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Während Erdogan seine Kriege ausweitet – tun es ihm die deutschen Behörden nach und verstärken die Unterstützung seines Kriegskurses gegen jegliche Opposition: Oberhausen will Mutter die Kinder wegnehmen

Dossier

Zozan Prozess um ihre Kinder am 22. Januar 2020 in Oberhausen„… Es steht zu vermuten, dass der Polizeiliche Staatsschutz Düsseldorf, also die politische Polizei, eine Eingabe an das Jugendamt der Stadt Oberhausen gemacht hat. Durch diese sah sich die Behörde offenbar ermuntert, ein entsprechendes Verfahren vor dem Familiengericht des Amtsgerichts in Oberhausen rechtsanhängig zu machen. Soweit mir bekannt ist, wird der Kindesmutter, die ich in diesem Verfahren vertrete, seitens des Staatsschutzes vorgeworfen, ihre minderjährigen Kinder mit vermeintlicher PKK-Propaganda zu indoktrinieren. Hintergrund dieser Vorwürfe dürfte die Teilnahme an Demonstrationen gegen die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung in der Türkei und Syrien sowie des aktuellen völkerrechtswidrigen Krieg sein. Diese Demonstrationen sind aber zum einen völlig legitim, zum anderen auch nicht behördlich untersagt. Ich wüsste auch nicht, dass es dort zu Verurteilungen gekommen wäre. (…) Das Verfolgungsinteresse an politisch aktiven Kurdinnen und Kurden in der BRD ist seit dem Betätigungsverbot der PKK 1993 und aller Organisationen, die ihr zugerechnet werden, nicht abgeebbt. Im Gegenteil, seit dem sogenannten Flüchtlingsdeal mit dem türkischen Staat und der mittelbaren Kriegsbeteiligung der BRD in Syrien nimmt der Verfolgungsdruck, insbesondere wohl aus außenpolitischem Interesse, wieder deutlich zu...“ – aus „»Verfolgungsdruck nimmt wieder deutlich zu«“ am 27. Dezember 2019 in der jungen welt externer Link – ein Gespräch von Henning von Stolzenberg mit Tim Engels, dem Rechtsanwalt der kurdischen Aktivistin Zozan G., der die Kinder weg genommen werden sollen (der Prozess wurde auf den 22. Januar 2020 verschoben). Siehe dazu einen weiteren aktuellen Beitrag inklusive eines Aufrufs zum Protest am Prozesstag in Oberhausen:

  • Das Urteil von Oberhausen: Zugeständnis an Proteste und Solidarität – Beibehaltung der Drohung New
    „… Nach rund zweieinhalb Stunden wurde der Prozess vor dem Familiengericht Oberhausen gegen die kurdische Aktivistin Zozan G. heute ohne familiengerichtliche Maßnahmen beendet. Statt eines Auflagenbeschlusses, den die Verteidigung abgelehnt hätte, wurde eine Verpflichtungserklärung vereinbart. In der Verpflichtungserklärung wurde fest gehalten, dass die Kinder wie bisher auch regelmäßig zur Schule gehen sollen, nicht an verbotenen Versammlungen teilnehmen dürfen und sich im Rahmen von Versammlungen an geltende Gesetze halten müssen. Die Eltern verpflichten sich außerdem dafür zu sorgen, dass die Kinder sich rechtlich über Hintergrund und Auswirkungen des PKK-Verbots in der BRD informieren lassen müssen, was der Anwalt der Familie übernimmt. Die Kinder sollen außerdem den Kinderschutzbund in Hagen aufsuchen, um sicherzustellen, dass sie durch den repressiven Druck des Verfahrens keine Schäden erlitten haben. Zozan G. war von Seiten des Staatsschutzes Düsseldorf vorgeworfen worden, das Kindeswohl zu gefährden, da eine der Töchter an verschiedenen Demonstrationen der kurdischen Bewegung teilgenommen hatte und dort ihre Personalien festgestellt worden waren. Daraufhin sah die Behörde sich veranlasst, eine Meldung beim Jugendamt zu machen, offenkundig in dem Versuch, die Familie einzuschüchtern und von politischen Aktivitäten abzubringen. Obwohl das Jugendamt ausdrücklich keine Kindeswohlgefährdung feststellte, wurde ein Verfahren angestrengt. Vor dem Gericht fand heute ab 8 Uhr eine Solidaritätskundgebung statt, an der über 100 Aktivist*innen teilnahmen. Verschiedene Redner*innen erklärten ihre Solidarität mit Zozan G. und forderten die sofortige Einstellung des Verfahrens...“ – aus der Meldung „Prozess gegen Zozan G. endet mit Verpflichtungserklärung“ am 22. Januar 2020 bei der ANF externer Link über das gespaltene Ende eines Prozesses, den es nie hätte geben dürfen… Siehe dazu auch eine erste Bewertung des Prozessergebnisses – inklusive einer gerichtlichen Würdigung des möglichen terroristischen Aktes: Schule schwänzen:

    • „Einigung im Fall Zozan G. beschämend für deutsche Justiz“ am 22. Januar 2020 bei scharf links externer Link dokumentiert, ist eine Erklärung der Linken NRW, in der es unter anderem heißt: „… Im Fall Zozan G. hat es am heutigen Mittwoch (22. Januar 2020) eine Einigung gegeben. Gegen Auflagen hat die fünffache Mutter und kurdische Aktivistin das Sorgerecht für ihre Kinder behalten. „Dass es eine Einigung vor Gericht gab, ist mehr als erfreulich. Beschämend für die deutsche Justiz und den Sicherheitsapparat ist allerdings, dass sie und ihre Kinder dieser Situation überhaupt ausgesetzt waren. Engagement für Frieden und Demokratie, Menschenrechte und Gleichberechtigung sollten eigentlich gefördert und nicht kriminalisiert werden“, erklärt Jules El-Khatib, migrationspolitischer Sprecher der Partei DIE LINKE in NRW. Zozans Anwalt erklärte dazu wie folgt: „Die Eltern haben erklärt, auch künftig dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder nicht an verbotenen Versammlungen teilnehmen und auch dort sicherzustellen, dass sie sich nicht an strafbaren Handlungen beteiligen. Die Eltern werden auch weiterhin dafür Sorge tragen, dass ihre Kinder die Schule regelmäßig besuchen und nicht zugunsten von politischen Aktivitäten die Schule schwänzen...“
  • Kurz vor dem Prozess am 22. Januar in Oberhausen: Solidarität verstärkt, auch bundesweit
    „… Bei der Demonstration vor dem Düsseldorfer Landtag wurden die Personalien der anwesenden Jugendlichen aufgenommen. Dass sie vor Ort waren, soll nach Auffassung der Staatsschutzabteilung ein Indiz für die Kindeswohlgefährdung sein. Obwohl auch das Jugendamt der Stadt Oberhausen dieser Einschätzung widerspricht, findet nun der Gerichtstermin statt.  Hierzu erklärt Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.: „Das ist ein politischer Angriff gegen eine kurdische Mutter, die ihren Kindern beibringt, ihre politischen Überzeugungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Die kurdische Diaspora ist aufgrund der anhaltenden Kriegspolitik der Türkei sehr politisiert, einfach auch weil es kaum eine kurdische Familie ohne politische Gefangene oder im Freiheitskampf verstorbene Angehörige gibt. Die Bundesregierung liefert als NATO-Partner Waffen in die Region und leistet politische Schützenhilfe für die Aggression in Rojava (Nordsyrien). Nun soll auch eine bekennende kurdische Feministin von ihrer oppositionellen Haltung abgebracht werden, indem ihr der Eingriff in das Sorgerecht angedroht wird. Hier handelt es sich um einen gefährlichen Präzedenzfall. Wir rufen die Zivilgesellschaft und alle linken Kräfte auf, sich öffentlich zu positionieren und diesen Angriff zurückzuweisen…“ – aus dem Aufruf „Sorgerechtsprozess gegen kurdische Mutter vor dem Familiengericht Oberhausen“ der Roten Hilfe vom 17. Januar 2020 externer Link zur Solidarität gegen diesen Prozess. Siehe dazu auch einen örtlichen Aufruf zu Solidaritätsaktionen – hier als Beispiel für verschiedene solcher Aufrufe, die etwa bei der ANF dokumentiert sind:

    • „Dresden: Zeigen wir unsere Solidarität mit Zozan!“ am 16. Januar 2020 bei der ANF externer Link meldete aus Dresden: „… Uns erinnert diese Geschichte stark an das Vorgehen von DDR-Repressionsorganen gegen Dissident*innen. Der Fall von Zozan G. ist ein weiterer Versuch, politisch aktive Kurd*innen in Deutschland mundtot zu machen und zu kriminalisieren. Seit dem sog. Flüchtlingsdeal mit Erdogan und dem Einmarsch türkischer Truppen in Afrin Anfang 2018 kommt es vermehrt zu Repressionsfällen gegen Kurd*innen und deren Unterstützer*innen in Deutschland. Durch den erneuten Angriffskrieg gegen die Demokratische Föderation Nordsyrien scheint es zu einer erneuten Repressionswelle zu kommen. Allzu oft ist die BRD dabei der verlängerte Arm des Regimes in Ankara. Darüber hinaus wird zur Zeit gegen rund 400 politisch aktive Kurd*innen aus Deutschland in der Türkei ermittelt. Bei der Einreise in die Türkei droht ihnen die Verhaftung. Dass der deutsche Staat im Fall von Zozan G. so weit geht, das Sorgerecht entziehen zu wollen, ist eine erschreckende Praxis. Kurz gesagt: Was das Amtsgericht und die Ermittlungsbehörden machen, finden wir einfach nur ekelhaft...“
  • Familiengericht eröffnet Verfahren: Die Offensive der Justiz gegen eine kurdische Aktivistin und ihre Kinder muss verhindert werden! Demo am 22. Januar in Oberhausen
    „… In Oberhausen soll Zozan G., Mutter von fünf Kindern, das Sorgerecht entzogen werden. Der alleinerziehenden, berufstätigen Frau wird unterstellt, dass sie durch ihre politischen Aktivitäten das Wohl ihrer Kinder gefährden würde. Wie politisches Engagement in Zusammenhang mit einer Kindeswohlgefährdung gebracht werden kann, lässt ein äußerst zweifelhaftes Verständnis der Verantwortlichen von Kindeswohl deutlich werden. Zozan G. sagt selbst dazu: „Ich möchte meine Töchter zu selbstbewussten, selbstbestimmten, mündigen Frauen erziehen, die eine eigene Meinung haben und für sie einstehen können“. Dabei spielt für sie auch die Auseinandersetzung mit der Unterdrückung und Verfolgung der kurdischen Gesellschaft sowie das Kennenlernen der kurdischen Sprache, Kultur und ihres Widerstands eine wichtige Rolle. „Ich selber sehe mich als Verteidigerin von Menschen- und vor allem Frauenrechten und setze mich für eine demokratische Gesellschaft auf Grundlage von Frauenbefreiung ein.“ Dass sie es als wichtig erachtet, dass ihre Töchter an politischen Aktivitäten teilnehmen und sich dadurch selbst kennen lernen, gefährdet nicht das Wohl ihrer Kinder, sondern stärkt sie vielmehr, erklärt das in Düsseldorf ansässige Kurdische Frauenbüro für Frieden – Cenî e.V. „Gerade vor dem Hintergrund der auch in Deutschland noch immer vorherrschenden Geschlechterungleichheit und der zunehmenden Gewalt gegen Frauen und Migrant*innen leistet Zozan mit der Erziehung ihrer Töchter zu politischen Subjekten vielmehr einen wichtigen Beitrag zum Wohlergehen ihrer Kinder”, unterstreicht der Verein…“ – aus dem Beitrag „Fall Zozan G.: Ein Angriff auf eine ist ein Angriff auf uns alle!“ am 14. Januar 2020 bei der ANF externer Link, worin der Aufruf des Kurdischen Frauenbüro für Frieden (Cenî e.V.) verbreitet wird, sich am 22. Januar um 8:30 Uhr vor dem Familiengericht Oberhausen auf dem Friedensplatz zu versammeln, um ein Zeichen für die politische Selbstbestimmung von Frauen zu setzen! Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag:

    • „Drohung mit Kindesentzug als Mittel der Repression“ von Jana Klein am 13. Januar 2020 in neues deutschland online externer Link zur besonderen Entschlossenheit des Familiengerichts, im Sinne des Herrn Erdogan tätig zu werden: „… Weil die PKK in Deutschland als »terroristische« Vereinigung verboten ist, steht auch das Zeigen von Öcalan-Bildern unter Strafe. Der polizeiliche Staatsschutz beobachtete den Protest – und legte Akten über Zozan G. und ihre Kinder an. (…) Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe beschloss, beim Jugendamt wegen des Marsches über die örtliche Polizei eine Eingabe zu machen. Noch bevor sich das Jugendamt die Situation in der Familie anschaut, wird ein Verfahren vor dem Familiengericht eröffnet. Auch die Kinder werden befragt. Die Strafverfolgungsbehörde wirft Zozan G. vor, ihre Kinder zu indoktrinieren und ihre Nähe zur PKK-nahen Unterstützerszene zu fördern. Die Mutter und ihre Töchter betonen hingegen, dass sie sich freiwillig politisch engagieren. Von geplanten Aktionen erführen die Mädchen beispielsweise über Onlinemedien. Sie ermuntere ihre Kinder, eigene Meinungen zu entwickeln und Werte wie Mitmenschlichkeit zu vertreten, sagt Zozan G. (…) Besonders absurd: Vertreter des Jugendamts besuchten die Familie und zeigten sich danach überzeugt, dass alles in Ordnung ist. Eine Kindeswohlgefährdung sei nicht erkennbar gewesen, Tochter L. ein unauffälliges Kind mit guten schulischen Leistungen. Das Familiengericht will das Verfahren trotzdem fortsetzen. Zozan G. sagt: »Das Vorgehen der Justiz ist eine Drohung gegen alle politisch aktiven Mütter. Sie werden so zur Zielscheibe.« Sie sieht einen politischen Hintergrund des Verfahrens. Eltern werden durch die Drohung mit dem Entzug des Sorgerechts unter massiven Druck gesetzt. Die Gefahr, die eigenen Kinder zu verlieren, wirke sich auf die Wahrnehmung von Rechten wie Versammlungs- und Redefreiheit aus, sagt die kurdische Mutter…“
  • „Kinder weg – wegen Engagement für kurdische Bewegung?“ von Julius Jamal am 02. Januar 2020 bei der Freiheitsliebe externer Link zu weiteren Hintergründen der  amtlichen Kindesbestrafung: „… Im März des vergangenen Jahres haben verschiedene kurdische Politikerinnen und Politiker einen Hungerstreik durchgeführt um ein Ende der Isolation von Abdullah Öcalans durchzusetzen. Weltweit fanden Solidaritätsproteste mit den Hungerstreikenden statt, an einem dieser Streiks nahm auch die 13-jährige Tochter von Zozan teil. Dies wurde nun als Grundlage genommen um darüber zu urteilen, ob das Kindeswohl in der Familie gefährdet sei. Dabei kam selbst das Jugendamt zur Einschätzung, das keine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt. „Das Jugendamt ist sogar in meiner Abwesenheit zu mir nach Hause gekommen, um sich alle Zimmer in meiner Wohnung anzusehen, der Kindsvater hat sie hereingelassen. Nach diversen Gesprächen und Erkundungen kam die Vertreterin des Jugendamtes, Frau Merkel, jedoch zu dem Entschluss, dass die Kinder nicht gefährdet sind, ganz im Gegenteil, sie seien integriert und sehr gut erzogen“, berichtet Zozan. Viel mehr geht es darum, dass die Kinder politisch aktiv sind und dabei auch offen Sympathie bekennen mit der in Deutschland verbotenen PKK. Diese Aktivität wird der Mutter zugeschoben, weswegen nun ein Gericht darüber urteilen wird, ob die Kinder bei ihrer Mutter bleiben können…“. Abschließend wird informiert: „Gegen den Versuch eine Gefährdung des Kindeswohls zu konstruieren und die mögliche Wegnahme der Kinder regt sich allerdings Protest, eine Initiative ruft dazu auf, am 22. Januar um 8.30 Uhr auf dem Friedensplatz in Oberhausen in Solidarität mit Zozan und ihren Kinder zu protestieren“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160343
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