Tönnies als Beispiel: Wie Rassismus salonfähig gemacht wird

Aktion Arbeitsunrecht: FCK TNNSAm „Fall Tönnies“ – der keiner ist, weil ihn ja so viele, nicht zuletzt aus seiner Branche, so gut verstehen – kann man vieles lernen. Zum Beispiel: Wer andere rassistisch beleidigt ist kein Rassist, weil man ja weiß, dass er kein Rassist ist. Da kann man heute auf die früher übliche (auf ihre Art aber erhellende) Entschuldigung verzichten, dies oder jenes sei in alkoholisiertem Zustand geschehen, das wird heute ganz nüchtern vorgetragen. Und er habe sich ja auch entschuldigt. Aber wofür dann eigentlich? Und gar: Bei wem? Nicht bei denen jedenfalls, denen seine rassistischen Ausfälle galten. Also lernt man zweitens: Taktischer Rückzug bedeutet, sich bei jenen zu entschuldigen, die das Gleiche meinen. Schließlich drittens: Man beende das Ganze damit, dass eine Belohnung als Strafe dargestellt wird und kann weiter machen, wie bisher. Oder: Seit wann sind drei Monate Urlaub eine Strafe? Zum Fall Tönnies eine kleine Materialsammlung mit zwei Beiträgen – sowie einem, der solcherart Entschuldigungen behandelt. Und einem, der gleich zwei Dinge beweist: Dass Tönnies kein Einzelfall ist – und dass LabourNet Germany nicht die Pressestelle von Borussia Dortmund um Rat gefragt hat:

  • „Unsere Sicht der Dinge zur Causa Tönnies“ am 07. August 2019 bei den Gelsenkirchener Ultras externer Link hebt unter anderem hervor: „… Für uns stellt sich hieraus natürlich die Frage, wo der Ehrenrat den Maßstab ansetzt. Inwiefern ist ein „unsportliches Verhalten“ also schlimmer zu werten als ein „diskriminierendes“? Im Fall Clemens Tönnies begnügt sich der Ehrenrat jedenfalls mit der von Tönnies selbstauferlegten Sanktion, für drei Monate sein Amt ruhen zu lassen. Vergleicht man diese beiden Fälle und vor allem den immensen Imageverlust des FC Schalke 04 e.V., so wird das Verhalten des Ehrenrats zur Farce. An dieser Stelle muss man sich fragen, ob der Ehrenrat mit zweierlei Maß misst und inwiefern er unabhängig urteilen kann. Einmal mehr scheint eine einzige Person größer zu sein als unser ganzer Verein. Das Ergebnis des Ehrenrates ist für uns in keiner Art und Weise akzeptabel! Die jahrelange Antirassismusarbeit auf Schalke wird durch diese Entscheidung nicht nur mit Füßen getreten. Dieser Beschluss schädigt das Image unseres Vereins nachhaltig. Wie sollen wir Mitglieder in Zukunft bei ähnlichem Verhalten reagieren? Ist Wegsehen erwünscht? Ist einmal kein Mal und alles halb so wild? Wir fordern daher, Clemens Tönnies die oftmals symbolisierte und angesprochene „Rote Karte“ zu zeigen und, dass der Verein Schalke 04 seiner Verantwortung gerecht wird!...“
  • „Ein feiger Kompromiss“ von Oliver Kern am 07. August 2019 in neues deutschland online externer Link kommentiert: „… Bei Rassismus gibt es keine Kompromisse. Das dürfte bald auch den Verantwortlichen des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 klar werden. Dessen Ehrenrat kam nach stundenlanger Sitzung zum Urteil, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies zwar der Diskriminierung schuldig gemacht habe, seine Aussagen über ständig Kinder produzierende Afrikaner aber nicht rassistisch gewesen seien. Dieses Urteil ist nicht nur falsch, das richtige hätte auch nach nur einer Minute gefällt werden können. Wer mit kolonialistischen Vorurteilen ganze Völker darauf degradiert, nur mit dem Körper und nicht mit dem Kopf zu handeln, agiert rassistisch. Das wissen auch viele Fans, von denen einige nun ihren Vereinsaustritt angekündigt haben…“
  • „Tönnies, Gauland, Oettinger: Rassismus rutscht auch mal so raus“ von Stephan Hebel am 08. August 2019 in der FR online externer Link über eindeutige Gemeinsamkeiten einleitend: „… Um es gleich zu sagen: Herr Tönnies vom FC Schalke 04, der die Afrikaner durch den Bau von Kraftwerken vom Kinderkriegen abhalten wollte und sich dann irgendwie entschuldigte sollte sich nichts einbilden. Er kann sich keineswegs als Pionier des Entschuldigungswesens fühlen, ganz anders als zum Beispiel Alexander Gauland (AfD) und Günther Oettinger (CDU). Und so wird’s gemacht: Schritt eins: Sie bedienen einen der üblichen rassistischen Reflexe.  Ob Sie nun Chinesen als „Schlitzaugen“ bezeichnen, die „alle Haare von links nach rechts mit schwarzer Schuhcreme gekämmt“ haben (Oettinger 2016); ob Sie von einer bevorstehenden „Pflicht-Homoehe“ plappern (ebenda); oder ob Sie über einen schwarzen Nationalspieler sagen, „die Leute“ wollten so einen „nicht als Nachbarn haben“ – egal: Der Schenkelklopfomat wird beim entsprechenden Publikum die Messgrenze sprengen. Schritt zwei: Dem Protest aus der Noch-nicht-Minderheit, die ihre Sinne beisammen hat, begegnen Sie mit der Entschuldigung, die Sie natürlich bei Ihrer Verbalrandale bereits eingepreist hatten…“
  • „BVB weist Dickel und Owomoyela nach beleidigenden TV-Kommentaren zurecht“ am 05. August 2019 bei Stern online externer Link meldet: „… BVB-Stadionsprecher Norbert Dickel und Ex-Dortmund-Spieler Patrick Owomoyela sorgen gerade für heftige Diskussionen unter Dortmund-Fans. Denn das Testspiel Ende Juli gegen Udinese Calcio haben die beiden für das vereinseigene Streamingangebot BVB.tv kommentiert – und dabei die Italiener mehrfach als „Itaker“ bezeichnet. Das berichtet der WDR, nachdem im BVB-Forum „Schwatzgelb“ mehrere Nutzer sich für Dickel und Owomoyeal fremdschämen und darüber diskutieren, ob die Kommentare „latent rassistisch oder einfach nur doof“ seien...“. Doof halt. So. Irgendwie…

Siehe zu Tönnies auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152826
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