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Trotz fortgesetzter Repression: Was wäre das türkische Regime ohne seine internationalen Unterstützer?

Turkey up in arms against Erdoğan!„… „Die Bundesregierung muss endlich damit aufhören die systematischen Kriegsverbrechen und Angriffe der türkischen Armee auf Nordsyrien als ‚kleine Gefechte‘ ohne Bedeutung abzutun. Denn die Realität ist, dass sich das Erdogan-Regime und seine dschihadistischen Söldner an keinen Waffenstillstand halten. Erst gestern richtete die türkische Armee in der Stadt Tel Rifaat ein Massaker an Zivilisten an. Acht Kinder zwischen drei und 15 Jahren und zwei Erwachsene wurden von türkischen Granaten ermordet. Mit ihrer Appeasement-Politik gegenüber dem türkischen Despoten Erdogan macht sich die Bundesregierung mitschuldig an dessen Kriegsverbrechen“, kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke das türkische Massaker an Flüchtlingen in Nordsyrien. Die Abgeordnete fährt in Bezug auf den morgigen Syrien-Gipfel zwischen der Türkei, Frankreich, Großbritannien und Deutschland am Rande der NATO-Tagung in London fort: „Es muss doch dem Letzten klar geworden sein, dass die ‚Sicherheitszone‘ der Türkei nicht sicher ist. Sie ist vielmehr eine Besatzungszone, die mit Terror und ethnischen Säuberungen durchgesetzt wird. Ich fordere von der Bundesregierung nicht weiter mit dem AKP-Regime zu kungeln und am Ende noch Gelder in die türkische Besatzungszone zu pumpen, sondern klare Kante zu zeigen und endlich Konsequenzen aus dem verbrecherischen Tun des Regimes zu ziehen.“…“ – aus der Pressemitteilung „Schluss mit der Kungelei mit dem verbrecherischen AKP-Regime“ vom 03. Dezember 2019 auf der Webseite der Abgeordneten Ulla Jelpke externer Link, in der im Folgenden auch noch auf die Petition gegen den türkischen Angriff auf Nordsyrien verwiesen wird. Siehe zur aktuellen abermaligen Repressionswelle in der Türkei vier weitere Beiträge – in denen, naheliegenderweise, immer auch das Thema „wer unterstützt Erdogan dabei“ eine wesentliche Rolle spielt – sowie zwei Meldungen unserer Kolleginnen und Kollegen von Sendika.org über den polizeistaatlichen Alltag in der Türkei:

„Kein Ende der Repression“ von Max Zirngast am 02. Dezember 2019 in der jungen welt externer Link hebt unter anderem hervor: „… Der Prozess gegen Steudtner wird somit ebenso fortgeführt wie beispielsweise die Prozesse gegen die deutschen Journalisten Deniz Yücel, Adil Demirci und Mesale Tolu, die – wie auch Steudtner – mittlerweile alle aus der Türkei ausreisen durften. Allerdings befinden sich 60 deutsche Staatsbürger in der Türkei in Haft – im Februar waren es noch 47 gewesen. Dazu gibt es noch weitere Fälle, in denen Menschen zwar nicht im Gefängnis sitzen, aber angeklagt und mit Ausreiseverbot belegt sind, das heißt, sie werden an einer Ausreise aus der Türkei gehindert. So zum Beispiel die österreichische Staatsbürgerin Mülkiye Lacin, die seit 1984 in Wien lebt und arbeitet und sich darüber hinaus in Frauenrechts- und Menschenrechtsangelegenheiten engagiert. Sie ist Kurdin und wurde bei einem kurzen Familienbesuch festgesetzt. Auch die Kölnerinnen Hozan Cane und ihre Tochter Gönül Örs sitzen im Gefängnis. Hozan Cane ist Sängerin und wurde im November 2018 zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Ihre Tochter wurde im darauffolgenden Mai gleich bei der Ankunft in der Türkei darüber informiert, dass auch gegen sie ermittelt werde. Sie wurde am 9. September verhaftet. Wie jetzt bekannt wurde, hatte das BKA mit türkischen Behörden kooperiert und Informationen über die beiden Kurdinnen weitergegeben. (…) Denn obwohl eifrig neue Gefängnisse gebaut werden, sollen sowohl ihre Struktur, wie auch die völlig überladenen Justizapparate entlastet werden. Die Situation ist auch aus der Sicht des türkischen Staates nicht mehr tragbar. So verwundert es auch nicht, dass diese Debatte von Erdogans AKP und ihrem Bündnispartner, der faschistischen MHP, vorangetrieben wurde. Nach langer Diskussion wurde das »Reform«-Paket nun beschlossen, die Umsetzung hat zum Teil bereits begonnen. Im Zuge dessen sollen in einem ersten Schritt ca. 90.000, und dann noch weitere 30- bis 40.000 Menschen aus den Gefängnissen entlassen werden. Einige Strafkategorien, so zum Beispiel »Terror«, sind davon allerdings ausgeschlossen. Und in politischen Prozessen laufen die Anklagen fast ausnahmslos auf »irgendetwas mit Terror« hinaus. Überhaupt hat diese Justizreform nichts daran geändert, dass es fast täglich neue Verhaftungswellen gibt…“

„November-Bilanz: Keine Pressefreiheit in der Türkei“ am 03. Dezember 2019 bei der ANF externer Link meldet zu einer Mitteilung der Initiative Freier Journalist*innen aus der Türkei deren Fazit aus dem letzten Monat: „… Zusammengefasst können wir festhalten, dass Journalistinnen und Journalisten im vergangenen Monat alles außer Pressefreiheit erlebt haben.“ Die Initiative bezeichnete den Druck gegen Journalisten als systematisch und erklärte: „Es ist nicht mehr möglich, in der Türkei von Pressefreiheit zu sprechen.“ Die Regierungskoalition der AKP und MHP predige unaufhörlich ihr Paradigma „Ein Vaterland, eine Fahne, eine Sprache“ und arbeite entsprechend auch an einer Gleichschaltung der Presse. Laut ÖGI-Bilanz sind im November zwölf Journalisten festgenommen und vier Journalisten verhaftet worden. Acht Wohnungen von Medienschaffenden wurden polizeilich durchsucht. Fünf Journalisten wurden angegriffen, gegen einen Journalisten wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, zwei Journalisten wurden angeklagt, 51 Journalisten standen vor Gericht, 13 Journalisten wurden zu insgesamt 45 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Insgesamt befinden sich 139 Journalistinnen und Journalisten in türkischen Gefängnissen“.

„Pervin Buldan: Eine Türkei ohne AKP ist nicht mehr fern“ ebenfalls am 03. Dezember 2019 bei der ANF externer Link zur Bewertung der immer weiter gehenden Repression durch die HDP-Sprecherin: „… Die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan hat sich auf der wöchentlichen Fraktionssitzung ihrer Partei in Ankara zur Repressionswelle gegen die kurdische und linke Opposition in der Türkei geäußert. „Die AKP-Regierung hat begriffen, dass sie aus der politischen Liga absteigen wird. Um sich auf den Beinen halten zu können, lässt sie Tag und Nacht Festnahmeoperationen gegen die HDP durchführen“, erklärte Buldan und verwies darauf, dass knapp 150 Personen aus dem Umfeld ihrer Partei in der vergangenen Woche festgenommen worden sind. Im vergangenen Monat wurden in der Türkei fast 350 Politikerinnen und Politiker festgenommen, darunter gewählte Bürgermeister und Vorstandsmitglieder der HDP. Ein großer Teil der Festgenommenen ist laut Buldan inzwischen verhaftet worden: „Knapp die Hälfte der HDP ist im Gefängnis. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft der AKP sind offiziell auf der Jagd nach der HDP.“ Zur Amtsenthebung gewählter HDP-Bürgermeister erklärte Pervin Buldan: „Die AKP will mit der Einsetzung von Zwangsverwaltern eine neues Parallelregime aufbauen, das das gesamte Land umfasst. Dabei handelt es sich um ein Regime, das die Verfassung, die Gesetzgebung, das Justizsystem, den Willen der Bevölkerung und die Demokratie für nichtig erklärt.“...“

„Terrorvorwurf gegen kurdische PKK-Kritiker“ von HAYRI DEMIR am 29. November 2019 in der taz gazete externer Link zur Verfolgung jeglicher Opposition, der es nichts nutzt, sich gegen die PKK auszusprechen und gewaltfrei sein zu wollen:  „… In der Türkei wurde am Freitagmittag ein inhaftierter deutscher Staatsbürger freigelassen. Şeref Akgül, der seit 1992 in Hamburg lebt und die doppelte Staatsbürgerschaft hat, war am 21. November im Flughafen in Diyarbakır auf dem Rückweg nach Deutschland festgenommen worden. Akgül war nach Ankara gebracht worden, wo er acht Tage in Untersuchungshaft saß. Sein Verfahren geht weiter. Dem 54-Jährigen werde Mitgliedschaft in der PKK und PKK-Propaganda vorgeworfen, sagte sein Anwalt Neşet Bilek taz gazete. Akgül ist Mitglied bei der Sozialistischen Partei Kurdistan (PSK) und bei Komkar, einem Verband von „Vereinen aus Kurdistan in Deutschland“. Seinem Anwalt Bilek zufolge werden ihm Beiträge in den sozialen Medien und seine Vereinsarbeit bei Komkar zur Last gelegt. Akgüls Bruder Ramazan Akgül bezeichnete den Grund für die Verhaftung seines Bruders taz gazete gegenüber als „Unsinn“. „Komkar engagiert sich seit Jahren gegen die PKK. Mein Bruder und seine Freunde wurden vielfach von der PKK bedroht“, sagt er. „Mein Bruder wird bezichtigt, PKK-Mitglied zu sein, obwohl er gegen Gewalt ist. Das ist mir völlig unverständlich.“ Die 1974 im Untergrund gegründete Sozialistische Partei Kurdistans strebt im Gegensatz zur PKK eine gewaltfreie, auf einem föderalistischen Ansatz basierende Lösung der kurdischen Frage an. In den achtziger Jahren verlegte die PSK ihr Zentrum nach Europa, 2014 wurde auf dem Parteitag die Entscheidung getroffen, in die Politik der Türkei zurückzukehren. Dort wurde die Partei 2016 offiziell gegründet. In den regierungsnahen Medien wurde die Parteigründung mit Freude aufgenommen, da die „Kurden nun nicht mehr auf die HDP und PKK angewiesen sein werden“. Doch im Februar diesen Jahres wurde ein Parteiverbot angestrebt, da die Partei in ihrem Namen das Wort „Kurdistan“ trägt. Das Verfahren dauert noch an…“

„Turkish police raid cultural center during a film screening“ am 02. Dezember 2019 bei Sendika.org externer Link ist die Meldung über eine Polizeirazzia während einer Filmvorführung in einem Kulturzentrum. Das Idil Kulturzentrum in Istanbul war schon früher Opfer von Polizeirazzien gewesen, weil es als Musikzentrum mit solchen Musikerinnen und Musikern zusammen arbeitet, die sich nicht dem Druck des Regimes gebeugt haben. Und deswegen auch die Einladung zu einem Filmabend der Group Yorum organisierte – was der „Grund“ für die Polizeiaktion war. (Und was es auch eindeutig näher als Istanbul gegeben hat…)

„Turkish Interior Minister thinks a football team is a terrorist organisation“ am 29. November 2019 ebenfalls bei Sendika.org externer Link meldet, dass das Innenministerium einen neuen Terroristen-Verdacht hat: Gegen einen Fußballverein. Diyarbakir Amedspor ist natürlich aus den kurdischen Gebieten – und dabei, den „Ausgleich“ zu erzielen, mit dem wesentlich bekannteren FC Barcelona, bisher einziger Fußballverein, der jemals aus politischen Gründen verboten wurde. (In Deutschland gab es dafür bekanntlich keinen Anlass…)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=158586
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