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Ungarns Rechtsregierung verbreitet einen Virus: Militärverwaltung und Zensur

Hannes Hofbauer: Die Diktatur des Kapitals. Souveränitätsverlust im postdemokratischen Zeitalter„… Vor kurzem wurde auf der Webseite des ungarischen Parlaments ein Gesetzentwurf veröffentlicht, wonach der am 11. März verhängte Notstand künftig auch ohne Zustimmung der Abgeordneten verlängert werden soll. Bislang muss das Parlament alle 15 Tage über die Verhängung von Einschränkungen entscheiden. Doch demnächst, so der Entwurf aus dem Justizministerium, könnte eine „erzwungene parlamentarische Pause“ gelten und die Regierung dann per Dekret „die Anwendung einzelner Gesetze suspendieren, von gesetzlichen Bestimmungen abweichen und sonstige außerordentliche Maßnahmen treffen“. Damit nicht genug, plant Orbán auch, das Strafrecht zu verschärfen: Verstöße gegen Quarantänebestimmungen können dann bis zu acht Jahre Gefängnis nach sich ziehen und „Verbreitung von Falschnachrichten“ bezüglich Corona bis zu fünf Jahre. Schon in der nächsten Woche könnte das Gesetz das ungarische Parlament passieren. Orbán braucht dazu eine Zweidrittelmehrheit, die er mit den Abgeordneten seiner Fidesz-Partei erreichen dürfte. Das Parlament würde sich gewissermaßen selbst entmachten. Ungarische Bürgerrechtler schlagen Alarm. Es sei nicht akzeptabel, dass die Regierung unbegrenzt ohne Kontrolle handeln könne, hieß es in einer Stellungnahme, die vom ungarischen Helsinki-Komitee und Amnesty International verfasst wurde…“ – aus dem Beitrag „Per Dekret in die Orbán-Diktatur“ von Damir Fras am 24. März 2020 in der FR online externer Link zum Vorstoß der ungarischen Rechten unter dem „Schutz“ der Epidemie… Siehe dazu auch einen Kommentar, einen ausführlichen Beitrag über die aktuelle Rolle der ungarischen Armee und eine Meldung zur (endgültigen) medialen Gleichschaltung:

  •  „Orbans Staatsstreich“ von Ulrich Krökel ebenfalls am 24. März 2020 in der FR online externer Link kommentiert diesen Vorgang unter anderem so: „… Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban greift im Zeichen der Corona-Krise zu diktatorischen Machtmitteln. Er nutzt die Zweidrittelmehrheit seiner rechtsnationalen Fidesz-Partei, um in Ungarn die Gewaltenteilung abzuschaffen. Das Parlament wird, wenn kein Wunder passiert, nächste Woche in eine Zwangspause geschickt. Alle Macht geht dann von der Regierung also von Orban aus. Putin, Erdogan und Co. lassen grüßen. Zugleich patrouilliert in Ungarn die Armee durch die Straßen. Sicherheitsbeamte und Offiziere ziehen in die Vorstandsetagen von Unternehmen ein. Die verbliebene Opposition spricht zu Recht von einem Staatsstreich. Und die EU-Kommission schweigt zu alledem. Schließlich herrscht ja Corona-Krise...“
  • „Mit Kanonen gegen Viren: Orbán verhängt Kriegsrecht über Ungarn“ am 22. März 2020 beim Pester Lloyd externer Link zu den „besonderen Maßnahmen“ der ungarischen Rechtsregierung: „… Anfang der Woche legt die Regierungspartei Fidesz dem Parlament ein Gesetz vor, das die Vollmachten des Premiers für den Notstand bis Jahresende verlängern soll, ihm aber die Handhabe gibt, eine Verlängerung selbst anzuordnen. Es ist ein Ermächtigungsgesetz. Die Corona-Virus Pandemie kommt an zweiter Stelle. Auch in Ungarn herrscht Ausnahmezustand wegen des Coronavirus. Doch anders als in Spanien oder Italien, wo das Militär zu Hilfsarbeiten wie Transporte oder Desinfektionsmaßnahmen herangezogen wird, übernimmt die Honvéd das Kommando. Auf den Straßen soll die Präsenz der Soldaten „beruhigen“. Doch in 140 Betrieben, die von der Regierung als „strategisch bedeutend“ eingestuft werden, rückten Ende voriger Woche Militärs ein (…) Sie haben weitreichende Vollmachten: Sie dürfen Exporte stoppen, müssen jede Rechnung vor der Bezahlung genehmigen, dürfen die Lager besichtigen und notfalls die Produktion umstellen und Produkte beschlagnahmen. Auf der Liste der Unternehmen stehen nicht nur die MOL, MÁV und andere wirklich strategische Firmen, sondern auch reine Privatunternehmen wie Handelsketten (Auchan) oder Autozulieferer wie Bosch. Auch in anderen Ländern werden die Industrien auf Notbetrieb umgestellt, viele Firmen machen das sogar freiwillig. Die Besetzung der Firmen in Ungarn ist dagegen eine politische Aussage. Orbán nutzt den sanitären Notstand, um sein ideales Regierungskonzept umzusetzen: die Diktatur. Anfang der Woche legt die Regierungspartei dem Parlament dafür ein Gesetz vor, dass die Vollmachten des Premiers für den Notstand mindestens bis Jahresende verlängern soll, ihm aber die Handhabe gibt, eine Verlängerung selbst anzuordnen. Orbán muss dann nicht mehr etappenweise – alle zwei Wochen – im Parlament Rechenschaft ablegen, um eine Verlängerung der Ausnahmemaßnahmen zu erlangen, sondern kann nach Gutdünken schalten und walten wie er will – praktisch unbefristet: Über Hilfsgelder, den gesamten Haushalt, alle Infrastrukturen, über die Rechte von Medien und Menschen. Ohne jede Kontrolle. Der Souverän ist ausgeschaltet. Wahlen können ohne weitere Anstalten „aufgeschoben“ werden. Es ist ein Ermächtigungsgesetz. Das beinhaltet zum Beispiel auch, dass mit bis zu drei Jahren Haft all jene bedroht sind, die „Falsches“ über die Krise berichten. Was Falsch und was Richtig ist, legt natürlich die Regierung fest. In seinem Radiointerview ließ Orbán am Freitag die Instrumentalisierung und Militarisierung der Gesundheitskrise immer mal durchklingen als er von „Kollektiver Verteidigung der Gemeinschaft der Ungarn“ fabulierte und von einem „Eigenen Militärplan zur Verteidigung“. Die Bevölkerung kommt an zweiter Stelle, was man zum Beispiel daran sieht, dass „Kindergärten und Schulen nehmen Kinder auf, deren Eltern wegen der Arbeit nicht zu Hause bleiben können.“ – Das ist gegen den Rat sämtlicher unabhängiger Experten und auch gegen die Maßnahmen der meisten anderen EU-Länder. Ungarn habe das Virus früh erkannt und gut gehandelt, so der Premier, auch wenn man um die Epidemie nicht herumkommen wird. So changierte er zwischen an die Wand gemalten Teufeln, um seine Maßnahmen zu rechtfertigen und Herunterspielen, um die Herrlichkeit Fideszschen Krisenmanagements nicht zu trüben…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=165763
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