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Off-University – Universität ohne Grenzen

Dossier

Off-University - Universität ohne GrenzenWir sind eine Gruppe von etwa 50 verfolgten und/oder exilierten Akademiker_innen, begeisterten Lernenden und Utopist_innen eines anderen Bildungssystems. Einige von uns sind aufgrund der jüngsten politischen Entwicklungen aus der Türkei nach Deutschland gekommen, andere arbeiten seit Jahren hier. Mit Off-University ist es unser Ziel, Menschen und Institutionen zusammenzubringen, für die Frieden in der Welt ein wichtiges Ideal ist und die sich für eine weniger hierarchische, demokratischere und freie Wissenschaft einsetzen. Off-University entwickelt neue Strategien zur Erhaltung und Unterstützung akademischen Lebens und Wissens, wo sie von antidemokratischen und autoritären Regimen bedroht werden. Sie wurde von und für Wissenschaftler_innen aus der Türkei ins Leben gerufen, richtet sich aber an solche aus der ganzen Welt: Akademiker_innen, die entlassen, zur Kündigung gezwungen, die juristisch und politisch verfolgt oder wegen ihrer Äußerungen und ihrer Forschung sogar inhaftiert wurden. Off-University bietet Wissenschaftler_innen und Studierenden, deren Reisefreiheit eingeschränkt worden ist, die Möglichkeit Wissenschaft und Bildung online fortzuführen…“ Aus der Selbstdarstellung auf der Homepage der Off-University externer Link – siehe dazu:

  • Off-University: »Dann gründen wir eben eine neue Universität!« New
    Die Off-University gibt Menschen, die in ihrer Lehre gefährdet sind, einen Raum. Ein Gespräch mit der Sozialwissenschaftlerin Tuba İnal Çekiç über institutionelle Unabhängigkeit (…) Als ich von der Technischen Universität Yildiz in Istanbul verbannt wurde, war ich schon in Deutschland für mein Sabbatjahr. Einerseits war das Glück, weil ich bereits an der Humboldt-Universität gearbeitet habe und einige Kolleg*innen in der Türkei festsitzen. Andererseits auch Pech, weil ich seitdem nicht die Möglichkeit hatte, in mein Land zurückzukehren, weil ich bis vor Kurzem keinen gültigen Pass hatte. Damals haben einige Kolleg*innen, die hier waren, darunter auch Deutsche, die Friedenspetition unterschrieben, und plötzlich konnten wir nicht mehr reisen, wir konnten unsere Student*innen nicht mehr treffen, unsere Kolleg*innen saßen im Land fest, und wir konnten nicht länger Forschung oder Kooperationen mit ihnen betreiben. (…) Wir mussten uns vernetzen. Wir brauchten unsere Student*innen, und wir mussten wieder unterrichten. Das ist unser Beruf, das ist das Einzige, was wir tun. Also haben wir gesagt: Okay, wenn wir nicht mehr reisen dürfen, reisen wir nicht mehr. Dann machen wir das online! Die Idee war also schon da: Wenn die Regierung uns von der Universität verbannt, dann gründen wir eben eine neue Universität! So haben wir schließlich diese Zwischenform gefunden, die online stattfindet und dadurch mehr Freiheiten bietet. Wir können Student*innen überall auf der Welt erreichen. Es gibt hier keine Pässe, keine Zölle und keine Grenzen, das heißt, niemand kann uns darin einschränken. (…) Es sind immer noch viele Akademiker*innen gefährdet, Wissen ist gefährdet. Wir haben verschiedene Lehrveranstaltungen – für die meisten dienen deutsche Universitäten als Gastgeber. Die Kurse werden von gefährdeten Akademiker*innen gegeben, einige auch in Kollaboration – das nennen wir dann Tandemkurse. So können wir unseren Student*innen Zertifikate für die Kurse geben, damit sie die entsprechenden ECTS-Punkte bekommen. Wir versuchen stets, die Student*innen zu schützen, die Kurse über eine Plattform wahrnehmen, die zum Beispiel in der Türkei als terroristisch angesehen wird. Stellen Sie sich vor, was das in einem autoritär regierten Land bedeuten kann. (…) Nachdem in Istanbul ein Politiker als neuer Rektor der Bosporus-Universität ernannt wurde, gab es jeden Tag Proteste. Dabei wurden auch einige Student*innen verhaftet, die teilweise noch immer inhaftiert sind. Deswegen können Student*innen bei der Off-University anonym bleiben, es gibt keine Weiterverfolgung von Daten oder IP-Adressen. Die Sicherheit und der Schutz der Student*innen und ihrer Daten ist für uns von höchster Priorität. Auf der anderen Seite stehen die Lehrenden, die noch im Land oder im Exil sind. Sie müssen nicht unbedingt aus der Türkei sein, wir haben auch andere Akademiker*innen, aus Aserbaidschan, aus Syrien und Belarus…“ Interview von Valentina Mariebelle vom 09.04.2021 im ND online externer Link
  • Off-University – Ein Statement für Freiheit der Wissenschaft
    Seit Januar 2016 wurden tausende Akademiker_innen von türkischen Universitäten verbannt. Deshalb bietet die Organisation Off-University diesen die Möglichkeit, online an deutschen Hochschulen zu unterrichten. An dem Projekt beteiligt sind unter anderem auch Prof. Dr. Christoph Schroeder von der Universität Potsdam und Ülkü Doganay, die früher an der Universität von Ankara gelehrt hat. Die beiden haben mit der speakUP über das Projekt und ihre persönlichen Eindrücke gesprochen. (…) Ebenfalls an dieser Initiative beteiligt ist Professor Dr. Christoph Schroeder der die Lehre über Off-University an der Uni Potsdam organisiert. Mit der Unterstützung des Präsidiums, dem International Office und der Abteilung für E-Learning wurden die Kurse online angeboten, schon bevor Online-Lehre selbstverständlich war. Die Zusammenarbeit hat sich inzwischen gut eingependelt, und es wird versucht in jedem Semester einen Kurs mit Off-University anzubieten. Bisher wurden alle Kurse an der Fakultät für Sozialwissenschaften angeboten, in der Regel auch mit ein paar Teilnehmer_innen von türkischen Universitäten. (…) Viele der Dozent_innen sind in weiteren alternativen Bildungsprojekten innerhalb der Türkei engagiert. Sie schaffen sich damit einen Weg alternative Bildungsinstitutionen aufzubauen, da die Chancen, wieder Teil der öffentlichen Lehre zu werden, aktuell sehr gering sind. (…) Der politische Druck ist groß, auch für die Akademiker_innen, die ihre Stellung behalten konnten. Die meisten wollten die Verbindung zu den entlassenen Kolleg_innen nicht aufrechterhalten, um sich selbst zu schützen. Nach der „Säuberung“ der Universitäten, wie die Entlassungen in der Türkei bezeichnet werden, schlossen sich die betroffenen Akademiker_innen in verschiedenen Organisationen zusammen, um Möglichkeiten zu schaffen, unabhängig unterrichten zu dürfen. Inzwischen unterrichtet Doganay in verschiedenen Institutionen und gibt ihren dritten Kurs bei Off-University. Der Kurs „Media and Discrimination“ ist der erste Kurs, den sie in Potsdam anbietet. Zunächst sehen sich die Studierenden ein Video an und anschließend wird über die Inhalte und  Beispiele aus verschiedenen Ländern diskutiert. Einige der Themen sind: Diskurse von Diskriminierung in den Nachrichten, Geschlechterdiskriminierung in den Medien und Online Hate Speech – dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Thema Rassismus…“ Interview von Valentina Mariebelle vom 10. Januar 2021 bei speakUP externer Link
  • Die „Off-University“: Eine Online-Uni für entlassene türkische Forscher
    Das Erdogan-Regime hat tausende Wissenschaftler auf die Straße gesetzt. Nun wollen sie mit Hilfe deutscher Kollegen im Internet weiterhin Seminare anbieten, sagt Initiatorin Julia Strutz im DW-Interview. (…) Nicht erst seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 werden Akademiker/innen in der Türkei verfolgt. Es ist schon ein sehr viel längerer Prozess. Aber seit dem letzten Jahr hat die Regierung eine neue gesetzliche Grundlage, um kritische Wissenschaftler/innen zu entlassen. Durch Ausnahme-Dekrete wurden bisher 150.000 Menschen aus dem Staatsdienst entlassen. Das betrifft vor allem Anhänger der Bewegung von Fetullah Gülen aber eben nicht nur. Viele kritische oder auch politisch linke Wissenschaftler/innen und gewerkschaftlich organisierte Menschen hat das Regime ebenso rausgeschmissen. Besonders betroffen sind auch Unterzeichner einer Friedenspetition, die im Januar 2015 gefordert hatten, dass der Krieg in den kurdischen Regionen der Türkei aufhört. Die werden jetzt als Unterstützer und Propagandisten der kurdischen Arbeiterpartei PKK verfolgt. Die Betroffenen hatten also mit dem Putsch nichts zu tun, aber der Putsch gibt der Regierung eine neue gesetzliche Grundlage, die Forschungsfreiheit und die Lehre einzuschränken. Das hat zur Folge, dass Studierende und Lehrkräfte immer mehr Autozensur ausüben und sich nicht mehr trauen, sich frei zu äußern. Mehrere hundert dieser Unterzeichner und andere Regimegegner sind jetzt im Exil – viele davon in Deutschland. Und daraus entstand die Idee, dass man einen kritischen, universitären Betrieb in der Türkei unterstützen kann, indem man von hier aus eine Online-Plattform aufbaut, in der die Lehrkräfte – die hier oder in anderen Ländern sind – weiterhin ihre Kurse abhalten können, um so die Studierenden in der Türkei weiter auszubilden. (…)Es gibt ja auch innerhalb der Türkei weiterhin Versuche von Professoren und Studierenden, den Universitätsbetrieb außerhalb der Institution Uni weiterzuführen. Zehn solcher Solidaritäts-Akademien gibt es in verschiedenen türkischen Städten. Es gibt auch einen Zusammenschluss, der sich „Die Campuslosen“ nennt. Alle möglichen Initiativen, bei denen Professoren, die ihren Job verloren haben, die Kurse weiterhin außerhalb der Universität anbieten, sind im letzten Jahr entstanden. Auch für sie bilden wir eine Plattform, damit sie ihre Angebote verbreiten können…“ Interview von Fabian Schmidt   vom 05.10.2017 bei der Deutschen Welle externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=188807
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