Zustände, wie bei der Bundeswehr, oder der Justiz, oder… Nazis führten das Landeskriminalamt NRW. Und was alles noch?
„… Mindestens vier ehemalige Chefs des Landeskriminalamtes NRW waren einem Gutachten zufolge Täter des NS-Unrechtsregimes. „Das Gutachten zeigt ein sehr bedrückendes Ergebnis“, sagte der amtierende LKA-Direktor Frank Hoever am Montag in Düsseldorf. „Das hat mich sehr erschüttert.“ Das Gutachten setzte sich mit den ersten sechs Behördenleitern nach Ende des Zweiten Weltkriegs auseinander. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte, die Beteiligung an nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen von Friedrich Karst, Friederich D’heil, Oskar Wenzky und Günter Grasner sei „geschichtswissenschaftlich evident“. Das Ergebnis der Studie sei „umso erschreckender, als die Genannten in ihrem Amt teilweise eine Seilschaft aus der NS-Zeit pflegten“. „Aus heutiger Sicht hätten sie niemals mehr als Polizisten arbeiten dürfen“, unterstrich Reul. Im Oktober 2016 hatte das Landeskriminalamt sein 70-jähriges Bestehen gefeiert. Damals kamen Hinweise auf, dass es klüger wäre, den ein oder anderen Behördenchef nicht zu ehren – wegen seiner Aktivitäten in der Nazi-Zeit. Der Historiker Martin Hölzl, der die wissenschaftliche Untersuchung geführt hatte, betonte, das Ergebnis „sei kein untypischer Befund“...“ – aus der Meldung „Gutachten bestätigt NS-Vergangenheit von vier LKA-Chefs in NRW“ am 17. Dezember 2019 beim Migazin
zur Endlos-Serie „Die BRD brauchte eben „Fachleute“… Und Fachleute der Repression waren sie, ohne Zweifel – wie auch in der Organisierung von Seilschaften. Siehe dazu auch den Link zu dem Gutachten und vier weitere, teilweise ältere Beiträge, die die Kontinuitäten verschiedenster Art zum Thema haben:
- „Gutachten „NS-Vergangenheit ehemaliger Behördenleiterdes Landeskriminalamtes NRW“
– Langfassung – Präsentation im Rahmen der Pressekonferenz am 16. Dezember 2019 beim LKA NRW ist eben das Gutachten des Historikers Martin Hölzl.
- „Wie die Bundesrepublik NS-Kriegsverbecher unterstützte“ am 16. Februar 2019“ beim Deutschlandfunk
– worin Felix Bohr und Willi Winkler im Gespräch mit Christian Rabhansl zum echten deutschen Wohlfahrtsstaat unter anderem berichten: „… Cognac und Kippen schickte die junge Bundesrepublik an NS-Kriegverbrecher, die in ausländischer Haft saßen. Und in Deutschland wurde einflussreichen Nazis in einflussreiche Positionen verholfen. Ein „Braunes Netz“ nennt das einer unserer Gesprächspartner. Als die Bundesrepublik noch jung war, ließ die neue Regierung kleine Weihnachtspakete verschicken. Darin befanden sich Cognac und Zigaretten. Beschenkt wurden damit Kriegsverbrecher. Einer von ihnen war Herbert Kappler. Unter anderem dessen Geschichte schreibt Felix Bohr in seinem Buch „Die Kriegsverbrecherlobby“. (…) Dass frühere Nazis im Bundestag arbeiteten, in Gerichten urteilten, Konzerne leiteten oder an Unis dozierten, habe Deutschland zu einem wirtschaftlichen Erfolg geführt, schreibt Winkler. „In den 30er-Jahren war der Volksgemeinschaft eine Modernisierung Deutschlands versprochen worden und persönlicher Erfolg, ein eigenes Auto, Urlaubsfahrten, ein eigenes Haus.“ Doch dann kam der Krieg. Diese ganzen Versprechen seien dann in den Fünfzigerjahren erfüllt worden. Man habe in den Urlaub nach Italien fahren können oder ein Haus bauen. Unter einer Bedingung, sagt Winkler: „Wenn man arbeitet, wenn man nach vorne schaut, wenn man nicht zurück schaut…“
- „Leute, die von früher was verstehen“ von Heribert Prantl am 22. November 2012 in der SZ online
war einer der zahllosen Beiträge seit der „Globke Affäre“ des Herrn Adenauer und dem Wirken des späteren Kanzlers Kiesinger, die diese Kontinuitäten und ihre Begründung zum Thema hatten. Darin heißt es unter anderem zur Frage nicht der personellen, sondern der inhaltlichen Traditionslinie: „… Es waren vor allem die Juristen, die vorher wie nachher gut funktionierten. Warum? Es ist noch nicht lange her, dass Jura-Professoren zum Auftakt ihrer Vorlesungen stolz den Satz sagten: „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht.“ Die jungen, furchtbar fähigen NS-Juristen erlebten also in den Sechzigerjahren den Höhepunkt ihrer Karrieren. Sie prägten die junge Republik. Manchmal wundert man sich, wie trotzdem ein leidlich demokratischer Rechtsstaat zustande kam. Auch die Gerichte erforschen endlich ihre Nazi-Vergangenheit; jüngst hat das Oberlandesgericht München ein Werk vorgestellt, das die Schande der bayerischen Justiz beschreibt. Es endet auf Seite 270 mit dem bitteren Satz: „Nach 1945 erfolgte nicht eine einzige strafrechtliche Verurteilung eines Richters vom OLG München wegen eines Rechtsprechungsakts im Nationalsozialismus.“ Man klappt das Buch zu und könnte weinen. Es gab nicht nur keine Verurteilungen; es gab Beförderungen, Alt-Nazis wurden Oberpräsidenten!“
- „Unterstützung der bundesweiten Demonstration gegen Abschiebehaft am 31. August 2019“ war ein Aufruf des Parteivorstandes der Linken
worin es zu einer der inhaltlichen Kontinuitäten immer noch aktuell heißt: „… Die zermürbende Praxis der Abschiebehaft stellt eine grausame Tradition in Deutschland dar: Bereits vor 100 Jahren wurden v.a. Jüd*innen, die in Deutschland vor Pogromen in Osteuropa Schutz suchten, willkürlich eingesperrt – mit dem Ziel, sie aus dem Land zu vertreiben. Mit der von Heinrich Himmler verfassten Ausländerpolizeiverordnung wurde die Abschiebehaft 1938 massiv ausgeweitet. Dieses Nazi-Gesetz wurde 1951 von der BRD wörtlich übernommen und erst 1965 überarbeitet. Die Gesetzgebung wurde als Reaktion auf die rassistischen Pogrome Anfang der 1990er Jahren weiter verschärft und erneut massiv zur Anwendung gebracht. Gemeinsam mit der Aushebelung des Grundrechts auf Asyl durch den „Asylkompromiss“ wurde 1993 die Einrichtung der Abschiebehaft in Büren beschlossen…“
- „Das schlechte Gewissen“ von Tom Wohlfarth am 17. November 2019 in neues deutschland online
zu Forschungen über nicht unbekannte Fernseh-Krimis und ihren Protagonisten: „… Der Schöpfer und alleinige Autor der ZDF-Krimiserien »Der Kommissar« (1968-1976) und »Derrick« (1973-1997) – dessen Hauptdarsteller Horst Tappert in derselben SS-Division war wie Reinecker, was 2013 bekannt wurde -, gab sich durchaus reumütig: Mit seinen ganz auf die moralische Perspektive fokussierenden Krimis wollte er ein dezidiert »gewaltfreies« Gegenstück zu den »realistischen« Filmen der »Stahlnetz«-Reihe (1958-1968) und später des »Tatorts« (seit 1971) in der ARD liefern, für die von Anfang an galt: »Es muss geballert werden.« Die Reinecker-Kommissare Keller und Derrick dagegen konfrontieren ihre Täter nicht mit Waffen, sondern mit einem schlechten Gewissen. Ihre Thesen präsentierte Haass im Diffrakt, dem Zentrum für theoretische Peripherie in den Räumen des Merve-Verlags in Berlin. Haass führte diese »moralische Perspektive« der Reinecker-Krimis auf die Moralisierung des Strafrechts im Nationalsozialismus zurück: Für die NS-Justiz sei entscheidender als die strafbare Handlung der ihr zugrunde liegende »böse« Wille gewesen. Für Keller und Derrick komme im Verbrechen immer zugleich eine moralische Krise zum Ausdruck, der gegenüber die Kriminaler als »moralischer Kompass«, aber auch als autoritär erhöhtes Leitbild fungierten. Neben ihrer »allwissenden« werden letztlich keine validen alternativen Perspektiven zugelassen…“