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[20. Dezember 1989] 30 Jahre nach der Bombardierung von Armenvierteln in Panama-Stadt durch die USA: Die „Mutter aller Menschenrechtskriege“ war so mörderisch, wie alle folgenden

Panama Stadt nach dem Bombenangriff der US-Menschenrehctskrieger am 20.12.1989Es war eine für viele Menschen tödliche Premiere: Die USA wollten einen Diktator stürzen – war man es doch, zumindest nach 1945, gewohnt, dass sie zur Verteidigung von Diktaturen aufmarschierten, von Iran und Guatemala bis Chile und Grenada. Der Diktator Noriega in Panama – lange Jahre von denselben USA gestützt – hatte es sich mit ihnen „verdorben“ (und sollte noch Nachfahren bekommen, in den folgenden 30 Jahren). Also wurde bombardiert, das mörderische Recht nimmt man sich denn doch: Dass eines der Hauptziele eine Kaserne mitten in dem riesigen Armenviertel El Chorillo von Ciudad de Panama war – zum ersten Mal großes „Pech“ für die Menschen, die da wohnen mussten, viele von ihnen Migrantinnen und Migranten der karibischen Inseln. Wie viele da sterben mussten, ist bis heute nicht völlig klar, in jedem Falle mehrere Tausend Opfer. Ansonsten gilt die bürokratische Maxime: Wer ohne Papiere nicht leben kann, kann auch nicht sterben. Und so sind die unbekannten Toten die Vorläufer von Opfern bei afghanischen Hochzeitsfesten, serbischen Personenzügen und wer da sonst alles noch unter der Rubrik „Kollateralschaden“ beerdigt werden muss. Schon dieser erste Feldzug für die Demokratie, sozusagen die „Mutter aller Menschenrechtskriege“ zeigt das reaktionäre, mörderische Potenzial einer Doktrin, die spätestens mit Schröder/Fischer auch in der BRD Einzug gehalten hat. Nach 30 Jahren wird der menschenrechtliche Massenmord auch – erstmals – von einer Regierung in Panama zu mindestens erwähnt… Zum 30. Jahrestag der Invasion durch die USA vier aktuelle Beiträge, die sich auch um die Auseinandersetzung für die Legalisierung eines offiziellen Gedenktages drehen und der dazu gehörende Hashtag, sowie eine Lebensgeschichte – und ein (alter) Beitrag zur Frage, was Menschenrechte im Kapitalismus denn nun wirklich bedeuten…

„Invasion als chirurgischer Eingriff“ von Tobias Lampert am 17. Dezember 2019 in der taz online externer Link fasst die Ereignisse so zusammen: „… Bis heute wird die US-Invasion häufig als chirurgischer Eingriff dargestellt, der Panama Freiheit und Demokratie gebracht habe. Die panamaische Elite feierte das Ende der Militärdiktatur, in den USA überboten sich die Medien mit Lobeshymnen an die eigene militärische Effizienz. Doch in El Chorillo erinnern sich die Menschen mit Schrecken an die Invasion. Tatsächlich verloren in jener Nacht dort wahrscheinlich mehrere tausend Personen ihr Leben. Genau Zahlen gibt es bis heute nicht, US-Soldaten verscharrten viele Opfer in Massengräbern. Die Bombardierungen galten vor allem der Kaserne in El Chorillo, in der Noriega sein Hauptquartier hatte. Bush begründete die Invasion damit, das Leben der rund 35.000 US-Amerikaner*innen in der Kanalzone zu schützen, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen, den Drogenhandel zu bekämpfen sowie Noriega vor Gericht stellen zu wollen. Nach Ende des Kalten Krieges diente Panama den USA als Blaupause für weitere US-Militäreinsätze zur „Demokratieförderung“, etwa im Irak, in Haiti oder Afghanistan. Manuel Noriega, der seit den 1970er Jahren auf der Gehaltsliste des US-Geheimdienstes stand, ließ bald nach seiner Machtübernahme 1983 von den USA unterstützte nicaraguanische Contras in Panama ausbilden. Auch stellte er sein Land als Zwischenstation bei illegalen US-Waffenlieferungen an Iran zur Verfügung, aus deren Erlösen der Krieg gegen die linke sandinistische Regierung Nicaraguas finanziert wurde. Die USA sahen dafür großzügig über Noriegas Drogengeschäfte mit dem kolumbianischen Medellin-Kartell hinweg…“

„Cabildo abierto en Panamá por los 30 años de la invasión de EE.UU.“ am 19. Dezember 2019 bei Prensa Latina externer Link meldet, dass abermals mobilisiert wird, um am Jahrestag in dem betroffenen Stadtteil eine offene Versammlung des Gedenkens zu organisieren, wobei es darum gehen soll, in irgendeiner Form per „Denkmal“ eine dauerhafte Erinnerung zu sichern, dies umso mehr, als im Jahr 2018 (!) die Amerikanische Menschenrechtskommission die USA aufforderte, die Opfer der Invasion zu entschädigen.

„Decisión acertada contra el olvido“ am 18. Dezember 2019 bei Bayano Digital externer Link ist das Editorial, in dem der Beschluss der Regierung, den 20. Dezember als „Trauertag“ anzuerkennen, begrüßt wird – etwas, was sich alle seitherigen Regerungen weigerten, zu tun. Jetzt müsse die Regierung Konsequenz zeigen und den Zustand beenden, dass das sogenannte Peace Corps der USA in panamaischen Gemeinden an der Aufrechterhaltung des Gesundheitswesens beteiligt seien.

„Algo de historia que no hay que olvidar. Mucho menos ahora que no se ha hecho justicia“ am 17. Dezember 2019 im Twitter-Kanal der Bauarbeitergewerkschaft Suntracs externer Link ist der Aufruf, sich an den Protesten und Gedenkaktionen zu beteiligen – versehen mit einem Video über den Einmarsch der US-Einheiten vor 30 Jahren…

„Una heroína de la Little Hiroshima“ von Hernando Calvo Ospina am 19. Dezember 2019 bei rebelion.org externer Link ist die Geschichte einer Frau, wie sie und ihre Familie den Tag des Terrors erlebt haben – und was sie unternahm, um Menschen vor den Menschenrechtsbomben zu retten…

„#20DiciembreDueloNacional“ externer Link ist der Hashtag, unter dem die Twitter-Beiträge jener Gruppierungen dokumentert werden, die an der Kampagne für einen offiziellen Gedenktag beteiligt sind.

„Robert Kurz: POLITISCHE ÖKONOMIE DER MENSCHENRECHTE“ am 01. Oktober 2002 bei Exit Online externer Link hielt schon damals knapp fest: „… Daraus folgt, daß die modernen Menschenrechte eigentlich kein Versprechen sind, sondern eine Drohung: Wenn du nicht mehr betriebswirtschaftlich brauchbar und funktionsfähig bist, bist du auch im Prinzip nicht mehr rechtsfähig, und wenn du nicht mehr rechtsfähig bist, bist du letzten Endes auch kein Mensch mehr. Die potentielle Entmenschung der „Überflüssigen“ ist im bürgerlich-aufklärerischen Begriff der Menschenrechte insofern enthalten, als der kapitalistisch versachlichte Mensch in der „naturwidrigen“ Gestalt des Herausgefallenen eben sogar weniger als eine Sache ist. Diese letzte Konsequenz ist das geheime Prinzip aller politischen Ökonomie, und damit der modernen demokratischen Politik überhaupt. Es ist die Essenz jenes naßforschen „Realismus“, wie er längst auch die politische Linke durchseucht hat. Alle Realpolitik trägt das Kainsmal dieser unerbittlichen Logik. Die zivilen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International usw. sind keine Realpolitiker, sondern diesen oft ein Dorn im Auge. Mit ihrem unmittelbaren Einsatz für die Opfer von Krieg und Verfolgung, ihrer Unbestechlichkeit (im Gegensatz zu den Berufspolitikern) und ihrem oft gezeigten Mut gegen die herrschenden Gewalten bilden sie eine wichtige Instanz der praktischen Hilfe und nicht zuletzt der empirischen Kritik und Anklage. Aber darauf sind sie eben auch beschränkt. Sie verteidigen die Opfer ausgerechnet im Namen des Prinzips, das sie zu Opfern gemacht hat. Deshalb können sie die notwendige Gesellschaftskritik nicht ersetzen; ihre Tätigkeit kann die gesellschaftlichen Ursachen von Gewalt und Verfolgung so wenig berühren wie das Rote Kreuz den Ersten Weltkrieg verhindern konnte. Der ideologische Titel ihres immer noch bürgerlichen Selbstverständnisses macht zwar nicht ihre empirische Tätigkeit selber, aber doch deren Legitimation äußerst zweischneidig. Dadurch geraten sie in die Gefahr, daß sogar ihre Existenz und ihr Wirken noch für die Rechtfertigung des globalen ökonomischen Terrors instrumentalisiert wird. Die selbstverständliche Anerkennung des Menschen, das heißt aller Menschen in ihrer leiblichen, geistigen und sozialen Existenz, kann nur jenseits der aufklärerisch-kapitalistischen Definition des Menschseins liegen…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=159667
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