„Letzte Verteidigungswelle“: Neue Generation von minderjährigen Rechtsterroristen?
„Erst 14 Jahre alt ist der jüngste von ihnen, auch die anderen Beschuldigten sind 15- bis 21-Jährige. In den frühen Morgenstunden werden am Mittwoch fünf mutmaßliche Sympathisanten der rechtsextremistischen, mutmaßlich terroristischen Vereinigung „Letzte Verteidigungswelle“ festgenommen. (…) Ihre Mitglieder verstehen sich als die letzte Instanz zur Verteidigung der „Deutschen Nation“. Durch Gewalttaten wollen sie einen Zusammenbruch des demokratischen Systems herbeiführen – Ziel sind dabei vor allem Migranten und politische Gegner. Das Mittel der Wahl seien dabei häufig Brand- und Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberheime und Einrichtungen des politisch linken Spektrums (…) Im letzten Sommer sind überall in der Bundesrepublik neue, junge Gruppierungen entstanden. Neben größeren Strukturen wie „Jung und Stark“, „Deutsche Jugend Voran“ oder „Der Störtrupp“, gibt es auch regionale Vereinigungen wie die „Deutsche Rechte Jugend“ in Niedersachsen oder „Unitas Germanica“ in Baden-Württemberg…“ FAQ von Svenja Kantelhardt vom 21. Mai 2025 beim ZDF
(„“Letzte Verteidigungswelle“: Das sind die Vorwürfe“) und Kommentare:
- Zahl rechtsextremer Straftaten durch Jugendliche steigt – besonders stark in Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern
„Junge Menschen im Alter von 14 bis 20 Jahren werden vermehrt verdächtigt, für rechtsextreme Straftaten verantwortlich zu sein. Besonders stark stiegen die Zahlen einer Umfrage der Opferberatungsstelle Weißer Ring zufolge in Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. In fast allen Bundesländern gibt es einen Anstieg von jungen Menschen, die rechtsextreme Straftaten begangen haben sollen, besonders in Sachsen. Weniger stark ist die Zunahme dem Weißen Ring zufolge in den Stadtstaaten Berlin und Bremen.
Den stärksten Anstieg gab es demnach in Sachsen. Hier wurden im vergangenen Jahr 1.297 mal junge Menschen im Alter zwischen 14 und und 20 Jahren einer Straftat mit rechtsextremem Hintergrund verdächtigt. Im Vorjahr seien es 310 gewesen, was einer Zunahme um 318,4 Prozent entspricht. (…) Ebenfalls starke Zunahmen gab es in Nordrhein-Westfalen mit plus 147 Prozent – von 247 Verdächtigen im Jahr 2023 auf 610 Verdächtige im vergangenen Jahr – und in Hessen mit plus 115,9 Prozent –113 Verdächtige im Jahr 2023 und 244 im vergangenen Jahr.
Deutlich mehr Heranwachsende, die einer rechtsextremen Straftat verdächtigt werden, gab es demzufolge auch in Mecklenburg-Vorpommern mit plus 107,5 Prozent auf 581 Verdächtige im vergangenen Jahr. Die Zahlen stiegen auch in Sachsen-Anhalt (plus 87,5 Prozent, von 208 Tatverdächtigen 2023 auf 390 Verdächtige 2024) und im Saarland mit plus 84 Prozent (von 25 auf 46). (…) Nach Angaben des Weißen Rings sind die Jugendlichen und Heranwachsenden in der Mehrzahl Propagandadelikten verdächtig. Doch auch Gewalttaten hätten zahlenmäßig zugenommen.“ Meldung vom 26. September 2025 von MDR AKTUELL - Junge Nazis: Man darf die Jugend nicht den Rechten überlassen
„Es ist verstörend, wie jung die Festgenommenen der Nazi-Gruppe „Letzte Verteidigungswelle“ sind. Eltern, Schulen und Vereine müssen aktiv werden, um den Hass zu stoppen. (…) Für einen Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft wurden bereits Kugelbomben besorgt. In Altdöbern wurde ein Kulturhaus angezündet, im Gebäudekomplex lebte eine Familie. Es war nur Zufall, dass es keine Toten gab. Nun nahm die Bundesanwaltschaft die Jugendlichen fest und wirft der Gruppe, die sich Letzte Verteidigungswelle nennt, Terror vor. Die Anführer sind 15, 16 und 18 Jahre alt, sie sitzen in Haft. Es ist nicht nur verstörend, wie jung die Festgenommenen sind und wie rasant ihre Radikalisierung verlief. Sondern auch, dass sie niemand stoppte. Die Eltern nicht, auch nicht Freunde, nicht die Schule. Weil niemand etwas mitbekam? Oder weil sie niemand stoppen wollte? Dieser Terror hat einen Nährboden. Zwei Jahre ist es her, dass Lehrer*innen in Südbrandenburg, unweit von Altdöbern, einen Brandbrief schrieben: Der Rechtsextremismus habe sich in ihren Klassenräumen breitgemacht, wer widerspreche, müsse um seine Sicherheit fürchten. Auch andernorts zeigten sich Schülervertreter*innen alarmiert. Bei der Bundestagswahl votierten Jungwählern zu 21 Prozent für die AfD. (…) Es ist dieses Klima, in dem die Jugendlichen aufwachsen. Ein Klima, in dem es wieder angesagt ist, rechts und autoritär zu sein. Wo man es anderen wieder zeigen will, auch mit Gewalt. Es ist eine Enthemmung, die einem auf Social-Media-Plattformen entgegenschwappt – und sich in dortigen Echokammern zigfach verstärkt. Bis der Eindruck entsteht: Dieser rechte Terror ist genau das, was nun getan werden muss. Schon vor Jahren fanden sich Teenager vereinzelt in militanten Gruppen wie der Atomwaffen Division wieder. Nun gibt es viele solcher Gruppen…“ Kommentar von Konrad Litschko vom 23.5.2025 in der taz online
- Letzte Verteidigungswelle: Wie man die neue Generation von Neonazis noch erreicht
Im Interview von Ellen Schweda bei MDR Kultur am 22. Mai 2025
klärt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen über die Hintergründe auf und was für eine Gegenstrategiewichtig ist: „Tatsächlich beobachten wir schon seit einigen Jahren, dass eine Verjüngung der rechtsextremen Szene stattgefunden hat. Und diese Gruppe, die dort verhaftet wurde, ist nur ein Beispiel für ähnlich aktionsorientierte jugendliche Neonazis, die es gibt – und zwar überall in Ostdeutschland. (…) Wir haben in der gesamten Gesellschaft einen Rechtsruck, was ja auch an den Zahlen der Wählerzustimmung zum Beispiel zur AfD deutlich wird. (…) Dieser Rechtsruck in der Gesellschaft, der wirkt natürlich auch im Jugendbereich, weil Jugendliche nicht automatisch bessere Menschen sind, sondern Teil unserer Gesellschaft. Es gibt die organisierten rechtsextremen Gruppen, die Jugendliche gezielt ansprechen, in der Schule, im Jugendclub oder bei sonstigen Dingen, wo Jugendaktivitäten stattfinden. (…) Keine andere Gruppe von Jugendlichen seit dem Zweiten Weltkrieg hat so viele Krisen in ihrer Biografie erlebt. Und da geht es sehr viel um Emotionen und nicht um die Vermittlung ausschließlich von Fakten. Es ist sehr schwer, an diese Jugendlichen ranzukommen, aber ich würde schon sagen: Es ist möglich. Wir brauchen, dafür gut ausgestattete Regelstrukturen in der Kinder- und Jugendhilfe: Pädagoginnen, die motiviert sind und ausgebildet sind, sich genau mit diesen Themen auseinanderzusetzen, Sozialarbeiter in Teams und in Schulen. Oft sind diese Strukturen unterfinanziert. Und dann ist es sehr schwer, eine Beziehung aufzubauen und mit Jugendlichen überhaupt in Kontakt zu kommen. (…) Am Küchentisch oder bei der Familienfeier oder eben bei irgendeiner Jugendbegegnung hören die Jugendlichen diese rechtsextremen Einstellungen von Erwachsenen. Und da braucht es eben Pädagoginnen und eine Gesellschaft, die humanistische Werte vermitteln und das nicht einfach im Stundenplan, sondern tatsächlich auch mit dem Beziehungsaufbau mit Jugendlichen. (…) Bei aller Wichtigkeit des Themas, dürfen wir die Fehler aus den 1990er-Jahren nicht wiederholen und alle Kraft auf diese rechtsextremen Jugendlichen richten. Es gibt ja einen Großteil von Jugendlichen in der Gesellschaft, die nicht rechtsextrem sind. Die dürfen nicht aus dem Blick geraten. (…) Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in Orten, wo es eine starke demokratische Jugendkultur gibt und diese auch gefördert wird von der Gemeinde und mit Hilfe verschiedener Projekte, dass es dort rechte Jugendliche sehr schwer haben…“ - „Können wir mal einen Moment innehalten und uns fragen, was mit dieser Gesellschaft los ist, dass 14- und 15-Jährige nicht von der ersten Liebe oder einem freien Leben träumen, sondern davon, Menschen in ihrer Flüchtlingsunterkunft zu verbrennen?“ Post von Hanning Voigts am 21. Mai 2025 auf bsky
