[Vor 75 Jahren begannen die Nürnberger Prozesse] 5 Artikel zu Entnazifizierung, die du gelesen haben solltest

Kampagne »Entnazifizierung jetzt«Heute vor 75 Jahren begannen die Nürnberger Prozesse. Dazu haben wir euch einen Reader zusammengestellt, der sich mit Entnazifizierung und der Kontinuität des Hitler-Faschismus befasst. Und damit ihr euch zu diesem doch sehr bedeutenden Jahrestag tiefer mit dem Thema auseinandersetzen könnt, haben wir euch einen Reader zusammengestellt…“ Reader vom 20.11.2020 von und bei Klasse Gegen Klasse externer Link, siehe dazu weitere Lese-Empfehlungen:

  • Eine wirkliche Entnazifizierung fand nie statt – Lesenswerte Schriften zur amtlichen deutschen Vergangenheitspolitik nach 1945 (Auswahl) New
    Immer noch zu wenig bekannt ist der starke Einfluss von NS-Vertretern in den staatlichen Strukturen nach 1945, wozu jedoch mittlerweile eine wachsende Zahl an Studien vorliegt. Im Folgenden eine kleine Auswahl von wichtigen Forschungsergebnissen, sortiert nach Bereichen:

    • Zur grundlegenden Entwicklung ist immer noch die von Norbert Frei 1996 veröffentlichte Darstellung „Vergangenheitspolitik – Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit“ empfehlenswert. Zu dieser Thematik ist eine Aktualisierung in der, von Frei herausgebenden sehr interessanten Reihe „Die Deutschen und der Nationalsozialismus“ geplant, die leider noch nicht erschienen ist.
    • Sehr informativ ist dazu auch immer noch, die 2003 bei dtv von Norbert Frei zur gleichnamigen ARD-Fernsehserie herausgebende Band „Hitlers Eliten nach 1945“, vor allem auch deshalb, weil dort die personelle NS-Kontinuität von Juristen, Ärzte, Unternehmer, Journalisten und Offiziere detailliert dargestellt wird.
    • Die personelle NS-Kontinuität des auswärtigen Amtes belegt anschaulich, der auf Basis zuvor geheim gehaltener Akten von Eckart Conze, Norbert Frei Peter Hayes und Moshe Zimmermann 2012 beim Pantheon Verlag herausgegebene Band „Das Amt und die Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“.
    • Was die Justiz betrifft, war der vom Juristen Ingo Müller 1987 bei Kindler herausgebende Studienband „Furchtbare Juristen“ ein regelrechter „Schocker“, den erfreulicherweise Ingo Müller 2018 bei der Edition Tiamat mit dem Untertitel „Die unbewältigte Vergangenheit der Deutschen Justiz“ aktualisierte und neu herausgab.
    • Den maßgeblichen Einfluss von „ehemaligen“ Nazis auf das Bundesministerium der Justiz und auf die Besetzung und Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellten in einer umfangreichen Studie 2016 bei C.H.Beck Manfred Görtemaker und Christoph Safferling in „Die Akte Rosenberg“ dar.
    • Was den Einfluss „ehemaliger“ Nazis auf das Bundeskriminalamt betrifft, ist die 2011 beim Hermann Luchterhand Verlag erschienene Studie „Schatten der Vergangenheit. Das BKA und seine Gründungsgeneration in der früheren Bundesrepublik“ von Imanuel Baumann, Herbert Reinke, Andrej Stephan und Patrick Wagner lesenswert.
    • Schließlich stimmte auch der frühere Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, einer Studie zur NS-Vergangenheit des Amtes zu, die dann vor allem – wenn auch teilweise auf mühvollen Nebeninformationen angewiesen – von Constantin Goschler und Michael Wala mit dem Titel „Keine neue Gestapo“ 2015 bei Rowohlt erschien. Wohl nicht zufällig endet die Studie mit einer Untersuchung der NS-Vergangenheit im Amt jedoch bereits in den 70ziger Jahren. Wie rechts das Amt immer noch orientiert ist, bleibt weitgehend ein gut gehütetes Geheimnis.
    • Empfohlen von Armin Kammrad am 20. Februar 2021 – wir danken!

Siehe auch:

  • Rechtsterrorismus in Deutschland – Von der Nachkriegszeit bis heute
    „Am Jahrestag des rechtsextremen Anschlags in Hanau mit neun Opfern fragen viele, ob Staat und Gesellschaft Nazi-Terror lange verharmlost haben. Ein Blick in die Geschichte Deutschlands zeigt: ja. (…) 1950 wurde der Bund Deutscher Jugend (BDJ) gegründet. (…) In enger Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst wurden Mitglieder des BDJ militärisch ausgebildet. Außerdem führte der „Technische Dienst“ des BDJ eine „schwarze Liste“ mit Menschen, die im Fall einer sowjetischen Invasion „kaltgestellt“ werden sollten. (…) Beim BDJ-Pfingsttreffen 1952 traten sowohl Bundestagsabgeordnete der CDU als auch der FDP auf. (…) In den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren gab es eindeutige Hinweise auf organisierte antisemitische Aktivitäten in der Bundesrepublik. Eine Welle von Schmierereien, unter anderem an Synagogen, sorgte zwar für Empörung, eine wirkliche Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus fand aber nicht statt. (…) Was Menschen drohte, die sich für eine grundlegende Entnazifizierung einsetzten, zeigt das Beispiel Fritz Bauer. Der hessische Generalstaatsanwalt war maßgeblich an der Ergreifung des ehemaligen SS-Funktionärs Adolf Eichmann beteiligt. Darüber hinaus initiierte er den ersten Auschwitzprozess in Deutschland. (…) Die Historikerin Barbara Manthe erklärt, wie gefährlich sein Engagement für Fritz Bauer war: „Der stand bei einigen der rechtsterroristischen Gruppen als Ziel auf ihrem Plan. Also sie wollten ihn umbringen – oder entführen.“ (…) Laut Rechtsterrorismus-Forscher Gideon Botsch waren bis in die 1980er-Jahre die Verherrlichung des Nationalsozialismus, Antikommunismus und Antisemitismus die Hauptmotivation für rechten Terror. Ab den 1980er-Jahren spielte Rassismus gegen Menschen mit Migrationshintergrund eine immer größere Rolle. (…) Der Blick zurück zeigt: Rechter Terror in Deutschland ist kein neues Phänomen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es organisierte rechtsextreme Gewalt, aus antikommunistischen, antisemitischen und rassistischen Motiven. Die Gruppen waren miteinander und international vernetzt. Lange war dennoch von vereinzelter Gewalt von Allein-Tätern die Rede. Warum wurde der organisierte rechte Terror so lange übersehen? Neben einer Unterschätzung des Problems trägt dazu laut Gideon Botsch bei, dass sich das bürgerlich-konservative Milieu nicht ausreichend mit rechtem Terror auseinandersetzt. Er meint: Politikerinnen und Politiker aus dem eher konservativen Spektrum hätten ihre ideologischen Scheuklappen nicht abgelegt: „Diese Auseinandersetzung des bürgerlich-konservativ Milieus (…) wird bis heute von diesen Kreisen konsequent verweigert – ob möglicherweise die eigene Ausländerpolitik, die eigene antikommunistische Orientierung oder auch die Stellungnahmen des konservativen Spektrums in Fragen der Vergangenheitspolitik hier zu einer Radikalisierung beigetragen haben könnten.“ Beitrag von Rainer Volk vom 19. Januar 2021 bei SWR2 Wissen externer Link Audio Datei (Audiolänge: ca. 28 Min.)
  • Siehe dazu auch: Übersichtskarte der Kampagne »Entnazifizierung jetzt«: Die Bundesrepublik hat die Entnazifizierung verpasst!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=181788
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