Rechte Bedrohungsallianzen: Eine Studie zeigt, wie das Zusammenspiel von „besorgten Bürgern“, AfD und Rechtsextremen unsere Gesellschaft bedroht

Dossier

Buch: "Rechte Bedrohungsallianzen. Signaturen der Bedrohung II." von Wilhelm Heitmeyer, Manuela Freiheit und Peter Sitzer bei Suhrkamp 2020„… Wie sich im Schatten dieser Ignoranz das rechte Spektrum differenziert, dynamisiert und zugleich seine Kräfte gebündelt hat, skizziert Wilhelm Heitmeyer nun zusammen mit Manuela Freiheit und Peter Sitzer in Rechte Bedrohungsallianzen. Dieses Spektrum reicht vom „besorgten Bürger“ über Intellektuelle, die die Rechtsdrift im gesellschaftspolitischen Diskurs befeuern, von konservativen Politikern bis zur AfD. (…) Was die Vertreter des rechten Spektrums eint, sind der Glaube an die Ideologie der Ungleichwertigkeit und die Überzeugung vom bevorstehenden Untergang Deutschlands durch „Überfremdung“. Bei aller Unterschiedlichkeit teilen sie „die brutale Vision einer geschlossenen Gesellschaft mit einer autoritären staatlichen Ordnung“. (…) Die Autoren belegen mit einer Fülle empirischer Daten aus den Deutschen Zuständen und den darauf folgenden „Mitte-Studien“, wie rechtsextreme und antidemokratische Einstellungen zugenommen haben. In Rechte Bedrohungsallianzen wird die Dimension der Eskalation, die Heitmeyer bereits vor zwei Jahren in Autoritäre Versuchungen aufgemacht hat, eindrucksvoll dechiffriert. (…) Die Bedrohung hat sich in den privaten Alltag zivilgesellschaftlicher und staatlicher Akteure vorverlagert, stellen die Autoren fest: „Vormals geltende Grenzen zwischen dem privaten und dem öffentlich-politischen Raum werden im Säurebad der Hasskommunikation aufgelöst.“…“ Rezension von Martina Mescher aus ‚der Freitag‘ Ausgabe 43/2020 externer Link des Buches „Rechte Bedrohungsallianzen. Signaturen der Bedrohung II“ von Wilhelm Heitmeyer, Manuela Freiheit und Peter Sitzer. Siehe dazu:

  • Produktives Konzept – »Konzentrisches Eskalationskontinuum«: Wilhelm Heitmeyer über »rechte Bedrohungsallianzen« New
    „Bei den Ausschreitungen sowie Hetzjagden auf mutmaßliche Migranten in Chemnitz im August 2018 wurden die rechten Schläger von einer Menge von Claqueuren ermuntert und von einer lokalen Stadtratsfraktion unterstützt. Das Zusammenspiel von AfD, lokaler rechter Szene und einer amorphen Masse von Menschen mit Bedrohungsphantasien und Feindbildern kann das rasche Anwachsen der damaligen Proteste erklären. Für den Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer und seine Mitautorinnen und -autoren illustrieren sie das, was sie in dem Buch »Rechte Bedrohungsallianzen« unter dem Begriff des »konzentrischen Eskalationskontinuums« fassen. Ein Kapitel behandelt denn auch die Zuspitzung der Ereignisse in Chemnitz. Generell geht es den Verfassern aber darum, auf die Bedeutung dessen aufmerksam zu machen, was Heitmeyer unter dem Begriff der »gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit« (GMF) subsumiert, weil sich daraus die »nationalradikalen« Milieus speisen und diese GMF den Nährboden für neonazistische Szenen und auch konspirativ arbeitende Gruppen bildet, aus denen schließlich Terroristen hervorgehen können. (…) Die Prekarisierung breiter Schichten, so auch die These in der neuen Publikation, bedingt ein Gefühl der Ohnmacht, während das ökonomistische Denken das Ellbogenverhalten fördert. Unter Verweis auf Klaus Dörre erklären die Verfasser: »Ein ›landnehmender Kapitalismus‹ drang in soziale Lebenswelten ein und verursachte schleichende Prozesse der Entsicherung von Lebenssituationen, Lebensplanungen und Statuspositionen.« Eine wichtige Rolle wird dem Internet zugeschrieben, einem »Instrument der Demokratiezerstörung«. Es geht den Autoren zum einen darum, das ganze Spektrum rechter Gruppierungen und Initiativen von der Parteipolitik bis hin zu rechtsterroristischen Zellen und »einsamen Wölfen« auszuleuchten, zum anderen darum, das Kontinuum der Radikalisierung aufgrund der Gemeinsamkeiten, nämlich menschenfeindlichen Einstellungen, der Abwertung von Minderheiten und der Gewaltakzeptanz, aufzuzeigen. Eine viereinhalb Seiten lange, eng bedruckte Liste mit Namen von Menschen, die seit 1990 in Deutschland Opfer rechter Gewalt geworden sind, verdeutlicht die Dramatik der Lage. Das »konzentrische Eskalationskontinuum« wird so dargestellt: Je mehr Alltagsrassismus, Sexismus, Homophobie usw. in der Bevölkerung, desto günstiger ist das Klima für ein »Milieu des autoritären Nationalradikalismus« wie etwa in der AfD. (…) Eine weitere Stufe bilden dann zum Beispiel neonazistische Kameradschaften, von denen zu konspirativ agierenden Gruppen gewechselt werden kann, die dann eventuell »terroristische Vernichtungsakteure« hervorbringen. Das Bild der Zwiebel soll die quasi organische Einheit der Schichten oder Stufen von rechtem »Extremismus« verdeutlichen. Die äußere Schicht, die alles umschließt, steht dabei für das Alltagsdenken. Feindbilder, Verschwörungstheorien (z. B. »Umvolkung«) oder Geschichtsmythen bilden »Legitimationsbrücken« zwischen den Eskalationsstufen. Sie »rechtfertigen« schließlich sogar Terroranschläge…“ Rezension von Georg Auernheimer in der jungen Welt vom 1. Februar 2021 externer Link
  • Braunstaat BRD? Verwildert Deutschland angesichts zunehmender rechtsextremer Umtriebe im Staatsapparat zu einer braun anlaufenden Bananenrepublik? 
    „… Die Fülle von rechtsextremen „Einzelfällen“ im Staatsapparat der Bundesrepublik, hinter denen durchaus ein System erkennbar wird, scheint sich somit längst in einer entsprechenden Polizeipraxis zu manifestieren, bei der härteste Repression gegenüber Antifaschisten und Linken mit einer an Förderung grenzenden Toleranz gegenüber der Neuen Rechten einherzugehen scheint. Somit scheinen historische Parallelen zur Endphase der Weimarer Republik nicht mehr abwegig, als deutsche Polizisten den provokativen, mit Überfällen einhergehenden Nazi-Aufmärschen in linken Stadtteilen faktisch den Weg freischossen. Es wäre somit an der Zeit, endlich damit aufzuhören, von „Pannen“ oder „Überforderung“ zu sprechen, wenn mal wieder Skandale aus dem Braunstaat hochkommen; wenn etwa bekannt wird, dass ein Nazi als Leibwächter des obersten Verfassungsschützers tätig war, oder wenn demokratisch gesinnte Bundeswehrsoldaten, die Nazis bei der Bundeswehr dem MAD melden, hernach gefeuert werden, während Rechtsextremisten weiterhin bei der Truppe bleiben dürfen. (…) Es stellt sich schlicht die Frage, wie gefestigt die bürgerliche Demokratie in der Bundesrepublik ist. Wird das demokratische System der Bundesrepublik die krisenbedingt zunehmenden sozialen Verwerfungen überstehen, so wie es etwa die Demokratie Griechenlands trotz einer langjährigen schweren Wirtschaftskrise vermochte, oder setzen sich die autoritären und antidemokratischen Traditionen Deutschlands durch, die schon den Nazis nach dem Krisenausbruch 1929 den Weg ebneten? Die rechten Extremisten hätten ihre Verbündeten tief in den Reihen des deutschen Regierungsapparates, bemerkte etwa die New York Times, die schon 2018 diese braune „Fäulnis im Herzen des Deutschen Staates“ beklagte…“ Kommentar von Tomasz Konicz vom 29. Oktober 2020 bei telepolis externer Link
  • Wilhelm Heitmeyer über Kampf gegen Rechtsextremismus: „Ich sehe partielle Blindheit bis hin zu Staatsversagen“
    „Der Soziologie Heitmeyer befürchtet, dass Teile der Politik noch nicht begriffen haben, wie gefährlich der Rechtsextremismus ist. Seehofer kritisiert er scharf: (…) Jede Gesellschaft hat ein Recht darauf zu wissen, was in den Institutionen vor sich geht, die sie selbst mit dem Gewaltmonopol, mit Macht und Waffen ausgestattet hat. Eine solche Abschottung sollte sich keine Gesellschaft bieten lassen…“ Interview von Sebastian Leber vom 25. Oktober 2020 beim Tagesspiegel online externer Link
  • „Rechte Bedrohungsallianzen. Signaturen der Bedrohung II.“ von Wilhelm Heitmeyer, Manuela Freiheit und Peter Sitzer bei Suhrkamp 2020 externer Link zum Preis von 18 Euro (325 Seiten)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=180205
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