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Angesichts der Ausbreitung des Virus in der Türkei handelt Erdogan entschlossen: Wie immer gegen jede Kritik – erst recht die von Gewerkschaften aus dem Gesundheitsbereich

Logo der Ärztekammer in der Türkei„…Während in Deutschland Kritiker der Bundesregierung Panikmache vorwerfen und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit kritisieren, richtet sich die hauptsächlich in den sozialen Medien vorgebrachte Kritik in der Türkei gegen zu späte Maßnahmen und gegen unglaubwürdige Zahlen der Infektionsfälle. Im Gegensatz zu Deutschland, wo sich Politiker und Journalisten mit der Kritik an der Politik beschäftigen und versuchen fake news und Verschwörungstheorien mit inhaltlicher Auseinandersetzung zu entkräften, geht die Türkei den gewohnten repressiven Weg gegenüber Kritikern. Die Zeitung Die Welt berichtete am 25. März von 410 Personen, die wegen „provokanter und missbräuchlicher“ Informationen über die Coronavirus-Pandemie festgenommen wurden. 1.750 verdächtige Social-Media-Konten seien identifiziert worden, wovon die Mehrheit „Terrorgruppen“ angehöre, berichtete der türkische Innenminister Süleyman Soylu dem Nachrichtensender 24 TV. Sogar jetzt hat der Terrorismus-Vorwurf in der Türkei Hochkonjunktur. Jegliche kritische Äußerung über die türkische Regierung wird in diese Schublade gesteckt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen berichtet von sieben Journalisten, die innerhalb einer Woche verhaftet wurden, weil sie über Corona-Ansteckungen und -Todesfälle berichtet hatten. Dabei steigt die Zahl der Infizierten mit 55% pro Tag in keinem Land so steil wie in der Türkei – dies zeigen Schaubilder der Johns Hopkins Universität am 27. März. Während am 27.3. noch 3.629 Infizierte gemeldet wurden, berichtete der sozialdemokratische Vorwärts am 28. März schon von 5.698 Infizierten und 92 Todesfällen. Man erfahre aber nichts über den Herkunftsort und das Alter der Verstorbenen. Am Abend ds 29. März weist die Übersicht von Johns Hopkins für die Türkei 9.217 Infizierte aus. Der Vorwärts berichtet auch über ein Video aus einem türkischen Krankenhaus in den sozialen Medien. Es zeigt die Teambesprechung einer Krankenhausstation, während der eine Ärztin erklärt, dass die offiziellen Corona-Fallzahlen nicht der Realität entsprechen, sondern um ein Vielfaches höher liegen. Die Lage sei allmählich außer Kontrolle. Während der Gesundheitsminister Fahrettin Koca am späten Sonntagabend von 16 neuen Toten sprach, meldete der Bürgermeister von Istanbul allein für seine Stadt 20 neue Tote…“ aus dem Beitrag „Die Türkei und das Coronavirus“ von Elke Dangeleit am 30. März 2020 bei telepolis externer Link zur bisherigen Entwicklung der Epidemie in der Türkei. Siehe dazu auch drei weitere aktuelle Beiträge aus und über die Gewerkschaftsbewegung der Türkei in der aktuellen Situation sowie einen Beitrag über die Situation der politischen Gefangenen in der Türkei angesichts der Epidemie:

  • „Türkische Gesundheitspolitik bricht unter Pandemie zusammen“ am 30. März 2020 bei der ANF externer Link ist ein Interview mit Gönül Erden, der Ko-Vorsitzenden der Gewerkschaft SES (Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen), worin sie unter anderem ausführt: „… Am dringendsten wird Ausstattung zum persönlichen Schutz benötigt. Der Mangel an Schutzausrüstung stellt das größte Problem dar. Es geht dabei nicht nur um Handschuhe und Mundschutz. Die notwendige Ausrüstung hängt von der konkreten Tätigkeit ab. Manchmal werden Gummihandschuhe und Atemschutzmasken benötigt, dann wiederum chirurgische Masken oder keimundurchlässige Schürzen, Overalls aus festerem Material und Schutzbrillen. Aber uns erreichen aus den Krankenhäusern Nachrichten, dass dort Schutzausrüstung praktisch kaum vorhanden ist. Das ist für die dort arbeitenden Menschen lebensgefährlich. Wir sagen es immer wieder, ohne die Beschäftigten im Gesundheitswesen zu schützen ist es nicht möglich, die Gesundheit der Gesellschaft zu schützen. Dies gilt insbesondere für die aktuelle Situation. Jeder dieser Menschen braucht ausreichend Schutzausrüstung. Wenn wir dies angesichts des Rechts auf Schutz am Arbeitsplatz nach Paragraph 6331 und den von der WHO veröffentlichten wissenschaftlichen Daten unter dem Gesichtspunkt des „Schutzes des Rechts auf Leben“ betrachten, dann ist das auch in der Türkei eine zwingende verfassungsmäßige Notwendigkeit, die umgehend erfüllt werden muss. Darüber hinaus fehlt es an Menschen, die im Gesundheitsbereich arbeiten. Im Gesundheitssystem gab es zuvor schon eine Mindestbesetzung. Aber mit der Covid-19-Pandemie vertieft sich dieses Problem kontinuierlich. Sowohl Wissenschaftler als auch die Weltgesundheitsorganisation unterstreichen immer wieder: Die Schichtzeiten müssen ebenso wie die Arbeitsbelastung reduziert, die Pausen verlängert, Überstunden abgeschafft und 24-Stunden-Schichten verboten werden. Um dies umzusetzen, ist ausreichendes Personal notwendig. Aber heute gibt es hier einen sehr großen Mangel…“
  • „Health care workers’ union prevented by the police to hold a press conference“ am 31. März 2020 bei Sendika.org externer Link berichtet von einer Pressekonferenz vor einem Krankenhaus in Ankara, die von der Gewerkschaft SES organisiert wurde, um auf Mängel im türkischen Gesundheitswesen hinzuweisen – speziell auf die diversen organisatorischen (und für die Beschäftigten auch finanziellen) Aufspaltungen des Gesundheitswesens. Diese PK wurde per Polizeiüberfall beendet, der damit „begründet“ wurde, es handele sich um eine Provokation. (Immerhin: Kein Terrorakt, wie es sonst jede Kritik am korrupten regierenden Clan ist).
  • „Gefängniskomitee der PKK/PAJK warnt vor Massensterben“ am 28. März 2020 bei der ANF externer Link zur Situation in den Gefängnissen der Türkei: „… Auch eine Pandemie kann die von Präsident Recep Tayyip Erdoğan dirigierte Regierung nicht davon abbringen, ihren Vernichtungsfeldzug gegen die Kurden fortzusetzen. Der Staat zieht es vor, weitere Zwangsverwalter für die HDP-geführten Kommunen zu ernennen, kurdische Politiker zu verhaften, Ausschreibungen für das Megaprojekt „Kanal Istanbul“ zu organisieren, neue Ressourcen für regierungsnahe Stiftungen bereitzustellen und eine Amnestie für Gewaltverbrecher, Sexualstraftäter und möglicherweise sogar Mörder zu erlassen – aber nicht für politische Gefangene – , statt Schutzmaßnahmen zu beschließen, welche die weiterhin rasante Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen und eine Einschleppung in die Gefängnisse verhindern. Denn für die Regierung steht weiterhin die gewohnte kurdenfeindliche Haltung im Vordergrund. Die Kluft zwischen der AKP und der Realität der Menschen könnte nicht tiefer sein.Die Gefängniskomitees der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Partei der freien Frau in Kurdistan (PAJK) rufen in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Nachdruck die Öffentlichkeit dazu auf, Stellung gegen das von der AKP in den Gefängnissen herbeigesehnte Massensterben zu beziehen. In den Strafvollzugsanstalten und in den kurdischen Städten würden kaum Präventionsmaßnahmen umgesetzt, sondern vielmehr der Faschismus institutionalisiert, bemängeln die Gefängniskomitees. Während die Welt alles daran setze, die Corona-Pandemie zu bekämpfen, bediene der türkische Staat sich an der Krise als Nährboden für einen kurdischen Genozid...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=168594
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