»
Uganda »
»
»
Uganda »
»
»
Uganda »
»

Ugandische Gewerkschaft erklärt – wie zuvor die Regierung – den Ärztestreik für „illegal“ und geht vor Gericht dagegen vor

Streikende ÄrztInnen demonstrieren in Kampala am 11.11.2017Seit etwa fünf Jahren ist die wirtschaftliche Situation für die beschäftigten Menschen aller Sektoren in Uganda, trotz bis 2016 hoher Wachstumsraten, von einer zunehmenden Problematik gekennzeichnet, die sich mit einem einzigen Wort zusammen fassen lässt: Teuerung. Etwa um 20 Prozent sind die Lebenshaltungskosten in diesem Zeitraum gestiegen, ohne dass Löhne und Gehälter auch nur entfernt vergleichbar gefolgt wären. Was sich seit Jahresbeginn in einer zunehmenden Welle von Streiks, zunächst in der Privatwirtschaft, dann auch im öffentlichen Dienst, widerspiegelt. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, denen lange Zeit gesagt wurde, sie müssten trotz anhaltenden Wirtschaftswachstums weiter abwarten, bis die Wirtschaft stabil genug sei, sich die Ausgaben wachsender Gehaltserhöhungen leisten zu können, wollen und können nicht mehr abwarten. Nachdem, keinesfalls als erste, im Spätsommer die Beschäftigten des Justizwesens gestreikt hatten, folgten nun, in kleinem zeitlichen Abstand, die Ärzte im öffentlichen Gesundheitssystem, die am 09. Oktober 2017 erstmals in einen eintägigen Protest-Streik traten und dann, seit dem 06. November, in den Vollstreik. Die Regierung des seit 30 Jahren regierenden Präsidenten Museveni (der sich gerade noch einmal wieder wählen lassen will, wofür er, wie andere auch, die Verfassung ändern will) erklärte den Streik der Ärzte für illegal – was wenig überraschte, und offensichtlich die Streikenden, zumindestens zunächst, auch nicht weiter beeindruckte. Aber, wie jedes diktatorische Regime, so hat auch das ugandische seine Stützen: Neben ausländischen Freunden (etwa die EU und die USA) und einheimischen Profiteliten, auch Organisationen. In diesem Fall die Ärztegewerkschaft und den Gewerkschaftsbund NOTU: Diese erfüllten ihre Funktion. Für die Regierung. Indem sie ihrerseits öffentlich verbreiteten – wie es Regierung und Gerichte bereits zuvor getan hatten – der Streik sei illegal. Siehe zum ugandischen Ärztestreik drei aktuelle und einen Hintergrundbeitrag:

  • „Hearing of the striking doctors’ case kicks off today“ von Ruth Anderah am 20. November 2017 bei Radio KFM 93.3 externer Link ist ein kurzer Beitrag über den Beginn eines ausgesprochen seltsamen Prozesses, der noch an diesem Tag auf den 23. November verschoben wurde. Verhandelt wird die gemeinsame Klage der Uganda Medical Workers Union, des Gewerkschaftsbundes National Organisation of Trade Unions und der Krankenschwestern und Hebammen Gewerkschaft Uganda Nurses and Midwives Union gegen die Ärztevereinigung Uganda Medical Association wegen deren „illegalen Streik“. Nur die klagenden Gewerkschaften seien berechtigt, die Interessen der Beschäftigten zu vertreten. Was ja eher nach jammern, als nach klagen sich anhört, denn Tatsache ist, dass der Streik massiv befolgt wird – und wer welche Interessen vertritt oder wer mobilisiert und wer nicht, entscheiden offensichtlich immer noch nicht irgendwelche Gewerkschaftsbürokraten, sondern die Betroffenen selbst.
  • „Uganda: Cost of Sacking 1,000 Doctors“ von Alon Mwesigwa, Baker Batte Lule und Zurah Nakabugo am 20. November 2017 in The Observer externer Link (Kampala – hier dokumentiert bei AllAfrica) ist ein Beitrag, in dem nachgerechnet wird, dass die am Vortage geäußerte Drohung der ugandischen Regierung, die ersten 1.000 streikenden Ärzte zu entlassen, sehr viel teurer werden würde, als ihnen die geforderte Gehaltserhöhung zu bezahlen – denn sie beziehen im Durchschnitt etwa 300 US Dollar im Monat, und dafür fängt kaum jemand neu an, zu arbeiten… Es werden aber auch noch weitere zusätzliche Kosten aufgerechnet – und die Frage gestellt, woher denn eigentlich so viele „erfahrene“, wie die Regierung sagte, Ärzte kommen sollen…
  • „Uganda: State Is Undermining Suffering Workers“ von Morris Komakech am 20. November 2017 bei AllAfrica externer Link dokumentiert, ist ein Beitrag, der den Streik der Ärzte in die Entwicklung der staatlichen Sozialausgaben und die Beschäftigungsentwicklung im Land einordnet. Die Sozialausgaben im Regierungsetat betrugen vor 15 Jahren noch rund 37 Prozent und sind heute auf gerade einmal 19 Prozent faktisch halbiert. Was nicht nur entsprechende Auswirkungen auf Löhne und Gehälter der Beschäftigten im Gesundheitssektor habe, sondern auch auf dessen materielle Ausstattung. Was einen Niedergang bedeute, den wiederum die Beschäftigten mit längeren Arbeitszeiten versuchen, zu überwinden. Und wozu vor allem die wachsende Zahl informell Beschäftigter auch im öffentlichen Dienst regelrecht gezwungen wird – insgesamt sind von den grob 13 Millionen Menschen, die in Uganda beschäftigt sind, rund 60% informell beschäftigt. Und gerade einmal eine halbe Million sind gewerkschaftlich organisiert.  Wobei noch anzumerken wäre, dass das konkrete Verhalten der am Streik unbeteiligten Gesundheitsgewerkschaften wohl eher nicht zu massiver Mitgliedergewinnung führen dürfte.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=124247
nach oben