbeitsfirmen Geflüchteten Einstiegschancen
„Jede vierte Zeitarbeitsfirma hat im vierten Quartal 2016 schon Erfahrungen mit den Geflüchteten gesammelt, die seit 2014 nach Deutschland gekommen sind. Nach den Zeitarbeitsfirmen folgen die Bereiche „Gastgewerbe“ sowie „Erziehung und Unterricht“ mit jeweils knapp 16 Prozent und der Bereich „Metalle und Metallerzeugung“ mit gut 13 Prozent. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor…“ Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom 20. Juni 2017
und die IAB-Stellenerhebung: Geflüchtete kommen mehr und mehr am Arbeitsmarkt an. IAB-Kurzbericht 14/2017 