Arbeitsschutzkontrollgesetz: Fallen Werkverträge und Leiharbeit (leider nur) in der Fleischindustrie Corona zum Opfer?

Dossier

Protest gegen Fremdvergabe und Leiharbeit bei DC Bremen am 4.2.2014Corona in der Fleischindustrie – überraschend? Seit Jahren sind die üblen Lebens- und Arbeitsbedingungen der überwiegend osteuropäischen Beschäftigten bekannt. Es ist höchste Zeit, die Ausbeutung und Gefährdung der Arbeiter in der Branche zu beenden. Was braucht es dazu? Mehr Kontrollpersonal in den Behörden, Schluss mit Werkverträgen, die neuen Standards für Unterkünfte einhalten…“ – appelliert das #schlaglicht 19/2020 vom 14.05.2020 des DGB Niedersachsen externer Link (samt der Grafik „Entwicklung der FKS-Arbeitgeberprüfungen in der Fleischindustrie“) unter der Überschrift „Fleischindustrie & Corona: Die wahre Seuche heißt Ausbeutung – Werkverträge im Kerngeschäft verbieten“. Siehe hier speziell zu Leiharbeit und Werkverträgen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz externer Link für die Branche:

  • Hubertus Heil bestätigt das Ende der Leiharbeit in der Fleischindustrie: Bislang galten an Schlachthöfen noch Ausnahmen für LeiharbeiterInnen, am 1. April (!) laufen sie aus 
    „… Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat das Ende der verbliebenen Ausnahmeregelung über das Verbot der Leiharbeit in der Fleischindustrie angekündigt. Demnach wird eine bisher gültige Ausnahmeregelung etwa für kleine Betriebe zum 1. April wie geplant auslaufen. „Leiharbeit wird aus Schlachthöfen komplett verschwinden“, sagte Heil den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die vorige schwarz-rote Bundesregierung hatte zum 1. Januar 2021 Werkverträge in der Fleischindustrie verboten. Am 1. April desselben Jahres folgte ein Verbot der Leiharbeit in Betrieben der Schlachtung und Fleischverarbeitung. Eine auf drei Jahre befristete Ausnahmeregelung gilt bislang noch für Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten sowie bei Tarifverträgen „zur Abdeckung saisonaler Auftragsspitzen“ in der Fleischverarbeitung. Diese sollen nun auslaufen. (…) Zurückhaltend äußerte sich der Minister über Überlegungen, das Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen auf weitere Branchen auszuweiten. „Man muss in jeder Branche genau hingucken. Aber das ganz scharfe Schwert eines Verbots von Werkverträgen und Leiharbeit muss auch vor Gerichten bestehen können“, sagte Heil. Es sei wichtig, verhältnismäßige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen.“ Meldung vom 17. Februar 2024 in der Zeit online externer Link („Hubertus Heil bestätigt Ende der Leiharbeit in der Fleischindustrie“) – wo kämen wir den hin, wenn die nun angeblich vorbildlichen Arbeitsbedingungen in den Schlachtereien (siehe entgegengesetzte aktuelle Berichte hier unten) zum allgemeinen Verbot der Leiharbeit führen? Die NGG liefert nun einen Teil der Antwort:

    • Die Fleischindustrie ist in Bezug auf die Arbeitsbedingungen noch lange nicht das Schlaraffenland, das der Bundesarbeitsminister nach den Ende der Leiharbeit sieht New
      Adjan: „Die Fleischindustrie hat noch einen weiten Weg vor sich.“
      Die NGG begrüßt die Ankündigung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, die Sonderregelung für Leiharbeit in der Fleischverarbeitung auslaufen zu lassen. „Die geringe Nachfrage in den letzten drei Jahren hat gezeigt, dass die Branche auch ohne Leiharbeit auskommt. Für eine Verlängerung der Ausnahmeregelung sehen wir keine Grundlage.“, erklärt Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Fleischindustrie ist in Bezug auf die Arbeitsbedingungen noch lange nicht auf dem Niveau anderer Industriebranchen in Deutschland. Die Gewerkschaft NGG möchte deswegen mit dem Arbeitgeberverband einen neuen, allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für die Fleischbranche abschließen. Dazu Adjan: „Wir erwarten von der Arbeitgeberseite in den nächsten Monaten ernsthafte Schritte.“ Zudem müsse die Kontrolle der vorhandenen Gesetze verstärkt werden. „Es gibt immer noch nicht ausreichend Kontrollpersonal, das auch tatsächlich vor Ort in den Betrieben die Einhaltung der Vorgaben zu Arbeitszeit und Arbeitsschutz prüft.“, kritisiert Adjan.
      Die kürzlich durch das Bundesarbeitsministerium veröffentlichte Evaluation des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft externer Link (GSA Fleisch) bewertet der Gewerkschafter überwiegend positiv: „Die Unternehmen können sich aus ihrer Verantwortung für die Beschäftigten nicht mehr herausreden, indem sie auf Werkverträge mit Subunternehmen und auf Leiharbeit verweisen. Das ist gut so. Wir haben gesagt, dass dem Missbrauch in der Branche nur durch einen harten Einschnitt mit einem Verbot von Werkvertrag und Leiharbeit beizukommen ist. Die Evaluation zeigt, dass wir damit richtig lagen.“
      Am 28. Februar wird Inge Bultschnieder mit dem Bundesverdienstkreuz für ihren Einsatz für die Beschäftigten des größten Schlachthof Europas, Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, geehrt. Fast ein ganzes Jahrzehnt hat sie dafür gekämpft, dass Missbrauch und Ausbeutung durch Werkverträge verboten werden. Dazu Freddy Adjan: „Ohne die Arbeit von Menschen wie Inge Bultschnieder, wäre ein Wandel in der Branche nicht denkbar gewesen gewesen. Wir gratulieren ihr herzlich zu dieser verdienten Ehrung.“ NGG-Pressemitteilung vom 28. Februar 2024 externer Link
  • Ausbeutung in der Fleischindustrie: Dann lieber zu Amazon
    „Drei Jahre nachdem ein Gesetz die Verhältnisse in der Fleischindustrie ändern sollte, gibt es viele der Probleme heute noch. Wie kann das sein? Die Worte, die Hubertus Heil am 16. Dezember 2020 wählte, waren groß. Der damalige und heutige Arbeitsminister begann seine Rede im Bundestag mit dem ersten Satz des Grundgesetzes, der sagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Und er schloss sie mit einem Versprechen: „Wir räumen gründlich auf in der Fleischindustrie, weil es um die Menschenwürde von Beschäftigten geht.“ Knapp eine Woche später wurde das Gesetz, für das der Sozialdemokrat hier um Zustimmung warb, beschlossen. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das endlich Schluss machen sollte mit den Verhältnissen in der deutschen Fleischindustrie, ist jetzt seit drei Jahren in Kraft. Ende November 2023 sitzt Daria Georgescu auf ihrer Bettkante, weil sie dem Besuch alle Stühle in ihrer Wohnung angeboten hat. Sie erzählt von dem Job, den sie den schlimmsten ihres Lebens nennt: Als Produktionshelferin bei Heidemark, einem Putenschlachtbetrieb, im niedersächsischen Ahlhorn. (…) Ein knappes halbes Jahr hat Georgescu bei Heidemark gearbeitet, nachdem das Arbeitsschutzkontrollgesetz bereits in Kraft getreten war. Dann wurde ihr gekündigt, kurz vor Ablauf der Probezeit, nachdem sie zum zweiten Mal eine Krankschreibung eingereicht hatte. Krankgeschrieben war sie wegen starker Rückenschmerzen vom Heben der schweren, mit Fleisch gefüllten Wannen. Ihre erste Krankschreibung bekam sie, als sie während der Arbeit ausgerutscht war und sich in den Oberschenkel geschnitten hatte, so steht es im Arztbericht. „Ich wurde angeschrien, dass ich schneller machen soll, dann ist mir das passiert“, sagt sie. Die taz hat neben Georgescu mit fünf weiteren Menschen gesprochen, die bei Heidemark und zwei weiteren Betrieben in der Region arbeiten oder bis vor Kurzem gearbeitet haben, und konnte Arbeitsverträge, Kündigungsschreiben und medizinische Dokumente einsehen. Dazu hat die taz Daten aus allen 16 Bundesländern abgefragt, die zeigen, wie häufig der Arbeitsschutz in den Betrieben kontrolliert wird. (…) Die Recherche zeigt: Nach wie vor werden in der Fleischindustrie Menschen auf eine Weise beschäftigt, bei der sie körperlich und psychisch kaputtgehen. Die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften wird kaum überprüft, und die wenigsten Beschäftigten halten den Job lange durch. Ein System, das nur funktioniert, weil immer neue Arbeitskräfte nachkommen, vor allem aus Rumänien und Bulgarien, aber auch aus anderen Ländern. Ein System, das trotz des neuen Gesetzes, das diese Menschen doch endlich schützen sollte, weiter zu bestehen scheint. Wie kann das sein? (…) Das Ergebnis: Im Schnitt wurden lediglich 0,8 Prozent der Betriebe kontrolliert. Bis auf Sachsen-Anhalt, das auf eine Quote von 3 Prozent kommt, gibt es kein Bundesland, in dem mehr als 2 Prozent der Betriebe kontrolliert wurden, beim Schlusslicht Baden-Württemberg waren es gerade einmal 0,3 Prozent. Doch obwohl die Zahlen zeigen, dass die Länder die Kontrollquoten bisher kaum oder gar nicht steigern konnten, lehnt es die Bundesregierung ab, hier tätig zu werden. (…) Klar ist jedenfalls: Die Fleischindustrie muss zunehmend mit anderen Branchen um Arbeitskräfte konkurrieren. Das gilt auch für Heidemark. In Ahlhorn hat im Sommer 2023 ein Amazon-Logistikzentrum eröffnet, 1.000 Menschen sollen hier arbeiten. „Alle, die ein bisschen Deutsch oder Englisch können, versuchen von Heidemark dorthin zu wechseln“, sagt Daria Georgescu. Auch sie möchte sich bewerben. Schließlich seien dort die Hallen wenigstens nicht so kalt, außerdem gebe es einen etwas höheren Stundenlohn. Amazon als Wunsch-Arbeitgeber: Diese bittere Pointe zeigt vielleicht am besten, wie es um die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie drei Jahre nach Einführung des Gesetzes, das den Beschäftigten die Menschenwürde zurückbringen sollte, bestellt ist.“ Artikel von Marlene Gürgen vom 24. Januar 2024 in der taz online externer Link
  • Fremdpersonalverbot in der Fleischwirtschaft auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts: Auch ein Verbot der Leiharbeit zur Zielerreichung geboten! 
    „Der dringende Handlungsbedarf angesichts der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie war schon seit mehreren Jahren Thema. Die erschreckenden Zustände, offensichtlich unzureichender Arbeitsschutz und die verheerenden gesundheitlichen Folgen für die zu einem großen Teil migrantischen Beschäftigten rückten während der Corona-Pandemie jedoch stärker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Wiederholte Verstöße gegen geltendes Arbeitsschutzrecht in großem Ausmaß sind empirisch belegt. Die Politik hat im Jahr 2020 mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz und konzentrierten Kontrollen in Betrieben der Branche reagiert. Mit dem Herzstück der Neuregelung ist die Fremdvergabe von Arbeiten in der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung in Form von Werkverträgen untersagt und der Einsatz von Leiharbeit erheblich eingeschränkt worden. Die von betroffenen Unternehmen gegen das Arbeitsschutzkontrollgesetz eingelegten Verfassungsbeschwerden sind vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden. Mit den höchstrichterlich somit nicht beantworteten materiell-rechtlichen Fragen befasst sich das vorliegende Gutachten, das vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Auftrag gegeben wurde.
    Prof. Dr. Wolfram Cremer, Ruhr-Universität Bochum, und Prof. Dr. Olaf Deinert, Georg-August-Universität Göttingen, untersuchen im vorliegenden Band insbesondere, inwiefern dieses Verbot des Fremdpersonaleinsatzes in der Fleischwirtschaft mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist. Im Zentrum der Untersuchung steht dabei die Berufsfreiheit der Werkvertragsunternehmen bzw. der Verleihunternehmen auf der einen und die Verantwortung für Leben, Gesundheit und soziale Rechte von Beschäftigten auf der anderen Seite.“
    Hinweis der Hans-Böckler-Stiftung vom Juli 2023 auf die Untersuchung von Wolfram Cremer und Olaf Deinert externer Link zur kostenlosen PDF-Ausgabe der Studie externer Link (81 Seiten)

    • Das Fazit lautet:“§ 6a Abs. 2 und 3 GSA Fleisch in der seit dem 1. April 2021 geltenden Fassung ist mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Insoweit wurde insbesondere gezeigt, dass das in der Norm verankerte Fremdpersonalverbot sich auf eine Vielzahl von legitimen Rechtfertigungsgründen stützen kann und dem Gesetzgeber namentlich bei der Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung nicht zuletzt im grundrechtlichen Kontext eine weitgehende Einschätzungsprärogative zusteht. Diese weite Einschätzungsprärogative ist sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachweisbar, als auch im Lichte der demokratieprinzipbasierten Verfasstheit unseres Staatswesens unabweisbar. Bzgl. der Rechtfertigung eines umfassenden Fremdpersonalverbots wurde vor allem im Kontext der Erforderlichkeitsprüfung verdeutlicht, dass ein bloßes Werkvertragsverbot zur Zielerreichung nicht ausreicht, sondern wegen des notwendigen Gleichlaufs von Verantwortung und Verantwortlichkeit zur Vermeidung von Umgehungen zudem ein Verbot der Leiharbeit zur Zielerreichung angezeigt ist.“
  • Weiterhin Streit um Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen 
    „Werkverträge in der Fleischindustrie sind mittlerweile zwar verboten. Doch das alte Abhängigkeitsverhältnis bestehe fort, kritisiert die Gewerkschaft NGG. Die Arbeiter müssten unbezahlte Mehrarbeit leisten. (…) Florian Kossen ist Hausarzt in Goldenstedt (Landkreis Vechta). Unter seinen Patienten seien täglich 15 bis 20 Mitarbeiter der umliegenden Schlachthöfe, sagt er. Die meisten von ihnen seien Bulgaren, ein paar Rumänen. Manche erzählten ihm von elf oder zwölf Stunden langen Arbeitstagen. Diese Mehrarbeit werde nicht bezahlt, sodass der Mindestlohn in der Realität unterlaufen werde. „Das mag nicht die Regel sein, ist aber sicherlich keine Ausnahme.“ Vom Verbot der Werkverträge bemerke er in seiner Praxis wenig, so Kossen. (…) Ein bekannter Kritikpunkt zu Zeiten der alten Werkverträge waren die teils prekären Wohnverhältnisse der Arbeiter in Werksunterkünften. In Goldenstedt habe sich bei den Unterkünften vieles zum Positiven gewandelt, meint der Hausarzt. Höre er Patienten aus Nachbarorten zu, frage er sich allerdings, ob dort die Wohnungen nicht überbelegt seien. Zudem berichteten ihm Mitarbeitende immer wieder von einem harschen Ton in den Schlachthöfen. Sie würden angetrieben, Fließbänder einfach beschleunigt. Kossen ist sich sicher: „Von arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsbedingungen kann man auf keinen Fall reden.“ (…) Hier setzt die Kritik von Sebastian Zöppel an, Sekretär der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Osnabrück. Die früheren Werkvertrags-Subunternehmer seien heute als Vorarbeiter in die Schlachthöfe eingegliedert. Sie würden ihre Untergebenen einschüchtern und damit drohen, ihnen das Wohnverhältnis zu kündigen. Denn die Wohnungen seien vielfach an die Arbeitsverträge gebunden. So erpressten die Unternehmen unbezahlte Überstunden. Die Gewerkschaft berät Arbeitnehmer bei Problemen. Im vergangenen Jahr habe sie 49 Verfahren in der Region Osnabrück geführt. Damit sei die Fleischindustrie im Vergleich mit anderen Branchen Spitzenreiter. Und das, obwohl den Mitarbeitenden teils eingebläut werde, nicht mit der Gewerkschaft zu sprechen. (…) Der NDR hat mehrmals versucht, mit Mitarbeitern der Branche zu sprechen. Erfolglos. Einer schrieb sinngemäß: Es gebe Probleme, aber er wolle seinem Arbeitgeber nicht schaden.“ Beitrag von Göran Ladewig vom 23. Mai 2023 beim NDR online externer Link Audio Datei mit 4-minutigen Audiobeitrag
  • Fleischindustrie: Wie Leiharbeiter weiter ausgebeutet werden – über Personalvermittler osteuropäischer ArbeitsmigrantInnen in den Niederlanden 
    Nach Recherchen von Report Mainz hat sich entlang der Grenze zu den Niederlanden ein neues System der Leiharbeiter-Ausbeutung etabliert. Betroffen sind zumeist aus Osteuropa stammende Arbeitsmigranten.
    Unwürdige Wohnbedingungen und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse – Probleme, die in Deutschland seit der Einführung des Verbots von Werksverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie 2021 beendet zu sein schienen. Entlang der Grenze zu den Niederlanden hat sich jedoch ein neues System der Ausbeutung etabliert. Personalvermittler aus dem Ausland haben in nordrhein-westfälischen Städten in großem Stil Immobilien aufgekauft und angemietet. Dort bringen sie die Arbeiter unter. Diese arbeiten jedoch nicht in Deutschland, sondern in der Fleischbranche in den Niederlanden.
    Schlupflöcher im Rechtssystem
    Die Leiharbeiter sind dort für die Personalvermittler tätig. Obwohl die Leiharbeiter in Deutschland leben, greift das hierzulande geltende Verbot der Leiharbeit in der Fleischbranche daher nicht. Durch die Unterbringung in Deutschland wiederum können sich die Personalvermittler den scharfen Kontrollen des niederländischen Arbeitsschutzes entziehen. Die Folge: desolate Wohnzustände mit horrenden Mieten und willkürliche Rauswürfe. „Nach unserer Beobachtung machen die Leiharbeitsfirmen das meiste Geld mit den Unterkünften und dem Transport“, sagt Pagonis Pagonakis vom Projekt „Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten“ des DGB. „Die Arbeiter zahlen im Schnitt 350 bis 400 Euro für eine Matratze oder Pritsche. Dann werden ihnen noch mal 50 Euro Transportkosten für die Fahrt zu den Betrieben abgezogen. Auf diese Weise machen die Leiharbeitsfirmen einen riesigen Profit.“
    Arbeiter sind den Leiharbeitsfirmen ausgeliefert
    Report Mainz liegen niederländische Arbeitsverträge vor, denen zufolge Miete und Transportkosten direkt vom Lohn abgezogen werden. Weitere Recherchen zeigen, dass die Leiharbeiter oft keine schriftlichen Mietverträge haben. Sascha Ruelfs von der grenznahen Hilfsorganisation „Goch hilft“ erzählt, dass es in der Region immer wieder obdachlose Leiharbeiter gäbe, da der Arbeitsplatzverlust den sofortigen Rauswurf aus der Unterkunft nach sich ziehen würde. Die Arbeiter würden meist ihre Rechte nicht kennen, seien massiv eingeschüchtert und hätten teilweise „Todesangst“, erzählt er. (…) Rechtsanwalt Klaus Körner vom Verein „Würde und Gerechtigkeit“ berät Leiharbeiter ehrenamtlich: „Wir haben hier die strafrechtliche Grenze des Mietwuchers. Strafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.“ Doch zu Gerichtsverfahren komme es meist nicht, weil die Arbeiter keine Anzeige erstatten würden: „Die Menschen werden davon abgehalten, notfalls mit Gewalt.“ Der Kampf gegen die Ausbeutung von Leiharbeitern in der Fleischbranche steht im Jahr 2023 also vor neuen, grenzüberschreitenden Herausforderungen.“ Beitrag von Claudia Kaffanke und Brenda Weinel, SWR, vom 18.04.2023 in tagesschau.de externer Link, siehe dazu das Video des Beitrags „Ausgebeutete Leiharbeiter: Wohnen in Deutschland, arbeiten in den Niederlanden“ externer Link in der Sendung Report Mainz vom 18.4.2023
  • Horror-Arbeit in der Fleischindustrie: Eine alternative Bilanz 
    „… Jahrzehntelang hat sich die Republik über die miesen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie empört, so mancher hat da sogar Ausbeutung mitten in der sozialen deutschen Marktwirtschaft entdeckt. (…) An ebendieser Front gibt es seit Januar 2021 einschneidende Veränderungen: Mit demonstrativer Entschlossenheit hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sein Arbeitsschutzkontrollgesetz gegen alle Widerstände durchgesetzt, um mit den Missständen in der Branche gründlich aufzuräumen. Werkverträge und Leiharbeit werden für das Kerngeschäft der Fleischfabrikanten verboten. Die bisher bei Subunternehmern angestellten Arbeitskräfte sind ohne Ausnahme in Stammbelegschaften zu integrieren, die Arbeitszeiten elektronisch zu erfassen und bei der Einrichtung von Massenunterkünften sind Mindeststandards einzuhalten. Das Gesetz zeigt Wirkung (…) Die Arbeiter haben jetzt Anspruch auf respektable Behandlung als selbstbestimmte Personen mit unveräußerlichen Rechten, die sich einen herabwürdigenden Umgangston nicht gefallen lassen müssen, ebenso wenig wie Einschüchterungen der Art, ihnen bei Minderleistung mal eben die Bezüge zu kürzen oder sie umstandslos zurück in die Heimat zu schicken. Das ändert freilich nichts daran, dass ihr selbstbestimmter Wille in ihren neuen Arbeitsverträgen auf die Erledigung der vom Arbeitgeber definierten Leistungsanforderungen innerhalb der festgelegten und nun sogar festgehaltenen Arbeitszeiten verpflichtet wird. Die zunehmend höflichere Erinnerung an diese Pflicht sowie die arbeitsrechtlich zulässigen Sanktionen im Falle der Nichterfüllung durch die übergeordneten Kollegen fallen eindeutig nicht unter den Tatbestand der Erpressung. Die intensive Arbeit mit gefährlichem Gerät ist und bleibt eine Quelle von Arbeitsunfällen. Aber auch was das angeht, gibt es mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz Fortschritte zu vermelden (…) Mit den gezahlten Löhnen lässt sich in Deutschland kein auskömmliches Leben führen, die Arbeitsanforderungen sind nicht auszuhalten und diese Arbeit wird mehrheitlich auch nicht ausgehalten – nach drei Monaten sind 50 Prozent der Leute wieder weg. Genau diese Arbeit wird von den Fleischkonzernen aber für ihre kontinuierliche Produktion beständig eingeplant und nachgefragt. Ein Widerspruch, der in Zeiten der Subunternehmen glücklich dadurch bewältigt wurde, dass dieser kontinuierliche Nachschub an frischen Arbeitskräften aus dem europäischen Osten rekrutiert haben. (…) So entsteht aus dem ehemals der Menschenschieberei verdächtigen internen Rekrutierungsprozess der Subunternehmen eine mehr oder minder seriöse marktwirtschaftliche Dienstleistung namens „Vermittlung“. Und die hat sogar Expansionspotential: Wo die Grundlage dieses Geschäftsmodells Vermittlung prekär zu werden droht, weil das Armutsgefälle zu Bulgarien und Rumänien nämlich nicht mehr hinreichend groß ist, nehmen die Dienstleister Moldau und andere schöne Länder in den Blick und erweitern ihr Know-how auf das Arbeitsrecht für Drittstaatler. (…) Unverändert bleibt es schließlich dabei, dass hier das Arbeitsinventar der Betriebe nicht wohnt, sondern unterkommt, dass das Leben der Leute jenseits der Arbeit vollständig durch die Arbeit in den Schlachtfabriken definiert und deswegen unmittelbar darauf zugerichtet ist, die Zeit bis zum Beginn der nächsten Schicht zu überbrücken. Auch bei der geschäftlichen Ausnutzung dieses furchtbaren Bedarfs geht es nun nach Recht und Gesetz zu.“ Beitrag von Peter Decker vom 4. Dezember 2022 in Telepolis externer Link
  • Menschenrechtler Peter Kossen: Großfleischereien zocken Arbeitsmigranten weiter ab. Dafür nutzten Fleischbetriebe gesetzliche Schlupflöcher
    „Der Menschenrechtler Peter Kossen sieht knapp zwei Jahre nach Einführung strenger gesetzlicher Regeln für die Fleischindustrie wenig Verbesserung in der Branche. „Das Arbeitsschutzkontrollgesetz hat nicht erkennbar zu einer veränderten Haltung gegenüber den Menschen geführt, die in der Fleischindustrie schwerste Arbeiten verrichten“, sagte Kossen dem „Evangelischen Pressedienst“. Die Unternehmen täten nur das, wozu das Gesetz sie zwinge, kritisierte er: „Das bedeutet: Festanstellung der Arbeitenden nur in Schlachtung und Zerlegung und sporadische Beseitigung der erbärmlichsten Wohnmängel, wenn die Öffentlichkeit hinschaut.“ (…) Laut Kossen ist die Dichte der großen deutschen Fleischbetriebe in Ostwestfalen, im Münsterland und im Oldenburger Land besonders hoch. Sie nutzten gesetzliche Schlupflöcher, um Arbeitsmigrantinnen und -migranten weiterhin „abzuzocken“. „In der Weiterverarbeitung ist Leiharbeit erlaubt bis zu einem Anteil von acht Prozent und mit einem bestehenden Tarifvertrag“, sagt der Menschenrechtler. In der Würstchen-Herstellung habe das zu großangelegten Umgehungsversuchen geführt. „Manche Würstchen-Hersteller behaupten, dass sie kein Fleisch weiterverarbeiten“, berichtete Kossen, Mitautor des neuen Buches „Ist das System Tönnies passé?“. Die gesetzlich festgeschriebenen Kontrollen hält er für wenig effektiv. So habe sich auch an der Wohnsituation der Arbeitsmigranten nichts verbessert. Da Menschen ohne Deutschkenntnisse und wenig Geld auf dem engen Wohnungsmarkt keine Chance hätten, sei die vom deutschen Arbeitgeber vermittelte „Bruchbude mit Wuchermiete oft das einzige ‚Angebot‘, das sie bekommen“, beklagte der Menschenrechtler, der mit seinem gemeinnützigen Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ seit vielen Jahren Arbeitsmigranten rechtlichen Beistand leistet.“ Beitrag von Katrin Nordwald vom 23. November 2022 im MiGAZIN externer Link
  • Verfassungsbeschwerden der Fleischindustrie gegen das Fremdpersonalverbot in der Fleischindustrie gescheitert – aber nur aus formalen Gründen, was Armin Kammrad für uns kommentiert
    • BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen das Fremdpersonalverbot in der Fleischindustrie
      „Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerden eines Unternehmens der Wurstherstellung und mehrerer Zeitarbeitsunternehmen nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen das Verbot, in der Fleischwirtschaft Personal als Werkvertragsbeschäftigte oder in Leiharbeit einzusetzen. Die Beschwerdeführenden sehen sich in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt; das Unternehmen der Wurstherstellung rügt zudem eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung mit anderen Branchen. Die Begründung der Verfassungsbeschwerden genügt den gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht; sie sind daher unzulässig. (…) Mit der Vorschrift des § 6a Abs. 2 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) verbietet der Gesetzgeber Betrieben der Fleischwirtschaft seit dem 1. Januar 2021, die Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung durch Selbstständige erledigen zu lassen, also mit Hilfe der bisher in weitem Umfang eingesetzten Werkvertragsunternehmen. Die Arbeiten dürfen aufgrund des „Fremdpersonalverbots“ nur noch durch eigenes Personal ausgeführt werden. Seit dem 1. April 2021 wird mit § 6a Abs.3 GSA Fleisch zudem die Leiharbeit in diesen Bereichen der Fleischwirtschaft eingeschränkt und ab dem 1. April 2024 gänzlich untersagt. Für den Fall des Verstoßes sind Bußgelder vorgesehen. (…) Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig, denn sie genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Begründung. 1. Eine zulässige Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass die Möglichkeit der unmittelbaren und gegenwärtigen Betroffenheit in eigenen Rechten so konkret dargelegt wird, wie es § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) vorgeben. Daran fehlt es hier. (…) 2. Auch die Rüge, in eigenen Rechten verletzt zu sein, weil eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vorliege, ist nicht den prozessrechtlichen Anforderungen entsprechend substantiiert. Dazu gehört es, sich nicht nur mit maßgeblichen Vergleichssachverhalten, sondern auch mit naheliegenden Argumenten zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung auseinanderzusetzen. Das beschwerdeführende Unternehmen der Wurstherstellung vergleicht sich zwar mit der Baubranche, Logistikzentren und der Landwirtschaft. Es befasst sich aber nicht damit, inwiefern die Arbeitsbedingungen sowie der Anteil und Einsatz von Fremdpersonal mit dem Kerngeschäft der Fleischindustrie vergleichbar seien, auf die der Gesetzgeber abgestellt hat.“ Aus der BVerfG-Pressemitteilung Nr. 64/2022 vom 20. Juli 2022 zum Kammer-Beschluss 1 BvR 2888/20 u.a. vom 1. Juni 2022 externer Link
    • Kurzkommentar von Armin Kammrad
      Leider wird in der Presse der Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats meist stark verkürzt, bzw. nicht ganz korrekt wiedergegeben. So handelt es sich hier nur um eine Kammer-Entscheidung, die nicht aus inhaltlichen, sondern ausschließlich aus formalen Gründen, die Beschwerden abschlägig entschied. Das ist unschön – auch für diejenigen, die eine höchstrichterliche Ablehnung durch den Senat (statt nur einer Kammer), begrüßen würden. So könnte primär nun darüber gestritten werden, ob die Beschwerdeanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG wirklich nicht erfüllt wurden. Wie sich aus der BVerfG-PM Pkt.2 ergibt, verlangt die Kammer eine Auseinandersetzung mit den möglichen Gründen einer Abweichung vom Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung, also etwas, was in den gesetzlichen Zulassungsvorgaben gar nicht enthalten ist. Ohne es auszusprechen, argumentiert die Kammer jedoch inhaltlich, wenn sie den gesetzlich beschränkten Einsatz von Leiharbeitskräften in der Fleischindustrie von dem in der Baubranche, Logistikzentren und der Landwirtschaft unterscheidet (vgl. oben). Denn so wird ein Unterschied unterstellt, der für die in diesen Bereichen eingesetzten Leiharbeiter*innen u.U. gar keine Rolle spielt. Warum soll z.B. in der Landwirtschaft Leiharbeit weniger ausbeuterisch sein als in der Fleischindustrie? Es lässt sich in sofern durchaus die Frage stellen, ob hier die Kammer wirklich ausreichende Gründe vorbringt, dass sie den gesetzlich verankerten Zwang nach § 93a Abs. 2 BVerfGG, der in klaren Worten eine Senatsentscheidung bei einer Beschwerde immer dann vorschreibt, „soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt“, genügt. Und was ist, wenn die Beschwerdeführenden, das formal Fehlende nachliefern? Wie auch immer… Als Fazit lässt sich feststellen, dass die derzeit verbreitete Unsitte bei Kammerbeschlüssen des höchsten deutschen Gericht, sich vor wichtige verfassungsrechtlichen Entscheidungen durch den Verweis auf formale Defizite zu drücken, in diesem Fall schon sehr, sehr ausgeprägt und schon deshalb nicht zu übersehen ist, weil er auch in der Begründung der einzig interessante Inhalt ist. Man könnte deshalb auch sagen: Aus irgendwelchen unausgesprochenen Gründen, wollte man/frau schlichtweg lieber nicht inhaltlich entscheiden – und so niemanden zu sehr auf die Füße treten.“ Kommentar von Armin Kammrad vom 21. Juli 2022 – wir danken!
  • Ein wirksamer Schritt. Ein Jahr Arbeitsschutzkontrollgesetz in der Fleischindustrie – eine erste Bilanz von Faire Mobilität 
    „… Die vorliegende Broschüre beschäftigt sich mit der Frage, ob und wie das Arbeitsschutzkontrollgesetz Wirkung zeigt. Dazu haben wir verschiedene Akteure befragt und ihnen Raum gegeben, ihre Eindrücke und Erfahrungen mitzuteilen. Zudem haben wir Informationen zusammengetragen und bewertet, die uns über die jahrelange Beratungsarbeit in der Branche zugänglich sind. Im ersten Kapitel bewerten wir die aktuell wahrnehmbaren Veränderungsprozesse und setzen sie in Bezug zu den Erfahrungen, die wir in den vergangenen Jahren in der Beratungsarbeit gemacht haben. Das zweite Kapitel besteht aus einem Interview mit drei Campaigner*innen von Faire Mobilität, die zwischen September 2020 und Dezember 2021 an ca. 300 Aktionen vor den Toren fleischverarbeitender Betriebe beteiligt waren und dabei mehrere Tausend Gespräche mit Beschäftigten geführt haben. Das dritte Kapitel bildet ein Interview mit einer Betriebsrätin in einem fleischverarbeitenden Betrieb. Sie schildert die Auswirkungen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes auf ihrer Arbeit und geht dabei insbesondere auf Veränderungen im Umgang mit Arbeitsunfällen ein. Das abschließende vierte Kapitel basiert auf einer Fallsammlung, die auf Grundlage der Auswertung von Hunderten von Fällen aus der Beratungsarbeit von Faire Mobilität erstellt wurde. Anhand von exemplarischen Fällen wird der Frage nachgegangen, welche Veränderungen bei den Lebens- und Arbeitsverhältnissen der Beschäftigten in der Fleischindustrie zu beobachten sind und welche davon auf das Arbeitsschutzkontrollgesetz zurückgeführt werden können.“ Aus dem Vorwort der Broschüre von Faire Mobilität vom 27.04.2022 externer Link
  • Fleischindustrie: „Knüppelharte Bedingungen“ 
    Im Interview von Claus-Jürgen Göpfert vom 5. Dezember 2021 in der Frankfurter Rundschau online externer Link spricht der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, Freddy Adjan „über die Arbeit in der Fleischindustrie, Verbesserungen durch die neue Gesetzeslage und warum es mehr staatliche Kontrolle braucht. (…) Wir haben in unserem Kampf für bessere Bedingungen nur einen ersten Schritt gemacht. Es war die Corona-Pandemie, die auf die schlechten Arbeitsverhältnisse aufmerksam gemacht hat. Es gab reihenweise große fleischverarbeitende Betriebe, bei denen viele Corona-Fälle auftraten. Das kam dadurch, dass die Firmen keinerlei Schutzmaßnahmen ergriffen hatten. Und in der Fleischverarbeitung steht man nun mal eng nebeneinander am Band und arbeitet im Akkord. Man hat dann sogar noch versucht, den Beschäftigten die Schuld in die Schuhe zu schieben und hat behauptet, die Belegschaft habe das Corona-Virus vom Urlaub zu Hause in Polen oder Rumänien mitgebracht. (…) Das Gesetz verbietet Werkverträge und außerdem Leiharbeit beim Schlachten und Zerlegen von Fleisch. In den Betrieben sind die Arbeitsbedingungen im Wesentlichen die gleichen geblieben. Ob die Unterkünfte, in denen die Beschäftigten leben, wirklich besser werden, muss man abwarten. Die Unternehmen nehmen Geld in die Hand, um etwas zu tun. Aber ganz entscheidend sind die Kontrollen der Arbeits- und Wohnbedingungen durch die Behörden. (…) Es wird hundsmiserabel verdient. Der Durchschnittslohn beim Schlachten liegt bei zehn Euro pro Stunde brutto, da bleibt netto nicht viel übrig. Außerdem fällt Miete für die Unterkunft an und eine Gebühr für die Shuttle-Busse, mit denen sie zur Arbeit gebracht werden und wieder zurück. Wir haben jetzt einen Tarifvertrag erkämpft, der am 1. Januar in Kraft treten soll. Danach würde der Mindestlohn dann bei elf Euro in der Stunde liegen. (…) Deutschland bot bisher die billigste Möglichkeit, Tiere zu schlachten und zu zerlegen. Deshalb wurden Tiere durch halb Europa hierher gekarrt. Jetzt wird das hoffentlich besser werden, weil das Lohngefälle nicht mehr so groß ist…“
  • Ausbeutung in der Fleischindustrie: „Diesen Job würde kein Deutscher machen“ 
    „… Deutschland ist der fünftgrößte Geflügelproduzent in Europa. 2019 wurden hierzulande 703,8 Millionen Hühner, Puten und Enten geschlachtet. Allein bei Gräfendorfer, einem Teil der Firmengruppe Sprehe mit Sitz in Niedersachsen, verarbeitete man 2018 100.699 Tonnen Masthähnchen und machte 2019 mehr als 150 Millionen Euro Umsatz. Diese Form der Produktion geht jedoch nicht nur auf Kosten der Tiere, sondern auch auf die der Beschäftigten. Rund 600 Beschäftigte zählt der Betrieb. Ein Großteil von ihnen kommt aus Bulgarien, Rumänien oder der Slowakei, viele von ihnen sind Rom:nja. Fragt man die Menschen aus der Region, warum bei Gräfendorfer so viele ausländische Beschäftigte arbeiten, sagen alle: Dies ist ein Job, den kein Deutscher machen würde. (…) Wer mehr darüber erfahren möchte, muss den etwas verrufenen Stadtteil Torgau Nordwest besuchen. Seit Jahren gibt es hier Streit, vor allem um zwei Plattenbauten. In den heruntergekommenen Gebäuden, in denen nicht mal mehr die Klingelanlagen funktionieren, leben viele osteuropäische Fleischarbeiter:innen auf engstem Raum. 2018 sagte der damals amtierende Bürgermeister Matthias Grimm-Over, dass es vor allem die „Arbeitsnomaden“ seien, die für die „Zustände“ in Nordwest sorgen – und meinte damit die angebliche Müll- und Lärmbelästigung sowie Kriminalität. 2020 bezeichnete der CDU-Stadtrat Edwin Bendrin die Menschen dort gar als „Abschaum“. (…) Nur ein einziger ihrer Klient:innen will mit der taz sprechen. Der Rom Damian Kolozova ist 27 Jahre alt und heißt eigentlich anders, will aus Angst vor Konsequenzen aber anonym bleiben. (…) Er fing im Dezember 2020 bei Gräfendorfer an. (…) Nach nur einem knappen halben Jahr war er wieder arbeitslos. Im Juni 2021 wurde ihm außerordentlich und fristlos gekündigt. (…) Gräfendorfer wirft ihm vor, unentschuldigt gefehlt zu haben. Kolozova hingegen sagt, er sei krank gewesen und habe dies seinem Arbeitgeber auch per Telefon mitgeteilt. (…) Als er nach zwei Tagen mit Fieber wieder zur Arbeit gekommen sei, berichtet Kolozova, bat er darum, erneut zum Arzt gehen zu dürfen. Sein Chef soll gesagt haben: „Wenn du jetzt wieder nach Hause gehst, brauchst du nicht wiederkommen.“ (…) Viel verdient hat er indes nicht: Der Stundenlohn liegt bei 8,75 Euro plus einer Schichtprämie von 10 Cent pro Stunde. Im Mai kam er so auf insgesamt 957,36 Euro netto. Zieht man die Mietkosten ab, blieben für die vierköpfige Familie 642,36 Euro zum Leben. „An manchen Tagen habe ich bis zu 13 Stunden gearbeitet, ohne die Überstunden ausgeglichen zu bekommen“, sagt Kolozova. (…) Die harte Arbeit ist das eine, das andere sind die unzumutbaren Arbeitsbedingungen, die laut mehrerer Personen bei Gräfendorfer vorherrschen sollen…“ Artikel von Sarah Ulrich vom 6. September 2021 in der taz online externer Link
  • Rekrutierer machen Kasse. Fleischkonzerne: Exsubunternehmer betätigen sich als Arbeitsvermittler. NGG fordert Übernahme der Aufgabe durch offizielle Arbeitsagenturen 
    „… Die Fleischindustriellen seien weiterhin auf ausländische Billiglöhner angewiesen, berichtete jüngst das Handelsblatt. Ehemalige Subunternehmer treten neuerdings als Arbeitsvermittler auf. »Wir haben umfangreiche Erfahrung mit dem Versuch, in Deutschland Personal zu rekrutieren«, wird ein Tönnies-Sprecher zitiert. Das sei allerdings nicht möglich. Thomas Bernhard, NGG-Experte für die Fleischwirtschaft, bestätigte am Mittwoch gegenüber jW: »Die Personalnot ist groß, und die Konzerne greifen auf die alten Kontakte der neuen Rekrutierer zurück.« (…) Der Wechsel der Jobbezeichnung kommt nicht von ungefähr. Ende vergangenen Jahres brachte das Bundeskabinett das »Arbeitsschutzkontrollgesetz« auf den Weg. Mit Beginn des Jahres 2021 sind Werkverträge in Kernbereichen der Fleischindustrie verboten, seit dem 1. April gleichfalls Leih- und Zeitarbeit. Die Ausbeutung der prekär Beschäftigten soll damit verringert, die teils kriminellen Machenschaften von Subunternehmen mit undurchsichtigen Strukturen unterbunden werden. Tönnies musste beispielsweise bis Ende 2020 Tausende Arbeiter in seinen fleischverarbeitenden Fabriken fest einstellen und Wohnplätze schaffen. Direktanstellungen bedeuten, »dass die Personalabteilungen der Konzerne die Verantwortung für Beschäftigte nicht mehr einfach auf die Subs abwälzen können«, sagte Bernhard. (…) »Derzeit ist ein Ermittlungsverfahren gegen einen Arbeitsvermittler wegen Betruges anhängig«, sagte Staatsanwalt Moritz Kutkuhn gleichentags gegenüber dieser Zeitung. Demnach soll dieser Arbeitskräfte an Tönnies vermittelt und diese Personen zur Eröffnung von Konten angehalten haben. Uneigennützig war das nicht. »Der Beschuldigte soll«, so Kutkuhn weiter, »in der Folge Kredite unter missbräuchlicher Verwendung der Daten der zuvor vermittelten Arbeitnehmer beantragt haben«. Das dürfte erst der Auftakt von Verfahren sein, vermuten Gewerkschafter. (…) Offenbar ein gängiges Betrugsdelikt einiger Rekrutierer. (…) Deshalb fordert die NGG, dass die Rekrutierung künftig von offiziellen Arbeitsagenturen übernommen wird. Nur so könne »dubiosen Vermittlern, die kräftig abkassieren, das Geschäft vermiest werden«, betonte Bernhard.“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 1. Juli 2021 externer Link
  • Umbruch in der Schlachtindustrie? 
    Die katastrophalen Bedingungen zu denen Arbeitende aus Osteuropa in der deutschen Fleischindustrie beschäftigt werden, sind spätestens seit dem Corona-Ausbruch bei Tönnies breit bekannt. Ein Gesetz zum Verbot von Werkverträgen sollte damit Schluss machen. Was hat sich verändert? (…) Der Kreis Gütersloh ist eine Hochburg der Schlachtindustrie. Jede Woche kommen zwei Busladungen voll von Berufsanfängern, größtenteils Menschen aus osteuropäischen Ländern, beim Gesundheitsamt an, um Gesundheitszeugnisse zu beantragen – ein Muss, um in der Lebensmittelindustrie arbeiten zu können. Viele Zugereiste gehen nach wenigen Wochen oder Monaten wieder. Die einen, weil sie der extremen Arbeitsbelastung – dem hohen Tempo und dem enormen Arbeitspensum – nicht standhalten, die anderen, weil sie eine andere Möglichkeit gefunden haben, in Deutschland Geld zu verdienen. Betriebsräte aus der Schlachtindustrie berichten, dass die Zahl der ausgegebenen Werksausweise für neue Beschäftigte jedes Jahr höher liegt als die Gesamtzahl der Belegschaft am Standort. So hoch sei die Fluktuation. Die Branche behandelt Arbeitende aus dem Ausland wie Verbrauchsmaterial, das man bei externen Dienstleistern einkauft und nach Verschleiß austauscht. (…) Das System Werkverträge hat einigen Unternehmen sagenhaftes Wachstum beschert, weil die Kosten der Arbeit über Jahrzehnte spottbillig waren. Die Fleischindustrie hat die Ausnutzung politisch geschaffener Schlupflöcher auf die Spitze getrieben und ganz legal rechtsfreie Räume geschaffen. Lange Zeit hat das nur wenige Experten interessiert. Erst in den letzten sieben bis acht Jahren, nachdem die Presse immer öfter über die katastrophalen Bedingungen berichtete, gerieten die Konzerne politisch unter Druck. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war die erste Zäsur. (…) Der Mindestlohn und die Umstellung auf Arbeitsverträge nach inländischem Recht brachten entscheidende Verbesserungen. Die Löhne stiegen und es wurde überhaupt erst einmal eine Rechtsgrundlage geschaffen, um Ansprüche beziffern und vor hiesigen Gerichten einklagen zu können. Die Beschäftigten wurden krankenversichert und hatten nach einem Jahr Arbeit Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie waren somit weniger abhängig von den Subunternehmen. Doch es tauchten auch neue Probleme auf. Um den Mindestlohn zu umgehen, erhöhten einige Arbeitgeber die Mietkosten pro Bett auf mehrere Hundert Euro pro Monat und zogen absurd hohe Fahrtkosten vom Lohn ab. Messer und Handschuhe, Kittel oder die Reinigung der Arbeitskleidung wurden den Beschäftigten in Rechnung gestellt. Bei Krankheit oder Urlaub wurde die Miete tageweise erhöht, um die Lohnfortzahlungspflicht zu umschiffen. Die Lohnabzüge waren oft illegal und immer mehr Beschäftigte forderten ihr Geld zurück. Die Unternehmen verteidigten ihr System vehement, in manchen Fällen wurden wegen niedriger dreistelliger Beträge mehrjährige Gerichtsprozesse ausgetragen. Wer sich vor Gericht durchsetzen konnte, hielt es danach im Unternehmen nicht lange aus. Die Kollegen zahlten den gleichen rechtswidrigen Lohnabzug weiter. Die Möglichkeit der Werkverträge spielte den Arbeitgebern in die Hände. (…) Die großen Unternehmen haben das Verbot von Werkverträgen im Kerngeschäftsbereich zum 1. Januar 2021 umgesetzt und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Subunternehmen direkte Anstellungsverhältnisse angeboten. Dabei sind sie für ihre Verhältnisse ungewöhnlich korrekt vorgegangen, nämlich im Sinne eines Betriebsübergangs nach Paragraph 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dieser sieht vor, dass die gesamte Belegschaft übernommen werden muss, auch arbeitsunfähig Erkrankte, Schwangere oder Gewerkschaftsmitglieder. In einigen Ausnahmefällen erhielten längerfristig Erkrankte oder Schwangere keine schriftliche Mitteilung über den Betriebsübergang. Stattdessen teilten ihnen ihre alten Vorgesetzten aus den Subunternehmen mündlich mit, dass sie nicht oder erst nach ihrer Genesung übernommen würden. Wenn in solchen Fällen Gewerkschafter intervenieren konnten, wurde vonseiten der Personalleitung behauptet, es handele sich lediglich um einen administrativen Fehler, den man umgehend korrigieren würde. (…) Die Übernahmen brachten für die meisten keine automatischen Verbesserungen der Konditionen. Doch da die Betriebszugehörigkeit der Beschäftigten berücksichtigt werden musste, waren neue Probezeiten oder sachgrundlose Befristungen nicht erlaubt. Diese Regelung könnte erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen haben: Denn wenn die Beschäftigten, mit sicheren Verträgen ausgestattet, bei den anstehenden Betriebsratswahlen und Tarifauseinandersetzungen ihre Rechte angstfrei einfordern, könnte dies in einer Branche, die bislang kaum Betriebsräte und Tarifverträge kennt, eine Veränderung der Betriebskultur bewirken. (…) Offiziell sind viele ehemalige Subunternehmer in die Arbeitskräftevermittlung gewechselt. Die Leistung scheint ein »On-Site-Management« einzuschließen: Die Vermittler bleiben vor Ort für die von ihnen vermittelten Arbeitskräfte zuständig, organisieren deren Ankunft, unterstützen sie bei der Beschaffung von Unterlagen, Bankkonten, Krankenversicherung und ähnlichen Angelegenheiten. In den Betrieben sind die Vermittler augenscheinlich dazu befugt, betrieblichen Vorarbeitern Anweisungen zu erteilen – mitunter sind sie Berichten zufolge sogar für die betriebliche Einarbeitung zuständig. Die genaue Verteilung der Kompetenzen schwankt, mitunter auch am selben Standort. Offenkundig haben die alten Subunternehmer ein Interesse daran, so viel Einfluss wie möglich zu behalten. Die Industrieschlachthöfe, die seit ihrer Gründung mit Subunternehmen arbeiten und sich nie um die Personalangelegenheiten ihrer Produktionsmitarbeiter kümmern mussten, scheinen mit ihrer neuen Aufgabe oft überfordert zu sein. Eine weitere Ursache für die unklare Kompetenzverteilung ist die Tatsache, dass Vorarbeiter, die meistens bei den Subunternehmern angestellt waren und diesen nach wie vor eng verbunden sind, mit übernommen wurden. Die alte Führungskultur wurde somit in vielen Fällen weitergetragen. So berichten Beschäftigte, dass sie am Arbeitsplatz angeschrien werden. (…) Die Mutigen forderten die Lohnerhöhungen direkt bei der Übernahme ein, andere hofften, diese nach den ersten Monaten beim neuen Arbeitgeber zu erhalten. Als diese ausblieben, kam es in fast allen Schlachtkonzernen zu einer Reihe spontaner Arbeitsniederlegungen und wilder Streiks. Die Beteiligten – in der Regel waren es Schlachter und Zerleger – , konnten mit ihren Aktionen in vielen Fällen sofortige Lohnerhöhungen durchsetzen. Die Arbeitgeber waren offensichtlich überrumpelt und ratlos. (…) Das Arbeitsschutzkontrollgesetz hat rechtliche Rahmenbedingungen verändert und damit die Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse in den Betrieben verschoben. Alle Akteure – Arbeitgeber, Betriebsräte, die Gewerkschaft NGG, die alten Subunternehmer, die Führungskräfte in der Produktion und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – versuchen, sich in dieser Umbruchsituation zurecht zu finden. Es gibt neue Auseinandersetzungen, etwa durch die Tariflohnforderung der NGG. Die althergebrachten Taktik, Konflikte durch Bedrohung, Einschüchterung oder Kündigung zu unterbinden, stößt zunehmend auf Widerstand…“ Eine Reportage von Szabolcs Sepsi (Faire Mobilität) vom 25.06.2021 in jacobin.de externer Link
  • Das Arbeitsschutzkontrollgesetz in der Praxis. Eine erste Bilanz aus der Perspektive von Faire Mobilität 
    „… Die Unternehmen haben das Verbot von Werkverträgen im Kerngeschäftsbereich zum 1. Januar 2021 umgesetzt und den Mitarbeiter*innen der Subunternehmen Anstellungsverhältnisse direkt bei den Konzernen angeboten. Die Schlachtkonzerne hatten diesen Prozess bereits im Herbst 2020 eingeleitet. Im Wesentlichen sind die Unternehmen bei der Übernahme der ehemaligen Werkvertragsbeschäftigten korrekt vorgegangen. Nur vereinzelt sind uns Fälle bekannt geworden, bei denen Mitarbeiter*innen Verträge mit neuer Befristung und neuer Probezeit ausgehändigt wurden. Die in der Schlachtung und Zerlegung tätigen Unter­nehmen haben die Übernahmen mehrheitlich im Sinne eines Betriebsübergangs nach §613a BGB gestaltet. Dadurch wurden alle Beschäftigten, auch arbeitsunfähig erkrankte, übernommen. In einigen Fällen erhielten längerfristig Erkrankte oder Schwangere keine schriftliche Mitteilung über den Betriebsübergang. Stattdessen teilten ihnen ihre alten Vorgesetzten aus den Subunternehmen mündlich mit, dass sie nicht oder erst nach ihrer Genesung übernommen würden. In allen Fällen, in denen wir intervenieren konnten, reagierten die Konzernpersonalleitungen, indem sie von administrativen Fehlern sprachen, die sie umgehend korrigieren würden. Eine Übernahme nach dem §613a BGB bedeutet auch, dass die Arbeitsbedingungen bei dem neuen Arbeitgeber nicht schlechter sein dürfen als bei dem vorherigen. Da die Arbeitsverträge bei den Subunternehmen in aller Regel zu den gesetzlichen Mindestbedingungen geschlossen worden waren, spielte diese Regelung in der Praxis keine große Rolle. Die Übernahmen brachten keine automatischen Verbesserungen, höhere Löhne etwa. Ein Teil der Mitarbeiter*innen nutze zwar die Gelegenheit, um die Stundenlöhne individuell neu zu verhandeln, teilweise auch mit Erfolg. Die meisten hatten aber nicht den Mut, eine Lohnerhöhung zu fordern. Sie arbeiten nach wie vor für den gesetzlichen Mindestlohn. (…) Leiharbeiter*innen, die in der Fleischveredelung und Wurstherstellung arbeiten, berichteten in vielen Fällen, dass sie bis zur letzten Märzwoche keine Information von ihren Arbeitgebern bekamen, wie es nach dem Inkrafttreten des Zeitarbeitsverbots am 1. April 2021 weitergehen würde. Das löste bei sehr vielen Beschäftigten Ängste vor einem Jobverlust aus. Einige Wursthersteller spekulierten wahrscheinlich bis zuletzt auf einen Tarifvertrag mit der NGG, der die Leiharbeit weiter ermöglichen würde. In vielen Fällen hatten wir jedoch den Eindruck, dass Unternehmen gezielt Informationen zurückhielten, um Beschäftigte in einer prekären Lage zu halten, in der sie auf Lohnforderungen verzichten würden. (…) Die neuen Verträge sahen eine neue, sechsmonatige Probezeit ab dem 1. April sowie Befristungen vor, obwohl die Beschäftigten in aller Regel seit mehreren Jahren bei dem Wursthersteller im Einsatz waren. Bei mehreren Informationstagen vor dem Betrieb hatten wir davor gewarnt, vorgefertigten Eigenkündigungen zu unterzeichnen. Leider gaben alle Beschäftigten dem Druck nach. Sehr häufig klagten Beschäftigte der Subunternehmen darüber, dass Überstunden nicht abgerechnet und auch nicht vergütet würden, obwohl dies nach dem Mindestlohngesetz illegal ist. Staatliche Kontrollen bestätigten diese Berichte. In mehreren Fällen haben zudem ehemalige Bürobeschäftigte von Subunternehmen zutage gefördert, dass dort die Arbeitsstundenaufzeichnungen der Mitarbeiter*innen systematisch und auf Anweisung der Inhaber*innen nachträglich gefälscht worden seien. (…) Nach wie vor treffen wir jedoch auf Unterkünfte, die stark überbelegt sind oder erhebliche Mängel bei der Ausstattung, den Hygienebedingungen oder bei der Strom- und Wasserversorgung und beim Brandschutz aufweisen. Zudem sind die Schlafplätze häufig überteuert. Preise wie 150-200 € pro Bett im Zweibettzimmer sind nach wie vor üblich. In vielen Fällen ist es zudem unklar, ob es sich um Mietverhältnisse handelt, die den Regelungen des Mietrechts unterliegen, um Werkmietwohnungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder um andere Unterbringungsformen. Diese Unschärfe ist vor allem bei Kündigungen ein großes Problem, da es bei vielen Unternehmen nach wie vor üblich zu sein scheint, dass Beschäftigte nach einer Kündigung mit gleicher Frist auch die Wohnung verlassen müssen – obwohl weder das Mietrecht noch die Regelung für Werkmietwohnungen solche fristlosen Kündigungen erlauben…“ Dossier Faire Mobilität von Szabolcs Sepsi und Anna Szot vom 01.06.2021 externer Link
  • Gesetzeslücke im Schweinesystem. Finanzgericht Hamburg: Einsatz von Leiharbeitern in Fleischindustrie rechtens 
    „Ein Wursthersteller verarbeitet zwar Fleisch, ist aber nach Einschätzung des Finanzgerichts Hamburg wegen seiner weniger personalintensiven Arbeitsorganisation nicht als »Betrieb der Fleischwirtschaft« anzusehen. Damit darf der Betrieb – anders als zum Beispiel Schlachthöfe – weiter Fremdpersonal einsetzen, wie das Gericht in einem am Montag veröffentlichten Beschluss zu einem Eilantrag des Unternehmens entschied. Es handele sich um ein Pilotverfahren, in dem bundesweit erstmals über einen solchen Fall verhandelt worden sei, sagte Gerichtspräsident Christoph Schoenfeld am Montag gegenüber dpa. Den Ausschlag im konkreten Fall habe die Organisation der Arbeit gegeben, die bei der Herstellung der Wurstwaren – im Gegensatz etwa zu Schlachtunternehmen – weitgehend automatisiert sei. »Der Workflow ist entscheidend. Man muss hinschauen, wie der Betrieb organisiert ist«, sagte Schoenfeld. Im vorliegenden Fall habe der Zollsenat des Gerichts Bildmaterial ausgewertet, das die Arbeitsabläufe in dem Betrieb dokumentiere. Um welches Unternehmen es sich bei dem in Niedersachsen ansässigen Wursthersteller handelt, teilte das Gericht nicht mit. Als Reaktion auf zahlreiche Coronafälle in Schlachthöfen hatten Bundestag und Bundesrat kurz vor Weihnachten ein neues Arbeitsschutzkontrollgesetz erlassen. Es verbietet bei Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung von Fleisch seit Jahresanfang den Einsatz von Subunternehmen. Auch Leiharbeit wird mit dem Gesetz seit April erschwert und soll in drei Jahren ganz untersagt werden. Der 4. Senat des Finanzgerichts kam bei der Auslegung der neuen gesetzlichen Vorschriften zwar zu dem Ergebnis, dass der Begriff der Fleischverarbeitung »nicht auf Arbeitsschritte am rohen Fleischprodukt beschränkt sei«, sondern auch alle Schritte bis zum fertigen Nahrungsmittel umfasse. Nicht zur Fleischverarbeitung zählten aber Arbeitsschritte wie das Portionieren und Verpacken. Auch Lager- oder Reinigungsarbeiten zählten nicht mehr zum Begriff der Fleischwirtschaft. Da das betroffene Unternehmen sein Personal überwiegend in Bereichen einsetze, die nicht als Fleischverarbeitung anzusehen seien, unterliege es nicht dem Fremdpersonalverbot in der Fleischwirtschaft. Das Finanzgericht Hamburg ist in Zoll- und Marktordnungsverfahren für die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und auch Niedersachsen zuständig.“ Agentur-Meldung in der jungen Welt vom 1. Juni 2021 externer Link
  • Fleischindustrie: Neue Gesetze bringen kaum Besserung 
    Werkvertrag und Leiharbeit sind mittlerweile in der Fleischindustrie verboten. Es sollte Schluss sein mit der Ausbeutung und der unmenschlichen Behandlung der Arbeiter, die meist aus Osteuropa kommen. Recherchen von Panorama 3 und dem Politmagazin „Kontrovers“ vom BR zeigen nun: Die großen Firmen haben zwar die Arbeitenden übernommen und festangestellt, aber auch viele der oft umstrittenen Subunternehmer. „Nichts hat sich verändert“, erzählt uns ein Arbeiter. Seine und die Erfahrungen anderer zeigen, dass das System von Druck und Erniedrigung offenbar noch immer vorherrschend ist.“ Video des Beitrags der Sendung Panorama 3 am 18.05.2021 beim NDR externer Link
  • Zeitarbeitsbranche legt Verfassungsbeschwerde gegen Heils Kontrollgesetz ein 
    „… Das Arbeitsschutzkontrollgesetz, mit dem die Bundesregierung vor allem die Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche verbessern wollte, landet vor dem Bundesverfassungsgericht. Vier Unternehmer aus der Zeitarbeitsbranche legen an diesem Mittwoch Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Grund ist das mit dem Gesetz eingeführte Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern in der Schlachtung und Zerlegung. (…) Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Dezember vergangenen Jahres Eilanträge gegen das Arbeitsschutzkontrollgesetz abgewiesen. Aber vor allem, weil die Antragsteller nicht hinreichend dargelegt hatten, dass ihnen schwere oder irreversible Nachteile entstehen, wenn sie ein eventuelles Hauptsacheverfahren abwarten müssten. Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen – sprich: ob ein Verbot der Zeitarbeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist –, seien mit der Ablehnung der Eilanträge noch nicht geklärt. Sie „bedürfen jedenfalls sorgfältiger Prüfung, deren Ausgang offen ist“, führten die Karlsruher Richter aus. Zu dieser Prüfung habe das Gericht „nun Gelegenheit“, sagt Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn, der die Klageschrift vorbereitet hat. Für die Verfassungsbeschwerde, die von den beiden Zeitarbeitsverbänden BAP und iGZ unterstützt wird, rechnet er sich gute Chancen aus: „Das Gesetz ist mit dem Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt worden“, sagt Thüsing. Aber dafür sei es weder geeignet noch erforderlich. (…) In der Zeitarbeitsbranche gibt es Befürchtungen, dass eine künftige Bundesregierung – sollte das Gesetz Bestand haben – irgendwann auf die Idee kommen könnte, ein Verbot von Zeitarbeit und Werkverträgen auch auf andere Branchen zu erstrecken, etwa die Werftenindustrie. Entsprechend hatte sich beispielsweise SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich geäußert…“ Artikel von Frank Specht vom 12. Mai 2021 beim Handelsblatt online externer Link, siehe dazu:

    • BAP/iGZ unterstützen Unternehmen bei Verfahren in Karlsruhe: Verfassungsbeschwerde gegen sektorales Zeitarbeitsverbot eingelegt
      Nach Inkrafttreten des Arbeitsschutzkontrollgesetzes, das auch ein sektorales Verbot bzw. weitgehende Restriktionen von Zeitarbeitseinsätzen in der Fleischwirtschaft vorsieht, haben betroffene Zeitarbeitsunternehmen mit ihrem Prozessbevollmächtigen Prof. Dr. Gregor Thüsing Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe eingereicht. Die vier beschwerdeführenden Unternehmen TimePartner Personalmanagement GmbH, Simul Personalmanagement GmbH, DPK Deutsche Personalkonzepte GmbH und compact Food Services GmbH wollen damit die gerichtliche Notbremse ziehen. „Es gab bei TimePartner zu keinem Zeitpunkt erhöhte COVID-Infektionen bei Beschäftigten, die im Fleischbereich eingesetzt wurden. Es gab sicherlich Missstände in der Fleischwirtschaft. Aber die haben nichts mit der Zeitarbeit zu tun. Wir arbeiten in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz eng mit den Einsatzbetrieben zusammen. Wir halten diese Regelung für unverhältnismäßig und damit auch verfassungswidrig“, äußert Roger Lothmann, CEO von TimePartner Personalmanagement GmbH, sein Unverständnis über das Gesetz…“ iGZ-Pressemitteilung vom 12.05.2021 externer Link – mit anderen Worten alles in Butter…
    • Erinnert sei daran, wie die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts am 29. Dezember 2020 seine Ablehnung mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor allem begründet hat: „… Danach sind die Anträge auf Eilrechtsschutz teilweise bereits unzulässig, weil nicht hinreichend dargelegt wurde, dass durch ein Abwarten bis zum Abschluss der Verfahren über die noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerden die geforderten schweren, kaum oder nicht reversiblen Nachteile entstehen. Soweit gravierende Nachteile dargelegt wurden, haben die Anträge in der Sache keinen Erfolg, da die Interessen der Antragstellenden gegenüber den Zielen des Gesetzgebers nicht eindeutig überwiegen. Teils wären noch zu erhebende Verfassungsbeschwerden auch von vornherein unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen an die Subsidiarität genügten, denn die Frage, ob die neuen Verbote auf Tätigkeiten im Umfeld des Kernbereichs der Fleischwirtschaft überhaupt Anwendung finden, ist zunächst fachgerichtlich zu klären…“ Auf die nun Bezug genommenen ang. „schweren Nachteile“, auf die das Kammer nicht eingegangen sein soll, hat diese also durchaus mitberücksichtigt. BVerfG- Pressemitteilung Nr. 1/2021 vom 7. Januar 2021 zu den Beschlüsse 1 BvQ 152/20 u.a. und 1 BvQ 165/20 u.a. vom 29. Dezember 2020 externer Link
  • Neues Gesetz in der Fleischindustrie: „Jetzt müssen wir für das Geld doppelt so schnell arbeiten“ 
    Nach den massenhaften Corona-Infektionen im vergangenen Jahr sollte ein neues Gesetz in der Fleischindustrie „gründlich aufräumen“. Seit Anfang Januar ist das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz in Kraft. Doch für die Beschäftigten hat sich bisher nicht viel geändert, wie diese berichten. Nun streiken sie erstmals seit vielen Jahren wieder. (…) Tönnies hat nach eigenen Angaben seit September deutschlandweit etwa 6.000 Menschen übernommen, allein in Weißenfels mehr als 1.000. Das heißt, die Hälfte der jetzt etwa 2.200 Mitarbeiter war vorher bei Werkvertragsfirmen beschäftigt. Andere Unternehmen sind weniger transparent. Die Wolf Wurstspezialitäten GmbH mit einem Werk im thüringischen Schmölln antwortet auf Anfrage von MDR exakt lediglich, man setze die Bestimmungen des Gesetzes um. Wie viele der 506 Mitarbeiter neu eingestellt wurden, will man nicht sagen. Die Neueinstellungen zu überprüfen ist bisher kaum möglich, die Bundesagentur für Arbeit erhält die Beschäftigungszahlen erst ein halbes Jahr später. Doch Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) und Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) haben den gleichen Eindruck: Zum Jahresbeginn seien die meisten Arbeitnehmer der Fremdfirmen zu den Auftraggebern gewechselt. Nur seien die Auswirkungen für die Mitarbeiter durchwachsen. In Schmölln erzählt eine Frau vor dem Werk der Wolf Wurstspezialitäten, sie habe bisher als Leiharbeitnehmerin gearbeitet. Ihr Stundenlohn: 10,40 Euro. Nun müsse Wolf sie ja selbst einstellen. 10,10 Euro sei das Angebot gewesen. Die Firma Wolf bestreitet die Summe, will die korrekte Zahl aber nicht nennen. Agata in Weißenfels berichtet, es würde jetzt sehr auf die Arbeitszeit geachtet. 200 Stunden im Monat, was früher normal war, dürfe sie jetzt nicht mehr arbeiten. Allerdings: Die Bänder würden jetzt schneller laufen, damit man in der kürzen Zeit die gleiche Menge Arbeit schaffe wie vorher. Besser sei das nicht...“ Reportage von Carina Huppertz und Lukasz Grajewski vom 21. April 2021 beim MDR externer Link auch als Video des Beitrags in MDR exakt am 21. April 2021 externer Link
  • Ausbeutung im Schlachthof: Mit allen Mitteln. Fleischindustrie versucht mit Tricksereien bessere Bedingungen für Beschäftigte zu vermeiden
    In der Fleischindustrie rumort es weiter. Das Aus für Werkverträge in der Branche hat einiges verändert, aber aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) muss noch viel getan werden. In der Kritik stehen neben der Wohnsituation von vielen Beschäftigten die geringen Löhne. Szabolcs Sepsi ist für die DGB-Beratungsstelle »Faire Mobilität« in Dortmund tätig. Gegenüber dpa sagte er am Donnerstag, er höre noch immer oft, dass Beschäftigte beengt wohnen müssten – teilweise zu sechst in einer Wohnung mit drei Räumen. Und dafür müsse jeder von ihnen 190 bis 200 Euro Miete im Monat zahlen. Wohnungen wurden zudem noch nicht renoviert, obwohl einige Unternehmen eigens Programme dafür aufgelegt hätten. Viele der Arbeiter in der Branche kommen aus Osteuropa. Wollen sie ihre Familien nach Deutschland holen, stehen sie vor dem nächsten Problem: Sie müssen sich selbst um eine Wohnung kümmern, aber Wohnraum ist nicht nur teuer, sondern auch knapp. »Wenn Sie rumänischer Arbeiter in der Fleischindustrie sind mit Mindestlohn, dann sind Sie nicht der ideale Kandidat des Vermieters«, sagte Sepsi. (…) Bislang haben sich die Unternehmen in der Fleischbranche erfinderisch gezeigt, wenn es darum ging, die Löhne niedrig zu halten. Ein Beispiel aus dem Schlachthof Vion in Emstek, über den das Nachrichtenportal OM online am 31. März berichtete: Vion hatte an dem Standort Hunderte Beschäftigte fest einstellen müssen. Doch statt sie nach Haustarif zu bezahlen, gab es nur den gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 Euro pro Stunde. Die NGG hatte erklärt, die Differenz in der untersten Lohngruppe betrage 1,33 Euro je Stunde. Das Unternehmen erklärte dagegen, der Tarifvertrag stelle klar, dass er nur für NGG-Mitglieder gelte. Lohnabrechnungen zeigten dem Bericht zufolge deutlich, dass auch Gewerkschaftsmitglieder nicht nach Haustarif bezahlt wurden. Der regionale NGG-Geschäftsführer erklärte, dass viele der Kollegen Angst hätten, den ihnen zustehenden Lohn einzufordern. Sie hätten auch Angst, dass ihre Mitgliedschaft in der Gewerkschaft bekannt würde…“ Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 09.04.2021 externer Link, siehe dazu:
  • Fleischindustrie: Licht und Schatten nach dem Aus für Werkverträge
    Ein Vierteljahr nach dem Aus von Werkarbeitsverhältnissen in den Kernbereichen der Schlacht- und Fleischindustrie fällt das Fazit aus Gewerkschaftssicht durchwachsen aus. Einige Unternehmen haben bereits im vergangenen Jahr die Werkarbeiter als eigene Arbeitnehmer eingestellt, sagte Szabolcs Sepsi von der DGB-Beratungsstelle «Faire Mobilität» in Dortmund: «Damit ändert sich natürlich nicht von heute auf morgen die Führungskultur oder der Umgang mit den Menschen.» Insgesamt spreche man von vielen zehntausend Menschen, die übernommen worden seien. (…) Laut Sepsi ist nach wie vor die Wohnsituation ein großes Problem – er höre immer noch davon, dass teils sechs Personen in Drei-Zimmer-Wohnungen untergebracht seien und jeder 190 bis 200 Euro Monatsmiete bezahlen müsse. Allerdings hätten die großen Unternehmen Programme gestartet, die Situation zu verbessern. Ein großes Thema unter den Beschäftigten seien die bislang erfolglosen Verhandlungen um einen Tarifvertrag für die Beschäftigten. «Das war auch in der Presse in Rumänien ein Thema», sagte Sepsi. Die Forderung nach einem Mindeststundenlohn von 12,50 Euro und 17 Euro für Facharbeiter werde von den Menschen geteilt. Das Angebot der Arbeitgeber von einem Stundenlohn von 10,50 Euro ohne einen Facharbeiterlohn habe die Menschen enttäuscht. Die Gewerkschaftsvorschläge waren aus Sicht der Arbeitgeber «realitätsfern und existenzgefährdend». Der tatsächliche Verdienst in den Unternehmen gehe bei den Arbeitskräften weit auseinander, weil die Produktion selber stark arbeitsteilig sei, erklärte Sepsi…“ dpa-Meldung vom 8. April 2021 in der Zeit online externer Link

  • [Am Beispiel Fleischwirtschaft] Wirtschaftsdemokratie – ein Märchen aus uralten Zeiten, immer wieder frisch aufgetischt 
    Der Verfasser, Vladimir Bogoeski, Postdoc an der University of Amsterdam und assoziierter Forscher am Centre Marc Bloch in Berlin, hat diesen Aufsatz bei WSI (gehört zur Hans Böckler Stiftung) publiziert: Vom Arbeitsschutz zur Demokratisierung der Fleischwirtschaft externer Link. Darin schreibt er durchgehend von der Demokratisierung der Fleischwirtschaft. Und behauptet tatsächlich, daß überall wo Mitbestimmung praktiziert wird, auch Demokratie im Betrieb herrsche. Anlaß ist das Arbeitsschutzkontrollgesetz, daß durch den Arbeitsminister Heil ab 1.1.2021 auf den Weg gebracht wurde. (…) Warum behalten SPD und DGB-Spitze seit über 100 Jahren an dieser Ideologie fest? Weil diese Lüge – es ist eine Lebenslüge – die Grundlage ihrer Existenz ist. (…) Und der Verfasser V. Bogoeski treibt es noch auf die Spitze indem er schreibt: „Gerade Deutschland sollte bei der Demokratisierung der Arbeitswelt mit gutem Beispiel vorangehen. Seine derzeit unrühmlichste Wirtschaftsbranche wäre ein guter Startpunkt“. Die Realität ist: Die Gewerkschaften bekommen mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz ab dem 1.1.21 wieder einen Fuß in die Betriebe. Ihnen war durch die Privatisierung der kommunalen Schlachthöfe in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Boden unter den Füßen entzogen worden, durch den Austausch meist deutscher Schlachtergesellen und -meister durch billige LeiharbeiterInnen, später WerkvertragsarbeiterInnen aus den osteuropäischen Staaten. Durch das Heil´sche neue Gesetz sind die Voraussetzungen geschaffen, daß sukzessive normale kapitalistische Verhältnisse in den Großschlachtereien einziehen können. Vom Einzug von Demokratie zu schwadronieren, noch vorbildlich für die gesamte Wirtschaft in Deutschland und Europa, zeugt von einer Steigerung in wahnhaften Sozialdemokratismus…“ Kommentar von Dieter Wegner vom 10.3.2021 bei Jour Fixe der Gewerkschaftslinke Hamburg externer Link
  • Vom Arbeitsschutz zur Demokratisierung der Fleischwirtschaft 
    Das Arbeitsschutzkontrollgesetz: ein großer Fortschritt für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Der nächste Schritt: die aktive Einbeziehung aller Beschäftigten in gewerkschaftliche Strukturen und Mitbestimmung. (…) Auf die Verabschiedung des Gesetzes, das – ungeachtet anhaltender Bedenken bezüglich seiner Reichweite und Wirksamkeit – eine bessere Durchsetzung von Standards und stärkeren Schutz der Beschäftigten garantiert, sollten weitere Schritte folgen, um gegen die strukturelle Ausbeutung und Subordination der Arbeitskräfte in der Fleischwirtschaft vorzugehen. Dazu muss jedoch wohl zunächst erst das etablierte Bild vom Fleischarbeiter als passivem, schutzbedürftigem Subjekt abgelöst werden von einer Anerkennung als Arbeitnehmer, der durchaus die Voraussetzungen für kollektives Handeln mitbringt. Die Kluft innerhalb der Regierungskoalition, die sich während der Bundestagsdebatte über das Arbeitsschutzkontrollgesetz auftat, könnte die Vermutung nahelegen, dass Forderungen, die Stellung von Arbeitnehmer*innen in der Fleischindustrie weiter zu verbessern, politisch aussichtslos seien. Solcher Defätismus würde jedoch denkbare Entwicklungen blockieren, die eine weitere Auseinandersetzung mit den nach wie vor höchst arbeitnehmerfeindlichen Strukturen der Fleischwirtschaft bewirken könnten. Ungeachtet der diversen strukturellen Hürden, mit denen sich Wanderarbeitnehmer*innen konfrontiert sehen, setzen die nächsten Schritte in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft für die Arbeit in der deutschen Fleischindustrie politische und regulatorische Gedankenansätze voraus, die über reine Arbeitsschutzmaßnahmen hinausgehen und diese Beschäftigten aktiv in Strukturen kollektiver Vertretung und betrieblicher Entscheidungsfindung einbeziehen. In anderen Worten: Weitere Reformbemühungen sollten nicht weniger als die Demokratisierung der Arbeit in der Fleischindustrie zum Ziel haben. (…) Was Wanderarbeitnehmer*innen in Fleischunternehmen während der Pandemie zu einer „Wegwerf-Ressource“ gemacht hat, war ihr systematischer Ausschluss von jeglicher Form kollektiver Organisation sowie von allen Regelungsabläufen und kritischen Entscheidungsprozessen in ihren Betrieben. (…) Im Endergebnis hat das Untervergabemodell der deutschen Fleischwirtschaft europaweit mit seiner Abhängigkeit von den oben beschriebenen ausbeuterischen Verhältnissen zu einem Wettlauf nach unten geführt und einen gesamten Wirtschaftszweig entdemokratisiert. Der Ausschluss einer Mehrheit der Beschäftigten von den Strukturen demokratischer und tarifrechtlicher Vertretung schadet nicht nur bestimmten, als Arbeitsmigranten benachteiligten Arbeitnehmer*innen, sondern hat insgesamt die Stellung der Gewerkschaften und (sofern gegeben) Betriebsräte hinsichtlich der Formulierung und Wahrung arbeitsrechtlicher und sozialer Ziele geschwächt. Gleichzeitig hat dieser Prozess zu der klassischen, gespaltenen Arbeitswelten immanenten Aufteilung der Beschäftigten in Kern- und Randbelegschaften geführt und somit kollektive Aktionen und politische Einflussnahme durch die Arbeitnehmerschaft weiter erschwert. (…) Eine Reform, die zu einem nachhaltigen Wandel in der Branche führen könnte, setzt jedoch ein Umdenken voraus – eine neue Sicht, die den „austauschbaren“ Fleischarbeiter nicht mehr nur als Subjekt betrachtet, das angemessenen Arbeitsschutz verdient, sondern als Subjekt, das fähig ist, sich durch aktive Beteiligung an Vertretungs-, Tarifverhandlungs- und Mitbestimmungsstrukturen für die kollektive Entkommodifizierung der Arbeit einzusetzen. Die Fleischwirtschaft ist auf Arbeitskräfte aus der östlichen Peripherie Europas angewiesen, und diese werden nun zunehmend direkt bei den großen Fleischkonzernen angestellt sein. Diese Beschäftigten müssen ihren Weg in die Gewerkschaften und Betriebsratsstrukturen finden, die es aufzubauen gilt…“ Beitrag von Vladimir Bogoeski vom 04.02.2021 beim WSI externer Link
  • BVerfGE: Erfolglose Eilanträge betreffend das Inkrafttreten von Teilen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes [nun mit Begründung] 
    „Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat heute mehrere Anträge auf einstweilige Anordnungen abgelehnt, mit denen verhindert werden sollte, dass Teile des am 30. Dezember 2020 verkündeten Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Sie betreffen eine neue Regelung, die den Unternehmen der Fleischwirtschaft ab dem 1. Januar den Einsatz von Fremdpersonal auf der Grundlage von Werkverträgen im Bereich der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung in ihrem Betrieb untersagt. Für die Führung eines Betriebes gilt vor Ort ein Kooperationsverbot. Zudem ist die Beschäftigung von Fremdpersonal in Leiharbeit ab dem 1. April 2021 nur noch bis zum 1. April 2024 unter besonderen Bedingungen zulässig und danach auf diesem Sektor ebenfalls verboten. Die Eilanträge haben gestellt eine Einzelperson, die bei einem Werkvertragsunternehmen angestellt ist und im Rahmen von Werkverträgen Aufträge in diesen Bereichen der Fleischwirtschaft erbringt, mehrere Werkvertragsunternehmen und ein Unternehmen zur Arbeitsüberlassung, die vorrangig oder nur in diesem Sektor tätig sind, sowie mehrere Unternehmen der Fleischwirtschaft, die selbst bisher vorrangig Fremdpersonal in diesen Bereichen einsetzen. Sie haben die Auffassung vertreten, dass sie gravierende und schwer oder überhaupt nicht wieder gut zu machende Nachteile erleiden würden, wenn das Fremdpersonalverbot zum 1. Januar 2021 in Kraft träte. Dem ist die 3. Kammer des Ersten Senats nicht gefolgt. Eine nähere Begründung erfolgt nach § 32 Abs. 5 BVerfGG gesondert.“ BVerfG-Pressemitteilung Nr. 109/2020 vom 30. Dezember 2020 externer Link zu den Beschlüssen 1 BvQ 152/20 u.a. vom 29. Dezember 2020, siehe dazu:

    • BVerfG-Begründung der Ablehnung mehrerer Eilanträge gegen das Inkrafttreten von Teilen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes 
      „… Die Antragstellenden wenden sich mit Eilanträgen gegen neue Regelungen des am 30. Dezember 2020 verkündeten Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz. Insbesondere das sogenannte Fremdpersonalverbot im Kernbereich der Fleischwirtschaft sowie das Kooperationsverbot sollen nicht in Kraft treten. (…) 1. Die Anträge einer Arbeitnehmerin bei einem Werkvertragsunternehmen (1 BvQ 152/20) und von Inhabern von und Unternehmen der Fleischwirtschaft (1 BvQ 154/20 und 1 BvQ 157/20) sind unzulässig. Es ist nicht hinreichend konkret dargelegt, dass die in einem verfassungsgerichtlichen Eilverfahren geforderten schweren Nachteile entstehen, wenn das Verfahren über die noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerden abgewartet wird. (…) 2. Die Anträge in den Verfahren 1 BvQ 153/20, 1 BvQ 155/20 und 1 BvQ 156/20 von Inhabern von Werkvertragsunternehmen und dieser Unternehmen selbst sowie von Leiharbeitsunternehmen, die bisher Aufträge im Kernbereich der Fleischwirtschaft erbracht haben, genügen den Darlegungsanforderungen zu den gravierenden Nachteilen zwar teilweise, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Interessen der Antragstellenden überwiegen nicht eindeutig gegenüber den Zielen des Gesetzgebers. (…) a) Tatsächlich trifft die Antragstellenden mit der Neuregelung ein sektorales Tätigkeitsverbot im Kernbereich der Fleischwirtschaft. Es ist plausibel dargelegt, dass eine Rückkehr in das Geschäft der Werkvertragsunternehmen schwer möglich sein wird, sollten sich die Neuregelungen als verfassungswidrig erweisen. Doch ist insbesondere eine drohende Existenzgefährdung nicht in der gebotenen nachvollziehbaren, individualisierten und konkreten Weise dargelegt. Allgemeine oder nur mit Gesamtbeträgen bezifferte Verweise auf laufende Kosten aus Mietverträgen zur Unterbringung der Arbeitskräfte, aus Leasingverträgen für Fahrzeuge für ihren Transport und aus Arbeitsverträgen tragen insoweit nicht. b) Auch im Übrigen haben die Anträge in der Sache jedoch keinen Erfolg. Es ist nicht erkennbar, dass die Interessen der Antragstellenden gegenüber den Zielen des Gesetzgebers und weiteren schützenswerten Belangen so eindeutig überwiegen, dass sie bis zu einer Klärung der Verfassungsgemäßheit der angegriffenen Regelungen von deren Wirkungen verschont werden müssten. (…) 3. Die Eilanträge von familiengeführten mittelständischen Unternehmen der Herstellung von Wurst mit jeweils eigener Produktionsstätte in den Verfahren 1 BvQ 165/20, 1 BvQ 166/20 und 1 BvQ 167/20 haben ebenfalls keinen Erfolg. Ihre noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerden wären von vornherein unzulässig, soweit sie sich gegen das Fremdpersonalverbot und das Kooperationsverbot in Anwendung auf von ihnen benannte Tätigkeiten wenden. (…) a) Auch vor der Erhebung von Rechtssatzverfassungsbeschwerden sind nach dem Grundsatz der Subsidiarität grundsätzlich alle Mittel zu ergreifen, die der Grundrechtsverletzung abhelfen können. Unmittelbar gegen Gesetze steht zwar der fachgerichtliche Rechtsweg in der Regel nicht offen. Vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde sind aber auch insofern alle prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen. b) Das haben die Antragstellenden nicht getan. Sie haben nicht die Möglichkeit genutzt, vor den Fachgerichten eine Feststellung zu erlangen, ob die angegriffenen gesetzlichen Verbote auf die von ihnen benannten Tätigkeiten und Vertragsgestaltungen überhaupt Anwendung finden und wie weit diese dann jeweils reichen. Hier ist offensichtlich auslegungsbedürftig, was unter dem „Bereich der Fleischverarbeitung“ zu verstehen ist. Bevor dies nicht fachgerichtlich geklärt ist, kann das Bundesverfassungsgericht über eventuelle verfassungsrechtliche Fragen nicht entscheiden.“ BVerfG-Pressemitteilung Nr. 1/2021 vom 7. Januar 2021 zu den Beschlüssen 1 BvQ 152/20 u.a. und 1 BvQ 165/20 u.a. vom 29. Dezember 2020 externer Link
  • Werkvertrag-Verbot: Fleischbranche: Gesetz löst Masseneinstellungen aus  – Allein drei Firmen übernehmen mehr als 10.000 Beschäftigte
    In der deutschen Fleischindustrie ist das Pandemiejahr mit einem Einstellungsboom zu Ende gegangen. Allein die drei großen Konzerne Tönnies, Vion und Westfleisch haben auf nd-Anfrage erklärt, rund 12 000 Beschäftigte zu übernehmen, die bislang bei externen Subunternehmen angestellt waren. Die Masseneinstellungen ausgelöst hat die Politik: Seit 1. Januar sind Werkverträge in der Fleischproduktion verboten. Marktführer Tönnies erklärte, die Übernahme des externen Personals sei seit September in vollem Gange. »Voraussichtlich mit Jahresende werden die Direkteinstellungen abgeschlossen sein«, schrieb ein Sprecher am 29. Dezember, also wenige Tage vor Inkrafttreten des Gesetzes. »Somit werden unsere Häuser um mehr als 6000 Stammbeschäftigte wachsen.« Wie viele Festangestellte der Konzern zuvor in Deutschland hatte, verriet die Pressestelle nicht. Laut Internetseite hatte Tönnies 2018 weltweit rund 16 500 Mitarbeitende. Vion hatte zuletzt hierzulande circa 3000 direkt Angestellte – und rund 3300 externe Beschäftigte. Nun übernehme »Vion die bisherigen Werkvertragsmitarbeiter«, so ein Sprecher. Westfleisch habe bereits ab 2014 rund 2000 ehemals Externe angestellt, teilte die Pressestelle mit. Im Herbst vereinbarte das Management dann mit der Gewerkschaft NGG, weitere 3000 Menschen zu übernehmen. Die Genossenschaft war also schon vor dem gesetzlichen Werkvertragsverbot zur Umstellung bereit. Ab Januar umfasst die Stammbelegschaft damit rund 7000 Menschen. Der Konzern ist auch die einzige große Fleischfirma, die weitgehend tarifgebunden ist und mit der NGG seit Jahrzehnten die Arbeitsbedingungen aushandelt. Die Angaben der drei Unternehmen geben einen Eindruck davon, in welchem Ausmaß deutsche Fleischfirmen Tätigkeiten ausgelagert haben, als dies noch erlaubt war. (…) Und wie hoch ist die Mindestvergütung in den drei großen Unternehmen? Vion nannte hierzu keine konkreten Beträge. Bei Westfleisch liegt der unterste Lohn bei 9,60 Euro pro Stunde, und damit etwas über dem gesetzlichen Mindestlohn, der ab Januar 9,50 Euro beträgt. Weniger als 20 Prozent aller Beschäftigten seien in dieser Stufe eingruppiert, schrieb Westfleisch. Tönnies habe in der Produktion vier Lohngruppen von 9,50 bis 18 Euro, teilte ein Sprecher mit. Der Durchschnittslohn betrage 11,35 Euro. Vom dänischen Gehaltsniveau sind die Firmen damit noch weit entfernt. Dort liegt der tarifliche Mindestlohn in der Fleischindustrie laut Gewerkschaft NNF bei umgerechnet 20,32 Euro. Die NGG hat die Unternehmensverbände zu bundesweiten Tarifverhandlungen aufgefordert, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und einheitlich zu regeln. Bislang hätten die Verbände nicht reagiert, teilte die Gewerkschaft mit…“ Artikel von Eva Roth vom 2.01.2021 im ND online externer Link
  • Bundestag verbietet Werkverträge im Kernbereich der Fleischwirtschaft [mit tariflicher Öffnungsklausel für die Leiharbeit] – und Reaktionen
    Im Januar soll es schon in Kraft treten, deshalb war die letzte Sitzungswoche des Bundstages vor Weihnachten auch die letzte Gelegenheit, das Arbeitsschutzkontrollgesetz der Bundesregierung (19/21978 externer Link , 19/22772 externer Link ) auf den Weg zu bringen. In einer namentlichen Abstimmung votierten am Mittwoch, 16. Dezember 2020, 473 Abgeordnete für das Gesetz in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (19/25141 externer Link ), 152 stimmten dagegen und fünf Abgeordnete enthielten sich. Erforderlich waren 355 Stimmen: nach Artikel 87 Absatz 3 des Grundgesetzes die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Einen Entschließungsantrag der FDP-Fraktion (19/25275 externer Link ) zu dem Gesetzentwurf lehnte der Bundestag gegen das Votum der FDP bei Enthaltung der AfD ab. Darin hatte die Fraktion gefordert, weiterhin Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit) in der Fleischverarbeitungsindustrie zuzulassen. (…) Neben Verbesserungen der Kontrollen in den Betrieben und der Einführung einer Arbeitszeiterfassung geht es darin im Kern um das Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der Fleischindustrie, also bei Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung ab 1. Januar 2021. Ab 1. April kommenden Jahres soll dieses Verbot dann auch auf die Leiharbeit ausgeweitet werden. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen gab es noch Änderungen am Ursprungsentwurf: So wurde unter anderem eine tarifliche Öffnungsklausel für die Leiharbeit eingeführt. Für die Dauer von drei Jahren ist demnach unter bestimmten Bedingungen Leiharbeit möglich: Zum einen muss der Betrieb tarifgebunden sein, es muss für Leiharbeiter vom ersten Tag der gleiche Lohn wie für die Stammbelegschaft gelten, die maximale Verleihdauer darf vier Monate und der Anteil der Leiharbeitskräfte darf nicht mehr als acht Prozent vom Jahresvolumen der Beschäftigten betragen…“ Meldung vom 16.12.2020 beim Deutschen Bundestag mit allen Dokumenten und Infos externer Link – siehe dazu:

    • Fleischbranche hält Werkvertragsverbot für verfassungswidrig
      Gestern hat der Bundestag das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischindustrie beschlossen. Heute stimmt der Bundesrat ab. Die Fleischindustrie kritisiert die Regelung…“ Meldung vom 17.12.2020 beim NDR externer Link
    • [DGB] Fleischindustrie reloaded. Raus aus der Ausbeutung mit dem neuen Arbeitsschutzkontrollgesetz
      Zur Verabschiedung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes im Bundestag sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Mittwoch in Berlin: „Werkverträge in der Fleischindustrie sind ab 2021 Geschichte, Leiharbeit weitestgehend untersagt. Ausnahmen sind nur stark reguliert möglich. Fleischbarone müssen als Arbeitgeber in die Verantwortung und für die Arbeits- und Unterbringungsbedingungen ihrer Beschäftigten geradestehen. Aber auch über Schlachthöfe und Wurstfabriken hinaus besteht Hoffnung, dass das Gesetz positiv wirkt: Für festgelegte Mindestkontrollquoten und höhere Bußgelder muss in den Aufsichtsbehörden für den Arbeitsschutz wieder mehr Personal eingestellt werden. Auch Unterkünfte von Beschäftigten können in Zukunft besser kontrolliert werden. Schärfere Regeln für menschenwürdige Unterkünfte gelten für alle Branchen: Mehr Arbeitgeber werden dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten unterzubringen. Mindeststandards gelten künftig auch, wenn Wohnraum über Drittanbieter organisiert wird. Wuchermieten verhindert das Gesetz leider immer noch nicht. Der DGB hält deshalb daran fest: Kosten für Unterkünfte sind so zu deckeln, dass sich Lohnbetrug nicht fortsetzt…“ DGB-Pressemitteilung vom 16.12.2020 externer Link
    • [NGG] Zeitler: „Jetzt besteht die Chance, eine ganze Branche neu zu ordnen“
      Als „historischen Meilenstein“ für die Fleischwirtschaft hat Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), den heutigen Beschluss des Bundestages bezeichnet, mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz Werkverträge in der Fleischwirtschaft grundsätzlich zu verbieten und Leiharbeit weitestgehend zu untersagen. „Jetzt besteht die Chance, die Branche neu zu ordnen.“ (…)Die sei aber nur der erste Schritt hin zu geregelten Verhältnissen und einem besseren Image der Branche. Der zweite könne nur sein, dass die Arbeitgeber Tarifverträge mit der NGG abschließen, um die Arbeitsbedingungen und Löhne der Menschen in der Fleischwirtschaft zu verbessern und einheitlich zu regeln. „Zu Verhandlungen für einen bundesweiten Tarifvertrag haben wir die Arbeitgeber bereits aufgefordert. Nur so werden gleiche Spielregeln für alle gelten können. Diese Chance sollten sie nicht vergeben“, sagte Zeitler. Das beste Gesetz tauge allerdings nur etwas, wenn es auch ausreichend kontrolliert und bei Verstößen sanktioniert werde, mahnte der NGG-Vorsitzende. Dazu müsse ausreichend Personal zur Verfügung stehen.“ NGG-Pressemitteilung vom 16. Dezember 2020 externer Link
    • Meinung: Tönnies ist überall
      Erst eine globale Pandemie hat der Ausbeutung in deutschen Schlachthöfen ein Ende gemacht. Aber in vielen Branchen schuften Menschen aus Osteuropa unter untragbaren Bedingungen weiter, meint Grzegorz Szymanowski…“ Kommentar vom 16.12.2020 bei DW externer Link
  • [Aufhebungsverträge oder Eigenkündigungen als Umgehungsstrategie] Vorsicht Falle: NGG warnt vor Unterschrift bei neuen Arbeitsverträgen 
    Wie die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), Region Oldenburg/Ostfriesland, mitteilte, nutzen einige Subunternehmer und Fleischbetriebe die aktuelle Lage zum Werkvertrags- und Leiharbeitsverbot aus, um den Noch-Werkverträglern und -Leiharbeitern einen reibungslosen Übergang zum  Fleischbetrieb zu erschweren. Laut dem NGG-Geschäftsführer Matthias Brümmer versuchen Subunternehmer, ihre Beschäftigten mit falschen Versprechen zu locken, damit sie bei ihnen Aufhebungsverträge oder Eigenkündigungen unterschreiben. Anschließend sollen sie sich dann beim Fleischbetrieb bewerben, um dort ein völlig neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Brümmer sagte: „Diese Praxis ist die Umgehung eines rechtlich abgesicherten Betriebsüberganges, der den Betroffenen mindestens ihre Rechte und Sozialabsicherung aus dem jetzigen Arbeitsverhältnis sichert.“ Brümmer weiter: „Das muss man sich vorstellen, Kolleginnen und Kollegen, die jetzt schon mehrjährig als Fremdbeschäftigte im Fleischbetrieb arbeiten und ein festes Arbeitsverhältnis haben, sollen ab dem 01.01.2021 wieder völlig neu am bisherigen Arbeitsplatz weitermachen und am besten auch noch befristet und mit schlechteren Löhnen und Kündigungsfristen.“ Laut Gewerkschaft NGG soll diese Praxis gerade bei dem Kälberschlachthof Bahlmann in Lindern und dem Putenschlachthof Geestland in Wildeshausen aufgefallen sein. Der NGG-Geschäftsführer sagte weiter: „Ich weiß nicht, ob diese Industrie es nicht kapieren will oder kann, wenn sie sich als Branche retten will und ein neues Image aufbauen soll, dann muss sie mit den ewig neuen Abzockemodellen aufhören.“ Die NGG ruft alle betroffenen Beschäftigten auf, keine Kündigungen oder Aufhebungsverträge und neue Arbeitsverträge zu unterschreiben, da der Betriebsübergang im BGB §613a eindeutig geregelt ist und der neue Arbeitgeber alle Rechte und Pflichten des alten Arbeitgeber übernimmt. Brümmer meinte: „Vorsicht Falle, eine vorschnelle Unterschrift schadet mehr, als sie schützt. Nur, wenn der jetzige Arbeitgeber schriftlich einen Betriebsübergang nach BGB §613a mitteilt, ist der Weg richtig.“ Die Gewerkschaft NGG und das DGB-Projekt Faire Mobilität bieten betroffenen Beschäftigten direkte Beratung in der jeweiligen Landessprache an.“ Pressemitteilung vom 06.12.2020 der NGG Region Oldenburg/Ostfriesland (per e-mail) – siehe dazu:

    • Keine Werkvertragsarbeiter mehr in Wildeshausen – Die Gewerkschaft NGG übt indes Kritik am Vorgehen 
      850 Beschäftigte bei der Firma Geestland haben bereits den neuen Arbeitsvertrag in Festanstellung unterschrieben. Die Gewerkschaft NGG übt indes Kritik am Vorgehen. Die Firma Geestland Putenspezialitäten in Wildeshausen übernimmt zum 1. Januar die Werkvertragsbeschäftigten in Festanstellung. Das bestätigte Geschäftsführer Norbert Deeken auf Anfrage. Gleichzeitig weist er die Aussagen der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) als falsch zurück, dass die PHW-Unternehmensgruppe einen reibungslosen Übergang der Werkvertrags- und Leiharbeiter zum Fleischbetrieb erschwere. Nach Darstellung von NGG-Geschäftsführer Matthias Brümmer versuchen Subunternehmer, ihre Beschäftigten mit falschen Versprechen zu locken, damit sie bei ihnen Aufhebungsverträge oder Eigenkündigungen unterschreiben. Anschließend sollen sie sich beim Fleischbetrieb bewerben, um dort ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Für den Gewerkschafter ist diese Praxis die Umgehung eines rechtlich abgesicherten Betriebsübergangs, der den Betroffenen mindestens ihre Rechte und Sozialabsicherung aus dem jetzigen Arbeitsverhältnis sichert. Die NGG ruft alle betroffenen Beschäftigten auf, keine Kündigungen oder Aufhebungsverträge und neue Arbeitsverträge zu unterschreiben, da der Betriebsübergang im BGB Paragraf 613a eindeutig geregelt sei und der neue Arbeitgeber alle Rechte und Pflichten des alten Arbeitgebers übernehme. Nur wenn der jetzige Arbeitgeber schriftlich einen Betriebsübergang nach BGB Paragraf 613a mitteilt, sei der Weg richtig. Dazu erklärt Norbert Deeken: „Um einen neuen Arbeitsvertrag in Festanstellung mit den Geestland Putenspezialitäten (GPS) abschließen zu können, müssen die Werkvertragsbeschäftigten erst einen Aufhebungsvertrag mit dem Werkvertragsarbeitgeber unterschreiben.“ Geestland habe nicht die Firma des Werkvertragsarbeitgebers übernommen, sondern sie übernehme die einzelnen Mitarbeiter. Der Werkvertragsarbeitgeber sei als Unternehmen weiterhin existent und agiere für andere Branchen…“ Artikel von Christoph Koopmeiners vom 10.12.2020 im Weser Kurier online externer Link
    • Arbeitsschutzkontrollgesetz – Tricksen PHW und Bahlmann beim Betriebsübergang?
      „… Ein Gesetzestext ist allerdings nur die halbe Miete. Entscheidend ist die praktische Umsetzung, die Verhinderung von Ausweich- und Unterlaufungsmanövern, sowie konsequente Sanktionierung von Verstößen. Schon jetzt: Tricksereien beim Betriebsübergang: Aktuell warnt die Gewerkschaft Nahrung Gaststätten Genuss (NGG) Beschäftigte von Sub-Unternehmen im Umfeld des Kälberschlachthof Bahlmann in Lindern und des Putenschlachthof Geestland (PHW/Wiesenhof) in Wildeshausen eindringlich davor, von Sub-Unternehmern vorgelegte Aufhebungsverträge und Eigenkündigungen zu unterschreiben. (Bernd Bergmann, Olaf Kühn, OM, 6.12.2020 Gewerkschaft warnt Beschäftigte vor Falle externer Link) Offensichtlich soll der geordnete Betriebsübergang für langjährig Beschäftigte verhindert werden. Bislang bei Sub-Unternehmen beschäftigte Leih- und Werkvertragsarbeiter*innen haben beim Betriebsübergang von der Werkvertrags- oder Leiharbeitsfirma zum Schlachthof ein Recht auf Eingruppierung und Kündigungsschutz entsprechend ihrer bisherigen Jahre der Betriebszugehörigkeit – in diesem Fall tatsächlich im Bezug auf die Zeit ihrer Tätigkeit in dem Schlachthof, bei dem sie nun fest angestellt werden sollen. Matthias Brümmer, Geschäftsführer bei Gewerkschaft NGG Region Oldenburg/Ostfriesland, bestätigt auf Nachfrage, dass dies eine ganze Reihe bisheriger Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer*innen betreffe. Entgegen der von der Fleischindustrie verbreiteten Mär, dass Leih- und Werkvertragsarbeiter*innen selbst zumeist nur kurzzeitige Einsätze wünschen würden, sind der NGG viele Fälle langjähriger Einsätze bekannt. Dabei würden zwar mitunter die Sub-Unternehmen wechseln, die Beschäftigten jedoch mitunter über Jahre am selben Arbeitsplatz eingesetzt. In einem Fall sogar über einen Zeitraum von nahezu 20 Jahren. Der Verdacht liegt nahe, dass die Schlachthofbetreiber PHW und Bahlmann die über lange Jahre erarbeiteten Vorteile für die Beschäftigte umgehen wollen. Neuverträge schließen die Schlachthof-Betreiber laut NGG dagegen in der Regel nur befristet ab. (…) Die Sub-Unternehmen versuchen sich mit der Unterschrift vermutlich auch selbst einen nicht unerheblichen Vorteil zu sichern. Mit den Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträgen würden die Beschäftigten laut Matthias Brümmer zusätzlich eine Klausel unterschreiben mit der sämtliche Forderungen abgegolten wären. Das hieße ganz praktisch, dass zu wenig gezahlter Lohn nicht mehr nachgefordert werden könnte.  Wobei §3 Mindestlohngesetz festlegt, dass der Mindestlohn unabdingbar ist und darauf nicht verzichtet werden kann. (…)Die Fleischindustrie wird unsere Einschätzung nach auch künftig nach Möglichkeiten suchen, Festanstellungen zu umgehen und Löhne niedrig zu halten. Wir tippen auf den vermehrten Einsatz von sachgrundloser Befristungen, Kettenbefristungen, Umwidmung von Firmenteilen als fleischverarbeitende Betriebe und Zersplitterung in Betriebe mit unter 50 Beschäftigten. Vermutlich wird man auch von Fällen hören, bei denen teurere Beschäftigte, die sich über bereits über Jahre Ansprüche erarbeitet haben, nach dem Betriebsübergang aus den Betrieben geekelt werden. Beständige und effektive Kontrolle vor Ort können nur aktive Betriebsräte leisten…“ Beitrag von Jessica Reisner vom 7. Dezember 2020 bei Arbeitsunrecht externer Link
  • Keine Eindämmung von Werkverträgen und Leiharbeit – „herrschende Meinung“ in Aktion 
    „Fremdarbeit einen Riegel vorschieben will. Im § 6a des seit 2017 geltenden Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft soll es heißen, daß Arbeitnehmer nur noch im Rahmen von mit dem Betriebsinhaber bestehenden Arbeitsverhältnissen tätig werden sollen. Damit ist ein kleiner Fortschritt in Richtung auf eine Zurückdrängung der Fremdarbeit gemacht. Der größte Bereich, innerhalb dessen zB Werkverträge zum Einsatz kommen (zB die Automobilindutsrie),  ist davon n i c h t erfaßt. Dennoch werden die Unternehmer auf eine Verhinderung diese Gesetzes zielen und sie erhalten nun Schützenhilfe durch die veröffentlichte „herrschende Meinung“ der sog. Arbeitsrechtswissenschaft. Die Verfasser verschiedener Kommentare zum AÜG haben sich – ungewöhnlich genug – zusammengetan, um das Gesetz mit scheinbar juristischen Argumenten zu verhindern. Sie wollen angeblich auch „Fehlentwicklungen“ bekämpfen und den Arbeitnehmerschutz stärken, aber was das Ergebnis ihrer Intervention sein wird, ist unschwer zu erraten: Das Gesetz wird verwässert werden oder gar nicht zustande kommen, weil in der zentralen Frage, nämlich der Eindämmung der Fremdarbeit, kein Fortschritt erreicht werden wird. Die Autoren erkennen gar nicht, daß d i e „Fehlentwicklung“ des Arbeitsrechts gerade die massenhafte Zulassung von Leiharbeit und Werkverträgen ist. (…) Die Autoren begehen einen gravierenden gedanklichen und historischen Fehler, wenn sie meinen, sich auf eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1967 berufen zu können. In dieser Entscheidung führte das Gericht – bar jeder realen Kenntnis des Arbeitslebens aus, daß „kaum eine Lebenserfahrung“ dafür spräche, daß  in Betrieben längere Zeit hindurch fremde Arbeitnehmer tätig“ seien. (BVerfG 4.4.1967 – 1 BvR 84/65). Wie bitte ? Es war im weiteren Verlauf der Geschichte die Leiharbeit, die vor allem durch zu lange Überlassungsdauer und vor allem sogar die Umgehung von Höchstüberlassungszeiten von sich reden machte. Die vom BVerfG beschworene „Lebenserfahrung“ war ganz anders als damals „prognostiziert“. (…) Die einzig richtige – auch juristische – Konsequenz aus angeblichen Mängeln des Gesetzentwurfes ist und bleibt – entgegen der veröffentlichten – „herrschenden Meinung“ dieser Arbeitsrechtsprofessoren die schrittweise Beseitigung jeder Fremdarbeit im Interesse der Berufswahlfreiheit der arbeitenden Bevölkerung.“ Kommentar von Rolf Geffken vom 2. Dezember 2020 auf seiner Homepage externer Link
  • Arbeitsschutzkontrollgesetz: NGG hofft auf „Neustart in der Fleischbranche“, dem DGB scheint „ein guter Tag für die Beschäftigten“ zu reichen – mehr ist u.E. auch nicht drin: Lücke mit System 
    • [DGB] Kompromiss für die Fleischwirtschaft – ein guter Tag für die Beschäftigten
      “…  Zentraler Kernpunkt ist das von den Gewerkschaften seit Jahrzehnten geforderte Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie ab dem 1.1.2021. Auch die Leiharbeit wird ab dem 1.4.2021 weitgehend verboten. Zu der Einigung sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, heute in Berlin: „Das ist ein guter Tag für die Beschäftigten. Diese Einigung ist eine echte Chance auf einen Systemwechsel in der Fleischindustrie. Der Kompromiss bietet die Grundlage dafür, dass jetzt endlich Schluss gemacht wird mit Missbrauch und Ausbeutung. Größter Erfolg im jahrzehntelangen gemeinsamen Kampf des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften ist das komplette Verbot von Werkverträgen. Leiharbeit ist weitestgehend untersagt, Ausnahmen werden stark reguliert und Leiharbeitnehmer:innen müssen zusätzlich beim Zoll angemeldet werden. Das ist ein wichtiger Schritt, um die verbleibenden Schlupflöcher für die Fleischbarone zu stopfen. Es muss mit aller Macht verhindert werden, dass sie ihre ausbeuterischen Machenschaften unter anderem Namen fortführen können. Für die manipulationssichere Arbeitszeiterfassung haben sich die Gewerkschaften von Anfang an stark gemacht. Bessere Kontrollmöglichkeiten sind ein erster Schritt im Kampf gegen unhaltbare Zustände bei der Unterbringung, es bleiben Forderungen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften für die weitere Umsetzung, Unterkunftskosten zu deckeln und bessere Mindeststandards für alle Arten von Unterkünften zu schaffen. Dass die Union ihre Blockadehaltung aufgegeben hat, ist auch ein klares Signal an die Fleischindustrie. Arbeitgeber sind jetzt dazu aufgerufen sich an die neuen Regeln zu halten. Die Fleischindustrie hat mit ihrem menschenunwürdigen Geschäftsmodell gesellschaftliches Vertrauen verspielt und dem Ansehen der Branche und dem Ansehen Deutschlands in Europa erheblich geschadet. Umso wichtiger ist, dass Zoll und Arbeitsschutzbehörden der Länder die neuen Regeln engmaschig kontrollieren und durchsetzen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sowie die DGB Beratungsorganisation ‚Faire Mobilität‘ werden weiterhin alles daran setzen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Fleischindustrie endlich zu ihrem Recht kommen. Zunächst sind aber nun die Länder im Bundesrat am Zug: Sie müssen dem Kompromiss jetzt zustimmen. Hier darf es keine weiteren Blockaden geben. Ab ersten Januar müssen neue Regeln gelten.“ DGB-Pressemitteilung vom 27.11.2020 externer Link
    • [NGG] „Arbeitsschutzkontrollgesetz“ kommt – Guido Zeitler: „Weg ist frei für einen Neustart in der Fleischbranche“
      „Das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit ist ein Meilenstein und macht den Weg frei für einen echten Neustart in der Fleischbranche. Endlich müssen die Fleischkonzerne Verantwortung übernehmen und können sich nicht mehr mit fadenscheinigen Ausreden hinter dubiosen Subunternehmen verstecken – dafür haben die Gewerkschaft NGG und viele andere lange gekämpft. Für zehntausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an deutschen Schlachthöfen kann am 1. Januar 2021 eine neue Zeitrechnung beginnen.“ Das hat Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-GenussGaststätten (NGG), heute zur Einigung beim Arbeitsschutzkontrollgesetz, das für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in der deutschen Fleischbranche sorgen soll, gesagt. Nach dem zwischen SPD und CDU/CSU vereinbarten Kompromiss bleibt es in der Fleischindustrie bei dem von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgesehenen Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit. Bei Wurstherstellern und anderen Unternehmen der Fleischverarbeitung sollen unter der Bedingung, dass dies in einem Tarifvertrag geregelt wird, bis zu acht Prozent der Belegschaft in Leiharbeit beschäftigt sein dürfen. Guido Zeitler: „Das neue Gesetz wird den Zugang zu unkontrollierter und massenhafter Leiharbeit unterbinden.“ Es sei zu begrüßen, dass die CDU/CSU schließlich die Blockade des Gesetzes aufgegeben und nicht länger dem Drängen der Fleischlobby nachgegeben habe. „Das Arbeitsschutzkontrollgesetz ist ein erster Schritt für gute Arbeit und einen Neustart ohne Skandale und Ausbeutung in der Fleischbranche. Jetzt gibt es auch die Chance, einen bundesweiten Tarifvertrag für gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen abzuschließen“, so der NGG-Vorsitzende. „Der Ball liegt jetzt bei den Arbeitgebern. Diese Chance sollten sie nicht liegenlassen.“…“ NGG-Pressemitteilung vom 27.11.2020 externer Link
    • Lücke mit System: Fleischindustrie: Bundeskabinett einigt sich auf Arbeitsschutzkontrollgesetz. Oppositionspolitikerinnen kritisieren Ausnahmeregeln bei Leiharbeit
      „… Bis zuletzt blockierten Lobbyisten und Unionspolitiker das Vorhaben. Ihr Ziel: Ausnahmen bei der Leiharbeit. Kurzum: Sie haben sich durchgesetzt. Für viele ist der Kabinettsbeschluss dennoch ein Meilenstein. »Das Arbeitsschutzkontrollgesetz steht«, betonte Katja Mast, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, am Freitag auf jW-Anfrage. Der Gesetzgeber greife nun entschlossen in den Fleischfabriken durch, »in einmaliger Art und Weise«, meinte die Sozialdemokratin. Und dem CDU-Sozialpolitiker Uwe Schummer zufolge gebe es künftig »geordnete Verhältnisse und menschliche Zustände« in dem Industriezweig. Weniger euphorisch klingt hingegen Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Linke-Bundestagsfraktion. »Die Fleischlobby hat der Regierung mal wieder gezeigt, wo der Hammer hängt«, sagte sie am Freitag gegenüber jW – und »ein Schlupfloch ins Arbeitsschutzkontrollgesetz geschlagen«. Ähnlich äußerte sich die Parlamentskollegin Beate Müller-Gemmeke per Videobotschaft: Demnach sei die Fleischlobby »extrem erfolgreich« gewesen und »die Union in die Knie gegangen«. Mit dem Kompromiss könne sie aber leben, so die Arbeitsmarktexpertin der Grünen…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 30.11.2020 externer Link
  • [Viele Ausnahmen, bisschen Verbot im Kompromiss] Verständigung der Fraktionen CDU/CSU und SPD zum Arbeitsschutzkontrollgesetz 
    Die Regierungsfraktionen haben sich inhaltlich auf ein Arbeitsschutzkontrollgesetz und einen Zeitplan für die parlamentarischen Beratungen verständigt. Das Gesetz wird noch Mitte Dezember in 2./3. Lesung im Bundestag beraten. (…) Diesen Verpflichtungen kommen wir nach, in dem wir Werkverträge und Zeitarbeit beim Schlachten und Zerlegen komplett und in der Fleischverarbeitung weitgehend verbieten. Bei der Fleischverarbeitung soll es zur Abdeckung saisonaler Produktionsspitzen möglich sein, Zeitarbeit – nicht aber Werkverträge – tarifvertraglich in begrenzten Umfang zu ermöglichen, bei gleicher Bezahlung wie im Bereich der Stammbelegschaft und bei vollumfänglicher Geltung der Arbeitsschutzvorschriften. Gerade die mittelständischen Betriebe der Fleischverarbeitung brauchen diese Flexibilität. Eine fälschungssichere Aufzeichnung der Arbeitszeit und deutlich verstärkte Kontrollen auch bei Mindeststandards für Gemeinschaftsunterkünfte werden dafür sorgen, dass die neuen Vorgaben konsequent durchgesetzt werden.“…“ Meldung vom 27.11.2020 der CDU/CSU-Fraktion externer Link im Deutschen Bundestag
  • [DGB] Faktencheck: Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie – Warum die Argumente der Arbeitgeber nicht ziehen
    Die Fleischindustrie wird aus Deutschland abwandern? Die Beschäftigten wollen gar nicht fest angestellt werden, sondern flexibel arbeiten und schnell Geld verdienen? Und überhaupt ist der Verbraucher Schuld an den schlechten Arbeitsbedingungen, weil er billiges Fleisch kaufen will? Zehn Argumente der Arbeitgeber gegen ein Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen in der Fleischwirtschaft auf dem Prüfstand…“ Faktencheck vom 20.11.2020 beim DGB externer Link (Gegenargumente in Kooperation mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)) – Spoiler: Alle Argumente des DGB hier in der Fleischindustrie gelten auch gegen ihre eigenen Tarifverträge in der Leiharbeit allgemein, so z.B.: „10. Das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit ändert nichts an den Arbeitsbedingungen. Die Konstruktion der Werkverträge wurde auch geschaffen, um die Rechte der (oft ausländischen) Beschäftigten zu schwächen. Ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit hat zur Folge, dass die Beschäftigten direkt bei den Fleischkonzernen angestellt werden müssen. Eine Festanstellung schafft die Voraussetzungen  für bessere Gestaltungsmöglichkeiten für gute Arbeitsbedingungen…“
  • Eine halbe halbierte Reform in der Fleischindustrie? 
    express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit„… Wesentlicher Inhalt des Gesetzesentwurfs zum Arbeitsschutzkontrollgesetz (ein Gesetzespaket mit der Änderung mehrerer einzelner Bundesgesetze) ist das Verbot der Beschäftigung mit Werkvertrag ab dem 1. Januar 2021 und in Leiharbeit ab dem 1. April 2021 in Betrieben mit über 50 Beschäftigten. Ein sachlicher Grund für genau diese Marge ist nicht zu erkennen, zumal die ILO-Standards für den Kontrollaufwand im Arbeitsschutz anspruchsvoller sind. Die Formel steht eher für einen parteipolitischen Kompromiss zwischen SPD und Union. Außerdem sollen die Kontrollen durch Arbeitsschutzbehörden so verstärkt werden, dass bis 2026 rund fünf Prozent der Betriebe jährlich kontrolliert werden. Neue Regeln für Unterkünfte bleiben dagegen vage. Der Bundesrat forderte, dass die Verknüpfung von Unterkunft und Arbeitsvertrag aus dem Gesetz gestrichen wird, und die Bundesregierung stimmt dem jetzt zu. Ungelöst ist damit weiterhin der Schutz vor unangemessen hohen Mieten. Wird das Gesetz, so wie es Arbeitsminister Hubertus Heil verkündete, die Ausbeutung in den Schlachthöfen beenden? Das ist fraglich. (…) Zwar ist das Verbot der Werkverträge und der Leiharbeit ein Schritt in die richtige Richtung. Doch Betriebe, die Werkverträge unlängst abgeschafft haben, greifen oft auf kurzzeitige Befristungen zurück. Andere Forderungen, die die Position der ArbeiterInnen stärken würden, standen in der Debatte nicht einmal auf der Tagesordnung: so der Zugang zu Lohnersatzleistungen und sozialen Rechten für alle hier Arbeitenden, eine wirksame Kontrolle der Arbeitszeiten und -bedingungen, etwa durch ein Verbandsklagerecht, eine Amnestie für alle Beschäftigten, die bei Razzien als illegalisiert identifiziert werden…“ Artikel von Peter Birke , erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 11/2020 über den aktuellen Stand eines möglichen Werkvertrags-Verbots in der Branche
  • „Arbeitsschutzkontrollgesetz“ in Gefahr Fleischwirtschaft: Schöne Worte, keine Taten: CDU/CSU blockiert
    „… Zuletzt war auf Betreiben von CDU/CSU die Beratung über das Arbeitsschutzkontrollgesetz von der Tagesordnung des Bundestags verschwunden. Hinter den Kulissen wird weiter zwischen den Mitgliedern der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD um die Zukunft des Gesetzes gerungen. Ob es wie geplant zum 1. Januar 2021 in Kraft treten kann, ist unklar. Ebenso unklar ist, ob das Gesetz dann noch seinen Zweck erfüllen kann: Es droht die Gefahr, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz weichgespült, durchwässert und zum zahnlosen Tiger wird. Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der NGG: „Wie erwartet, hat die Fleischlobby in den vergangenen Monaten alles aufgefahren. Und wie befürchtet, ist sie mit ihren Scheinargumenten bei einigen Abgeordneten durchgedrungen.“ Für die NGG ist glasklar: Das Arbeitschutzkontrollgesetz muss eins zu eins umgesetzt werden. Nur dann – also inklusive des Verbotes von Werkverträgen und Leiharbeit – kann es volle Wirkung entfallen. Die „Argumente“, die jetzt den Interessen der Fleischwirtschaft besonders zugewandte Politikerinnen und Politikern wie Gitta Connemann (CDU) und Max Straubinger (CSU) vortragen, sind vorgeschoben. Und sie klingen, wie frisch aus dem Handbuch der Fleischlobby entnommen…“ NGG-Pressemitteilung vom 13. November 2020 externer Link
  • Fleischwirtschaft: Das Märchen vom Bratwurstengpass
    “Die Fleischlobbyisten haben bislang kein einziges belastbares Argument geliefert, weshalb man sie weiter gewähren lassen sollte. Ganz im Gegenteil – alle Selbstverpflichtungen der Branche blieben ohne Folgen. Jetzt wird im Duett mit der Union das wehleidige Lied von saisonalen Spitzen und Grillwurstengpässen angestimmt. Zur Klarstellung: Für Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten ist es bereits jetzt möglich, kurzfristig zu reagieren, denn der Regelarbeitstag kann von 8 auf 10 Stunden verlängert werden. Auch über tarifliche Arbeitszeitkonten kann für Spitzenzeiten ausgeglichen werden. Passende Regelungen gibt es bereits in Tarifverträgen mit der NGG. Bei den Gewerkschaften schwindet das Verständnis für die politische Zockerei und das Zeitspiel auf dem Rücken der Beschäftigten. Mit Blick auf den Weihnachtsbraten und das Fondue zu Silvester sind menschenwürdige Bedingungen in der Fleischindustrie keine Geschmacksfrage mehr, sondern eine Frage der Haltung. Die Union hat im Sommer vollmundig versprochen, zu liefern. Es ist allerhöchste Zeit dafür, und zwar ohne Abstriche, Ausnahmen und Ausflüchte.“ DGB-Meldung vom 13.11.2020 externer Link
  • Offener Brief an die Regierungsfraktionen: Keine Verwässerung der Gesetzesinitiative zur Fleischindustrie! 
    Am 29. Oktober sollte der Deutsche Bundestag in letzter Lesung den Entwurf der Bundesregierung für das Arbeitsschutzkontrollgesetz in der Fleischindustrie verabschieden. Auf Druck von Teilen der CDU/CSU wurde die Abstimmung nun verschoben. Die Gegner*innen des Gesetzesentwurfs wollen unter anderem das geplante Verbot von Leiharbeit verhindern. (…) Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischbranche müssen endlich abgeschafft werden. Und auch die Ausbeutung von Beschäftigen in anderen Branchen muss endlich Konsequenzen haben, vom Paketdienstleister bis zur Landwirtschaft! Der Gesetzesentwurf ist ein Anfang: Wir fordern die Bundesregierung auf, das geplante Arbeitsschutzkontrollgesetz nicht zu verwässern!Offener Brief vom 6.11.2020  mit vielen namhaften Unterzeichnenden (Gewerkschafter*innen, Wissenschaftler*innen, Arbeitsschutzakteure, Aktive) – er wurde bereits an die Budrestagsfraktionen und die Ministerien versendet und wird ausdrücklich zu Nachahmung empfohlen!
  • Zahlen belegen prekäre Zustände: Löhne in Fleischbranche weit unter Schnitt
    Es war laut Linkspartei das erste Mal, dass die Bundesregierung Angaben zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche machte. Der Anteil der Leiharbeiternehmer lag demnach in den vergangenen Jahren bei durchschnittlich 7,5 Prozent. Werkvertragsunternehmen in der Fleischindustrie stellten rechnerisch 63 Prozent der Beschäftigten und machen ein Drittel aller Unternehmen in der Branche aus. Die Löhne der Beschäftigten in der Fleischindustrie lagen demnach im vergangenen Jahr im Schnitt 36 Prozent unter dem Durchschnittseinkommen in der Gesamtwirtschaft. Frauen verdienten im Schnitt sogar 38 Prozent weniger. Auch die Einkommenszuwächse von 2008 bis 2019 lagen mit 24 Prozent rund vier Prozent unter dem Schnitt. (…) Die Bundesregierung brachte als Reaktion auf die Coronavirus-Ausbrüche einen Gesetzentwurf für Reformen in der Fleischindustrie auf den Weg. Der Entwurf sieht vor, dass Großschlachthöfe bei der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine von Partnerfirmen beschäftigten Arbeiter mehr einsetzen dürfen, sondern nur eigenes Personal. Auch die Unterbringung von Schlachthofmitarbeitern soll verbessert und die Zahl der behördlichen Kontrollen in den Betrieben erhöht werden. Die Regelungen sollen zum 1. Januar in Kraft treten. Arbeitsminister Hubertus Heil schrieb am Dienstagabend auf Twitter, es sei „höchste Zeit, das von mir vorgelegte und von der Bundesregierung beschlossene Arbeitsschutzkontrollgesetz im Bundestag zu beschließen“. Die Verabschiedung des Gesetzes war in der vergangenen Woche von der Tagesordnung des Bundestages genommen worden. Die Unionsfraktion dringt auf Änderungen, laut Heil will sie das Gesetz „verzögern und verwässern“.“ Meldung vom 04.11.2020 bei ntv externer Link
  • Mehr Werkverträge und Leiharbeit als vermutet: Sieben von zehn Arbeitern in der Fleischindustrie sind prekär beschäftigt
    “… In der Fleischindustrie sind noch mehr Menschen prekär beschäftigt als bisher angenommen. Etwa sieben von zehn Arbeiter sind als Werkvertragsbeschäftigte oder Leiharbeitnehmer in der Fleischwirtschaft angestellt, wie Daten der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) zeigen. Nur 29 Prozent sind fest angestellt. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie hervor, die dem SPIEGEL vorliegt. Werkvertragsunternehmen machten 2019 demnach ein Drittel aller Firmen in der Branche aus und stellen 63 Prozent der Beschäftigten, dazu kommen 7,5 Prozent Leiharbeitnehmer. Die Bundesregierung stützt sich in ihren Angaben auf Zahlen der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe. Es ist der Linkenfraktion zufolge das erste Mal, dass die Bundesregierung zu Werkverträgen Zahlen vorlegt. In absoluten Zahlen zeigen die Daten: Gut 48.200 Werkvertragsarbeiter sind in der Fleischindustrie bei der BGN registriert. Bislang war man anhand von Gewerkschaftsangaben von rund 30.000 Werkvertragsbeschäftigten ausgegangen externer Link. (…) Der Koalitionspartner ist entsetzt: CDU und CSU würden von der Industrie bearbeitet, heißt es aus der SPD, die Union stelle Lobbyinteressen über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten externer Link. Tatsächlich gibt Max Straubinger (CSU) offen zu, von der Industrie zu dem geplanten Gesetz kontaktiert worden zu sein. Offenbar mit Erfolg: Er fordert „Beweglichkeit“ für die Betriebe. Nur mithilfe von Werkverträgen oder Zeitarbeit seien Saisonspitzen aufrechtzuerhalten. „Wir stehen dafür, dass diese Flexibilität erhalten bleibt.“ (…) Den nun veröffentlichten Zahlen zufolge lag die Niedriglohnquote in der Fleischindustrie 2018 mit 41,6 Prozent fast doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. Insgesamt sei der Verdienst in der Fleischindustrie etwa ein Drittel schlechter als das Medianeinkommen in der Gesamtwirtschaft. Dies treffe vor allem die ausländischen Werks- und Leiharbeiternder...“ Artikel von Carolin Wahnbaeck vom 03.11.2020 beim Spiegel online externer Link, siehe dazu:

  • CDU/CSU dürfen jetzt nicht vor der Fleischlobby einknicken
    “Nach diversen Skandalen in der Branche will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie verbieten. Ein Leiharbeits-Verbot wollen  CDU und CSU aber offenbar nicht mitmachen externer Link. Der Gesetzentwurf wurde von der Tagesordnung des Bundestags für die kommende Woche heruntergenommen. DGB-Vorstand Anja Piel kritisiert: „Mit jedem weiteren Tag, den die Union das Gesetz verzögert, setzt sie mitten in der Corona-Krise die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel.“ „Jetzt stehen alle Abgeordneten von CDU und CSU in der Verantwortung und müssen ihr Versprechen gegenüber den Beschäftigten wie dem Koalitionspartner halten, dass die zugesagten Verbesserungen für die Fleischindustrie kommen“, so Piel. „Einzelnen Landesministern und Abgeordneten der Union kann es unmöglich egal sein, dass die Fleischbarone in Komplizenschaft mit der Leiharbeitsbranche seit Jahren ungehindert schwer arbeitende Menschen ausbeuten und zu vollkommen unwürdigen Bedingungen beschäftigen und unterbringen. Mit jedem weiteren Tag, den die Union das Gesetz verzögert, setzt sie mitten in der Corona-Krise die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel. Die Bundesregierung hat es bereits angeschoben, die Union darf jetzt nicht vor der Fleischlobby einknicken und wortbrüchig werden: Für ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit, bessere Arbeits- und Unterkunftsbedingungen und faire Löhne.“ Meldung vom 23.10.2020 beim DGB externer Link – siehe dazu auch die Pressemitteilung von Peter Kossen:

    • CDU/CSU agiert erbärmlich und empörend!
      Die für den kommenden Donnerstag im Bundestag geplante Abstimmung über das Arbeitsschutzkontrollgesetz von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wurde kurzfristig auf Verlangen der CDU/CSU von der Tagesordnung genommen. Man will die Leiharbeit weiter ermöglichen. Leiharbeit wird damit zum willkommenen Schlupfloch: Schon bisher wurde die massenhafte Verdrängung von Stammbelegschaft durch Werkvertrags- und Leiharbeit mit dem fadenscheinigen Vorwand von Belastungsspitzen und Saisongeschäft begründet. In Wirklichkeit geht es um primitives Lohn- und Sozialdumping. Unternehmer-Verantwortung wird weggeschoben. Vielfach wird völlig skrupellos ein Sumpf dubioser Leiharbeitsfirmen genutzt, um einfachste Standards von Arbeitsschutz und Arbeitnehmerrechten auszuhebeln. CDU und CSU machen sich hier zum Komplizen moderner Sklaverei, statt diesen Sumpf trockenzulegen.Arbeitsmigrant*innen aus Ost- und Südosteuropa schuften in der Fleischindustrie und weiteren Branchen als Menschen zweiter Klasse. Zehntausende moderne Sklaven sind nicht auf dem Radar von Rechtsstaat und Gesetz: ein System organisierter Verantwortungslosigkeit.  Die Corona-Pandemie hat zu Tage gebracht, wie Frauen und Männer mit schwerster Arbeit verschlissen und darüber hinaus mit Wuchermieten für Bruchbuden abgezockt werden. Risikogruppe sind sie durch ihre vielfach unerträglichen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Großschlachthöfe und Massenunterkünfte sind zu Hotspots geworden. Daran sollte das Gesetz etwas ändern und Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen. In erbärmlicher und empörender Weise versuchen nun CDU und CSU, das überfällige Gesetz zu verzögern und zu verwässern. So ist es in den vergangenen Jahren immer wieder gewesen, deshalb hat sich bis heute nichts zum Guten verändert. Die Regelung raube den Betrieben die notwendige „Beinfreiheit“, heißt es von der Union. Das Bild ist gut gewählt! Die „Beinfreiheit“ nutzt die Fleischindustrie dazu, Menschenwürde und Gerechtigkeit mit Füßen zu treten. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass die mafiös durchseuchte Fleischindustrie jedes Schlupfloch brutal zur Ausbeutung und Abzocke ausnutzt. Mit der Mafia jedoch kann man keine Kompromisse machen! Keine Zugeständnisse auf Kosten von Würde und Gerechtigkeit! Die CDU/CSU sollte Partei ergreifen für die Opfer, nicht für die Täter! Nur ein radikaler Schnitt ohne weitere Verzögerung kann eine wirkliche Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der hart arbeitenden Menschen in der Fleischindustrie herbeiführen. Zurück zur Stammbelegschaft! Jetzt!“  Pressemitteilung von Peter Kossen vom 25.10.2020 (per e-mail)
  • NGG: „Das Gesetz darf nicht verwässert werden!“
    „… Guido Zeitler: „Nur wenn das Arbeitsschutzkontrollgesetz eins zu eins umgesetzt wird, kann es seinen Zweck erfüllen. Die Bundestagsabgeordneten dürfen dem Druck und den Scheinargumenten der Fleischlobby nicht nachgeben.“ Die Branche versuche alles, um noch Schlupflöcher in den Gesetzestext einzubauen, die es den Unternehmen erlauben, wie bisher durch die „rücksichtslose Ausbeutung von Menschen größtmögliche Profite einzufahren. Im Interview mit dem RBB-Inforadio externer Link Audio Datei hat der NGG-Vorsitzende einmal mehr auch betont, dass nicht nur Werkverträge, sondern auch Leiharbeit verboten werden müssten, damit in der Fleischwirtschaft grundlegende Veränderungen greifen können. Ohne ein Leiharbeits-Verbot werde man eine Ausweichbewegung erleben. Dann hätte man die gleichen miserablen Arbeitsbedingungen wie bisher auch in der Zukunft.“ Pressemitteilung vom 5. Oktober 2020 externer Link
  • Piel/DGB: An einem Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen führt kein Weg vorbei
    Anlässlich der Anhörung im Bundestag sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Montag in Berlin: „Am Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen führt kein Weg vorbei, wenn es dieser Bundesregierung ernst damit ist, endlich Schluss zu machen mit der organisierten Verantwortungslosigkeit, die das System von Ausbeutung und Missbrauch erst ermöglicht hat. Ankündigungen und Selbstverpflichtungen zu Verbesserungen wurden von der Fleischwirtschaft nie eingelöst. Ganz im Gegenteil: Seit Jahren sind 14-Stunden-Schichten, Lohnbetrug und erhöhte Unfallgefahr durch enormen Arbeitsdruck für die zumeist osteuropäischen Menschen bittere Realität. Wer krank wird oder Leistung nicht erbringen kann wird ‚aussortiert‘, verliert Arbeit und Wohnung. Der Gesetzentwurf legt deshalb richtige Schwerpunkte. Dass es in Zukunft klare Verantwortlichkeiten gibt für  Personal, Arbeitssicherheit und Hygiene, ist eine angemessene Antwort auf den jahrelangen Missbrauch. Die Leiharbeit aus dem Verbot auszuklammern, wie es die Fleischbarone fordern, wäre ein unvertretbares neues Schlupfloch. Sämtliche Argumente der Fleischindustrie – von der ‚unternehmerischen Freiheit‘ bis zu saisonalen Spitzen – nähren den Verdacht, dass es einigen Unternehmen einzig und allein darum geht, ein gefährliches Missbrauchssystem unter anderem Namen fortzuführen. Das Gesetz adressiert endlich auch die Missstände bei der Unterbringung…“ DGB-Pressemitteilung vom 05.10.2020 externer Link
  • [Sollen Werkverträge durch Leiharbeit ersetzt werden (Kommando zurück)?] Zeitarbeitsbranche droht mit Klage 
    Das geplante Verbot der Zeitarbeit in der Fleischindustrie stößt auf entschiedenen Widerstand der Branche. Aber auch namhafte Juristen halten es für bedenklich. Die Zeitarbeitsbranche will das von der Bundesregierung geplante Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischwirtschaft nicht hinnehmen und droht mit Klage. „Wenn das Gesetz so kommt, behalten wir uns den Rechtsweg vor“, sagt Thomas Schenk, Chef des Personaldienstleisters Timepartner. Von den deutschlandweit rund 8000 Mitarbeitern des Unternehmens kommen etwa 500 auch in der Fleischwirtschaft zum Einsatz. (…) Neben verstärkten Kontrollen sieht es vor, dass in Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten das Kerngeschäft des Schlachtens, Zerlegens und der Fleischverarbeitung künftig nur noch von eigenen Angestellten erledigt werden darf und nicht mehr von Fremdpersonal. Die Regierung will dabei nicht nur die besonders missbrauchsanfälligen Werkverträge verbieten. Ab April kommenden Jahres soll auch der Einsatz von Zeitarbeitern untersagt sein. (…) Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) sieht das Verbot durch nichts gerechtfertigt – und fürchtet, dass eine Branche in Misskredit gebracht wird, in der knapp 840.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeiten und die besonders unter den Folgen der Corona-Pandemie leidet. (…) Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat Hinweise, dass einige Personalanbieter, die für die Fleischindustrie tätig sind, neue Arbeitsverträge ausgeben: Leiharbeit statt Werkvertrag. „Frei nach dem Motto: Raider heißt jetzt Twix“, ärgert sich Mohamed Boudih, NGG-Landesbezirksvorsitzender Nordrhein-Westfalen. „Die Firmen setzen darauf, dass Werkverträge verboten, Leiharbeit aber erlaubt bleibt.“ Der NGG liegen etwa Arbeitsverträge eines Personaldienstleisters aus dem Emsland vor, der auch für die Fleischbranche tätig ist. Mitarbeiter, die bisher für einen Schlachthof im Werkvertrag eingesetzt waren, bekamen einen neuen unbefristeten Vertrag als Fleischzerleger zur Unterschrift. Datiert ab 1. September. „Der Arbeitsvertrag gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer im selben Kundenbetrieb eingesetzt wird wie bisher“, heißt es dort. Für den Gewerkschafter ist klar: „Das kann nur heißen, dass sich der Personaldienstleister auf Leiharbeit für Schlachthöfe vorbereitet.“ (…) Die Verbände sind durchaus bereit, mit der NGG in Verhandlungen über weitere Verbesserungen zu treten – etwa über Branchenzuschlagstarifverträge, wie es sie beispielsweise in der Metall- und Elektroindustrie gibt. Doch die NGG sieht dieses Angebot nur als Versuch, die Gesetzespläne noch zu hintertreiben…“ Artikel von Frank Specht und Katrin Terpitz vom 05.10.2020 im Handelsblatt online externer Link
  • Werkverträge verboten, Ausbeutung gestoppt? 
    Mit dem Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Ausbeutung in der Branche beenden. Experten sind optimistisch, dass das gelingt. Doch in anderen Branchen wird die Ausbeutung weitergehen. (…) Welchen Umfang das System „Verantwortungslosigkeit“ im deutschen Niedriglohnsektor insgesamt hat, lässt sich kaum beziffern. Doch es ist in sehr vielen Branchen verbreitet, sagt Stanimir Mihaylov. Der Politologe ist Gewerkschaftsberater bei Arbeit und Leben in Düsseldorf, einer Weiterbildungseinrichtung des DGB und des Deutschen Volkshochschulverbands. Jeden Tag kommen Menschen in sein Büro, die um ihren Lohn betrogen wurden. Im Hotelgewerbe, in der Landwirtschaft, in der Gastronomie, auf dem Bau. „Es ist auf jeden Fall ein System. Weil es dazu kommt, dass Löhne vorenthalten werden, dass nicht alle geleisteten Arbeitsstunden vergütet werden, dass Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder im Urlaub nicht gewährt wird. Und wenn das immer wieder passiert, wüsste ich keine Gründe zu sagen – es hat kein System. Doch, das hat eins!“ (…) Gewerkschafter Miyahlow geht das geplante Gesetz zum Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie deshalb nicht weit genug: „In der Baubranche wäre es insofern notwendig, weil dann jemand auch die Verantwortung übernehmen kann für die Missstände. Auf jeden Fall gibt es Menschen, die sich hinter diesem System verstecken wollen. Wenn es in der Baubranche eingeführt würde, hätte das Vorteile.“ Werkverträge in anderen Branchen verbieten – das ist aber noch Zukunftsmusik. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht das Verbot nur in Großschlachtereien vor. Und ob er dort wirklich große Änderungen herbeiführt, ist unklar. Anja Piel, Vorstand im Deutschen Gewerkschaftsbund fürchtet jedenfalls, dass der Entwurf, der im September in erster Lesung im Bundestag verhandelt wurde, verwässert werden könnte (…) Besonders in den Fokus geraten ist dabei die Ausnahmeregelung für kleine Schlachtbetriebe. Wer weniger als 50 Personen beschäftigt, ist von den Neuregelungen ausgenommen, die Werkverträge und Leiharbeit betreffen. Eigentlich soll diese Ausnahme kleine Handwerksbetriebe schützen, den Schlachter um die Ecke. Das sei auch gut und richtig so, sagt der DGB, fürchtet aber Schlupflöcher. Ganz unberechtigt scheint die Sorge nicht: Schließlich hat der Tönnies-Konzern bereits 15 neue Tochterunternehmen in das Handelsregister beim Amtsgericht Gütersloh eintragen lassen. Noch arbeitet dort niemand. Womöglich will das Unternehmen so das drohende Werkvertragsverbot umgehen, indem in den Tochterfirmen jeweils weniger als 50 Menschen beschäftigt werden. (…) Hubertus Heils Gesetzentwurf für das Verbot von Werkverträgen in der Fleischbranche wird Bauarbeitern wie Mindrila [Mall of Berlin] jedenfalls nichts bringen. Die Ausbeutung wird weitergehen, zumindest, in anderen Branchen.“ Beitrag von Manfred Götzke und Peggy Fiebig vom 28.09.2020 beim Deutschlandfunk externer Link
  • Zufall oder gut platziert? Eine Großrazzia gegen die Einschleusung von Arbeitskräften aus Osteuropa für Fleischbetriebe – und die eigentlich spannende Frage nach der „illegalen Leiharbeit“
    „… Ein passender Schlag in der noch wackeligen Phase eines Gesetzgebungsverfahrens? Moment, wird der eine oder andere möglicherweise an dieser Stelle einwerfen: Hat die medienwirksame Aktion vielleicht etwas zu tun mit einem Gesetzgebungsvorhaben, das derzeit im Parlament behandelt wird? Gemeint ist der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz), Bundestags-Drucksache 19/21978 vom 31.08.2020. Der Bundestag hat kürzlich den Gesetzentwurf in erster Lesung behandelt. Er sieht vor, dass Kerntätigkeiten in der Fleischwirtschaft wie Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten künftig nicht mehr von betriebsfremden Beschäftigten ausgeführt werden dürfen. Werkverträge und Leiharbeit sollen in der Branche von 2021 an verboten sein. Lobbyisten der Fleischindustrie versuchen, den Gesetzentwurf zumindest bei der Leiharbeit noch aufzuweichen. Und sie stoßen damit auch bei Abgeordneten der Regierungsfraktionen angeblich auf offene Ohren. In so einer Situation könnten dann Schlagzeilen über kriminelle Machenschaften und die deutliche Hervorhebung „illegaler Leiharbeit“ für Unternehmen der Fleischindustrie den Boden dafür bereiten, dass mögliche Widerstände gegen die geplanten Einschränkungen im weiteren Gang der parlamentarischen Befassung beseitigt werden. (…) Auf der anderen Seite könnte man einwenden, dass solche Razzien im Regelfall nicht per Knopfdruck auf den Weg gebracht werden (können), sondern oftmals am Ende langer Ermittlungen im Vorfeld stehen. So wäre dann auch dieser Hinweis zu lesen: »Die Bundespolizei hat diese Razzia monatelang vorbereitet – um tief einzudringen in den „Sumpf“, wie ein Ermittler das mutmaßliche Schleusernetzwerk nennt.« Claus Hecking und Nils Klawitter berichten unter der Überschrift Der Sumpf von Weißenfels externer Link: »Seit Anfang des Jahres ermitteln die Fahnder unter Federführung der Soko der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Halle gegen ein Konstrukt aus verschiedenen Leiharbeitsfirmen. (…) Und wieder einmal wird ein Netzwerk an Profiteuren erkennbar: »Auch Banken und Versicherungen sind nach Erkenntnissen der Ermittler betroffen. Hierbei würden auch Vermögensberater mitverdienen: Sie eröffnen auf Provisionsbasis Bankkonten, ohne die Dokumente zu prüfen, oder drängen Arbeitern Bausparverträge oder Lebensversicherungen auf. Die Prämien teilen sie mit den Anwerbern.« Und weiter erfahren wir: »Die Einreise erfolgt in der Regel über Polen oder Rumänien, zumeist per Minivan oder Fernbus. Der Preis pro Interessent liegt laut den Ermittlern bei 300 bis 400 Euro. Die Tatverdächtigen stammen demnach überwiegend aus der Ukraine oder Moldawien.« Dass die Menschen aus diesen Ländern kommen, ist aus Sicht der Experten nicht wirklich verwunderlich (…) In allen Meldungen wird von „illegaler Leiharbeit“ gesprochen. Das nun ist höchst interessant und bedeutsam. (…) Hätten die angeblichen Werkverträge bei Tönnies & Co. nicht schon lange vor Corona dahingehend überprüft und verfolgt werden, ob es sich nicht in Wahrheit um „illegale Leiharbeit“ handelt? Warum sind die Behörden diesen seit langem vorgetragenen Vermutungen nie nachgegangen? (…) Abschließend zurück zu den Erfahrungen der „Soko Tierschutz“: »Um die eigene Ausbeutung, aber auch die Misshandlungen des Viehs zu ertragen, flüchteten sich viele in massiven Alkoholkonsum. In einem großen Schlachthof in Bayern werde der Kopfschlächter, also derjenige, der für das Betäuben der Tiere und Durchtrennen der Hauptschlagader verantwortlich ist, von seinen Kollegen „Weißbier“ genannt…“ Beitrag vom 24. September 2020 von und bei Stefan Sell externer Link
  • NGG: Keine Ausnahmen für Leiharbeit zulassen! – Arbeitsschutzkontrollgesetz nicht verwässern
    “„Die heutigen Razzien der Bundespolizei wegen illegaler Leiharbeit in der Fleischindustrie belegen einmal mehr, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das derzeit im Gesetzgebungsverfahren beraten wird, ohne Abstriche beschlossen und umgesetzt werden muss.“ Das hat Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gesagt. Die derzeit von Lobbyverbänden und Arbeitgebern geforderten Ausnahmen für Leiharbeit dürften auf keinen Fall zugelassen werden, so der NGG-Vorsitzende. „Dieselben Firmen, die Osteuropäer illegal einschleusen und ausbeuten, vermitteln sowohl Beschäftigte mit Werkverträgen und haben Zulassungen für Leiharbeit. Die heutigen Razzien zeigen, dass Leiharbeitsfirmen nicht per se die seriöseren Unternehmen sind. Es ist gut und richtig, dass Arbeitsschutzkontrollgesetz mit diesem kranken System Schluss macht und die Beschäftigten direkt bei den Unternehmen der Fleischindustrie eingestellt werden müssen.“ Auch das mit Krokodilstränen vorgetragene Argument, Leiharbeit sei notwendig für Flexibilität in der Saison oder insbesondere für die Verarbeitung, sei falsch. „Produktionsschwankungen, die es im Jahresverlauf gibt, sind eingrenzbar und planbar. Sollte dennoch kurzfristig beispielsweise mehr Grillwurst nachgefragt werden, kann dies durch Arbeitszeitkonten ausgeglichen werden. Regelungen dazu sind in Tarifverträgen möglich“, so der NGG-Vorsitzende.“ NGG-Pressemitteilung vom 23.09.2020 externer Link
  • Geht gegen das CDU-Millieu vor! Gegen den Missbrauch in der Fleischindustrie bräuchten wir eigentlich Klassenjustiz gegen die wohlhabenden Profiteure der Schlachtfabriken 
    Am Mittwoch rückten 800 Beamte der Bundespolizei aus, um im deutschen Schlachthof-Sumpf zu ermitteln. Wie immer geschehen solche Aktionen »in den frühen Morgenstunden«. Ein Schwerpunkt war Weißenfels in Sachsen-Anhalt, wo der Tönnies-Konzern seine zweitgrößte Schlachtfabrik unterhält. Hier werden täglich 20 000 Schweine verarbeitet. Zum Leidwesen vieler Anwohner geschieht das mitten in einem Wohngebiet. Diese Anwohner sahen auch das Elend der Wanderarbeiter, die während des Corona-Lockdowns mitunter in Autos übernachteten. Endlich wird der Staat mal aktiv und trocknet den Schlachthof-Sumpf aus! Lange war er aufreizend untätig. Doch gegen wen genau richtet sich die staatliche Gewalt? Hier wurden Truppen in Gang gesetzt, die der Bundesinnenminister Horst Seehofer befehligt. Und der kennt offenbar nur eine Peilung: »Die Mutter aller Probleme ist die Migration.« Vielleicht war es immer schon naiv zu glauben, dass ein Rechtsstaat neutral sei. Dass ein Rechtsstaat einfach Recht und Gesetz durchsetzt und zwar ungeachtet des Ansehens und der Herkunft der Täter*innen. Dass die Exekutive ihre so Prioritäten setzt, dass vor allem besonders schwere und häufig begangene Straftaten verfolgt werden. Die CDU-Innenminister Horst Seehofer und Herbert Reul (NRW) setzen ihre Einsatzkräfte ganz offensichtlich politisch und auf medialen Effekt hin kalkuliert ein. Wenn der Staat im Fall Tönnies schon handeln muss, weil der öffentliche Druck steigt, dann gefälligst in einer Weise, die sich rechts-demagogisch ausschlachten lässt: gegen Ausländer. Die gestrige Razzia gegen Menschenhändler im Schlachthofsumpf richtete sich gegen einen Aspekt, den die kritische Öffentlichkeit bislang wenig beachtet hat: illegale Einwanderung aus Osteuropa. Offenbar gibt es einen Schlepper-Untergrund, der Menschen aus Belarus, der Ukraine, Moldawien mit gefälschten Papieren ausstattet. Offenbar ist der Verschleiß an »Menschenmaterial« (Human Resources) von Konzernen wie Tönnies und ihren Knochenmühlen so groß, dass längst Nachschub außerhalb der EU-Ostgrenzen rekrutiert werden muss. Das ist ein erstaunlicher Befund, denn in den abgerutschten Regionen der EU-Länder Rumänien und Bulgarien dürfte es doch genug Elend geben, das die Leute an die Zerlege-Fließbänder treibt. Möglicherweise hat sich auch dort längst herum gesprochen, wie die Lage dieser kasernierten und segregierten modernen Sklaven tatsächlich ist. Zum anderen beginnen auch die Rumän*innen langsam, ihre Lage nicht mehr nur duldsam zu ertragen, sondern frech zu werden. Sie besitzen Rechte, Stolz und sie posten auf sozialen Medien Videos aus den Fabriken. Es ist bezeichnend, dass die Bundespolizei nun ausgerechnet an einem Punkt in der Verwertungskette ansetzt, der möglichst weit unten und möglichst weit weg von dem CDU-Parteispender Clemens Tönnies und seinem Netzwerk ist…“ Artikel von Elmar Wigand vom 24.09.2020 beim ND online externer Link
  • Groß-Razzia in der Fleisch-Industrie. Tönnies geschont, die Ärmsten der Armen abgeschoben
    Am vergangenen Mittwoch (23.9.2020) rückten 800 Beamte der Bundespolizei aus, um im deutschen Schlachthof-Sumpf zu ermitteln. Wie immer geschehen solche Aktionen „in den frühen Morgenstunden“. Ein Schwerpunkt der Razzien war Weißenfels in Sachsen-Anhalt, wo der Tönnies-Konzern seine zweitgrößte Schlachtfabrik unterhält. Hier werden täglich 20.000 Schweine verarbeitet. Zum Leidwesen vieler Anwohner geschieht das mitten in einem Wohngebiet. Diese Anwohner sahen auch das Elend der Wanderarbeiter, die während des Corona-Lockdowns mitunter in Autos am Straßenrand übernachteten. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Naumburg sollen Beamte bundesweit 72 Wohnungen gefilzt haben. Sie hätten „Menschen angetroffen, die zu sechst in Zwei- oder Dreizimmerwohnungen unterkommen müssen“. (…) Das Rattenrennen um die niedrigsten Standards endet nicht innerhalb der EU. Beschäftigte ohne Aufenthaltsstatus sind noch viel besser erpressbar! Und sie müssen erst einmal ihre angeblichen Schulden für Schleuserdienste, falsche Papiere und Unterbringung bei den Schleppern abarbeiten. Sie können auch keinen Mindestlohn einklagen – denn sie werden von Seehofer nun direkt abgeschoben. Es ist bezeichnend, dass die Bundespolizei ausgerechnet an einem Punkt in der Verwertungskette ansetzt, der möglichst weit unten und möglichst weit weg von dem CDU-Parteispender Clemens Tönnies und seinem Netzwerk ist. Hauptsächlich zwei Leiharbeitsfirmen und deren Geflechte, höher ging man in der Fresskette offenbar nicht nach oben. Dabei wäre es längst an der Zeit, dem Schweine-Baron Tönnies direkt ans Leder zu gehen. Doch der wird versuchen, seine Hände in Unschuld zu Waschen. Nach dem biblischen Vorbild des römischen Statthalters von Judäa, Pontius Pilatus…“ Kommetar vom 25.9.2020 von und bei Arbeitsunrecht externer Link

    • dazu auch sein Verein, Arbeitsunrecht am 24.9.20 bei Twitter externer Link: „Endlich wird der Staat aktiv und trocknet den Schlachthof-Sumpf aus! Doch gegen wen genau richtete sich die staatliche Gewalt bei den gestrigen Razzien? Wir sind verdammt unzufrieden.“
  • Großrazzia wegen illegaler Leiharbeit in Fleischbetrieben 
    800 Bundespolizisten durchsuchen Wohn- und Geschäftsräume vor allem in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Dort sollen Firmen Arbeiter aus Osteuropa eingeschleust haben. Die Bundespolizei führt in fünf Bundesländern Durchsuchungen im Zusammenhang mit der illegalen Einschleusung von Arbeitskräften für die Fleischindustrie durch. Wie ein Sprecher der Bundespolizei Mitteldeutschland mitteilte, sind etwa 800 Beamte im Einsatz, 40 Wohn- und Geschäftsräume würden durchsucht. Schwerpunkte sind demnach Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, weitere Durchsuchungen gibt es in Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Ermittlungen richten sich laut der Bundespolizei gegen zehn Hauptbeschuldigte im Alter von 41 bis 56 Jahren. Darunter sind acht Männer und zwei Frauen. Es gehe um den Vorwurf der banden- und gewerbsmäßigen Einschleusung und der Urkundenfälschung. Menschen aus Osteuropa sollen mit gefälschten oder verfälschten Dokumenten nach Deutschland geholt worden sein. Beschuldigt sind zwei Firmen, die unabhängig voneinander, aber nach demselben Muster vorgehen. Den Angaben zufolge gaben sie hauptsächlich Rumäninnen und Rumänen falsche Dokumente mit nach Deutschland, unterstützten sie hier bei Behördengängen, organisierten ihnen Unterkünfte und Transport. All diese Leistungen wurden ihnen dann vom Lohn abgezogen…“ Agenturmeldung vom 23. September 2020 in der Zeit online externer Link
  • Gutachten von Wolfgang Däubler für den DGB: Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft rechtlich möglich 
    „… „Das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit verstößt nicht gegen das Grundgesetz, so wie es die Fleischindustrie immer behauptet. Das bestätigt auch nochmal das vorliegende Rechtsgutachten. Gesundheitsschutz von Beschäftigten hat ganz klar Vorrang vor unternehmerischer Freiheit. Für die Fleischbranche ist es jetzt an der Zeit, ihre Wagenburg zu verlassen, um mit den menschenunwürdigen Praktiken abzuschließen und im eigenen Hof aufzuräumen. Wer jahrelang Menschen unter so entsetzlichen Arbeits- und Unterkunftsbedingungen beschäftigt, muss am Ende akzeptieren, dass der Gesetzgeber eingreift, wenn nichts passiert“, betont DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. (…) Ein vom Deutschen Gewerkschaftsbund und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt: Das Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal in Form von Leiharbeit und Werkverträgen ist geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um das mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz beabsichtigte Ziel eines verbesserten Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Deutlich wird auch, dass das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit gemeinsam umgesetzt werden muss. Der Hauptzweck ist gerade der Umgehungsschutz: Denn würde die Leiharbeit nicht in das Verbot einbezogen, wäre in vielen Fällen eine Umwandlung von Werkverträgen zu Leiharbeit zu erwarten. Der im Gesetz vorgesehen Etablierung einer Inhaberverantwortung ist nicht zu beanstanden, denn abgestellt wird auf die reale Steuerung des Arbeitsprozesses. Es handelt sich um eine notwendige Ergänzung, die eine Umgehung der Neuregelung durch Aufspaltung in kleine Unternehmen derzeit verhindert. Auch ist die Ausnahme des Fleischerhandwerks grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings ist der Schwellenwert von 49 Personen ungerechtfertigt hoch.“ DGB-Mitteilung vom 18. September 2020 externer Link zum 33-seitigen Rechtsgutachten von Prof. Dr. Wolfgang Däubler, Universität Bremen externer Link , seine Zusammenfassung darin lautet: „I. Der Ausschluss von Werkvertrags- und Leiharbeit sowie der Beschäftigung von Soloselbständigen in den mittleren und größeren Unternehmen der Fleischwirtschaft verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Die in Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit der Unternehmen der Fleischwirtschaft ist nicht verletzt. Auch die stärkere Betroffenheit der Werkvertragsunternehmen führt nicht zu einem Verfassungsverstoß, da der mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Gesundheitsschutz im vorliegenden Fall den Vorrang vor der Freiheit beruflicher Betätigung der Werkvertragsunternehmer und der Verleiher hat. Die Berufsfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer ist nicht in nennenswertem Umfang tangiert. Die geplante Regelung verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nicht verletzt sind weiter die Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts sowie die Dienstleistungs- und die Leiharbeitsrichtlinie. „Inhaber“ im Sinne des Gesetzentwurfs ist, wer den Arbeitsprozess steuert. Dies gilt nicht nur für Betriebe und Unternehmen, sondern auch für „übergreifende Organisationen“. Der Gesetzgeber stellt allein auf die tatsächliche Arbeitsorganisation ab; das Vorliegen von wirtschaftlichen oder konzernmäßigen Abhängigkeiten spielt keine Rolle. Das Abstellen auf die reale Steuerung des Arbeitsprozesses ist nicht zu beanstanden; vielmehr handelt es sich um eine notwendige Ergänzung, die eine Umgehung der Neuregelung durch Aufspaltung in kleine Unternehmen verhindert. III. Die Ausklammerung des Fleischerhandwerks aus der gesetzlichen Neuregelung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Der vorgesehene Grenzwert von 49 Personen erscheint allerdings ungerechtfertigt hoch, obwohl die im Unternehmen eingesetzten Werkvertrags- und Leiharbeitnehmer sowie Soloselbständige mitgerechnet werden.“ Das allgemeine Verbot der Leiharbeit war leider nicht Gegensatnd des Auftrags des DGB…
  • Soziologe über Arbeit im Schlachthof: „Ein großes Moment von Zwang“ / Eine halbe Reform: Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Fleischindustrie 
    Was ist vom Gesetzentwurf zum Arbeitsschutz in der Fleischindustrie zu halten? Der Soziologe Peter Birke sieht Fortschritte, aber auch Probleme. taz: Herr Birke, der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Arbeitsschutz in der Fleischindustrie sieht vor, dass in Großbetrieben ab 2021 Werkverträge verboten sind. Klingt ja erst mal ganz sinnvoll, oder? Peter Birke: Ist es auch. Das Gesetz ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Die Abschaffung von Werkverträgen ab Januar und von Leiharbeit ab April 2021 ist absolut sinnvoll. Aber es gibt zwei Probleme. [Welche denn?] Es geht im Gesetz ja um Schlachtung und Zerlegung. Die Frage ist, was wir darunter verstehen. In unseren Augen gehört auch die Reinigung der Anlagen dazu, in der ja extrem miserable Arbeitsbedingungen herrschen, die denen am Fließband selbst sehr ähneln: Nachtarbeit, übermäßige Arbeitszeiten, Lohnbetrug, Bestechungsgelder, die dafür gezahlt werden, dass es überhaupt zu Arbeitsverträgen kommt. Dazu kommt die Ausstallung, ohne die es ja keine Schlachtung gäbe. Auch da sind die Probleme ähnlich. Beide Bereiche werden auch nach dem neuen Gesetzentwurf nicht reguliert. Das zweite Problem ist das der Kontrolle. (…) Da kann man sich schon vorstellen, wie gering die Kontrolldichte da nach wie vor ausfällt; in den letzten Jahren war das ein absolutes Desaster. Wichtig ist zudem, wer kontrolliert. Da gibt es im Gesetzentwurf einen erheblichen Mangel: Ein zentrales Instrument ist ja die Aufzeichnung der Arbeitszeit, die nun digital erfolgen soll, und diese Erfassung muss natürlich auch dem Beschäftigten selbst zugänglich sein. Bisher ist das nicht vorgesehen. Im Prinzip kann der Arbeitgeber einfach eine Excel-Tabelle anlegen und reinschreiben was er will. Solange den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften diese Daten nicht zugänglich sind, gibt es da nach wie vor ein Problem. (…) [Es gibt ja Betriebe, die Werkverträge schon jetzt abgeschafft haben. Ist das nicht schon ein Fortschritt?] Das ist eine gewisse Regulierung von Arbeitsverhältnissen, allerdings wird da exzessiv auf befristete Beschäftigung gesetzt. Zu denken, durch die Abschaffung von Werkverträgen und Leiharbeit gebe es keine prekäre Beschäftigung mehr, ist eine Illusion…“ Interview von Harff-Peter Schönherr vom 10.9.2020 in der Taz online externer Link mit Peter Birke, siehe auch:

  • [Gesetzentwurf verschlechtert Situation ausländischer Arbeiter in Schlachthöfen] Erklärung des Arbeitstreffens des „Initiativkreises Fleischindustrie“ 
    „Viele von uns haben schon nicht mehr daran geglaubt, dass eine Bundesregierung bereit ist, Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischbranche zu verbieten und eine Inhaberverantwortung zu verlangen. Viel zu lange mussten die in Werkverträgen Arbeitenden auf klare Konsequenzen aus den Zuständen in der deutschen Fleischindustrie warten. Auch jetzt bleiben wir skeptisch: zu oft gelang es den Konzernen der Fleischindustrie, Gesetzesinitiativen so zu beeinflussen, dass Umgehungsstrategien möglich waren. Wir appellieren deshalb dringend an die Bundestagsabgeordneten keine Aufweichungen zuzulassen. Auch Leiharbeit darf in dieser Branche nicht mehr stattfinden. Denn viele Subunternehmen, die Menschen in Werkverträgen drangsalieren, zusammenpferchen, ausbeuten, sind auch als Leiharbeitsunternehmen zugelassen. Das böse Spiel zulasten der Beschäftigten könnte einfach in neuem Gewand weitergehen! Gelten muss: Ein Betriebsgelände, ein Betrieb, eine Stammbelegschaft. Wir teilen uneingeschränkt das Ziel, die Unterbringungssituation für alle Branchen zu verbessern. Leider sehen wir nicht, dass der Gesetzentwurf dieses Ziel erreicht. Im Gegenteil. Zum ersten Mal wird eine zeitliche Kopplung von Arbeiten und Wohnen legitimiert: wer seinen Arbeitsplatz verliert, wird aus der Unterkunft gewiesen, landet obdachlos auf der Straße. Das haben wir oft erlebt. Bislang ist das – so steht es im BGB – rechtswidrig. Man kann auch kein Gesetz zur Unterbringung verabschieden und die notwendigen Standards dafür erst im Nachhinein entwickeln. Das ist fahrlässig. Hier droht ein rechtsfreier Raum, wenn nicht mindestens auf die geltenden, ohnehin viel zu geringen Belegungs- und Qualitätsstandards im Arbeitsstättenrecht verwiesen wird. Und es muss klar sein: diese Mindeststandards dürfen künftig nicht unterboten werden! Wir fordern die Bundestagsabgeordneten dringend auf, den horrenden Bettpreisen von in der Regel 300 bis 400 Euro im Monat durch einen Kostendeckel endlich einen Riegel vor zu schieben: Für die Beschäftigten, aber auch für alle EinwohnerInnen einer Kommune, denn ohne diese Deckelung steigen die Mietpreise für alle. Vieles, was wir als Aktive und UnterstützerInnen in der täglichen Arbeit erleben, ist in dem neuen Gesetz noch unzureichend geregelt, dazu gehört zum Beispiel die Aushändigung der erfassten Arbeitszeiten an die Beschäftigten. Der parlamentarische Prozess in den kommenden Wochen ist darum ungeheuer wichtig für all diejenigen, die lange Jahre ohne Wertschätzung und getrennt von ihren Familien in dieser Gesellschaft schwer gearbeitet haben – und das mit ihrer Gesundheit, und Zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit dieses Landes bezahlt haben. Wir werden den Gesetzgebungsprozess der nächsten Wochen aufmerksam begleiten und den Fleischkonzernen weiterhin auf die Finger schauen.“ Erklärung vom 22.08.2020 beim DGB Schleswig-Holstein Nordwest externer Link
  • Keine Werkvertrags- und Leiharbeit mehr in der Fleischindustrie? Der Gesetzentwurf von Arbeitsminister Heil lässt alle wichtigen Fragen offen 
    „… Der Kern der Ausbeutung der osteuropäischen Fleischarbeiter ist der Werkvertrag. Aber nicht die rechtliche Konstruktion ist das Problem. Denn es handelt sich in der Fleischindustrie in der Regel gar nicht um Werkverträge, sondern um betrügerische Leiharbeit. Denn die Werkvertragsfirmen, die die Arbeiter anwerben und anstellen, haben gar nicht die für einen Werkvertrag erforderlichen Werkzeuge, Vorrichtungen, auch nicht das für heutiges Schlachten, Zerlegen und Weiterverarbeiten erforderliche know how, geben deshalb auch gar nicht die notwendigen Arbeitsanweisungen – all das liegt im Wesentlichen beim Auftraggeber, bei den Schlachtkonzernen wie Tönnies und Danish Crown. Der Bundesarbeitsminister umgeht diese Feststellung vollständig. Sie würde nämlich zur Folge haben, dass etwa das gute Dutzend Werkvertragsfirmen, die für Tönnies die Arbeiter beschafft haben, bestraft werden müssen, ebenso Tönnies & Co wegen Beihilfe. Wer diesen Missbrauch heutiger Vertragsformen nicht benennt, ist auch nicht gegen den Missbrauch zukünftiger, anderer Vertragsformen gewappnet. (…) Dass die Fleischzerleger bei Bedarf schon mal mehr als 16 Stunden arbeiten mussten, dass ihnen Dutzende monatliche Überstunden nicht bezahlt wurden, dass sie gegen diese Rechtsbrüche sich nicht vor das Arbeitsgericht gewagt haben – das hängt nicht am Werkvertrag als solchem, sondern an einem zusätzlichen Angst- und Zwangsregime. (…) Schließlich sollen laut Gesetzentwurf für die Gemeinschaftsunterkünfte der Fleischarbeiter „Mindeststandards“ gelten. Das betrifft etwa die Hygiene und die Miethöhe. Festgelegt ist im Gesetzentwurf dazu nichts. (…) Während überall in der Öffentlichkeit die Corona-Maßnahmen streng kontrolliert werden, ordnet der Staat in den Unternehmen weder Maßnahmen an noch kontrolliert er die Einhaltung der als allgemein ausgegebenen Maßnahmen – weder in der besonders gefährdeten Fleischindustrie noch sonst in den anderen Unternehmen. Die Lobby aus BDA und BDI hat bis heute verhindert, dass es eine bundesweite Regelung zum Schutz der Arbeitnehmer gibt. Erst Anfang Juli hat die Bundesregierung einen Entwurf vorgelegt. Der ist aber auch Anfang August immer noch nicht verabschiedet „Auch sechs Monate nach Ausbruch der Pandemie in Deutschland fehlen Vorschriften zum Infektionsschutz im Job. Arbeitgebervertreter wehren sich gegen verbindliche Regeln.“ Auch dies lässt daran zweifeln, ob das von Heil versprochene „Aufräumen in der Fleischindustrie“ über vordergründiges Skandal-Management hinausgeht.“ Artikel von Dr. Werner Rügemer vom 5. August 2020 bei Linkes Forum Paderborn externer Link
  • Faktencheck des DGB: Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie – Warum die Argumente der Arbeitgeber nicht ziehen [und der DGB seine eigenen Argumente zur Leiharbeit entlarvt]
    Die Fleischindustrie wird aus Deutschland abwandern? Die Beschäftigten wollen gar nicht fest angestellt werden, sondern flexibel arbeiten und schnell Geld verdienen? Und überhaupt ist der Verbraucher Schuld an den schlechten Arbeitsbedingungen, weil er billiges Fleisch kaufen will? Zehn Argumente der Arbeitgeber gegen ein Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen in der Fleischwirtschaft auf dem Prüfstand…“ Faktencheck des DGB vom 4.8.2020 externer Link in Kooperation mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Aus unserer Sicht interessant darin zur These „Für die „Saison“ braucht man Leiharbeiter*innen, um saisonale Schwankungen auszugleichen“: „Wenn es saisonalen Bedarf an Arbeitskräften gibt, können die Unternehmen ohne Weiteres dafür befristete Arbeitsverträge schließen. Genau für diesen vorübergehenden Bedarf an Arbeitskräften hat der Gesetzgeber den § 14 Abs. 1 TzBfG geschaffen (…) Das deutsche Arbeits- und Tarifrecht ermöglicht bereits jetzt auch den innerbetrieblichen Ausgleich von Auftragsspitzen, beispielsweise durch den tariflich geregelten Austausch von Arbeitern über Standorte hinweg, die tariflich vereinbarte Einführung von Arbeitszeitkonten oder die Befristung von Arbeitsverträgen mit Sachgrund. Viele andere Branchen kommen mit diesen Instrumenten gut aus.“ Das spricht vollumfänglich gegen die Leiharbeit, die der DGB bereitwillig tarifiert und damit „aus der Schmuddelecke“ holt. Wie widersprüchlich die DGB-Argumentation ist, zeigt die nachfolgende Passage: „… Vor allem Leiharbeitsunternehmen, die in den letzten Jahren aufgrund der guten Arbeitsmarktsituation einen Rückgang ihrer Beschäftigtenzahlen verzeichneten, sehen in der Fleischbranche riesige neue Geschäftsbereiche. Was sie unter „Saison“ verstehen, lässt aber erahnen, wo dieser Weg hinführt, wenn er einmal eröffnet wird: erst kommt Ostern, dann die Grillsaison, die Urlaubszeit, das Weihnachtsgeschäft und obendrauf kommen noch Exportaufträge – der „saisonale“ Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften erstreckt sich über das ganze Jahr. Ein Verbot von Werkverträgen bei gleichzeitiger Beibehaltung von Leiharbeit würde das Problem nicht beheben. Die Hürden für die Gründung eines Leiharbeitsunternehmens sind nicht hoch. Es ist wahrscheinlich, dass die bisherigen Werkvertragsunternehmen sich in Leiharbeitsunternehmen umfirmieren. Dann ist nichts gewonnen.“ Wir sollten den DGB beim Wort nehmen!
  • Arbeitsschutzkontrollgesetz: Mut zur Lücke 
    Gesetzeslücken sind nicht immer ein Fauxpas. Oft steht politisches Kalkül dahinter. So wie beim neuen Arbeitsschutzkontrollgesetz, das dem System Tönnies eigentlich ein Ende bereiten soll. (…) Der Löwe in Gestalt des Arbeitsministers warnte auch gleich Bundestag und Bundesrat davor, das Gesetz in den parlamentarischen Beratungen noch zu verändern. Diese dürften sich ››nicht von einer Lobby beeindrucken lassen, die mit sehr, sehr viel Geld ihr Geschäftsmodell retten will‹‹. Heil weiß, von was er spricht. Und darum weiß er wahrscheinlich auch, dass eine Gesetzesänderung gar nicht mehr unbedingt nötig ist. Angeblich um das ››regionale Fleischerhandwerk‹‹ im Kampf gegen die Großschlachtereien zu stärken, wie Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner behauptete, baute man ein paar klitzekleine Ausnahmen in das Arbeitsschutzkontrollgesetz ein: Betriebe unter 50 Mitarbeiter können diese auch weiterhin über Werkverträge beschäftigen. Klöckners Ressort war es auch, das ››im Sinne kleinerer und mittlerer Unternehmen Korrekturen am ursprünglichen Entwurf‹‹ durchdrückte. Zunächst hatten nur Betriebe unter 30 statt unter 50 Beschäftigte von den verschärften Vorschriften ausgenommen werden sollen. An Tönnies war da natürlich noch gar nicht zu denken! (…) Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) lässt sich die Skepsis dagegen nicht so ganz austreiben, was die Tochterfirmen angeht. Die Fleischindustrie sei bisher ››sehr kreativ‹‹ darin gewesen, Gesetze zu umgehen. ››Möglich ist alles‹‹, glaubt die NGG wohl nicht ganz zu unrecht. Grundsätzlich gilt – und die Bundesregierung weiß, dass Tönnies das weiß, so wie Tönnies weiß, dass die Bundesregierung das weiß –, wo eine Gesetzeslücke ist, wird sie auch genutzt. Wäre dem nicht so, würde man sich mit ziemlicher Sicherheit weitaus weniger Gesetzeslücken unter findiger Mitwirkung von Unternehmenslobbyisten ausdenken müssen. (…) Im Raum steht aber auch die Frage, warum sich die Regierung nicht gleichzeitig auch um die Landwirtschaftshelfer oder Lieferdienste gekümmert hat, Sparten, in denen es um Arbeitsverhältnisse und Arbeitnehmerschutz nicht viel besser steht als in der Fleischindustrie. Heil will das ››prüfen‹‹, was auf Deutsch so viel heißt wie: man will es nicht…“ Artikel von Sebastian Müller vom 31.07.2020 bei Makroskop externer Link
  • [Bundeskabinett verabschiedet Arbeitsschutzkontrollgesetz] „Wir schützen die Beschäftigten und beenden die Verantwortungslosigkeit in Teilen der Fleischindustrie.“[Hubertus Heil]
    „Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung das Arbeitsschutzkontrollgesetz auf den Weg gebracht. (…) Im Detail sind folgende Maßnahmen im Gesetz vorgesehen, das Eckpunkte des Kabinetts zur Fleischindustrie vom 20. Mai 2020 verwirklicht: 1. Es wird verboten, Fremdpersonal im Kerngeschäft der Fleischindustrie einzusetzen. Der Schlachthofbetreiber ist für alle Arbeitnehmer in seinem Kerngeschäft zuständig. Dies gilt für Werkverträge ab dem 1. Januar 2021, für Leiharbeit ab dem 1. April 2021. Ausgenommen hiervon sind nur Unternehmen des Fleischerhandwerks mit bis zu 49 tätigen Personen. 2. Es werden für die Bundesländer einheitliche verbindliche Kontrollquoten gelten und es soll Schwerpunktkontrollen in Risikobranchen geben. Durchgeführt werden die Kontrollen durch die Arbeitsschutzbehörden. 3. Für die Unterbringung der Beschäftigten gelten Mindeststandards, auch außerhalb des Betriebsgeländes. 4. Arbeitgeber werden verpflichtet, die zuständigen Behörden über Wohn- und Einsatzort aller Arbeitskräfte zu informieren. So werden effektivere Kontrollen möglich. 5. Um die Einhaltung der Mindestlohnvorschriften der Beschäftigten wirksam zu überprüfen, gilt eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung in der Fleischindustrie. 6. Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz drohen künftig höhere Bußgelder. Der entsprechende Rahmen wird von 15.000 Euro auf 30.000 Euro verdoppelt. 7. Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll ein Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit gebildet werden, um u.a. Regeln und Erkenntnisse zu ermitteln, wie die rechtlichen Anforderungen erfüllt werden können.“ BMAS-Pressemitteilung vom 29. Juli 2020 externer Link – siehe dazu:

    • Gesetz verabschiedet: Diese Regeln beschert Heil nun der Fleischbranche
      „… Erst bekam Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am Dienstag in der Bundesregierung grünes Licht für seinen Gesetzentwurf, nun wurde er nach letzten Änderungen vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht. Dieser Schritt betrifft eine 40-Milliarden-Euro-Branche: die Fleischindustrie. Auf sie kommen damit ab dem 1. Januar 2021 neue Regeln zu. (…) Heil sagte, für die Fleischbranche sei bereits 2017 ein relativ scharfes Gesetz in Kraft getreten. Durch „trickreiche Konstruktionen“ seien diese aber umgangen worden. „Jetzt muss grundlegend aufgeräumt werden.“ Die neuen Regeln sollen sicherstellen, dass Schlachthof-Betreiber die Verantwortung für Missstände nicht länger auf Subunternehmer abwälzen können, die über Werkverträge Arbeitsleistungen erbringen. (…) Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft kritisierte das geplante Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie ab dem kommenden Jahr scharf. „Was da beschlossen wurde, darf wirklich nicht wahr sein“, sagte Präsident Friedrich-Otto Ripke der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Regierung setze die Fleischproduktion in Deutschland aufs Spiel. Die deutsche Fleischwirtschaft hält ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit allein in ihrer Branche für verfassungswidrig. Es sei nicht erklärbar, warum beim Portionieren und Verpacken von Käse künftig anderes Arbeitsrecht gelten solle als bei Wurst, heißt es in einer Stellungnahme zum Gesetzesvorhaben, wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet. (…) Experten weisen schon lange – und seit dem Tönnies-Skandal vermehrt – darauf hin, dass es derartige Missstände, wie sie nun in der Fleischindustrie an den Pranger gestellt wurden, auch anderswo gibt. So erklärte erst kürzlich die Gewerkschafterin Sevghin Mayr, die ausländische Arbeiter im Kontext der Arbeitsmigration und Freizügigkeit berät, im Interview mit der WirtschaftsWoche: „Die meisten Anfragen erreichen uns derzeit aus der Fleischbranche. Und auch in der Baubranche klagen viele über Massenquartiere. Sehr viele Anfragen bekommen wir auch von Paketzustellern. Zudem haben sich viele Erntehelfer an uns gewandt, die deutsche Landwirte während der Pandemie eingeflogen haben.“ Artikel von Katja Joho vom 29. Juli 2020 in der WirtschaftsWoche online externer Link
  • [DGB] Regeln für die Fleischwirtschaft: Die Beschäftigten nicht warten lassen
    „Heute hat das Kabinett den Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zum Verbot der Werkverträge in der Fleischindustrie beschlossen. Dazu sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Mittwoch in Berlin: „Es ist gut und macht Hoffnung, dass Bundesarbeitsminister Heil ein Gesetz auf den Tisch gelegt hat, mit dem endlich Verbesserungen in der Fleischindustrie erreicht werden können. Weil freiwillige Vereinbarungen nicht eingelöst wurden, ist es Zeit, dass mit Gesetzen gegen Ausbeutung gesteuert wird. Es muss endlich Schluss damit sein, dass die Konzerne die Verantwortung in diesem sensiblen Bereich an Dritte auslagern. Das Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen ist die richtige Antwort und speziell für diese Branche gut begründet. Wenn Beschäftigte zur Stammbelegschaft gehören, gibt es eine realistische Chance für Betriebsräte, für Mitbestimmung und tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen. Nur so entstehen Strukturen, die die Menschen – die oft aus dem Ausland kommen – wirksam schützen. Zusätzlich muss gegen zu lange Arbeitszeiten und zu kurze Ruhezeiten vorgegangen werden, Arbeitszeiten müssen mit Hilfe einer manipulationssicheren, elektronischen Zeiterfassung durch alle Arbeitgeber der Branche und durch die zuständigen Behörden kontrolliert werden. Auch dafür schafft der Gesetzentwurf eine gute Grundlage. Nachbesserungsbedarf gibt es bei den Regelungen zur Wohnsituation: Standards für die Ausstattung und eine gesetzliche Deckelung der vom Lohn abgezogenen Mietkosten müssen für alle Unterkünfte gelten, die vom Arbeitgeber oder in dessen Auftrag zur Verfügung gestellt werden. Das Gesetz muss jetzt zügig umgesetzt werden, ohne dass es weiter verwässert wird. Der Fleischindustrie dürfen keine Schlupflöcher für ihre menschenunwürdige Praxis gelassen werden. Beschäftigte, die seit Jahren tagtäglich Ausbeutung, Sozialdumping und Lohnbetrug erdulden und wegen des mangelnden Arbeitsschutzes akut gefährdet sind, sich mit Corona zu infizieren, können nicht länger warten.“ DGB-Pressemitteilung 047 vom 29. Juli 2020 externer Link
  • Kein Fortschritt: Werkvertragsverbot in der Fleischindustrie gefährdet allgemeines Werkvertragsverbot!
    Nun werden Werkverträge in der Fleischindustrie verboten. Wirklich? Und selbst wenn: Was bedeutet das für Werkverträge in anderen Branchen? Und wird mit diesem Gesetz vielleicht der Grundstein gelegt für Gerichtsurteile, mit denen auf Dauer Werkverträge für alle Branchen legalisiert werden, weil diese – wenn sie schon verboten werden – ganz hätten verboten werden müssen, sich aber die Bundesregierung nicht traut, sie bspw für die Autoindustrie zu verbieten? Werkverträge gab es vor 30 Jahren nicht. Niemand wäre auf die Idee gekommen, willkürlich ganze Abteilungen oder gar nur Arbeitsschritte als „Unternehmen“ zu „verselbständigen“, damit die Arbeitnehmer dort als „Fremdpersonal“ billiger beschäftigt werden können. Niemand. Damals galt der vom 7. Senat des BAG hochgehaltene Grundsatz der „Einheit der Belegschaft“ noch was. Doch dann kam Prof. Volker Rieble und organisierte einen allmählichen Sinneswandel der „herrschenden Meinung“ unter Juristen. Heute sind Werkverträge vor allem in der Autoindustrie durchweg von der Rechtsprechung anerkannt. So wurden zuletzt bei Klagen gegen den Automobilkonzern VW vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Bereiche und Arbeitsschritte wie „Bereitstellung“, „Fahrzeugaufbereitung“, „Sitztechnik“, „Logistik“ und andere als ohne weiteres „absonderungsfähig“ und damit Werkverträgen zugänglich bezeichnet. Vor allem unter den Begriff angeblicher „Logistik“ werden alle möglichen Tätigkeiten subsumiert, sogar solche, bei denen auch Stammbeschäftigte eingesetzt werden, zB der Einsatz von Routenzügen an der Produktionslinie und der Einsatz von Gabelstaplerfahrzeugen. Weit über die Leiharbeit hinaus werden durch Einsatz von Werkverträgen in der Industrie inzwischen bis zu 50 % der Arbeiten durch Werkvertragsbeschäftigte erledigt. Die Fleischindustrie ist nur die Spitze eines weit in die gesamte industrielle Produktion hinein reichenden Phänomens. Und d a s ist das Problem: A l l e Werkverträge gehören verboten, weil a l l e Werkverträge die Belegschaften spalten und damit das Arbeitsrecht aushöhlen. A l l e ! Nun meint Herr Minister Heil, einen „ersten“ Schritt mit dem Verbot der Werkverträge in der Fleischindustrie gemacht zu haben. Doch seine Differenzierung zwischen Fleischindustrie und anderen Branchen ist eine Steilvorlage für die gesamte Arbeitgeberschaft. An dieser Differenzierung wird das Gesetz rechtlich scheitern und damit werden Werkverträge auf weitere viele Jahre hinaus „legalisiert“ werden. Mindestens aber wird der Einsatz „konzerneigener“ Werkvertragsfirmen gestattet werden, denn in der Autoindustrie wurde und wird der Einsatz bereits jetzt von konzerneigenen „Dienstleistern“ durchgeführt, wie die Beispiele Autovision, VW Services Group, SITECH und andere zeigen. Tönnies bereitet den „Einsatz“ seiner „Fremdunternehmen vor“. Was sagt dazu der Minister Heil? Das Verbot von Werkverträgen muß auf alle Branchen ausgedehnt werde. Sonst droht die totale Legalisierung der Werkverträge!“ Kommentar vom 30.7.2020 von RA Dr. Rolf Geffken (per e-mail)
  • Wird Tönnies bei den Werkverträgen tricksen? „Einzige Perspektive um aus dem Dilemma herauszukommen, ist das Verbot von Werkverträgen überall.“
    Die Coronakrise hat ein Schlaglicht auf schon lange bestehende Verhältnisse geworfen. Durch die massiven Coronaausbrüche in der Fleischindustrie ist diese nun in die Kritik geraten und sogar die langjährige Praxis der Werkverträge steht zur Disposition. Wir werden aufräumen mit diesen Verhältnissen“ So Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angesichts der zahlreichen Covid-19 Fälle in den Schlachthöfen. Er kritisierte die Arbeits- und Wohnbedingungen der zumeist osteuropäischen LeiharbeiterInnen in der Fleischwirtschaft: „Wir dürfen als Gesellschaft nicht weiter zugucken, wie Menschen aus Mittel- und Osteuropa in dieser Gesellschaft ausgebeutet werden.“ Zum Jahreswechsel soll angeblich gesetzlich Schluss gemacht werden mit der bisherigen Werkvertragspraxis.Auf diese Ankündigungen hat nun der größte europäische Fleischkonzern Tönnies reagiert. Tönnies wolle die bisher über Werkverträge Beschäftigten künftig in eigene Tochtergesellschaften integrieren. Die ersten 1.000 Arbeiter sollen bis September direkt bei Firmen der Gruppe angestellt werden, so Tönnies gegenüber dem „Westfalen-Blatt“. Viel verändern wird sich nichts, so die Auffassung von Dr. Rolf Geffken, Arbeits-, Wirtschaftsrechtler und Autor aus Hamburg, der auf das Beispiel VW verweist. Wir haben mit ihm gesprochen.“ Interview vom 24. Juli 2020 beim Radio Dreyeckland externer Link
  • Debatte um höhere Fleischpreise: Pflaster ohne Wundheilung
    Die Stimmen nach einer Fleischabgabe werden lauter – plötzlich reden alle von Tierwohl. Die ursprünglich grüne Forderung wird inzwischen auch von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, von Jochen Borchert (beide CDU), der eine Expertenkommission zum Thema leitet, und von Horst Seehofer (CSU) vertreten. Die Verantwortung für die politische Misere wird auf die Verbraucher abgewälzt. Der Ruf nach höheren Preisen impliziert, sie seien geizig und würden immer billigere Preise verlangen. Dabei wird übersehen, dass nicht die Nachfrage, sondern fehlgeleitete Agrarsubventionen und Effizienzsteigerungen zum Fleischpreis geführt haben. Es wird ignoriert, dass viele Menschen sich schlicht keine teureren Produkte leisten können. Jedem dritten Hartz-IV-Beziehenden fehlt etwa laut einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes Geld für vollwertiges Essen. Gemüse ist oft teuerer als Fleisch, wenn auch dies ein Produkt für Wohlhabende wird, hilft das nicht weiter. Die aktuelle Diskussion spielt soziale Fragen gegen ökologische aus. Das Herumdoktern in einem kranken System ist nicht mehr als ein fehlgeleiteter Versuch für eine gerechtere und nachhaltigere Produktion. Höhere Preise beheben weder die Ursache der Ausbeutung, noch führen sie zu ihrer Überwindung.“ Kommentar von Lisa Ecke vom 27.07.2020 im ND online externer Link
  • Verbot von Werkverträgen: Scharfe Regeln für Schlachthöfe: Arbeitsminister Hubertus Heil will auch andere Branchen prüfen
    Die Corona-Krise brachte die Zustände in Teilen der Fleischindustrie erneut ans Licht. Gesetzesverschärfungen stehen kurz bevor. Doch sind sie rechtens – und wird es dabei bleiben? (…) Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte der dpa: „Finger weg von einer allgemeinen Einschränkung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung, wenn man nicht die Wirtschaft völlig abwürgen will.“ Werkverträge seien zum Beispiel für weite Bereiche des Handwerks, der Bauindustrie und des Anlagenbaus zwingend die Grundlage für ihre Wertschöpfung beim Kunden. „Die Verfehlungen Einzelner können nicht ein derart wichtiges Instrument zerstören.“ Heil versicherte: „Mein Ziel ist nicht, Werkverträge überall in der deutschen Wirtschaft zu verbieten.“ Werkverträge seien sinnvoll. „Wenn ein Industriebetrieb einen Handwerker beauftragt, eine Sicherheitsanlage einzubauen, ist das ein ganz normaler Werkvertrag.“…“ Artikel von Basil Wegener und Andreas Hoenig vom 26.7.2020 in der Berliner Zeitung online externer Link
  • Industrie erwartet Anstieg der Fleischpreise
    Die deutsche Fleischwirtschaft hält das von der Bundesregierung geplante Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in ihrer Branche für verfassungswidrig und prognostiziert deutlich steigende Fleischpreise. In einer Stellungnahme des Sozialpolitischen Ausschusses der Branche zum Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) heißt es laut der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ), es sei nicht erklärbar, warum beim Portionieren und Verpacken von Käse künftig anderes Arbeitsrecht gelten solle als bei Wurst. Das Gesetz gehe zu weit und stelle eine „abstruse Ungleichbehandlung“ gegenüber anderen Branchen dar, zitiert die „NOZ“ weiter aus dem Schreiben. Die Fleischwirtschaft sei auch künftig auf Leiharbeiter angewiesen, um Produktionsspitzen etwa zur Grillsaison abfangen zu können. Würden Werkvertrag und Leiharbeit verboten, verteure das die Produktion. (…) In der Stellungnahme wird ein Branchentarifvertrag als Alternative genannt. Dieser „wäre das effektive Mittel, um Schlupflöcher für schwarze Schafe zu schließen“. In einem Branchentarifvertrag könnten dann auch Vorgaben zur Unterbringung von Leiharbeitern gemacht werden, was in einem Gesetz nicht möglich sei...“ AFP-Meldung vom 25.07.2020 beim ZDF externer Link
  • [DGB] Gesetzentwurf Fleischindustrie: Fortschritt mit Verbesserungsbedarf
    Mit dem Ziel besserer Arbeits- und Lebensbedingungen für die Beschäftigten in der Fleischindustrie hat Bundesarbeitsminister Heil jetzt einen Entwurf für ein Arbeitsschutzkontrollgesetz vorgelegt. Es sieht für weite Bereiche der Schlachtung und Fleischverarbeitung ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit vor sowie neue Regeln für die Beschäftigtenunterkünfte. Dazu sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Donnerstag in Berlin: „Die Verhältnisse in der Fleischindustrie sind ausbeuterisch. Gut, dass die Bundesregierung endlich auf diese menschenverachtenden Zustände reagiert, die an moderne Sklaverei grenzen und für Deutschland schlicht und ergreifend ein Skandal sind. Das ist ein erheblicher Fortschritt. In der Fleischindustrie brauchen wir endlich klare Verantwortlichkeiten für Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz und Hygiene. Wenn das Verbot der Werkverträge wirken soll, muss es ausdrücklich auch konzerninterne Werkverträge und Leiharbeit verbieten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Fleischbarone Schlupflöcher nutzen, um neue ausbeuterische Strukturen zu erfinden – indem sie beispielsweise eigene Tochterunternehmen gründen. In den Betrieben muss es auch Betriebsräte und tariflich geregelte Arbeitsbedingungen geben. Nur so wird sich wirklich etwas ändern. Bei den Regelungen für die Unterkünfte gibt es aus Sicht des DGB Klärungs- und Nachbesserungsbedarf und auch eine Verantwortung der Länder bei der Umsetzung. (…) Rechtlich problematisch ist aus Sicht des DGB eine zeitliche Kopplung der Unterbringung der Beschäftigten an den konkreten Arbeitsvertrag. Das schafft ungewollte Abhängigkeiten der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Deshalb muss das Gesetz klarstellen, dass eine zeitliche Koppelung von Unterkunft und Arbeitsvertrag unzulässig ist.““ PM vom 23.07.2020 externer Link
  • [Arbeitgeber] Heils Gesetz für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie hat viele Nebenwirkungen
    Das geplante Gesetz setzt die Arbeitsschutzbehörden unter Druck. Und es schießt aus Sicht der Arbeitgeber weit über das Ziel hinaus…“ Artikel von Frank Specht vom 24.7.2020 im Handelsblatt online externer Link (im Abo) – wir werden ganz sicher bald mehr hören von der Abwehrfront
  • Experten warnen: Fleischkonzerne könnten Verbot von Werkverträgen umgehen
    Nach neuen Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen gerät das Werkvertragssystem in die Kritik. (…) Gewerkschafter betrachten die politischen Bemühungen für ein Verbot von Werkverträgen zum 1. Januar 2021 in der Fleischindustrie mit großer Skepsis. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) in der Region Oldenburg/Ostfriesland, Matthias Brümmer, fürchtet, dass viele Unternehmen das geplante Verbot durch die Gründung von Tochterfirmen umgehen werden. Dadurch würde erneut ein unübersichtliches Geflecht von Unternehmen entstehen, das nur schwer zu kontrollieren sei, sagte Kossen, der sich seit langem für die Rechte von Werkvertragsarbeitern einsetzt, am Dienstag dem „Evangelischen Pressedienst“: „Das ist dann der gleiche Mist wie mit den Subunternehmern und den Werkverträgen.“ (…) Brümmer betonte, die Arbeiter würden dann statt in fremden Subunternehmen in Tochterfirmen angestellt: „Alter Wein in neuen Schläuchen, die Ausbeutung wird bleiben“, sagte er dem Bremer „Weser-Kurier“. (…) Der Tönnies-Konzern hatte in der vergangenen Woche nach Medienberichten 15 Tochterfirmen gegründet. Dort sollen nach und nach Werkvertragsarbeiter fest angestellt werden. (…) Für den dänischen Gewerkschaftssekretär Jim Jensen ist der Streit um Werkverträge kaum nachvollziehbar. „In dänischen Schlachthöfen gilt seit mehr als 30 Jahren ein nationaler Tarif, der nicht unterschritten werden darf“, sagte er am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Tarif sehe als Minimum einen Stundenlohn von 20 Euro vor, der durch Zuschläge auf bis zu 27 Euro steigen könne. Ausnahmslos alle Mitarbeitenden seien in den Schlachthöfen fest angestellt. Das Fleisch sei an der Ladentheke nach Abzug der Mehrwertsteuer dennoch nicht teurer als in Deutschland. Auch international sei Dänemark wettbewerbsfähig. (…) Zwar versuchten auch in Dänemark die Arbeitgeber die Löhne zu drücken, um die Gewinne zu steigern. Doch sie scheiterten an der Macht der Gewerkschaften, unterstrich Jensen. In der Fleischindustrie seien nahezu 100 Prozent der Beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder. Hinzu komme die Solidarität der anderen Gewerkschaften. Wenn es darauf ankomme, fahre kein Lastwagen mehr in die Fleischerei, oder es komme keine Elektriker zu notwendigen Reparaturen…“ Beitrag vom 22. Juli 2020 von und bei MiGAZIN externer Link
  • Streit über die Werkverträge: Was die Branche vom geplanten Verbot hält 
    Gewerkschafter fürchten, dass das System unter anderem Namen weiterläuft. Die Branche und Dienstleister warnen vor höheren Kosten und Personalnot. (…) Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will bis Ende Juli einen Gesetzentwurf zum Ende der Werkverträge in Kernbereichen der Schlachtindustrie vorlegen. Das Gesetz soll bis Jahresende in Kraft treten. Indes mehren sich kritische Stimmen, wie praktikabel das geplante Verbot ist. Unternehmen, Verbände und Gewerkschafter werfen der Politik einen gesetzgeberischen Schnellschuss vor – und warnen davor, dass alte Probleme nicht behoben werden, während neue dazukommen. „Wir fürchten, die Fleischindustrie behält das Konstrukt der Werkverträge bei – nur unter anderem Namen“, sagt Michael Brümmer von der Gewerkschaft NGG Oldenburg, einem Zentrum der deutschen Schweine- und Geflügelzucht. Dieselben Beschäftigten seien dann eben nicht über fremde Subunternehmen, sondern über Tochterfirmen oder übernommene Dienstleister angestellt: „Am ausbeuterischen System wird das nicht viel ändern.“ (…) Klar ist etwa, dass die Schlachtkonzerne weiter auf Personal aus Osteuropa angewiesen sein werden. „Wir haben umfangreiche Erfahrung mit dem Versuch, in Deutschland Personal zu rekrutieren. Das ist nicht möglich“, sagte ein Tönnies-Sprecher. Die Personalgewinnung müsse voraussichtlich weiterhin in Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Polen stattfinden. „Wir werden bei der Rekrutierung sicher auf bestehende Strukturen zurückgreifen, aber auch eigene aufbauen müssen“, so der Sprecher. Waren 2008 erst 16.767 Ausländer in der deutschen Fleischindustrie beschäftigt, stieg deren Zahl bis 2018 auf 53.478, ermittelte der Bundestag. Das sind knapp 30 Prozent. Nach Schätzung der Gewerkschaft NGG sind etwa 30.000 Menschen über Werkverträge beschäftigt. Rechtsanwalt Thomas Kuhn beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Werkvertragsrecht. Zu seinen Mandanten gehören bei Tönnies tätige Dienstleister, darunter die Firma MGM, die selbst in der Kritik steht. Kuhn bestätigt: Die Fleischindustrie komme nicht ohne Osteuropäer aus. „Wenn sich überhaupt Deutsche melden, schmeißen sie den Job spätestens nach drei Tagen hin“, sagt der Jurist. Gleichzeitig könne Tönnies nicht auf Jahre mit den angekündigten Direktanstellungen planen. Denn auch unter diesen Arbeitern sei die Fluktuation hoch. „Viele kommen nur für eine begrenzte Zeit, manche verschwinden einfach von heute auf morgen.” (…) Branchenkenner befürchten, dass dubiose Personalanwerber weiterhin ihre Landsleute abzocken, indem sie beispielsweise Vermittlungsgelder fordern. MGM-Anwalt Kuhn meint: „Wenn alles einfach nur unter Direktanstellungen weiterläuft, wird sich nicht wirklich etwas ändern.” Will die Politik die Arbeitsbedingungen verbessern, sollte sie das seiner Meinung nach über einen Tarifvertrag oder eine gesetzliche Reduktion der produzierten Stückzahlen tun. Manch einer hält ein Verbot von Werkverträgen, das nur für die Fleischwirtschaft gilt, gar für verfassungswidrig. (…) Der Lohnkostenanteil in der Fleischindustrie ist allerdings gering. Gewerkschafter Brümmer schätzt, dass er nur bei rund fünf Prozent liegt. An einem Schwein, das rund 60 Kilo Fleisch hat, verdienen Werkvertragsfirmen nur etwa 1,03 Euro, zeigen Aussagen, die der NGG vorliegen. Trotzdem lohne sich das Geschäft für die Subunternehmen, so Brümmer. Die Margen in der Schlacht- und Zerlegebranche sind mit rund drei Prozent niedrig. Als Mitverursacher sieht der Gewerkschafter die mächtigen Handelsketten. „Der Handel ist der Preisdrücker.” Er sei wesentlich mitverantwortlich für die ausbeuterischen Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten in der Fleischbranche. Viele große Ketten – mit Ausnahme von Aldi – betreiben selbst Fleischwerke mit Werkverträglern…“ Artikel von Katrin Terpitz und Michael Verfürden vom 16.7.2020 beim Handelsblatt online externer Link (im Abo)
  • Corona-Hotspot Fleischindustrie: Das Scheitern der Selbstverpflichtung 
    Die deutsche Fleischwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem Sektor mit vielen Kleinbetrieben zu einem industrialisierten Wirtschaftszweig mit wenigen Marktführern entwickelt. Die meisten Tätigkeiten, die eigentlich zum Kerngeschäft zählen, sind ausgelagert worden. Ziel war es, den mit der Osterweiterung der EU verfügbaren Pool billiger Arbeitskräfte auszuschöpfen und gleichzeitig die skandalösen Arbeitsbedingungen in undurchsichtigen Subunternehmerstrukturen zu verschleiern. Trotz zahlreicher Medienberichte über die haarsträubenden Arbeitsbedingungen und die Nichteinhaltung des Mindestlohns begnügte sich der Staat lange mit freiwilligen und sanktionsfreien Selbstverpflichtungen der Branche. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit fuhr bei Einführung des Mindestlohns sogar ihre Kontrollen zurück. Erst, als durch die unheilvolle Kombination schlechter Arbeits- und Wohnbedingungen mit hohen Infektionsraten mit Covid-19 im Frühjahr 2020 auch die allgemeine Gesundheit gefährdet wurde, verabschiedete das Kabinett einen Gesetzesentwurf, der das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch durch Werkvertragsnehmer ab dem 1.1.2021 untersagt und die Kontrollen verschärfen soll. Die neuen gesetzlichen Regelungen werden die Branche nur ändern, wenn dahinter auch ein ernsthafter staatlicher Umsetzungswille steht. Dazu muss der Kontrolldruck auf die Branche nachhaltig erhöht werden…“ IAQ-Report 2020-07 von Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff und Claudia Weinkopf externer Link
  • Wenn Tönnies & Co. ihre Arbeiter nicht mehr über Subunternehmen und Werkverträge ausbeuten würden, dann kostet das eine Handvoll Cent. Zugleich aber ist die Engführung auf Werkverträge problematisch
    “… »Anfang 2015 hatte Sigmar Gabriel – noch als Bundeswirtschaftsminister – das System der Ausbeutung in der deutschen Fleischindustrie als „Schande für Deutschland“ bezeichnet. Es ging vor allem um die oft desolaten Arbeits- und Wohnbedingen der osteuropäischen Werkvertragsarbeitnehmer. Daraufhin besuchte Gabriel das Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück und wurde von Firmenchef Clemens Tönnies persönlich durch die Produktion geführt. In der Folge einigten sich die sechs größten deutschen Fleischkonzerne unter Federführung von Gabriel und Tönnies auf eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung sozialer Standards in der Fleischwirtschaft. Demnach sollten künftig auch alle Werkvertragsarbeitnehmer nach deutschem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht beschäftigt sein, die Zahl der Werkverträge reduziert sowie in die Unterkünfte investiert werden«, so das Politikmagazin „Panorama“. (…) Nachdem die miesen Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen – mal wieder und nun richtig massiv – hochgekocht wurden (weil diesmal nicht „nur“ diese Osteuropäer betroffen sind, sondern auch die einheimische Bevölkerung durch die Folgeprobleme der zahlreichen Corona-Infektionen), hat – wie bereits beschrieben – der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Situation dahingehend genutzt, nun endlich aufzuräumen in dieser Branche der Wiederholungstäter. Und er kann sich vieler Sympathien gewiss sein, wenn er ankündigt, man wolle das Werkvertragsunwesen mit den unüberschaubaren Subunternehmensketten für das Schlachten und für die Verarbeitung von Fleisch verbieten. Die Unternehmen sollen gefälligst eigene Beschäftigte anstellen und damit auch die damit verbundenen Arbeitgeberpflichten übernehmen. (…) Und zu welchem Ergebnis kommen den Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages? »Ein branchenbezogenes Verbot von Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertragsgestaltungen in der Fleischwirtschaft würde nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG noch unter dem Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung gegenüber Unternehmen anderer Wirtschaftszweige den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen.« An anderer Stelle hingegen findet man diesen Passus: Es müsse „gewissenhaft geprüft“ werden, »ob durch … weniger eingreifenden Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsschutzes bei Werkverträgen in der Fleischwirtschaft die festgestellten Missstände bereits behoben wurden oder absehbar behoben werden können. In einer solchen Situation könnte das in Rede stehende Verbot von Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen in diesem Wirtschaftszweig als unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG zu werten sein, der mithin nicht mehr verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre.« (…) Ich habe immer wieder die These vertreten, dass es sich bei vielen Werkverträgen in der Fleischindustrie in Wirklichkeit um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handelt. Dazu schreiben Elles und Strecker: »Es ist wahrscheinlich, dass ein Teil der Werkverträge die rechtlichen Anforderungen an solche Vertragsverhältnisse nicht erfüllen kann. Dies setzt nämlich voraus, dass der Subunternehmer die tatsächliche Kompetenz hat, einen Betrieb im Betrieb zu organisieren, er die Personalsteuerung und Gewährleistung übernimmt und anderes mehr. Kaum zu glauben, dass dies für die Hälfte aller Beschäftigten in den großen Schlacht- und Zerlegebetrieben gelten soll. Anstatt aber einem Missbrauch durch Schein-Werkverträge wirksam zu begegnen, will man die Vertragsmodelle an sich verbieten. Das ist so, als wollte man zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit die Selbständigkeit an sich abschaffen.« (…) Anselm Elles und Otto A. Strecker bilanzieren: »Beraten kann man Fleischunternehmen derzeit nur dahingehend, grundsätzliche und glaubhafte Innovationen in Geschäftsmodelle und Technologien auf den Weg zu bringen. Beides ist machbar, aber nicht kostenlos zu haben. Vertragsrechtliche Kosmetik zu betreiben, bei Beibehaltung der im Prinzip gleichen Arbeitsbedingungen, würde der Glaubwürdigkeit der Branche weiteren Schaden zufügen.« (…) Was würde eine Abschaffung der Werkverträge bringen – abgesehen von den durchaus erwartbaren positiven Effekten bei denen, die bislang gezwungen werden, unter diesen rechtlichen Restriktionen einer Erwerbsarbeit nachgehen zu müssen, die neben einer normalen Inanspruchnahme eben auch – wie viele Schlachtbetriebe in den vergangenen Jahren gezeigt haben – eine strukturelle Basis für Ausbeutung gerade ausländischer Arbeitskräfte darstellt, was man auch in anderen Bereichen, man denke hier an das Baugewerbe, beobachten muss? Neben der Tatsache, dass es für die Betriebe aufwändiger werden wird, weil sie eigenes Personal beschäftigen müssen und auch die bisherige Rekrutierung von Werkvertragsarbeitnehmern über teilweise mehr als dubiose zwischengeschaltete Subunternehmen, die im wahrsten Sinne des Wortes die personalpolitische Drecksarbeit erledigen, so nicht mehr funktionieren wird, bedeutet ein Festanstellungsmodell aufgrund der Besonderheit der Branche nicht automatisch eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Menschen in der Praxis. Das kann eine Folge sein, ist aber keine Zwangsläufigkeit. (…) Man kann erkennen, an wie vielen Stellschrauben man drehen und wie viele – in der heutigen Welt der durchoptimierten Produktion von Lebensmitteln kontrafaktische, weil – systemverändernde Eingriffe man vornehmen muss (vgl. zu den damit verbundenen Tiefen und Untiefen beispielsweise das Interview mit Maja Göpel, der Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen: Forscherin fordert Systemwandel in der Landwirtschaft externer Link). Das soll auf keinen Fall gegen eine Abschaffung von Werkverträgen in einer – von lobenswerten Unternehmensbeispielen abgesehen – Branche sprechen, die sich rückblickend als ausgesprochen veränderungsresistent erwiesen hat. Aber man muss davor warnen, wenn der Eindruck erweckt wird, wenn der Staat die Werkverträge hier abschaffen würde, dann wird das Ausgangsproblem beseitigt. Dazu müssten wie skizziert viel weitreichendere Veränderungen in der Fleischindustrie, aber auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen vorgenommen werden. Und auch der Staat müsste endlich die notwendige Verantwortung übernehmen und das offensichtliche Staatsversagen in seinem hoheitlichen Kernbereich, also beim Arbeitsschutz, angehen und für eine effektive und deutlich ausgeweitete Kontrolle der Arbeitsbedingungen sorgen.“ Artikel von Stefan Sell vom 05.07.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik externer Link
  • Löhne drücken per Vertrag. Nicht nur in der Fleischindustrie sind Werkverträge ein Übel
    „… Seit den 70er Jahren wurden in der Bundesrepublik ausländische Arbeitskräfte auf Werkvertragsbasis angeworben, Ende der 80er Jahre schloss die Bundesregierung mit mittel- und osteuropäischen Staaten Werkvertragsabkommen, vor allem, um den Bauboom nach der Wende mit Arbeitskräften abzusichern. Spätestens in diesen Jahren brachten Berichte über eklatante Missstände auf Baustellen Werkverträge in Verruf. Durch die Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, die den Aufbau eines Niedriglohnsektors förderten, schwenkten Unternehmen eine Zeit lang auf eine andere prekäre Beschäftigungsform um: die Leiharbeit. Gleichzeitig brachte die EU-Osterweiterung für die deutsche Wirtschaft neue Möglichkeiten, billige Arbeitskräfte aus Polen, Slowenien, Rumänien oder Bulgarien per Werkvertrag anzustellen. Der Anteil der Werkverträge nahm in dem Maße zu, so haben es Gewerkschaften beobachtet, wie Leiharbeit besser reguliert wird. (…) Was man darüber weiß, ist Beobachtungen von Gewerkschaften, Befragungen von Betriebsräten und Medienberichten zu verdanken. Und diese stützen den Verdacht, dass es sich bei Werkvertragsarbeit, die auf dem Betriebsgelände des »Kunden« erbracht wird, vielfach um Etikettenschwindel handelt, genauer um Betrug. Denn wenn Werkvertragsarbeitnehmer in die Arbeitsabläufe des Einsatzbetriebes eingegliedert sind, wenn dieser die Anlagen zur Verfügung stellt und Anweisungen etwa für Mehrarbeit erteilt, dann sind all das Hinweise, dass es sich in Wirklichkeit um verdeckte Leiharbeit handelt. Werkvertragsfirmen sind in dieser Form lediglich Vermittler von Arbeitskräften, ohne jedoch dafür zugelassen zu sein und ohne die damit verknüpften Rechte zu gewähren. »In der jetzigen Form führen Werkverträge und Leiharbeit zur Spaltung von Belegschaften in den Unternehmen und zu Mehr-Klassen-Gesellschaften in den Betrieben«, so ein Sprecher der IG Metall. Das bedroht auch die Stammbeschäftigten. Nicht nur, weil abgesicherte Arbeitsplätze verdrängt werden, sondern auch, weil die Mitbestimmung in mehrfacher Hinsicht ausgehöhlt wird: Je weniger Stammbeschäftigte, desto kleiner und weniger schlagkräftig der Betriebsrat, selbst wenn insgesamt die Zahl der Beschäftigten in einem Betrieb sogar gestiegen sein sollte. Zugleich sehen sich Betriebsräte mit der ständigen Drohung der Chefs erpresst, Werkvertragsbeziehungen auszuweiten, sollten sie sich irgendwo quer stellen. In der Fleischindustrie zwingen die unhaltbaren Zustände die Politik nun zum Handeln. Werkverträge, aber auch Leiharbeit sollen im Kernbereich der Fleischbranche verboten werden. Geht es nach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, »noch in diesem Jahr«. Bereits im Juli will der Minister einen Gesetzentwurf vorlegen. Darauf richten sich die Hoffnungen. Zugleich ist Skepsis angebracht. Mehrere Gesetzesinitiativen reagierten direkt auf die Ausbeutung in der Fleischwirtschaft. Die bisherigen Maßnahmen reichten offenkundig nicht, um Missbrauch tatsächlich zu verhindern. Auch in anderen Branchen gab es gesetzliche Maßnahmen, um das Problem in den Griff zu bekommen. So war das Baugewerbe die erste Branche, in der 1996 ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag und Branchenmindestlohn auf alle nach Deutschland entsandten Arbeitskräfte ausgeweitet wurde. Immer fanden Unternehmen Schlupflöcher. (…) Hauptproblem ist und bleibt der Mangel an Kontrollen. Und wo sie stattfinden, verhindert ein undurchsichtiges Dickicht von Subunternehmen die Durchsetzung von Rechten…“ Artikel von Ines Wallrodt vom 04.07.2020 im ND online externer Link
  • Bundesregierung: Tempo beim Verbot von Werkverträgen [auch Leiharbeit?]
    „… Angesichts der Zustände in der Fleischindustrie will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil noch im Juli ein Gesetz zum Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit im Kernbereich der Branche vorlegen. Das sei „juristisch anspruchsvoll, aber machbar“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Wenn es nach ihm gehe, könne das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten. Heil erklärte, er wolle das Thema auch im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt, auf die Tagesordnung setzen und verwies auf den außenpolitischen Schaden, der Deutschland durch den Skandal entstehe. Es gebe „in Europa erhebliche Diskussionen darüber, wie schlecht wir mit den rumänischen Landsleuten umgehen. Gleiches gilt in Bulgarien. Das müssen wir dringend ändern“, sagte der Sozialdemokrat. Die Kritik an Deutschland in der EU richtet sich indes auch gegen die wirtschaftlichen Folgen der Praxis der Werksverträge. Darauf wies EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit hin. Andere EU-Mitgliedsländer hätten bereits vor Jahren Beschwerden über die deutsche Fleischindustrie wegen unlauteren Wettbewerbs externer Link eingereicht, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Allerdings gebe es sozial schlecht abgesicherte und diskriminierte Saisonarbeiter nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Staaten, etwa in den Niederlanden oder in Südeuropa. (…) Der EU-Kommissar kündigte Leitlinien an, mit denen die Umgehung von EU-Sozialstandards europaweit verhindert werden solle…“ Meldung vom 28.06.2020 bei tagesschau.de externer Link
  • Corona-Ausbrüche auch in irischen, spanischen und britischen Schlachthöfen
    Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen sind kein rein deutsches Phänomen. EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit will jetzt schnell handeln. Nach den Corona-Ausbrüchen in deutschen Schlachthöfen will die EU-Kommission jetzt rasch auf europäischer Ebene das Problem schlechter Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie angehen. EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit sagte unserer Redaktion, die Kommission werde mit den EU-Staaten über das Problem schlecht abgesicherter Saisonarbeiter und die Umgehung von Sozialstandards sprechen. (…) Zu Corona-Ausbrüchen kommt es nicht nur in Schlachtbetrieben in Deutschland, sondern auch in anderen Staaten Europas. Das geht aus einer Übersicht der EU-Behörde für Krankheitsbekämpfung (ECDC) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Danach wurden in den vergangenen Wochen in mehreren europäischen Staaten Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen und Fleischfabriken registriert – darunter in Irland mit insgesamt 560 betroffenen Beschäftigten, in Spanien mit rund 200 Mitarbeitern und in Großbritannien…“ Artikel von Christian Kerl vom 28.06.2020 in der WAZ online externer Link
  • Die pandemische Verharmlosung des Werkvertrages: Die herrschende „Arbeitsrechtswissenschaft“ auf Abwegen
    Prof. Frank Bayreuther aus Passau darf in der neuesten Ausgabe der „Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht“ (NZA) folgendes schreiben: „Ein Verbot des Abschlusses von Werkverträgen…… greift massiv in die Grundrechte (!) der nachfragenden Unternehmen (!) und noch intensiver in die der potentiellen Anbieter ein“ (also der zutiefst seriösen Sub- Sub- Subunternehmer, RG). Und weiter: „Die Entscheidung eines Unternehmers, einen bestimmten Arbeits – oder Produktionsschritt durch Dritte (!) erbringen zu lassen (also die SPALTUNG DER BELEGSCHAFT DES BETRIEBES, statt der vom Bundesarbeitsgericht als konstitutivem Element der Betriebsverfassung hervorgehobenen EINHEIT DER BELEGSCHAFT, RG) ist…. ein elementarer Bestandteil der durch Art. 12 und 14 GG abgesicherten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit“…. Nach dieser Logik ist offenbar das gesamte Arbeitsrecht n u r gewährt, sofern es die angebliche „unternehmerische Entscheidungsfreiheit“ unberührt läßt. Daß das Arbeitsrecht umgekehrt gerade per se die EINSCHRÄNKUNG DIESER VERMEINTLICHEN FREIHEIT darstellt kommt dem Herrn Professor nicht in den Sinn. Doch keine Ausrede ohne „Gipfel“: Natürlich müssen auch noch die Opfer des Werkvertragswahns vor sich selbst geschützt werden, denn: „Es kommt hinzu, daß bislang entsandte Kräfte keineswegs immer zum Abschluß von dauerhaften Arbeitsverträgen mit inländischen Auftraggebern bereit sind“. Natürlich: Die Werkvertragsbeschäftigten w o l l e n gar keinen Schutz. Solch Unsinn ist kein Zufall. Allerdings nimmt die mit angeblicher Regelungswut getäuschte Öffentlichkeit solche „Stimmen“ ungern zur Kenntnis. Bereiten sie doch die spätere „Umbiegung“ der Normen im Interesse der Unternehmen vor. Geradezu kreativ wird es wenn sich der Autor zu den medizinischen Dimensionen des Problems äussert (…) Wie gesagt: Die Opfer sind Schuld. So einfach ist das. In e i n e m aber kann dem Professor nur zugestimmt werden: Es wäre kaum plausibel, warum die Regelung erst im Januar 2021 in Kraft trete solle, weil es angesichts der augenblicklichen Lage doch erforderlich sei, umgehend zu handeln und zwar notfalls mit wesentlich schärferen (!) Mitteln des öffentlichen Gewerbe- und Gesundheitsrechts (sprich: Betriebsstillegungen)…. (NZA 2020, 773-776)…“ Kommentar vom 28.6.2020 von und bei Rolf Geffken externer Link
  • Corona-Hotspot Schlachthof: Fleischkonzerne deuten Verzicht auf Werkverträge an – NGG: „Das sind Nebelkerzen“ 
    „Das sind Nebelkerzen und der untaugliche Versuch, die angekündigten gesetzlichen Vorschriften zur Abschaffung von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft zu verhindern.“ So hat Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die heutige Ankündigung der Fleischkonzerne Tönnies, Westfleisch und Wiesenhof (PHW Gruppe), künftig auf Werkverträge zu verzichten, kommentiert. „Gut klingende Absichtserklärungen haben wir von dieser Branche schon viele gehört – geändert hat sich nichts. Das Ergebnis sehen wir heute: Mindestens 1,500 Menschen haben sich alleine nur bei Tönnies unverschuldet mit dem Corona-Virus infiziert. Hunderttausende Menschen leiden unter einem neuen Lockdown, die Wirtschaft in den betroffenen Kreisen liegt brach. Freiwillige Lösungen haben in der Fleischindustrie noch nie funktioniert und werden nicht funktionieren: Die Arbeits- und Lebensbedingungen in der deutschen Schlacht- und Zerlegeindustrie werden sich nur mit scharfen und engmaschig kontrollieren Gesetzen bessern.“ NGG-Pressemitteilung vom 23.06.2020 externer Link
  • Werkverträge in der Fleischindustrie abschaffen? Das vordergründige Skandal-Management der Bundesregierung – Lügen inbegriffen 
    „… Gute Absicht. Aber glaubwürdig? Seit vielen Jahren sind die Arbeits-Unrechts-Verhältnisse in den Fleischkonzernen am Standort Deutschland bekannt: bei Tönnies, Vion, Danish Crown, Westfleisch, Müller Fleisch, Böseler Goldschmaus usw. Da hatte die deutsche Niedriglöhnerei der Hartz-Allparteien-Koalitionen, ob von Schröder/SPD oder Merkel/CDU geführt, kräftig mitgeholfen. Ausländische Schlachtkonzerne wie Danish Crown aus Dänemark und Vion aus den Niederlanden verlegten Betriebe in den führenden Arbeits-Unrechts-Staat Deutschland, um mithilfe der noch heftigeren Ausbeutung ausländischer Arbeiter das Billigfleisch europa- und weltweit exportieren zu können. Das wurde immer wieder heftig kritisiert, allerdings nie von den Bundesregierungen und auch nicht von den Landesregierungen in NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Bayern, wo die Fleischindustrie konzentriert ist. (…) Die neuen Eckpunkte von 2020 verweisen auf das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Es geht auf die Entsende-Richtlinie der Europäischen Union zurück. (Richtlinie 1996/71, seitdem in Deutschland mehrfach überarbeitet, zuletzt 2019). Es regelt die Arbeitsbedingungen ausländischer Beschäftigter im Inland in ausgewählten neun Branchen wie Bau, Gebäudereinigung, Briefdienste, Sicherheit und auch in Fleischbetrieben. Und zwar für Beschäftigte, die „vorübergehend“ tätig sind und aus EU-Staaten „entsandt“ werden. Hier haben die Bundesregierungen die EU-Richtlinie eingeschränkt: Die Fleischindustrie wurde erst ganz spät in die Liste aufgenommen, und durch die Liste werden die Geltungsbereiche eingeschränkt, nicht alle entsandten Arbeiter sind gemeint. Die Formulierungen sind zudem gewollt schwammig, also eigentlich untauglich. Sie widersprechen den elementarsten Anforderungen an die Rechtssicherheit von Gesetzen. Deutsche Variante des Rechtsstaats: So heißt es in § 1, dass es „angemessene Mindestarbeitsbedingungen“ geben soll. Gleichzeitig soll aber auch „der Wettbewerb“ gewährleistet sein durch „faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen“. Für die ausländischen Arbeiter sollen also nicht die üblichen Bedingungen gelten, wie in der EU-Richtlinie vorgesehen, sondern es gelten „angemessene Mindest-Bedingungen“. Hier wird gesetzlich das Tor für Ausnahmeregelungen weit geöffnet, und dafür, dass sie auf jeden Fall unterhalb der sonstigen Standards liegen. „Angemessen“ – woran gemessen? Das bestimmen Tönnies, Vion, Danish Crown, Westfleisch & Co. Jedenfalls bestimmen das „Angemessene“, wie wir seit zwei Jahrzehnten wissen, nicht die Arbeiter aus Bulgarien, Polen, Rumänien, Ungarn, Moldau, Ukraine. Die hätten sicherlich gern etwas mehr, wenn man sie fragen würde. Aber sie werden nicht gefragt. Die würden auch gern weniger für das Bett im Mehrbettzimmer bezahlen, wenn man sie fragen würde. Die würden auch gern ihre wöchentlichen 20 Überstunden bezahlt kriegen, wenn man sie fragen würde, oder, was meinen Sie? Und warum bleiben sie stumm, warum werden sie stumm gehalten im Rechtsstaat, in dem die Meinungsfreiheit so ein alleroberster Wert ist? Und auch deren Vermittler, die Werkvertragsfirmen, unterwerfen sich den Vorgaben von Tönnies & Co. Omertà. Und das Entsendegesetz zielt auf „vorübergehende“ Arbeit. Wie lange das „vorübergehend“ dauert, bleibt schwammig. Die Arbeiter sollen also von vornherein nicht einen Dauer-Arbeitsplatz bekommen. Vielmehr sollen sie nach Gebrauch bzw. Verbrauch unter „Mindest“-Standards wieder abhauen, zurückgeschickt werden, ausgetauscht werden. Je nachdem, wie lange sie es in der engen, teuren Massenunterkunft des deutschen Un-Rechtsstaats aushalten. (…) Clemens Tönnies hat jetzt nach der Infektionswelle schon signalisiert: Wir sind einverstanden – keine Werkverträge mehr, auch keine Leiharbeit, sondern Direktanstellung! Die Fleischindustrie braucht sich nur umzusehen im Arbeits-Unrechts-Staat Deutschland. Da gilt völlig legal die sachgrundlose Befristung. Der Unternehmer braucht nicht anzugeben, warum ein Arbeitsvertrag befristet ist, auf ein Jahr, auch auf zwei Jahre, auf drei Jahre. Oder wie es in der Hotelreinigung üblich ist: Unter den geschlossenen Augen der gesetzesfreudigen Bundesregierungen werden Verträge etwa über 20 Wochenstunden abgeschlossen. Weil aber die Arbeit pro Stück – sprich pro gereinigtes Zimmer – zu erledigen ist, kann da schon mal eine 25- oder 30-Stunden-Woche herauskommen. Im Vertrag steht zwar hochkorrekt der geltende Mindestlohn und die gendermäßige Formulierung. Aber durch die notwendig höhere Stundenzahl wird der Mindestlohn unterlaufen. Auch das Schlachten und Zerlegen von Schweinen, Rindern und Hühnern lässt sich pro Stück vergeben. (…) Zudem sollen Verletzungen des neuen Gesetzes wie im Arbeitnehmer-Entsendegesetz nicht als Straftat behandelt werden, sondern lediglich als Ordnungswidrigkeit. Bestenfalls also Kavaliersdelikte mit Bußgeld aus der Futterkasse, falls mal ein Aufsichtsbeamter vorbeikommen sollte. Die EU selbst übt keine Kontrolle auf dem Gebiet der Arbeitsrechte aus. Sie überlässt die Kontrolle den nationalen Behörden – wohlwissend, dass die im Wesentlichen als Komplizen der Unternehmer handeln bzw. nicht handeln. (…) Die Kehrseite der „vorübergehenden“ Wanderarbeit als Dauerzustand: Das Reservoir in den unterentwickelt gehaltenen neuen EU-Staaten soll erhalten bleiben. Zeitlich begrenzte Billigarbeit in den reichen EU-Gündungsstaaten, wie auch mit den Spargelstechern und sonstigen Saisonarbeitern praktiziert – gleichzeitig werden die armen EU-Staaten in Osteuropa in volkswirtschaftlicher Unterentwicklung gehalten. So bleibt das erpressbare, stumme Reservoir für die mobile, austauschbare Reservearmee erhalten. So wird auch die Lüge von den diversen „Facharbeiter-Lücken“ ständig weiter alimentiert. Wenn sich die Bundesregierung nicht aus den EU-Regularien und EU-Praktiken verabschiedet, werden auch Tönnies & Co wie bisher ihren in den Richtlinien garantierten Wettbewerbsvorteil immer irgendwie erhalten können, mit neuen Umgehungs-Konstrukten und mit Billigung und Förderung von sich unwissend gebenden Dauer-Rechtsbrechern. (…) Die Beratungsstellen gehen nicht offensiv in die Betriebe, sondern warten auf verängstigte Werkvertragler, die es wagen, sich an die Beratungsstellen zu wenden. Die Beratung der wenigen Betroffenen beschränkt sich auf das Unmittelbare. Aber die individuelle Stärkung für den Gang vor Gericht oder die kollektive Stärkung etwa durch praktische Heranführung an die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft werden in diesem Gewerkschaftsprojekt nicht gefördert. Betriebsratsgründung? Noch nie gehört. Die in der Schlachtindustrie praktizierten Rechtsbrüche werden von den DGB-Beratungsstellen nicht zur Anzeige gebracht – einmal, 2017, wurden zwei Arbeiter gegen die Tönnies-Werkvertragsfirma Besselmann vor Gericht vertreten, eine Ausnahme. Dass der Status als Werkvertragler ein Rechtsbruch, ein Betrug ist, weil es sich in Wirklichkeit um Leiharbeiter handelt – keine Kampagne beim DGB…“ Artikel von Werner Rügemer vom 7. Juni 2020 bei gewerkschaftsforum.de externer Link
  • Arbeitsrechtlerin über Fleischindustrie: „Die Arbeitnehmer sind machtlos“
    “[taz: Frau Brors, eine Verschwiegenheitspflicht etwa zum Gehalt, wie von der Deutschen Schlacht und Zerlegung (DSZ) in Bad Bramstedt gefordert, steht ja in vielen Arbeitsverträgen. Was ist denn daran problematisch?] Christiane Brors: Verschwiegenheitsklauseln sind üblich und auch zulässig, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat. Das gilt aber nicht für das Gehalt und allgemeine Dinge, die der Arbeitnehmer im Betrieb kennenlernt. Das ist viel zu weitgehend. Mit berechtigtem Interesse sind Betriebsgeheimnisse gemeint, mit denen der Arbeitnehmer nicht zur Konkurrenz laufen darf. (…) [Warum schreiben die dann so was rein?] Dass Klauseln verwendet werden, die rechtswidrig sind, passiert schon mal im Arbeitsrecht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Vertragswerke oft nicht angegriffen werden und Arbeitnehmer nicht klagen. Benutzt werden solche Vertragswerke auch, um Arbeitnehmer einzuschüchtern. (…) [Wie kann man sich wehren?] Die Arbeitnehmer sind da relativ machtlos. Wenn sich der Arbeitnehmer weigert, mehr zu arbeiten, kann er in der Praxis unter Druck gesetzt und mit einem Rausschmiss bedroht werden. Das wird bei vielen Arbeitnehmern dazu führen, dass sie die Rechte, die sie haben, gar nicht geltend machen. (…) [Der Gesetzgeber ist in den vergangenen Jahren auf die Probleme aufmerksam geworden. Woran hapert es noch?] Der Gesetzgeber hat überlegt, Werkverträge in diesem Bereich zu verbieten. Das ist der falsche Weg. Man müsste darauf achten, dass die gesetzlichen Arbeitsbedingungen eingehalten und kontrolliert werden – am besten mit einer verpflichtenden und transparenten Arbeitszeitkontrolle, die von den Behörden überwacht wird. Dazu müsste noch ein höherer Mindestlohn kommen sowie Überstundenzuschläge. [Was müsste wer dafür tun?] Man könnte einen Tarifvertrag abschließen, der für allgemeinverbindlich erklärt wird. Damit hätte man auch Leute erfasst, die nicht in der Gewerkschaft sind. Der Gesetzgeber sollte das anstoßen. Wenn die Tarifvertragsparteien das nicht hinbekommen, müsste die Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz geregelt werden. Der EuGH hat Deutschland ohnehin dazu verpflichtet, eine objektive, verlässliche und zugängliche Arbeitszeiterfassung einzurichten.“ Interview von Gernot Knödler mit Christiane Brors vom 11.06.2020 in der taz online externer Link
  • Wie weiter gegen das System Tönnies? Mit Betriebsinspektoren und gewerkschaftlicher task-force! 
    “… Jetzt, in der Corona-Krise, entdeckt Arbeitsminister Heil (SPD), daß das Werkvertragssystem Schuld ist an den Corona-Ansteckungen in der Fleischbranche. Er plant, das Gesetz abzuschaffen. Damit würde es zum ersten Mal seit Jahrzehnten einen radikalen Vorstoß von SPD-Seite geben für die Interessen von ArbeiterInnen. Ob Minister Heil das gelingen wird angesichts der Macht der Fleischbarone, der CDU/CSU und FDP, ist noch unklar. Ob statt der Abschaffung nur ein fauler Kompromiß rauskommt! Was tut jetzt not, was fordern wir? Prälat Peter Kossen schrieb: „So wie im Schlachthof die Tierkörper laufend auf Parasiten untersucht werden, so muss eine Arbeitskontrollbehörde die Betriebe und Subunternehmer ständig auf Ausbeutung und Sklaverei untersuchen.“ Er schlug den Einsatz von Betriebsinspektoren vor. Diese müßten Vollmachten haben, die bisher auf viele Institutionen und Behörden verteilt sind. Diese Betriebsinspektoren müssten „scharfe Hunde“ sein, die zu beißen vermögen. Die sich nicht kaufen oder bestechen lassen. Die Fleischkonzerne müssen verpflichtet werden, allen ausländischen Arbeitnehmern akzeptablen Wohnraum bei Arbeitsaufnahme zur Verfügung zu stellen. Auch das muß kontrolliert werden. Weiter ist es notwendig, daß die Gewerkschaften task-forces einrichten, die sich sofort um jeden Fall kümmern, wo Beschäftigte wie Dreck, entwürdigend, behandelt werden. In diesen task-forces müssen überzeugte und kämpferische KollegInnen eingesetzt werden, für die es ein Herzensanliegen ist, für humane und zivile Verhältnisse in der Fleischindustrie zu sorgen. Es müssen Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet werden, die zuständig sind für die Fleischindustrie, für das Werkvertragssystem – wo es noch besteht. Aktion./.Arbeitsunrecht hatte schon vor Jahren Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Fälle von union busting (besonders durch spezialisierte und von den Firmenleitungen angeheuerte Anwaltskanzleien) gefordert. Diese könnten für beide Sachgebiete zuständig sein. Und es ist dann Aufgabe von Initiativen – wie es sie schon gibt – , also von uns, die Betriebsinspektoren und die task-forces durch Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen, ihnen den Rücken zu stärken…“ Beitrag vom 09.06.2020 bei Jour Fixe – Gewerkschaftslinke Hamburg externer Link
  • Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen – nur in den Großschlachtereien und erst ab 2021 (Beschluss und Reaktionen)  
    • Fleischindustrie: Sie werden wie »Wegwerfmenschen« behandelt 
      Das Leben hat in Fleischfabriken keinen Wert. Nicht nur das der Tiere. Es herrschen unmenschliche Zustände. Eine Handvoll Schlachtkonzerne beutet Tausende Arbeitsmigranten aus. Pfarrer Peter Kossen über moderne Sklaverei — mitten in Deutschland. (…) Jacobin sprach mit Peter Kossen über die Arbeitsbedingungen, vor welchen Problemen Arbeitsmigrantinnen stehen und was die katholische Soziallehre von Karl Marx lernen kann. Der katholische Pfarrer aus Lengerich setzt sich seit Jahren für die Rechte von Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie ein. (…) [Wie sind Arbeitsmigrantinnen mit Werkverträgen versichert?] Die meisten dieser Arbeiterinnen und Arbeiter sind mittlerweile nach deutschem Recht sozialversicherungspflichtig angestellt und damit auch krankenversichert. Das ist, wenn man so will, besser geworden in den letzten Jahren. Das war schon mal ungeklärter, als die Menschen über Entsendung kamen. Mein Bruder beschreibt, dass viele sich aber nicht krankschreiben lassen wollen, bei Schnittverletzungen oder Krankheiten, weil sie einfach klare Ansagen gekriegt haben, dass jemand, der zu oft krank geschrieben wird, seinen Job verliert. [Wenn es jetzt tatsächlich so sein wird, dass es diese Werkverträge ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr gibt und die Arbeitsmigrantinnen zu Festangestellten werden, wie schätzt Du die Chancen der Gewerkschaften ein, diese Menschen zu organisieren? Und mit welchen Barrieren sind Gewerkschafterinnen generell konfrontiert?] Ich habe in den letzten Jahren sehr gerne mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zusammengearbeitet, weil ich die Menschen auch engagiert für die Situation der Nichtmitglieder erlebt habe. Zunächst einmal sind die Gewerkschaften für ihre Mitglieder da und vertreten sie, aber gerade die NGG hat das meines Erachtens auch weiter gesehen und sich weiter engagiert. Sie haben tatsächlich in den letzten Jahren auch neue Mitglieder gewonnen, auch unter Arbeitsmigranten. Sicher nicht in der Masse, aber sie haben welche gewonnen. Eine Schwierigkeit ist, dass Leute aus Rumänien und Bulgarien Gewerkschaften aus der Heimat, wie auch viele andere Behörden, als korrupt kennen, jedenfalls nicht als hilfreich und deshalb Gewerkschaften gegenüber sehr skeptisch sind. Von daher wird man sehen müssen. Das wäre natürlich sehr zu begrüßen, wenn die Arbeitsmigranten, sobald sie in Festanstellung kommen, sich auch gewerkschaftlich organisieren…“ Interview von İlker Eğilmez mit Peter Kossen vom 03.06.2020 bei Jacobin externer Link
    • [Projekt „Refugees@work“] Göttinger Wissenschaftler fordern: Schluss mit Werkverträgen in Schlachthöfen
      “Das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) fordert, beruhend auf Ergebnissen eines Forschungsprojektes, die umstrittenen Werkverträge für Mitarbeiter in Schlachtbetrieben abzuschaffen. (…) Maßgeblich verantwortlich für schlechte Arbeitsbedingungen seien das Werksvertragssystem, in dem die Arbeiter stecken. Befunde des SOFI-Projekts „Refugees@work“ externer Link, bei dem auch Betroffene befragt wurden, zeigten, wie fehlende Ansprüche auf Leistungen der Sozial- und Krankenversicherung für ost- und südeuropäische Migrantinnen und Migranten den Druck verstärken, die Arbeit zu (fast) allen Bedingungen anzunehmen. „Viele der von uns Befragten machen den Job in der Zerlegung oder Industriereinigung, weil sie durch Sozial- und Aufenthaltsrecht gezwungen sind, quasi jede Arbeit anzunehmen“, sagt Dr. Peter Birke. „Eine unbürokratische und sanktionsfreie Gewährung von Leistungen der Grundsicherung sowie ein Zugang zu Wohnraum und Gesundheitsversorgung ist deshalb notwendig.“ (…) Den Vorschlag, Werkverträge zu verbieten, sehen die Forscherer positiv: „Werkvertragsvergabe führt dazu, dass weder die auftraggebenden Unternehmen noch die Subunternehmen Verantwortung für Arbeitsschutz und die Einhaltung rechtlicher Standards übernehmen. Ein Verbot wäre von daher nur konsequent“, sagt Prof. Dr. Nicole Mayer-Ahuja, Leiterin des Projekts und Direktorin des SOFI. (…) Die Projekt-Ergebnisse verdeutlichen auch, wie wichtig Beratung und Unterstützung bei Ämtergängen ist: „Die Befragten kümmern sich um ihre Anliegen und treten für ihre Rechte ein. Das Bild des wehrlosen Opfers ist falsch. Auch nähmen die Betroffenen gerne Hilfe durch Experten in Anspruch. Dieses Beratungsangebot sei auszuweiten, wie auch ein ständiges Monitoring der Arbeits- und Lebensbedingungen in der niedersächsischen Fleischindustrie notwendig erscheint…“ Artikel von Thomas Kopietz vom 27.05.2020 in Hessische Niedersächsische Allgemeine online externer Link, siehe auch:

      • Zur geplanten Reform der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie 
        “Das vom Bundeskabinett beschlossene „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischindustrie“ externer Link verspricht gewerkschaftliche Kernforderungen zu erfüllen. Ob damit die konkreten Arbeitsbedingungen der, vor allem aus Osteuropa stammenden, Arbeiter_innen grundlegend verbessert werden, bleibt allerdings offen. (…) Zwar greift dieses Vorhaben eine Grundforderung der Gewerkschaften auf, doch die Probleme für die Arbeiter_innen gehen weit darüber hinaus externer Link. Da die über Werkverträge Beschäftigten meist eigens für die Arbeitsstelle aus Osteuropa einreisen, sind sie auf die Bereitstellung von Unterkunft und Mahlzeiten durch den Arbeitgeber angewiesen. Zwar bekommen die Arbeiter_innen offiziell meist den Mindestlohn, doch bleibt der faktische Lohn nach diesen obligatorischen und systematisch überhöhten Abgaben an den Arbeitgeber deutlich unter diesem. Doch eine notwendige gesetzliche Regelung der Mindeststandards der Unterbringung wird die Bundesregierung lediglich „prüfen“. Eine tiefgehende, wissenschaftliche Analyse der Lage osteuropäischer Arbeiter_innen in der Fleischindustrie bietet die im Januar 2020 erschienene Studie von Peter Bierke und Felix Blum externer Link vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen. Sie beleuchtet verschiedene Arbeitsprozesse der Arbeiter_innen in der Fleischindustrie und wie diese zu je spezifischen Ausbeutungsverhältnissen aber auch Widerstandsmomenten führen. Dadurch, dass die Arbeiter_innen nicht nur der Prekarität der Arbeitsbedingungen, sondern auch des Aufenthaltsrechts unterworfen sind, bleiben die Autoren der Studie pessimistisch was ein mögliches Ende der Werk- und Leihverträge anbelangt (…) Es ist zu beachten, dass es sich lediglich um einen Beschluss des Kabinetts handelt, also der gesamte Gesetzgebungsprozess noch aussteht. Besonders von den Unionsparteien und einzelnen Landesregierungen ist dabei heftiger Widerstand zu erwarten. Dass es sich bei dem Beschluss um eine reine Absichtserklärung handelt, deren gesetzliche Ausgestaltung und praktische Umsetzung noch völlig unklar ist, betont auch Stefan Sell: „Das wird vielen nicht schmecken, wenn es konkret wird.“ Es steht also zu befürchten, dass die Bundesregierung hofft, die momentane öffentliche Aufmerksamkeit nach diesem Aufschlag auszusitzen. (…) Durch den Streik der rumänischen Saisonarbeiter_innen in Bornheim und die Corona-Ausbruchsherde in der Fleischindustrie, bekommen die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Arbeiter_innen momentan medial erhöhte Aufmerksamkeit. Ob diese auch wirklich zu grundlegenden Verbesserungen führt, ist dagegen noch lange nicht gesichert – trotz dieses viel beachteten Kabinettsbeschlusses. Abgesehen davon, dass der konkrete Gesetzgebungsprozess noch aussteht, betrifft der Beschluss vor allem das Arbeitsrecht und lässt strukturelle Benachteiligungen, die die Arbeiter_innen als Migrant_innen oder Geflüchtete haben, außer Acht.“ Beitrag der Studierendenzeitschrift diskus externer Link (ohne Datum)
  • [Fleischwirtschaft will gegen die Auflagen vorgehen] Lohndumping mit Werkverträgen 
    Nach den Coronafällen in der Fleischbranche will die Bundesregierung dort jetzt Werkverträge über Subunternehmen verbieten. Sind nun auch Billiglöhne in anderen Branchen bald Geschichte? Auch beim Bau, in der Logistik oder der Gebäudereinigung kritisieren Gewerkschaften seit Jahren, dass der Tariflohn umgangen und Arbeitnehmer über Subunternehmen ausgebreitet werden. Trotzdem wollen Union und Wirtschaftsverbände kein grundsätzliches Verbot dieser Praxis. Und auch die Fleischwirtschaft will gegen die neuen Auflagen von Bundesarbeitsminister Heil jetzt vorgehen und klagen.“ Beitrag in der Sendung Westpol am 24.05.2020 beim WDR externer Link
  • Werkverträge soll es in der Fleischindustrie nicht mehr geben. Ab dem kommenden Jahr. Vorhang wieder runter vor der Schlachthausszenerie. Aber Fragezeichen bleiben
    Am Ende war es dann doch zu viel. Trotz eines enormen Drucks ganz unterschiedlicher Lobbyisten konnte die Entscheidung, die Werkverträge in der Fleischindustrie zu verbieten und weitere Auflagen zu verhängen, nicht mehr aufgehalten bzw. deutlich verwässert werden. Auf den ersten Blick ist das vor dem Hintergrund der nun wirklich desaströsen Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen des Landes ein Erfolg, der gar nicht so wahrscheinlich war. Gerade deshalb ist das wirklich ein Erfolg, den es in weiteren Schritten zu sichern gilt. (…) Es sind Eckpunkte, die im weiteren Gang der Dinge mit Leben gefüllt werden müssen. Aber immerhin findet man in den zehn Punkten diesen zentralen Beschluss, der nur noch schwer wieder aus der Welt zu bekommen ist: »Ab dem 1. Januar 2021 soll das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft im Sinne des § 6 Absatz 10 Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Damit wären Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich. Bei der Ausgestaltung ist auf eine rechtssichere Branchenabgrenzung zu achten, die sicherstellt, dass eine gesetzliche Regelung nur Unternehmen trifft, deren Kerngeschäft Schlachten und Fleischverarbeitung ist. Für Betriebe des Fleischerhandwerks ist eine gesonderte Betrachtung möglich. Es sind ahndende Regelungen gegen Verstöße vorzusehen.« Man sollte bei aller berechtigten Freude über den nun gefassten Beschluss aber mit der zugleich vor allen Gesetzgebungsverfahren angezeigten Skepsis hinsichtlich dessen, was am Ende hinten rauskommt, darauf hinweisen, dass 1.) es ein Verbot geben soll, 2.) das Verbot erst ab dem 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft treten soll 3.) und dass der der Ausgestaltung auf eine „rechtssichere“ Branchenabgrenzung geachtet werden soll. Der Hinweis auf eine „rechtssichere“ Branchenabgrenzung ist mit Sicherheit nicht en passant in den Beschluss gerutscht, sondern verweist auf eine derzeit offene Frage: Auf welcher Rechtsgrundlage und mit welcher expliziten Begründung entzieht man den Unternehmen der hier im Mittelpunkt stehenden Branche an sich rechtlich zulässige Instrumente wie den Werkvertrag und die Arbeitnehmerüberlassung, die aber in anderen Branchen weiterhin in Gebrauch sein dürfen und werden? Man könnte an dieser Stelle auf die Idee kommen, dass man hier an eine Analogie zu einem Verbot der Leiharbeit in einer ganz bestimmten Branche gedacht hat, der einzigen Branche, in der die Arbeitnehmerüberlasung explizit untersagt worden ist: dem Baugewerbe. Und wenn man sich die Entstehungsgeschichte dieses Verbots in Erinnerung ruft, dann wird durchaus eine Parallele zur Fleischindustrie erkennbar (…) Das Verbot der Leiharbeit im Baugewerbe war gleichsam eine Notbremse, die man gezogen hat, um die betroffenen Arbeitnehmer, aber auch die korrekt agierenden Bauunternehmen zu schützen. Man kann sich gut vorstellen, dass das als Blaupause herangezogen wird, wenn es um die rechtliche Ausgestaltung dessen geht, was in den Eckpunkte nunmehr vereinbart wurde. Die Eckpunkte enthalten weitere Vereinbarungen, die ebenfalls vor allem als Soll-Formulierungen daherkommen und einer rechtlich sauberen Präzisierung bedürfen…“ Beitrag vom 21. Mai 2020 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Clemens Tönnies fordert fairen Werkvertrag
    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat angekündigt, in der Fleischbranche „aufräumen“ zu wollen. Deshalb hat die Bundesregierung Maßnahmen beschlossen, um die Bedingungen in den Betrieben zu verbessern. Nun hat sich das Unternehmen Tönnies zu dem Thema geäußert. n einer Mitteilung erklärt die Rheda-Wiedenbrücker Unternehmensgruppe, dass man im Dialog mit NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und Heil eine konsequente und konstruktive Neuregelung von Werkverträgen ins Spiel bringen wolle. (…) Konkret schlägt der Unternehmer fünf Punkte vor: 1. Abschaffung von Werkverträgen auf Basis der A1-Arbeitnehmerentsendung. Das heißt: deutsches Arbeitsrecht und deutsche Sozialversicherung für alle Beschäftigten. 2. Abschaffung von undurchsichtigen Sub-Sub-Konstruktionen. Ausschließlich Werkverträge unter zwei Partnern bleiben zulässig: Auftraggeber und Auftragnehmer. 3. Erweiterung der Durchgriffshaftung des Auftraggebers auf die Verhältnisse des Wohnraums, der Auftraggeber haftet für eine menschenwürdige und wirtschaftlich faire Unterbringung aller Beschäftigten. 4. Die Ausgestaltung der Wohnraum-Verhältnisse sowie die der Werkverträge in Bezug auf die faire Behandlung der Arbeitnehmer wird durch eine unabhängige Stelle / Zertifizierungs-Organisation (TÜV/SGS o.a.) zwingend überwacht. 5. Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns in der Branche auf 12 Euro brutto pro Stunde. Tönnies bietet der Bundesregierung an, seine Fachexpertise in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. (…) Ein generelles Verbot von Werkverträgen nur in einer Branche, der Fleischwirtschaft, hätte große wirtschaftlichen Risiken für die deutsche Agrarwirtschaft zur Folge…“ Artikel vom 22.05.2020 in Die Glocke online externer Link – eine gewichtige Lobby-Stimme zu dokumentieren. Für die Aktivitäten von Tönnies siehe die gefühlte Hälfte unserer Berichterstattung in der Rubrik Fleischbranche
  • Kabinettsbeschluss Strenge Regeln und Verbote für Fleischbranche
    Das Bundeskabinett hat nach den jüngsten Corona-Ausbrüchen in der Fleischindustrie nach Informationen von tagesschau.de ein Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Branche beschlossen, das von kommenden Jahr an in Kraft treten soll. In der Kabinettsvorlage heißt es: „Ab dem 1.1.21 soll das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft […] nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Damit wären Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich. […] Für Betriebe des Fleischerhandwerks ist eine gesonderte Betrachtung möglich. […]“ Im Klartext bedeutet das, dass keine Leiharbeiter mit Werkverträgen – auch keine aus Billiglohnländern – mehr zum Einsatz kommen dürfen. Betroffen sein werden allerdings lediglich Unternehmen, deren Kerngeschäft das Schlachten und die Fleischverarbeitung sind: also vor allem Großbetriebe. Das Fleischerhandwerk mit seinen vielen kleinen Betrieben bleibt von der Neuregelung ausgeschlossen. (…)Damit die neuen Vorschriften in der Branche auch eingehalten werden, soll es schärfere und häufigere Kontrollen geben. Wie aus Regierungskreisen verlautete, sollen die Arbeitgeber auch zu einer digitalen Arbeitszeiterfassung verpflichtet werden. Das Bußgeld für Arbeitszeitverstöße wird laut Kabinettsentwurf auf bis zu 30.000 Euro verdoppelt…“ Meldung vom 20.05.2020 bei tagesschau.de externer Link, siehe dazu:

    • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2020): Eckpunkte „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ externer Link Berlin, 20.05.2020
    • „Aus dem Kabinettsbeschluss muss ein Gesetz werden“. NGG begrüßt Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie als Meilenstein
      Zum heutigen Beschluss des Bundeskabinetts zu Eckpunkten eines „Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft“ hat Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), erklärt: „Wir begrüßen, dass das Bundeskabinett heute schärfere Regeln für die Fleischindustrie beschlossen hat und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wie angekündigt ‚in der Branche aufräumen‘ will. Der Beschluss ist ein sehr guter Anfang, damit der Missbrauch von Werkverträgen in der Fleischindustrie und die Ausbeutung der in Sub-, Sub-Subunternehmen ausgebeuteten Werkvertragsbeschäftigten beendet werden kann. Laut Kabinettsbeschluss soll das Schlachten und Zerlegen ab 2021 nur noch mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Unternehmens zulässig sein. Dieses angekündigte Verbot kommt der Beseitigung eines Krebsgeschwürs gleich. Richtig und wichtig ist es, dass schärfer kontrolliert wird und die Kontrollen sich auch auf die Wohnungen und Unterkünfte erstrecken. Dringend notwendig ist es, die Kontrollkapazitäten in den Bundesländern, die teilweise kaputtgespart worden sind, wieder aufzustocken. Mit einer digitalen Zeiterfassung kann auch endlich dem Betrug bei den Arbeitszeiten ein Ende gesetzt werden. Jetzt gilt es, diesen Beschluss im Gesetzgebungsverfahren Eins zu Eins umzusetzen. Wir warnen die CDU/CSU-Fraktion davor, diesen Kabinettsbeschluss im Bundestag zu schleifen oder zu verwässern.““ NGG-Pressemitteilung vom 20. Mai 2019 externer Link
  • Werkverträge abschaffen alleine reicht nicht
    Damit sich wirklich etwas in der Fleischindustrie bewegt, braucht es auch dauerhaften öffentlich Druck, meint Elmar Wigand (…)Weil sich die Bürger im Kreis Coesfeld eine kollektive Ausgangssperre einfingen – aufgrund einer Infektionswelle bei Westfleisch externer Link -, empörten sie sich auf einmal über katastrophale Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse von Migranten. Dass in dieser plötzlichen Empörung eine gewisse Heuchelei liegt externer Link, sollten wir derweil großzügig behandeln. Weil das Interesse für Werkverträge eine unverhoffte Chance ist. Zwar sollte das Ausmisten nicht bei der Fleischindustrie halt machen externer Link, aber irgendwo muss man anfangen und da ist es klug, sich den größten und übelsten Sektor heraus zu greifen. Aber wir dürfen nicht vergessen: In der Landwirtschaft, dem Reinigungsgewerbe, dem Bau und vielen Zulieferbetrieben der Autoindustrie ist es nicht viel besser. Osteuropäer*innen sind überall dort anzutreffen, wo es industrielle Drecksarbeit zu machen gibt externer Link. In diesen Branchen sind durch EU-Osterweiterung und Hartz-Gesetze riesige Bereiche ohne Betriebsräte und Tarifverträge, ohne behördliche Kontrollen entstanden. Hier grassiert ein Rechtsnihilismus, von dem die meisten braven Bürger nur eine leise Ahnung haben (wollen). Es ist darüber hinaus sogar sehr gut, dass Heil und Laumann nicht nur von einzelnen »schwarzen Schafen« und »Missbrauch von Werkverträgen« reden – oder wie manche NGOs »WerkFAIRträge« fordern – , sondern die Werkverträge generell abschaffen wollen. Denn rund um das Konstrukt Werkvertrag wuchert ein sozialschädlicher und moralisch verkommener Dschungel aus mafiösen Sub-Unternehmern und betrügerischen Generalunternehmern. Leider haben die wenigsten begriffen, dass es sich bei den so genannten Werkverträgen in Wirklichkeit um ein riesiges Betrugsmanöver handelt. Tatsächlich hätte der Staat den Sumpf auch ohne Gesetze und Sonderregeln längst austrocknen können. Die angeblichen »On-Site-Werkverträge« sind bei Licht betrachtet nur juristisch verbrämte illegale Arbeitnehmerlassung. Weder Clemens Tönnies, der größte Alligator im Schlachthof-Sumpf, noch seine Subunternehmer geben sich große Mühe, diese Tatsache zu kaschieren. Hinzu kommt der Straftatbestand des systematischen Mietwuchers. Hier wird das wahre Problem deutlich: Ermittlung, Strafverfolgung und Kontrollen finden nicht statt. Staatsanwaltschaften bleiben untätig, Arbeitsschutz-Abteilungen der Bezirksregierungen, Gewerbeaufsicht und Zoll sind unterbesetzt. Solange aber einzelne Kriminelle nicht empfindliche Strafen ereilen, ist keine grundlegende Änderung zu erwarten…“ Kommentar von Elmar Wigand vom 20.05.2020 im ND online externer Link
  • Kabinettsbeschluss kann Missstände an großen Schlachthöfen wirksam bekämpfen – jetzt kommt es auf Umsetzung an. Germanwatch: Guter Tag für Schutz der Beschäftigten – Landwirtschaftsministerin Klöckner nun am Zug
    Germanwatch-Pressemitteilung vom 20.05.2020 externer Link
  • Infektionsherd Fleischindustrie: Corona und das Ausbeutungssystem Leiharbeit
    Heute, am Tag des Erscheinens dieses Blogbeitrags, hat das Bundeskabinett das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der fleischverarbeitenden Industrie externer Link beschlossen. Das hier dokumentierte Interview mit dem Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Mittelbaden-Nordschwarzwald u. Mannheim-Heidelberg Elwis Capece ist bereits eine Woche alt und erschien zuvor am 8. Mai auf marx21.de externer Link und konnte diese neue Situation noch nicht mitreflektieren…“ Beitrag vom 20. Mai 2020 von express im Blog corona-at-work.de externer Link
  • NGG: „Bundesregierung muss endlich handeln!“ – Schlachthöfe: Corona-Kabinett verschiebt Beratungen über Arbeits- und Gesundheitsschutz
    “„Es ist völlig unverständlich, dass das Corona-Kabinett die Beratung über die Lage in deutschen Schlachthöfen verschiebt“, hat Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), heute kritisiert. „Sämtliche Fakten über die unhaltbaren und menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der mit Werkverträgen in deutschen Schlachthöfen Beschäftigten liegen seit Monaten und Jahren auf dem Tisch. Schlachthöfe sind inzwischen Hotspots der Coronavirus-Pandemie. Die Bundesregierung muss endlich handeln, um Beschäftigte und die Bevölkerung zu schützen.“ Freddy Adjan wiederholte die Forderungen der Gewerkschaft NGG: – Verbot von Werkverträgen im Kernbereich unternehmerischer Tätigkeit. Den Fleischkonzernen muss es unmöglich gemacht werden, Kernaufgaben wie das Schlachten und Zerlegen von Tieren an billige und teilweise dubiose Fremdfirmen auszulagern. Sie müssen gezwungen werden, Verantwortung für das zu übernehmen, was in ihrem Auftrag und auf ihrem Firmengelände passiert. – Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Zustände in den Massenunterkünften gehören endlich scharf kontrolliert und die aufgedeckten Missstände effektiv verfolgt. – Für Unterkünfte und Wohnungen von Werkvertragsbeschäftigten müssen klare und bestenfalls bundeseinheitlichen Regelungen gelten. Die Unterkunftskosten müssen nach Maßgabe der Sachbezugsverordnung berechnet werden. – Notwendig ist der Abschluss eines brancheneinheitlichen Mindestlohntarifvertrags, der ein menschenwürdiges Leben und eine angemessene Unterkunft ermöglicht. Die Gewerkschaft NGG unterstütze den Vorschlag, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Corona-Kabinett zum Beschluss vorgelegt habe und der der NGG bekannt sei, ausdrücklich. Es sei dringend nötig, „endlich aufzuräumen“, wie es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angekündigt hat. Adjan erinnerte daran, dass Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) eine Politik der „Null-Toleranz“ angemahnt habe und „den Sumpf austrocknen“ wolle. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel habe in der vergangenen Woche im Bundestag von „erschreckenden Nachrichten aus der Fleischindustrie“ gesprochen und Handeln gefordert. „Handeln sie jetzt!“, so die Forderung von Freddy Adjan.“ NGG-Pressemitteilung vom 18.05.2020 externer Link, siehe zum Hintergrund:

    • Corona in der Fleischindustrie – CSU blockiert Konzept für Schlachthöfe
      “Eigentlich wollte die Bundesregierung heute beschließen, wie die Zustände in den Schlachthöfen verbessert und damit die Fleischindustrie stärker reguliert werden kann. In mehreren Schlachthöfen war es in den vergangenen Tagen zu massenhaften Corona-Infektionen der Arbeiter gekommen. Grund: die schlechten Hygienebedingungen und Unterkünfte. Doch das Konzept von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), das er heute im Corona-Kabinett präsentierte, liegt erst einmal auf Eis. Nach ZDF-Informationen blockiert die CSU. (…) Heil schlägt vor, dass Schlachthöfe und die Unterbringung der Arbeitnehmer häufiger kontrolliert werden. Bußgelder sollen verdoppelt werden. Außerdem sollen die umstrittenen Werkverträge verboten werden: Schlachten und das Verarbeiten von Fleisch sollen nur noch von Mitarbeitenden des eigenen Betriebs erlaubt sein. Damit könnten diese Arbeiten nicht mehr an Subunternehmen vergeben werden. Dumpinglöhne und miserable Unterbringung zu Wuchermieten für Arbeitskräfte, meist aus Osteuropa, sind derzeit die Folge. (…) Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kritisiert die Verschiebung des Beschlusses als „völlig unverständlich“, so der Vize-Vorsitzende Fredy Adjan. Die Fakten über die „menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen“ lägen seit Jahren auf dem Tisch. „Schlachthöfe sind inzwischen Hotspots der Corona-Pandemie“, sagt Adjan. Die Bundesregierung müsse endlich handeln…“ Beitrag von Kristina Hofmann vom 18.05.2020 beim ZDF externer Link
  • Verbot für Werkverträge in Schlachthöfen: Überfällig aber unwahrscheinlich – ruft dennoch die Bauernlobby hervor 
    • Bauernverband kritisiert Verbot für Werkverträge in Schlachthöfen‘
      Nach Corona-Ausbrüchen in mehreren Schlachthöfen will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der Fleischindustrie deutlich verschärfen. Ein Beschlussvorschlag des Arbeitsministeriums sieht ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen in Schlachtbetrieben vor. Der Bauernverband lehnt die Pläne ab – und auch in der Union deutet sich Widerstand an. Der Deutsche Bauernverband lehnt das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplante Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen externer Link ab. “Es ist zu befürchten, dass ein pauschales Verbot von Werksvertragskonstruktionen die Corona-Situation in den Betrieben und Unterkünften nicht verbessert”, sagte der Generalsekretär Bernhard Krüsken dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). (…) Ein Beschlussvorschlag des Arbeitsministeriums für das so genannte “Corona-Kabinett” am kommenden Montag sieht ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen vor. Künftig solle das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft “nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein”, heißt es in der Beschlussvorlage. Damit seien Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich…“ Artikel von Andreas Niesmann und Marina Kormbaki vom 16.05.2020 bei RND externer Link, siehe zum Hintergrund:
    • Nach vielen Corona-Infektionen: Arbeitsminister wollen Werkverträge in der Fleischindustrie erschweren
      Nach den Corona-Infektionen in Schlachthöfen bereiten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und sein NRW-Amtskollege Karl-Josef Laumann (CDU) gemeinsam schärfere Regeln und Auflagen für die Branche vor. (…) Nun wollen beide Minister gemeinsam gegen die Missstände in der Branche vorgehen. „Wir sind uns einig: Hier müssen wir aufräumen. Denn wir riskieren durch das Verhalten einiger schwarzer Schafe eine zweite große Infektionswelle“, sagte Bundesarbeitsminister Heil dem SPIEGEL. Die vergangenen Tage hätten das Ausmaß deutlicher gemacht. Viele Beschäftigte arbeiteten „nicht nur zu miesen Löhnen und Arbeitsbedingungen, sondern werden auch in Absteigen zusammengepfercht, in denen Abstand und grundlegende Hygienemaßnahmen kaum möglich sind“. Die unwürdigen Bedingungen für die Arbeitnehmer, die auch gefährlich für die Allgemeinheit seien, müssten beseitigt werden. (…) Beide Minister wollen die Regelungen zu Werkverträgen ändern und künftig klare Verantwortungsketten bei den Konstruktionen der Zusammenarbeit von Firmen mit Sub-Unternehmen verankern. „Die gängigen Werkvertrags-Varianten lassen zu viele Schlupflöcher“, sagte Heil. (…) Beide Minister wollen darüber hinaus eine digitale Arbeitszeiterfassung und erhebliche Bußgelder gegen Arbeitsrechtsverstöße. Zudem müssten den Betriebsräten Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Werkvertragsfirmen eingeräumt werden. Die Zustände in der Fleischwirtschaft seien „weder mit einem christlichen Menschenbild noch mit der sozialen Marktwirtschaft vereinbar“, so Laumann. „Meine Geduld ist am Ende.“…“ Artikel von Markus Dettmer vom 15.05.2020 beim Spiegel online externer Link
  • Arbeitsunrecht TV: Werkverträge abschaffen
    arbeitsunrecht TV #05 vom 15. Mai 2020 – Video bei youtube externer Link – mit einem Interview mit Laura vom Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie externer Link, das über Pfingsten (29. – 31. Mai 2020) Proteste gegen die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, Tierleid und Ressourcenverschwendung in der Tierindustrie plant
  • [Werkverträge in der Fleischindustrie] Ein Gesetz, das krank macht
    In der deutschen Fleischindustrie schuften osteuropäische Beschäftigte mit Werkverträgen – wie es die CSU wollte. (…) Schlimm, diese Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie, heißt es jetzt aus der Politik. Viel Interessanter als Empörungsroutinen ist die Frage nach den Ursachen. Die aus Osteuropa stammenden Schlachthofarbeiter sind in Deutschland meist per Werkvertrag beschäftigt, also formal selbstständig. Damit haben sie keine Rechte eines normalen Arbeitnehmers, aber dummerweise auch nicht die Freiheiten eines Selbstständigen. Für die Schlachthöfe ist das eine prima Win-Situation, für die Beschäftigten bedeutet es das Gegenteil. In den Knebelverträgen ist meist auch die Unterkunft festgelegt – Massenbehausungen, für deren oft überhöhte Kosten die Arbeiter aufkommen müssen. Werkverträge sind in der Theorie eine praktische Sache. Wenn zum Beispiel eine Bäckerei ihr IT-System aufmöbeln will, schließt sie einen Werkvertrag mit einer IT-Spezialistin, weil die Bäckerei es selbst nicht leisten kann. Seit Jahren aber werden Werkverträge nicht nur in der Fleischindustrie massenhaft missbraucht, um Personalkosten zu drücken. Möglich ist dies durch eine Gesetzeslücke, die auch bei einer Reform von 2017 nicht geschlossen wurde. (…) Das konnte geschehen vor dem Hintergrund, dass sich die breite Öffentlichkeit für die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den unteren Etagen der Arbeitswelt nur wenig interessiert. Seit Coesfeld wissen hoffentlich die Letzten: Menschenwürdige Arbeitsbedingungen schützen vor Krankheit und am Ende sogar vor Tod.“ Kommentar von Gunnar Hinck vom 10.5.2020 in der taz online externer Link
  • NGG: Forderungen zur Eindämmung von Corona in Schlachthöfen, u.a. „Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit“
    „Wir fordern, dass nun unverzüglich und ausnahmslos alle Beschäftigten der Schlacht- und Zerlegeindustrie auf eine Corona-Infektion getestet werden.“ Diese und weitere Sofortmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus in der Fleischindustrie hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in einem Schreiben an die Bundestagsfraktionen und die Bundesministerien für Arbeit und Soziales, Wirtschaft und Energie und Ernährung und Landwirtschaft externer Link formuliert und schnelles Handeln eingefordert. Es gelte, die „beschämenden und menschenverachtenden Zustände“ in der deutschen Fleischindustrie „jetzt und auf Dauer“ zu regulieren. Konkret fordert die Gewerkschaft NGG unter anderem das „Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit“. So soll es den Fleischkonzernen unmöglich gemacht werden, selbst Kernaufgaben wie das Schlachten und Zerlegen von Tieren an billige und teilweise dubiose Fremdfirmen auszulagern. Dazu sagte Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der NGG: „Die Konzerne müssen gezwungen werden, Verantwortung für das zu übernehmen, was in ihrem Auftrag und auf ihrem Firmengelände passiert. Die Corona-Krise macht einmal mehr deutlich, wie überfällig es ist, dass Politik und Behörden durchgreifen und nicht auf die Einsicht oder freiwillige Lösungen der Konzerne vertrauen. Die Fleischindustrie ist erwiesenermaßen reformunwillig und von Grund auf krank. Eine erste Therapiemaßnahme ist das Verbot von Werkverträgen, eine zweite sind Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Zustände in den Massenunterkünften gehören endlich scharf kontrolliert und die aufgedeckten Missstände effektiv verfolgt.“ Die Gesundheit der Beschäftigten müsse geschützt und die bereits infizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich unterstützt werden. Auch hier seien Unternehmen und Behörden dringend gefordert, so Adjan…“ NGG-Pressemitteilung vom 13.05.2020 externer Link
  • Heil will in Fleischbranche „aufräumen“
    Schlachthöfe als Corona-Hotspots, prekär untergebrachte Leiharbeiter: Die Bundesregierung macht Druck auf die Fleischbranche. Arbeitsminister Heil kündigte neue Regeln an, auch Kanzlerin Merkel äußerte Kritik. Nach den Coronavirus-Infektionen in mehreren Schlachtbetrieben hat Arbeitsminister Hubertus Heil Konsequenzen angedroht. „Wir werden aufräumen mit diesen Verhältnissen“, sagte der Sozialdemokrat in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Das Corona-Kabinett werde am kommenden Montag neue Maßnahmen beschließen. Heil kritisierte die oft prekären Arbeits- und Wohnbedingungen ausländischer Leiharbeiter in der Fleischwirtschaft: „Wir dürfen als Gesellschaft nicht weiter zugucken, wie Menschen aus Mittel- und Osteuropa in dieser Gesellschaft ausgebeutet werden.“ Der Minister betonte, das derzeitige Subunternehmertum in der Branche sei die „Wurzel des Übels“. Er warb dafür, grundsätzlich über die weit verbreiteten Werksverträge nachzudenken. Darüber hinaus machte sich Heil für bundesweit verbindliche Kontrollquoten stark…“ Meldung vom 13.05.2020 bei tagesschau.de externer Link – abwarten….
  • Zustände in der Fleischindustrie: Werkverträge oder illegale Arbeitnehmerüberlassung?
    Verdacht auf Schein-Werkverträge + Mietwucher: Was unternehmen Staatsanwaltschaften, Hauptzollamt und Arbeitsministerien? Rechtliche Grundlage der Werkverträge ist bei näherer Betrachtung äußerst dubios. Kriminogenes System der Fleischindustrie führt zu erhöhter Infektionsgefahr. (…) Alles spricht nach unseren Recherchen dafür, dass es sich in der Realität gar nicht um Werkverträge handelt sondern der Sache nach um Arbeitnehmerüberlassungsverträge (also verdeckte Leiharbeit bzw. Schein-Werkverträge). Das hätte weitreichende Auswirkungen, da nach unserer Kenntnis keiner der Werkunternehmer die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat. Wir hätten es hier also mit einem kriminellen System zu tun, das sowohl die Arbeiter schädigt als auch — über Hinterziehung von Sozialabgaben und Steuern — das Gemeinwesen. Bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung bestände gegenüber dem Werkunternehmer ein Anspruch auf denselben Lohn wie die Stammbelegschaft ihn erhält (Equal pay, Gleicher Lohn für gleiche Arbeit), darüber hinaus bestände sogar ein Anspruch auf Einstellung gegenüber dem Schlachthof selbst, da dessen Vereinbarung mit dem Werkunternehmer nichtig wäre. Wir haben diesen Sachverhalt dem zuständigen Hauptzollamt sowie dem NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) schon im Februar 2020 über unseren Anwalt Erberhard Reinecke mitgeteilt; bisher haben wir allerdings keine Kenntnis, ob die zuständigen Behörden aktiv geworden sind und welche Schritte sie ggf. eingeleitet haben…“ Pressemitteilung der Aktion gegen Arbeitsunrecht vom 12. Mai 2020 externer Link

Siehe zum Hintergrund:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=172780
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