Streik in der türkischen Papierfabrik Kartonsan in Kocaeli für 150% Lohnerhöhung gegen galoppierende Inflation

Dossier

Banner des Arbeitskampfes in der türkischen Papierfabrik KartonSan in Rot In Kocaeli streiken seit dem 22. Dezember 2022 etwa 170 Arbeitende der Zellulose- und Papierfabrik KartonSan. Die Karton-Fabriken haben in der Zeit von wachsendem Online-Versand und Paket-Aufkommen insbesondere während der Corona-Pandemie enorme Gewinne eingefahren. Aber wie schon die Post- und Zustellunternehmen in anderen Ländern weigern sich die Profiteure der Krise ihren Gewinn mit denen zu teilen, die ihn erwirtschaftet haben. Aufgrund der rasanten Inflation in der Türkei fordern die Arbeiter:innen eine Lohnerhöhung von 150%. Inspiriert sind sie unter anderem durch den erfolgreichen Streik der Stahlarbeiter:innen von NV Bekert SA, die Anfang Januar 2023 einen Abschluss von 84,83 über sechs Monate erreichten. Allerdings scheint der Arbeitgeber von KartonSan weniger einsichtig – dazu weitere Infos:

In Kartonsan verlangte der Chef den Abbau der Streikzelte, aber die Beschäftigten sind entschlossen: „Wir gehen nirgendwohin, bis wir unsere Rechte bekommen“
„… Der Streik bei Kartonsan in Başiskele, Kocaeli, dauert nun schon 33 Tage an. Der Arbeitgeber versucht, den Streikbereich vor der Fabrik, in dem sich Beschäftigte und Vertreter von Cellulose-Is aufhalten, als „rechtswidrig“ darzustellen. Der Arbeitgeber schickte einen Brief an Selüloz-İş, in dem er erklärte, dass der Widerstand vor der Fabrik ungesetzlich sei und dass die Beschäftigten laut Gesetz nicht in die Fabrik kommen dürften. Der Arbeitgeber behauptete, dass die Zelte im Widerstandsbereich vor der Fabrik den Betrieb der Shuttles behinderten und verlangte, dass die Zelte entfernt werden. Die Arbeiterinnen und Arbeiter teilten die Petition in den sozialen Medien mit der folgenden Notiz: „Der Arbeitgeber von Kartonsan hat unserer Gewerkschaft einen Brief geschickt, in dem er erklärt, dass unsere Aktion in dem Gebiet, in dem wir streiken, gegen das Gesetz verstößt und sie wollen, dass wir die Zelte entfernen. Die einzige illegale Handlung hier ist deine Verurteilung von uns zu Elendslöhnen. Wir gehen nirgendwo hin, bis wir unsere Rechte bekommen.“
Was ist passiert?
Der letzte Tarifvertrag bei Kartonsan lief im September 2022 aus. Vor diesem Zeitraum, im März 2022, forderte Kartonsan jedoch eine Zwischenerhöhung von 42 Prozent, was der sechsmonatigen Inflationsdifferenz entspricht. Der Arbeitgeber weigerte sich, diese Zwischenerhöhung zu gewähren. Im Mai, als die Beschäftigten die Arbeit niederlegten und eine Zwischenerhöhung forderten, wurde eine Zwischenerhöhung von 60 Prozent, d.h. die 8-monatige Inflationsdifferenz, auf die Löhne übertragen. Bei den Tarifverhandlungen, die im Juli begannen, forderte die Gewerkschaft sechsmonatige Verträge. Der Arbeitgeber bestand jedoch auf einer jährlichen Erhöhung. In den folgenden Verhandlungen bot der Arbeitgeber eine 90-prozentige Erhöhung an, die jedoch die 60-prozentige Erhöhung einschloss, die er zuvor vornehmen musste. Als die von den Beschäftigten geforderte 150-prozentige Gehaltserhöhung (die wiederum eine 60-prozentige Erhöhung beinhaltete) nicht akzeptiert wurde, wurde ein Streik ausgerufen.“ türk. Meldung bei Sendika.org vom 23. Januar 2023 („Kartonsan’da patron grev çadırlarının kalkmasını istedi, işçiler ise kararlı: ‚Hakkımızı alana kadar hiçbir yere gitmiyoruz‘“, maschinenübersetzt)
- Siehe auf dem Twitter-Aktions-Account Kartonsan Grev aktuelle Meldungen und schöne Videos
Solidarität von IndustriAll
„Die IndustriALL Global Union-Mitgliedsorganisation Selüloz-İş rief den Streik aus, nachdem die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag Ende 2022 gescheitert waren. Der Arbeitgeber hatte Löhne vorgeschlagen, die selbst für Arbeitende mit vier Jahren Betriebszugehörigkeit sehr nahe am gesetzlichen Mindestlohn lagen, während die Fabrik in Kocaeli für die ersten drei Quartale 2022 Gewinne in Höhe von 666 Millionen TRY (35 Millionen US$) auswies. Darüber hinaus ist die Kaufkraft der Arbeitenden rapide gesunken, da die Inflation in der Türkei in die Höhe geschnellt ist. „Gemeinsam mit den internationalen Papierarbeitergewerkschaften ist IndustriALL solidarisch mit den streikenden Arbeitenden von Kartonsan. Der Streik schafft eine besondere Verbundenheit und ein Klassenbewusstsein an diesem Standort, 21 Jahre nach dem letzten Streik in der Fabrik“ sagt der IndustriALL-Direktor für Zellstoff und Papier, Tom Grinter. Die Streikposten erhalten Besuch von anderen Gewerkschaften und wurden durch den jüngsten Sieg der Arbeitenden von Bekaert ermutigt, die vor kurzem eine Lohnerhöhung von 84 Prozent durchgesetzt haben, nachdem sie sich gegen ein Streikverbot gewehrt hatten. Die Kartonsan-Fabrik gehört der Pak-Gruppe, die sich in der Vergangenheit gewerkschaftsfeindlich verhalten hat und verschiedene Unternehmen in der Kartonherstellung und im Recycling besitzt, die in ein Dutzend Länder exportieren. Der stellvertretende IndustriALL-Generalsekretär Kemal Özkan sagt: „Als ich am 23. Dezember [2022] mit den Selüloz-İş-Streikenden an ihrer Streikpostenkette war, erklärten mir die Arbeitenden von Kartonsan ihre Frustration über den niedrigen Vertragsvorschlag, den die Geschäftsleitung bei den Verhandlungen vorgelegt hatte. Ich war begeistert von der Entschlossenheit der Arbeitenden, so lange zu streiken, bis ein fairer Vertrag vereinbart wird. IndustriALL unterstützt den Streik, mit dem ein fairer Vertrag für die Beschäftigten von Kartonsan erreicht werden soll. Solidarität auf ewig!“ Die IndustriALL-Flagge weht stolz an der Streikpostenkette vor der Fabrik, wo am 14. Januar ein Musikfestival in Solidarität mit dem Streik stattfand.“ Pressemitteilung von IndustriALL vom 16. Januar 2023 („Turkish paper workers picket for higher wages“)
Dezember 2022: Kartonsan-Beschäftigte treten in den Streik
„Nach dem Stillstand bei den Tarifverhandlungen streikten die Beschäftigten bei Kartonsan, wo Cellulose-Is organisiert ist, und die Produktion wurde eingestellt. (…) Bei Kartonsan in Başiskele, Kocaeli, streikten die Beschäftigten, als der Tarifverhandlungsprozess blockiert wurde. Als der Arbeitgeber bis zu dem von der Türk-İş angeschlossenen Cellulose-İş festgelegten Termin für die Durchführung des Streiks keine Maßnahmen ergriff, versammelten sich die Beschäftigten vor dem Betrieb und begannen den Streik. Die Produktion wurde eingestellt. Im Gespräch mit Evrensel sagte Aydın Parlakkılıç, Vorsitzender der Cellulose Labour: „Da wir diejenigen sind, die produzieren, sollten sie uns berücksichtigen. Als wir am Morgen aufbrachen, sagten wir: Weniger ist weniger, mehr ist mehr. Wir sind bereit, einen Deal zu machen, wann immer sie uns anrufen…“ Meldung auf Sendika.org vom 22. Dezember 2022 („Kartonsan işçileri greve çıktı“)
Forderung nach 150 Prozent Lohnerhöhung
In der Kartonsan-Fabrik, die Papier und Karton in Kocaeli Başiskele herstellt, haben gestern 170 Beschäftigte aufgrund des Konflikts im Tarifvertragsverfahren einen Streik begonnen. Das Unternehmen teilte der Public Disclosure Platform mit, dass die Produktion wegen des Streiks eingestellt wurde. Aykut Günel, Spezialist der Zellstoff-Gewerkschaft, der den Streik organisiert hatte, erklärte der Cumhuriyet den Vorgang. Günel sagte, dass aufgrund der Meinungsverschiedenheiten in den Verhandlungen die Entscheidung über die Durchführung des Streiks auf den 22. Dezember festgesetzt worden sei: „Wir konnten uns in Lohnfragen nicht einigen. Wir hatten zuvor einige Schritte unternommen und die Arbeit an dem Prozess im Zusammenhang mit dem Problem eingestellt“, sagte er. Günel erinnerte daran, dass die Fabrik in den letzten 9 Monaten einen Gewinn von 666 Millionen TL erzielt hatte, und sagte: „Dieser Gewinn spiegelte sich nicht in der Mitarbeiter. Wir erwarten einen Anstieg um 150 Prozent. Auch wenn diese Nachfrage hoch zu sein scheint, bleibt sie angesichts des Anstiegs der Grundverbrauchsgüter zurück.“ Meldung bei technisch24.com vom 23. Dezember 2022 („Arbeiter streiken bei Kartonsan für 150-prozentige Erhöhung“)
Siehe auch zu den Entwicklungen des Streiks: @KartonsanGrev und #Kartonsangrevde

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