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Alljährlicher Aufmarsch in Budapest: Ungarns Spezialität ist Im- und Export von Nazis

Antifaschistischer Widerstand gegen den den neonazistischen „Tag der Ehre“ am 8.2.2020 in Ungarn„… Mehrere Hundert Menschen haben sich zusammengefunden, um lautstark gegen den neonazistischen „Tag der Ehre“ zu demonstrieren. Und sie sind voller Euphorie: Denn während in den letzten Jahren nur einige Dutzend gegen den Neonazi-Aufmarsch protestierten, stehen den 500 Neonazis heute ebenso viele Antifaschist*innen gegenüber. Unter ihnen sind knapp hundert Trommler*innen. „So etwas gab es in Ungarn seit 20 Jahren nicht. Das ist das Event des Jahrhunderts!“, freut sich Gabor, der seinen tatsächlichen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Ich bin sehr glücklich, dass so viele Romaverbände hier sind“, erklärt Szabrina, die den Gegenprotest mitorganisiert hat. Seit 1997 „gedenken“ die Rechtsextremen mit ihrem Aufmarsch deutschen Wehrmachtssoldaten, Angehörigen der Waffen-SS und kollaborierenden ungarischen Truppen. Am 11. Februar 1945 versuchten diese, aus der von der Roten Armee belagerten Budapester Burg auszubrechen und zur Frontlinie zu gelangen. Nur wenige Hundert der mehr als 20.000 Soldaten überlebten. Seit 2003 übernahm die ungarische Divsion des „Blood and Honour“-Netzwerks die Organisation des rechtssextremen Großevents. Unter den Anreisenden sind alljährlich auch deutsche Neonazis. Im Anschluss an die „Gedenkstunde“ im Varosmajor-Park folgt für die Hartgesottenen noch eine Wehrsportübung. Auf bis zu 60 Kilometer langen Marschwegen stellen die Teilnehmenden den Ausbruch aus der Budapester Burg nach. Die Rechtsextremen haben es mit Bravour geschafft, dem „Gendenkmarsch“ einen bürgerlichen Anstrich zu verpassen: Geschichtsinteressierten wird die rechtsextreme Demonstration als Wanderung durch die Buda-Hügel in historischen Uniformen angepriesen. Die Tour wird im offiziellen Verzeichnis touristischer Führungen gelistet. Die Organisator*innen erhalten staatliche Zuschüsse. Deutsche Neonazis nutzen die „Nachtwanderung“ gerne, um in Deutschland verbotene NS-Insignien zur Schau zu stellen…“ – aus dem Bericht „Erfolgreich beschmutzt“ von Franziska Schindler am 09. Februar 2020 in der taz online externer Link über die Proteste gegen das diesjährige interationale Nazi-Treffen in Budapest am 8. Februar. Zum Gedenktag der Nazis für ihre vernichtende Niederlage zwei weitere aktuelle sowie ein Hintergrundbeitrag – und zwei Beiträge zum Thema, dass die ungarische Rechtsregierung nicht nur den Import von Nazis und ihrer Ideologie finanziell unterstützt:

  • „»Leichenfledderer, haut ab!«“ von Matthias István Köhler am 08. Februar 2020 in der jungen welt externer Link berichtete im Vorfeld aus Budapest: „Wie in den letzten Jahren wurde allerdings auch diesmal die »Wandertour in Erinnerung an den Ausbruch« nicht verboten. Die Teilnehmer tragen unter anderem Wehrmachtsuniformen und beginnen ihre Wanderung in der Stunde, in der auch der sogenannte Ausbruch begann. Sie marschieren die 60 Kilometer, die die »Helden« 1945 zurücklegen wollten, um die deutsch-ungarische Linie zu erreichen. Es gibt aber auch neue Entwicklungen, was den Widerstand gegen die Aufmärsche der Faschisten anbelangt. Wie die Bürgermeisterin des 1. Bezirks der Hauptstadt, Marta Naszalyi, gegenüber merce.hu sagte, werde der Bezirk zwischen dem 8. und 11. Februar eigene Veranstaltungen planen, um an die Belagerung Budapests zu erinnern. »Hier sind etliche Menschen unter unwürdigen Verhältnissen gestorben. An sie möchten wir erinnern,« zitierte das Portal Naszalyi am Montag. Genauere Angaben machte sie zunächst nicht, bekannt wurde, dass den Neonazis auch der Platz genommen werden soll, um aufmarschieren zu können. Darüber hinaus ist wie in den vergangenen Jahren auch mit Gegendemonstrationen von antifaschistischen Gruppen und Romaverbänden zu rechnen. Die Gruppen »Autonomia« und »Antifainfo Budapest-Hun« beispielsweise haben in den »sozialen Medien« unter dem Motto »Leichenfledderer, haut ab!« zu Widerstand gegen die Neonazis aufgerufen. »Budapest ist kein faschistischer Versammlungsort!«, heißt es dort...“
  • „Ungarn: Eine Geschichte über den alltäglichen Faschismus“ am 12. Juni 2004 im Antifa-Infoblatt externer Link berichtete bereits damals unter anderem über solche Aktivität und ihre Förderung: „… Diese Gruppe, die ungarische Nazi-Fahnen trug, gehörte zum ungarischen Ableger der internationalen Nazi-Skinhead Bewegung Blood & Honour (B&H). B&H wurde in Ungarn im Februar 2001 offiziell als Kultur-Verein registriert und im Mai 2002 als gemeinnütziger Verein eingetragen. Am 11. Februar mobilisierte B&H 600 Personen um den Ungarn zu gedenken, die mit den Nazis kollaborierten, um Budapest gegen die Befreier der Roten Armee zu verteidigen. Dieses war nicht die erste derartige Demonstration. Es ist schwer nach­­zuvollziehen, warum die derzeitige sozialistisch-liberale Regierung dieses nicht verhindern konnte. Es ist allgemein bekannt, dass das Büro für Nationale Sicherheit, verantwortlich für die innere Sicherheit Ungarns, B&H als die gefährlichste Neonazi-Gruppe betrachtet und ihre Mitglieder überwacht. Anfang 2003 legte der Budapester Staatsanwalt Widerspruch gegen die Vereins-Eintragung von B&H ein, aber das Gericht, das den Fall verhandelte, kam zu keinem Urteil. So lag die Angelegenheit weiter in Händen der Polizei, welche die Nazidemonstration am Helden-Platz nicht nur erlaubte, sondern auch beschützte. Letztlich führte das dazu, dass der Jahrestag der Befreiung Budapests von der Nazi­besetzung durch B&H-Nazis gekennzeichnet wurde, die antisemitische Verun­glimpfungen brüllten und die heldenhaften Verteidiger Budapests priesen. Sie meinten damit ungarische und deutsche Faschisten, unter denen sich auch der wegen Kriegs­verbrechen zum Tode verurteilte Faschistenführer Ferenc Szálasi be­fand...“
  • „Orbáns gefährlicher Ideologie-Export“ von Keno Verseck am 03. Februar 2020 bei der Deutschen Welle externer Link über Orbans Export-Tätigkeit (hier: Nach Rumänien) in Sachen Nazi-Ideologie: „… Bislang dürfte das Dorf Ditrau den meisten Rumänen kein Begriff gewesen sein. Abgesehen von seiner mächtigen neogotischen Herz-Jesu-Kirche ist es ein wenig auffälliger Ort im Szeklerland im Südosten Siebenbürgens, einer Gegend, in der überwiegend Angehörige der ungarischen Minderheit leben. Doch nun steht die Gemeinde mit ihren knapp 5.000 Einwohnern seit Tagen im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Anlass ist ein ebenso trauriger wie absurder Fall von Rassismus. Vor kurzem stellte die Firma „Ditrói Pékség“, ein Back- und Teigwarenbetrieb mit 60 Mitarbeitern, zwei gelernte Bäcker aus Sri Lanka ein. Der Grund: Wegen der massiven Abwanderung, des Mangels an Fachkräften und den geringen Löhnen fand die Firma im Ort und in der Umgegend keine geeigneten Arbeitskräfte. Doch die Ankunft der beiden Männer aus Sri Lanka entfesselte im Ort eine Welle des Fremdenhasses. Obwohl völlig legal angestellt, forderten mehrere hundert Dorfbewohner ein „migrantenfreies Ditrau“. Xenophobe Vorfälle sind in Rumänien kein neues Phänomen. Der Fall Ditrau ist dennoch einzigartig. Denn er zeigt, wie Ungarns Premier Viktor Orbán sein illiberales ideologisches System in die Nachbarländer exportiert und in den dortigen Gemeinschaften der ungarischen Minderheiten ethnische Parallelwelten erschafft. Ditrau (dt. Dittersdorf, ung. Ditró) ist, wie die meisten Dörfer im Szeklerland, nahezu ausschließlich von Ungarn bewohnt, daneben gibt es im Ort eine kleinere Anzahl Roma, Rumänen finden sich nur unter den Dorfpolizisten. Die Szekler Ungarn sind sehr katholisch und gelten als äußerst traditionell und konservativ. Ihre große Mehrheit informiert sich seit langem fast ausschließlich aus staatsnahen ungarischen Medien, die Viktor Orbáns ethno-nationalistische und chauvinistische Ideologie transportieren. Kulturpolitisch leben viele Szekler Ungarn in Ungarn, Rumänien ist für sie kaum ein Bezugspunkt. Nachdem die Bäcker aus Sri Lanka in Ditrau angekommen waren, trat auf Facebook zunächst eine anonyme Gruppe namens „Migrantenfreies Ditrau“ in Erscheinung...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=162628
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