CDU-Parteitag 2019: Die Fahnen hoch!

[Aufruf] "Solidarität statt Heimat." Nennen wir das Problem beim Namen. Es heißt nicht Migration. Es heißt Rassismus.„… Die CDU will vor Schulen die Deutschlandfahne sehen – überall in Deutschland und immer. Das soll der Parteitag am Wochenende beschließen, der Vorstand hat es empfohlen (…) Bekannt ist bisher nur, dass der Antrag ursprünglich von der Schüler-Union stammt. „Die CDU Deutschlands spricht sich dafür aus, Schulgebäude dauerhaft mit der Bundesflagge, der jeweiligen Landesflagge sowie der Flagge der Europäischen Union zu beflaggen.“ Dass den Antrag aber der Bundesvorstand der Partei unterstützt, das kann nur folgendermaßen zustande gekommen sein…“ – aus dem Kommentar „Wie der CDU-Antrag zu Fahnen in Schulen zustande gekommen sein könnte“ von Stephan Hebel am 21. November 2019 in der FR online externer Link, worin die Initiative eher als Komödie aufgefasst wird, was leider insofern schon kaum zutreffen mag, als sie „eingebettet“ ist in eine ganze Reihe von Vorstößen in dieselbe Richtung. Stramm rechts in einem Land dessen größter Lyriker schon wusste: „Die Fahnen klirren leise im Wind…“.  Siehe dazu auch zwei weitere aktuelle Beiträge zum Parteitag, sowie zwei Beiträge zum aktuellen „geistigen Umfeld“ und einen Hintergrundbeitrag zu Kapitalismus und Rassismus…

  • „Die K-Frage in allem“ von Daniela Vates ebenfalls am 21. November 2019 in der FR online externer Link zu einem zentralen Punkt international verschärfter Konfrontation: „… Einer der zentralen Konfliktpunkte ist der Umgang mit dem chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei, der sich am Ausbau des deutschen Mobilfunknetzes beteiligen will. Sicherheitsbedenken haben alle – die Schlüsse sind unterschiedlich: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, die ultrakonservative Werteunion sowie der hessische Kreisverband Lahn-Dill-Kreis wollen eine Beteiligung Huaweis ausschließen. Kanzlerin Angela Merkel will keinen Ausschluss, sondern nur die Sicherheitsbedingungen definieren. Durch Merkels Positionierung kann die Abstimmung zur Abrechnung mit der Kanzlerin genutzt werden…“
  • „Kapital sucht Führer“ von Simon Zeise am 22. November 2019 in der jungen welt externer Link zum Führungskandidaten Merz unter anderem: „… Als maßgeblich verantwortlich für die schlechte ökonomische Lage wird die deutsche Politik gesehen. Gleichzeitig gilt es unter den Befragten als ausgemacht, dass sich die Bundesregierung bis zum Ende der Legislatur durchwurschteln wird. Absoluter Lieblingskandidat der Wirtschaft für das Amt des CDU-Vorsitzenden ist der überzeugte Transatlantiker und Deutschland-Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, Friedrich Merz. Er soll für das Kapital den Laden aufmischen. Dessen Kampfansage an die Gewerkschaften aus dem Jahr 2003 gilt heute immer noch: »Wenn man einen Sumpf austrocknen will, darf man nicht die Frösche fragen«, hatte er damals die Ausrichtung seiner »Reformvorhaben« gegenüber dem Spiegel begründet. Die »Fridays for Future«-Bewegung wird von den Herrschenden abgekanzelt. Zwar finden die Manager und Berufspolitiker die freitäglich demonstrierenden Schüler und Studenten durchaus »sympathisch«, die »Ausrichtung der Klimadebatte«, wie die Forderung nach einer drastischen Senkung der CO2-Emmissionen, bereitet ihnen aber »Sorge«. Repräsentanten von »Fridays for Future« halten von solchen Ansagen wenig...“
  • „Heimat – Eine Besichtigung des Grauens“ ist eine Veranstaltungsankündigung für den 28. November 2019 in Bünde bei scharf links externer Link zu einem jener Themen, die das „geistige Umfeld“ gegenwärtiger rechter Vorstöße markieren und besonders inder CDU verbreitet sind. Darin wird unter anderem unterstrichen: „… Mit ihr wird für Zahnpasta und Banken geworben, der Trachtenhandel erzielt Umsatzrekorde und das provinzielle Kostüm enthemmt seine Träger/innen. Ein »Volks-Rock´n´Roller« füllt große Arenen mit jungem Publikum, die Bild-Zeitung ehrt sie mit einer kostenlosen Sonderausgabe, die Qualitätsmedien mit Features und Debatten-Serien. Zeitschriften, die das richtige Anlegen von Rosenbeeten lehren, sind der Renner auf dem Medienmarkt. Grüne plakatieren ihr zur Ehre, Sozialdemokraten melden ältere Besitzansprüche an, und beneiden die Christdemokraten um die Idee mit dem Ministerium. Nazis verkünden, die Liebe zur ihr sei kein Verbrechen, und wer sie nicht liebe, sei aus ihr zu entfernen. Linke kontern knallhart: ihre Liebe zu Region und Gebietskörperschaft sei noch viel tiefer, echter und unverbrüchlicher. Die staatlichen Programme zur Förderung solcher Gefühle sind satt budgetiert, und je trostloser das Kaff, desto hymnischer hat der Song zu sein, der seinen Liebreiz besingt. Der deutsche Pop folgt diesem Credo,  unsubventioniert und in Privatinitiative. Hauptsache es wird gefühlt. Und das heißt immer: Allem zersetzenden Denken und kritischer Reflexion wird die Stirn geboten. So fühlt man sich schonmal wie ein Baum, also tief verwurzelt und unumtopfbar, weil sonst Psyche und Identität Schaden erlitten. Manche schnuppern auch an Bratwürsten und behaupten, dann spürten sie Heimat. Vor allem rein und unbefleckt soll sie sein, von ihren Männern beschützt und verteidigt. Im Namen von Idyll, Harmonie, Tradition, Brauchtum, Familie und weiterer Höllen wird gegen die Fremden und das Fremde zu Felde gezogen. Was man bereits ohne Meinungsforschung erkennen konnte, wurde mittlerweile auch empirisch belegt: Je mehr Heimatliebe, desto ausgeprägter die rassistische Gesinnung. Unbeeindruckt davon, stets dem Konstruktiven verpflichtet, bastelt die Zivilgesellschaft an ,alternativen‘ Heimatbegriffen…“
  • „Die Methode Alphonso“ von Katharina Schwirkus am 21. November 2019 in neues deutschland online externer Link zu einem medialen Begleter dieses Rechtskurses (und seinen persönlichen Methoden): „… Wie das Onlinemedium »Volksverpetzer« recherchiert hat externer Link, kommen 44 Prozent aller Retweets von Don Alphonso-Tweets von Accounts, die vorher bereits die rechtsextreme »Identitäre Bewegung« retweetet haben. Auch unter den Accounts, die Don Alphonso folgen, sind einige prominente Rechtsextreme. Beispielsweise Martin Sellner (Anführer der Identitären). Und von den 133 aktivsten Accounts, die Inhalte der Identitären retweeten, folgen 62 Prozent Don Alphonso. Meyer legt aber Wert darauf, selbst nicht als »rechtsextrem« eingeordnet zu werden. So gab er 2018 an, die Piraten und die Bayernpartei gewählt zu haben. Gleichwohl forderte Meyer alias Don Alphonso am vergangen Samstag seine Follower*innen auf, darauf zu achten, wer ihnen auf Twitter folge. Der Warnung angehängt war ein Screenshot, der den Account des Volksverpetzer-Autors Alex Urban zeigte. Unterschwellig behauptete Alphonso, Urban habe Beiträge von ihm gemeldet, damit er zensiert werde. Auf Urban prasselte ein Shistorm durch Rechtsgesinnte ein…“
  • „“Ich weiß nicht, ob es Kapitalismus ohne Rassismus geben kann“ am 22. November 2019 bei telepolis externer Link ist ein Gespräch von Fabian Goldmann mit Anna Esther Younes, worin sie zu dieser Frage unter anderem ausführt: „… Welche Geschichte haben die Menschen die letzten 30 Jahre durchlebt? Wenn es um Daten zu Rassismus geht, zeigt sich der Westen als nicht weniger rassistisch als der Osten – darauf habe ich immer wieder in den Reports hingewiesen. Es gibt keine Korrelation was rassistische Äußerungen angeht, die nicht auch im Westen zu finden sind. Und wenn wir uns die Führung der AfD und Pegida anschauen, sind die meisten davon auch Wessis. Das heißt natürlich nicht, dass die Leute auf den Demos nicht auch rassistisch sind. Aber mir kann keiner erzählen, dass die Leute nicht auch ein Problem mit ihrer „Klasse“ haben. Wir alle kennen die Storys von Menschen, die ihre Abschlüsse nicht anerkannt bekommen haben. Komplette Lebensgeschichten wurden gebrochen. In manchen Gegenden haben wir mittlerweile zwei Generationen von Alkoholismus und Arbeitslosigkeit. Ganze Fabriken wurden für einen Euro verkauft. Jeder weiß das im Osten. Da kann mir keiner erzählen, dass es da kein ökonomisches Sediment gibt. Das macht den Rassismus nicht besser. Der weiße Deutsche im Osten oder egal wo vergleicht sich nicht mit dem geflüchteten Menschen aus Afghanistan, er vergleicht sich mit dem anderen weißen Deutschen – in erster Linie mit dem reicheren und der kommt nun mal oft aus der alten BRD. Dass der weiße Deutsche aus den neuen Bundesländern immer noch von imperialistischer Ausbeutung des Globalen Südens profitiert, wird dabei natürlich nicht gesehen, was aber ein generelles Problem des Kapitalismus und Rassismus ist. 30 Jahre hatten Leute das Gefühl, nicht wirklich gehört zu werden, Geschichte wurde nicht aufgearbeitet, ein neues politisches System wurde durchgesetzt, obgleich es eigentlich laut Grundgesetz eine Wahl hätten geben müssen und so weiter. Das zu negieren, ist extrem gefährlich. Diese Leerstelle ist es, die die AfD und Pegida mit ihren polemischen Rhetoriken ausnutzt. Rassismus wird gegen die Gewalt des Kapitalismus ausgespielt – ersteres ist einfacher zu verstehen, sobald wir einen Sündenbock markiert haben. Das kennen wir doch aus der Geschichte. Aber um zu der Frage zurückzukommen: Nein, es sind nicht nur die Abgehängten, die rassistisch gegenüber Muslimen und Musliminnen sind – es ist eine gesamtgesellschaftliche Struktur. Und darüber muss geredet werden!…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=157684
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