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Alle Jahre wieder: Neuer Höchststand der tödlichen Arbeitsunfälle in der Türkei

Dossier

Istanbul Juli 2015: Protest gegen Rekord an tödlichen Arbeits-UnfällenNicht weniger als 794 ArbeiterInnen mussten im ersten Halbjahr 2015 in der Türkei sterben. Der İstanbul Council for Workers‘ Health and Work Safety hebt für den Monat mit dem höchsten Blutzoll – den Juni 2015 mit 147 Todesopfern – hervor, dass davon 8 Kinder, 6 Frauen und 3 syrische Flüchtlinge waren. Der (engl.)  Artikel „No lesson learned, work accidents kill 794 in H1“ am 03. Juli 2015 in Today’s Zaman externer Link hebt in seiner Berichterstattung hervor, dass neben – wie „üblich“ – Bauarbeitern auch überdurchschnittlich viele Menschen in der Landwirtschaft sterben mussten. Siehe frühere und leider auch nachfolgende Meldungen:

  • Negativer Rekord bei Arbeitsunfällen in der Türkei im November 2025, darunter 216 Todesfälle – von immer mehr Kindern, die zur Arbeit gezwungen werden, in letzten 12 Monaten 85 tödlich verunglückt New
    • Die Türkei verzeichnet im November 216 Todesfälle unter Arbeitnehmern, während Fälle von Kinderarbeit stark zunehmen.
      Mindestens 216 Arbeitnehmer kamen im November 2025 bei Arbeitsunfällen in der Türkei ums Leben, wodurch sich die Zahl der registrierten „Arbeitsunfälle mit Todesfolge” in den ersten elf Monaten des Jahres auf mindestens 1.956 erhöhte. Die Organisation, die diese Zahlen veröffentlicht hat, gibt an, sich nun auf zwei dringende Aufgaben zu konzentrieren: den Kampf gegen lebensgefährliche Arbeitsbedingungen und das zunehmende Ausmaß der Kinderarbeit.
      Mindestens 216 Arbeitnehmer kamen im November 2025 bei Arbeitsunfällen in der Türkei ums Leben, wodurch sich die Zahl der registrierten „Arbeitsunfälle mit Todesfolge” in den ersten elf Monaten des Jahres auf mindestens 1.956 erhöhte. Die Organisation, die diese Zahlen veröffentlicht hat, gibt an, sich nun auf zwei dringende Aufgaben zu konzentrieren: den Kampf gegen lebensgefährliche Arbeitsbedingungen und das zunehmende Ausmaß der Kinderarbeit.
      Ein neuer Höchststand bei Todesfällen am Arbeitsplatz seit 2011
      Laut dem Bericht des Health and Safety Labor Watch Council (ISIG) war der November 2025 der Monat mit den höchsten Todesfällen am Arbeitsplatz seit Beginn der regelmäßigen Veröffentlichung von Daten durch die Gruppe im September 2011, mit Ausnahme von sieben Monaten während der COVID-19-Pandemie, dem Februar 2023, als die Maras-Erdbeben stattfanden, und dem Mai 2014, dem Monat der Soma-Katastrophe.
      Der Bericht stellt außerdem fest, dass in einigen vergangenen Sommern, als die saisonale Arbeit in der Landwirtschaft zunahm, die Zahl der Todesfälle pro Monat 200 überstieg. Er betont jedoch, dass die Zahl von 216 Todesfällen im November besonders auffällig ist.
      Die Verfasser geben an, dass sie den Begriff „is cinayetleri“—wörtlich „Morde am Arbeitsplatz“—verwenden, um tödliche Arbeitsunfälle zu beschreiben, die ihrer Meinung nach vermeidbar sind. Etwa zwei Drittel ihrer Informationen basieren auf Berichten nationaler Medien, der Rest auf Berichten von Kollegen, Familienangehörigen, Arbeitssicherheitsexperten, Betriebsärzten, Gewerkschaften und lokalen Medien. Sie betonen, dass die Zahlen der vergangenen Monate regelmäßig aktualisiert werden, sobald neue Fälle bekannt werden. (…)
      Bauwesen, Landwirtschaft und Transportwesen stechen hervor
      Der Bericht gibt an, dass die höchste Zahl an Todesfällen im November im Baugewerbe und Straßenbau zu verzeichnen war, wo 71 Arbeiter ums Leben kamen. Es folgten die Land- und Forstwirtschaft mit 34 Todesfällen, darunter 18 Lohnarbeiter und 16 Landwirte. An dritter Stelle stand der Transportsektor mit 31 Todesfällen.
      Betrachtet man das Gesamtbild über alle Sektoren hinweg, so zählt der Bericht für November 73 Todesfälle im Baugewerbe, 68 in der Industrie, 41 im Dienstleistungssektor und 34 in der Landwirtschaft. Er enthält auch eine Aufschlüsselung nach detaillierten Branchen wie Bergbau, Kommunen, Petrochemie und Gummi, Metall, Tourismus und Beherbergung, Energie, Gesundheit, Schifffahrt, Sicherheit, Textilien, Lebensmittel, Holz, Papier, Zement und Glas, wobei angemerkt wird, dass für sechs Arbeitnehmer der Sektor nicht ermittelt werden konnte.
      Stürze, Quetschverletzungen und Verkehrsunfälle als Hauptursachen
      Bei der Untersuchung der Todesursachen stehen Stürze aus der Höhe an erster Stelle, wobei laut Bericht 85 % dieser Vorfälle auf Baustellen passiert sind. Quetschungen und Einstürze werden als zweithäufigste Ursache genannt und treten besonders häufig in der Landwirtschaft, im Bauwesen und in der Industrie auf.
      Verkehrsunfälle und Unfälle mit Dienstfahrzeugen werden als dritte Hauptursache genannt, wobei fast die Hälfte dieser Todesfälle im Transportsektor zu verzeichnen war. Weitere aufgezeichnete Ursachen sind Herzinfarkte und Hirnblutungen, Stromschläge, Explosionen und Verbrennungen, Selbstmorde, Gewalt, Vergiftungen und Ertrinken sowie Unfälle, bei denen Gegenstände auf Arbeitnehmer fallen oder diese treffen. Eine kleinere Gruppe von Todesfällen wird unter „sonstige Ursachen“ zusammengefasst.
      Kinder, die in Städten zur Arbeit gezwungen werden
      Der zweite Schwerpunkt des Berichts ist Kinderarbeit. Darin wird festgestellt, dass Kinderarbeit in der Türkei schon immer existiert hat, insbesondere in der Landwirtschaft, aber argumentiert, dass die Politik der letzten 15 Jahre—einschließlich im Bildungs- und Sozialschutzbereich—sowohl die Kinderarbeit ausgeweitet als auch ihren Schwerpunkt von ländlichen Gebieten in die Städte verlagert hat. Die Autoren sagen, dass „Fabriken, Werkstätten, Baustellen, kleine Läden und Einkaufszentren“ mittlerweile Hunderttausende Kinder unter Bezeichnungen wie Auszubildende oder Praktikanten beschäftigen. Für internationale Leser erklärt der Bericht, dass Einkaufszentren allgemein als „AVM“ (vom türkischen „alisveris merkezi“) bezeichnet werden.
      Der Bericht erinnert daran, dass im Jahr 2024 71 Kinderarbeiter ums Leben gekommen sind, was laut Bericht das Jahr mit der höchsten Zahl an Todesfällen von Kindern am Arbeitsplatz zu diesem Zeitpunkt war. Bis Ende November 2025 war die Zahl der verstorbenen Kinderarbeiter bereits auf 85 gestiegen. Allein im November verloren mindestens 13 Kinder bei Arbeitsunfällen ihr Leben
      …“ türk. Artikel vom 05. Dezember 2025 in Türkiye Today externer Link (maschinenübersetzt), siehe dazu auch:
    • Kampf gegen Arbeitsunfälle und Kinderarbeit… Im November starben 216, in den ersten elf Monaten des Jahres mindestens 1956 Arbeiter.
      Wir stehen vor zwei dringenden Themen:
      1- Seit wir im September 2011 mit der Veröffentlichung des ersten Berichts über Arbeitsunfälle begonnen haben, haben die Arbeitsunfälle im November 2025 ihren höchsten Stand erreicht. (Ausgenommen sind die sieben Monate während der Coronavirus-Pandemie, der Februar 2023, in dem sich die Erdbeben von Maraş ereigneten, und der Mai 2014, in dem das Massaker von Soma stattfand). Andererseits gab es auch in den Sommermonaten, in denen die saisonale Landwirtschaftsarbeit intensiv ist, Monate mit über 200 Todesfällen unter Arbeitern, wobei jedoch anzumerken ist, dass 216 Todesfälle unter Arbeitern im November zu verzeichnen waren.
      Noch nie zuvor hatten wir eine so hohe Zahl an Todesfällen unter Bauarbeitern verzeichnet. Der Tod von 71 Bauarbeitern verdeutlicht, wie weit die unsicheren Arbeitsbedingungen mittlerweile fortgeschritten sind. Obwohl sich jeden Monat Dutzende ähnlicher Fälle ereignen, wurden diese Massaker in Dilovası in aller Deutlichkeit vor Augen geführt: Frauen und Kinder werden ohne Versicherung und 12 Stunden am Tag für den Mindestlohn beschäftigt.
      Dann jetzt sofort „Kampf gegen Arbeitsunfälle“…
      2- Kinderarbeit gab es in der Türkei schon immer, vor allem in der Landwirtschaft. Aber die Politik der letzten fünfzehn Jahre (Bildung, Verarmung usw.) hat Kinderarbeit nicht nur massiv verbreitet, sondern auch vom Land in die Städte verlagert. Heute arbeiten in den Fabriken, Werkstätten, auf Baustellen, in Geschäften und Einkaufszentren der Städte Hunderttausende von Kindern als Lehrlinge oder Praktikanten. Das Ergebnis liegt auf der Hand: 2024 war das Jahr mit den meisten Todesfällen unter Kinderarbeitern, die wir registriert haben. Bis Ende November dieses Jahres belief sich die Zahl der verstorbenen Kinderarbeiter auf 85. Die Zahl der Verletzungen, Krankheiten, körperlichen und seelischen Misshandlungen ist nicht zu beziffern
      …“ türk. Mitteilung von İSİG Meclisi vom 04.12.2025 externer Link (maschinenübersetzt)
    • Türkei: Bildungsgewerkschaft protestiert gegen Ausbeutung von Kindern in Berufszentren – Innerhalb eines Jahres 85 arbeitende Kinder ums Leben gekommen – 17 davon in staatlich geförderten Berufsausbildungszentren
      „Die Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen hat scharfe Kritik an den staatlichen Berufsausbildungszentren in der Türkei geübt und ein sofortiges Ende der Kinderarbeit gefordert. Laut der Gewerkschaft starben in den vergangenen zwölf Monaten landesweit mindestens 85 arbeitende Kinder bei sogenannten Arbeitsunfällen – darunter 17 Schüler:innen, die über Zentren für berufliche Bildung (MESEM) in Betrieben beschäftigt waren. Bei einer Kundgebung vor der Provinzdirektion des türkischen Bildungsministeriums in der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) machten Vertreter:innen der Gewerkschaft am Freitag auf die aus ihrer Sicht gravierenden Missstände im dualen Ausbildungssystem aufmerksam. Auf einem Banner war zu lesen: „MESEM-Zentren schließen – Schluss mit Kinderarbeit und Kinderarbeitsunfällen.“ (…) Saliha Zorlu, Ko-Vorsitzende der Amed-Sektion von Eğitim Sen, warf dem türkischen Staat vor, mit der Umstrukturierung des Berufsschulwesens wirtschaftlichen Interessenvertretern entgegengekommen zu sein. (…) Saliha Zorlu, Ko-Vorsitzende der Amed-Sektion von Eğitim Sen, warf dem türkischen Staat vor, mit der Umstrukturierung des Berufsschulwesens wirtschaftlichen Interessenvertretern entgegengekommen zu sein. (…) Zu den konkreten Forderungen der Gewerkschaft gehören: – Die vollständige Abschaffung von Kinderarbeit in jeder Form- ▪ Bereitstellung einer täglichen Schulmahlzeit und von sauberem Trinkwasser – Anerkennung des Rechts auf muttersprachlichen Unterricht – Einstellung staatlicher Subventionen für Privatschulen zugunsten öffentlicher Einrichtungen – Beteiligung von Pädagog:innen an bildungspolitischen Entscheidungen – statt einseitiger Orientierung an wirtschaftlichen Interessen – Umwandlung der beruflichen Ausbildung in ein schulbasiertes, akademisch ausgerichtetes System. Darüber hinaus verlangte die Gewerkschaft die sofortige Freilassung von insgesamt 16 Aktivist:innen des Jugendverbands der Arbeiterpartei TIP, die am Mittwoch in Istanbul nach einem Protest gegen die MESEM-Zentren in Untersuchungshaft genommen wurden. Die zahlreichen dokumentierten Arbeitsunfälle, Verletzungen und auch mutmaßliche Korruptionsfälle innerhalb dieser Einrichtungen müssten umfassend untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Bericht vom 5. Dezember 2025 bei AFN News externer Link
    • MESEM: Kinderarbeit im Schatten der Bildung
      Während in Istanbul die „Gipfelkonferenz zur beruflichen und technischen Bildung im Jahrhundert der Türkei“ des Ministeriums für Nationale Bildung (MEB) stattfand, wurde ein Transparent mit der Aufschrift „Das Blut der Kinder klebt an euren Händen“ entrollt. Studenten, die Mitglieder der Türkischen Arbeiterpartei (TİP) sind, protestierten gegen die Morde an Kindern in MESEM-Einrichtungen. Nach dem Eingreifen des privaten Sicherheitsdienstes wurden 17 Studenten festgenommen, von denen 16 inhaftiert wurden.
      Mitglieder der Gewerkschaft der Privatschullehrer, die ebenfalls gegen diesen Gipfel protestierten, forderten die Schließung von MESEM mit den Worten „Dieses System bringt unsere Kinder um“; Lehrer, darunter auch der Gewerkschaftsvorsitzende Eren Edabali, wurden mit Handschellen gefesselt und festgenommen.
      Diese harte Maßnahme gegenüber Schülern und Lehrern hat erneut die Frage aufgeworfen, was MESEM, das von der Regierung als Vorzeigeprojekt präsentiert wurde, für Kinder bedeutet.
      Was ist MESEM, wie viele Kinder gibt es?
      Berufsbildungszentren (MESEM), früher bekannt als Lehrlingsausbildungssystem. Ende 2016 wurde es zusammen mit dem 4+4+4-System in die formale und obligatorische Bildung aufgenommen. Kinder, die mindestens einen Mittelschulabschluss haben und mindestens 14 Jahre alt sind, können sich bei MESEM anmelden. Sie verbringen vier Tage in der Woche in Unternehmen und einen Tag in der Schule.
      Laut dem Bildungsmonitoringbericht 2025 der Bildungsreforminitiative (ERG) belief sich die Zahl der Schüler im Alter von 15 bis 18 Jahren, die im Schuljahr 2024-2025 eine MESEM-Schule besuchten, auf 392.887. Die Schüler erhalten einen bestimmten Prozentsatz des Mindestlohns, aber es werden keine Rentenbeiträge gezahlt; die Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz werden weitgehend dem Ermessen der Arbeitgeber überlassen. ERG betont, dass Kinder den Bezug zur Schule verlieren und dass dieses Modell insbesondere arme Kinder dazu zwingt, schon in jungen Jahren ins Berufsleben einzusteigen.
      „Keine Bildung, sondern Massenkinderarbeit“
      Laut dem Rat für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (İSİG) kamen im Jahr 2024 71 Kinderarbeiter ums Leben. Bis Ende November dieses Jahres belief sich die Zahl der verstorbenen Kinderarbeiter auf 85. In den Schuljahren 2023-2024 und 2024-2025 starben mindestens 15 Kinder, die bei MESEM registriert waren, bei der Arbeit in der Industrie oder auf Baustellen. (…)
      Daten des türkischen Statistikamtes TÜİK zeigen, dass etwa 1 Million Kinder im Alter von 15 bis 17 Jahren erwerbstätig sind. Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl bei etwa 3 bis 4 Millionen liegt, wenn man MESEM-Schüler, nicht registrierte Arbeitnehmer und Kinder unter 15 Jahren mit einbezieht
      …“ türk. Beitrag von Pelin Ünker vom 06.12.2025 bei İSİG Meclisi externer Link (maschinenübersetzt)
  • Ob auf den Werften oder in der Forstwirtschaft: Die Prekarisierung der Arbeit unter Erdogans Regime kostet viel. Menschenleben
    Je mehr die Arbeitsbedingungen im Erdogan-Regime prekarisiert werden, desto gefährlicher wird es – die Zahl der Todesopfer steigt und das, obwohl sie in der Türkei schon vorher hoch war. In der Pressemitteilung „Turkish EU-listed yards shaken by two fatal accidents“ vom 08. Februar 2021 bei der NGO Shipbreaking Platform externer Link wird von zwei weiteren Todesopfern auf Werften in der Türkei in den letzten Monaten berichtet. Dies geschah auf zwei der insgesamt sieben EU-geprüften Zerlegungswerften, die es in der Türkei gibt (insgesamt gibt es weltweit 43 EU-geprüfte Werften), es existieren daneben weiterhin 15 ungeprüfte Zerlegungswerften. Geprüft wird vor allem in drei Kategorien: Die Ausrüstung mit schweren Maschinen (Kränen), die Entsorgung schädlicher Materialien und die Befolgung internationaler Abfall-Richtlinien. In den konkreten Fällen ist insbesondere die Benutzung schwerer Maschinen fraglich… Siehe dazu auch einen weiteren „Unfall-Bericht“ aus der Forstwirtschaft der Türkei:

    • „Deaths and precarious work in Turkey’s forestry“ am 29. Januar 2021 bei der Holzarbeiter-Internationalen BWINT externer Link berichtet von einer Untersuchung, die die Gewerkschaft Civil Servants Union of Agriculture, Forestry, Husbandry and Environment of Turkey (TARIM ORMAN-IS) in Canakkale, Aladag und Adana über die jeweiligen Arbeitsbedingungen in der Holzwirtschaft organisiert hat. Die kontinuierlich sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, die zu einer wachsenden Zahl angeblicher Unfälle führt ist vor allem deswegen besonders gravierend, weil es sich um eine Art Leitlinie handelt – schließlich ist die Forstwirtschaft in der Türkei nahezu ausschließlich ein staatliches Unternehmen, da die Wälder eben Staatseigentum sind.
  • In der Türkei beginnt 2019, wie 2018 und all die Jahre davor: 155 Todesopfer kapitalistischer Ausbeutung
    Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist in der Türkei so hoch wie in kaum einem anderen Land. Die meisten Opfer sind prekär Beschäftigte. Die Gewerkschaften sprechen daher von „Arbeitsmorden“. Der gewerkschaftsnahe Verband für Arbeitsplatzsicherheit (İşçi Sağlığı ve İş Güvenliği, İSİG) hat im ersten Monat des neuen Jahres 155 tödliche Arbeitsunfälle gezählt. Die „Arbeitsmorde“ gehören in der Türkei zum Alltag und zeigen die dunkle Seite des türkischen Wirtschaftsbooms, in dem die industrielle Produktion seit Jahren zurückgeht. Allein im letzten Jahr starben in dem Land mindestens 1923 Menschen bei der Arbeit. Die meisten tödlichen Unglücke ereignen sich in der Baubranche. Seit dem Amtstritt der Regierungspartei AKP hat İSİG mehr als 22.000 tödliche Arbeitsunfälle gezählt, was einem Massenmord an Arbeiter*innen gleichkommt. Die vom türkischen Arbeitsministerium veröffentlichen Zahlen fallen allerdings deutlich niedriger aus. (…)Bei elf der im Januar tödlich verunglückten 155 Arbeiter*innen handelt es sich um Frauen, zehn der Getöteten waren Kinder zwischen drei und 14 Jahren und weitere 19 Menschen Flüchtlinge oder Migrant*innen. Nur zwei Prozent der im Vormonat tödlich verunglückten Arbeiter*innen waren gewerkschaftlich organisiert. Die regierende AKP hatte das Jahr 2018 zum „Kampfjahr gegen Kinderarbeit“ erklärt. Allein in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres starben mindestens 66 Kinder bei der Arbeit. Laut İSİG sei es das Jahr mit den meisten Kinderarbeiter*innen, die tödlich verunglückten. „Diese Tatsache verdeutlicht nur, dass die AKP lediglich Propaganda betreibt und nicht anstrebt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, kritisiert İSİG…“ – aus der Meldung „Mindestens 155 „Arbeitsmorde” im Januar in der Türkei“ am 04. Februar 2019 bei der ANF externer Link, worin auch noch darüber informiert wird, dass Istanbul an der Spitze der tödlichen Bilanz steht… Siehe dazu auch einen Hintergrundbeitrag über den Todesfeldzug des (auch bundesdeutschen) Kapitals in der Türkei:

    • „Ein unsichtbarer Krieg“ von Nelli Tügel am 15. Januar 2019 bei analyse&kritik externer Link (Ausgabe 645) zu den Berichten über diese Entwicklung des Krieges gegen die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Türkei, wie sie eine Gewerkschaftsdelegation auf einer Rundreise in der BRD gab, unter vielem anderen: „2002 wurde die AKP an die Regierung gewählt und leitete zunächst mit Unterstützung des Internationalen Währungsfonds Wirtschaftsreformen in dem damals schwer krisengebeutelten Land ein – darunter die größten Privatisierungsprogramme der türkischen Geschichte. Seitdem starben in dem Land 20.000 Menschen bei 2,03 Millionen Arbeitsunfällen, Zehntausende trugen Behinderungen davon. Zum Vergleich: In Deutschland gab es laut der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung im selben Zeitraum 8.558 Arbeitsunfälle bei 44,3 bis 44,8 Millionen Erwerbstätigen. Zählt man alle mit, gibt es in der Türkei etwa 31,3 Millionen Erwerbstätige. Ein entscheidender Unterschied ist zudem: Während in Deutschland die Zahl der Arbeitsunfälle stagniert beziehungsweise zurückgeht, steigt sie in der Türkei seit 2003 deutlich an. Gewerkschaftsangaben zufolge gab es 2003 76.668 Arbeitsunfälle – und 2017 mit 359.653 Unfällen fast fünf Mal so viele. Bekannt wurden – neben der Flughafenbaustelle, auf der offiziellen Angaben zufolge 52 Arbeiter ihr Leben ließen, die Gewerkschaft spricht von deutlich mehr – in den vergangenen Jahren auch die 301 toten Kumpel, die beim Minenunglück von Soma starben. In Soma brach sich 2014 indes nicht nur Trauer Bahn, sondern vor allem Wut. Diese Wut ist auch Aslan von Gida-Is deutlich anzuhören, als er sagt: »Nicht ein einziger Arbeitgeber wurde je verurteilt, nicht einer.« Warum nicht? »Es wird Druck auf die Familien ausgeübt«, erklärt er. Ihnen werde beispielsweise etwas Geld gezahlt, damit sie Anzeigen zurückziehen. Gilt die Geringschätzung von Arbeitsschutz auch für deutsche Firmen in der Türkei? »Die Firmen achten in Deutschland Arbeitnehmerrechte, in der Türkei achten sie sie nicht«, so Aslan. Derzeit sind mehr als 7.100 deutsche Firmen in der Türkei ansässig. Wie die Zahl der Arbeitsunfälle ist auch die Anzahl der deutschen Niederlassungen und Unternehmensbeteiligungen stark angestiegen, seit die AKP an der Macht ist. Zu ihnen gehören große Firmen wie Bosch oder Daimler. Diese Firmen sind Teil des unsichtbaren Krieges, den das Kapital in Zusammenarbeit mit der AKP-Regierung gegen Gewerkschaften, Arbeiterrechte führt – und letztlich auch gegen Menschen, die mit ihrem Leben bezahlen müssen. Sie – also die Kapitalisten – halten gut zusammen, findet Durmus von der Journalistengewerkschaft. Die Regierungen der beiden Länder sowieso. Er und seine Kolleg_innen sind also nicht zufällig nach Deutschland gekommen, um hier das Gespräch mit Gleichgesinnten und Gewerkschaften zu suchen. Vielmehr geht es darum, sich etwas abzuschauen von dem, was Unternehmer und Regierungen ganz gut hinkriegen. Es geht um eine Wahrheit, die banal klingt, es aber keineswegs ist: »Wenn die sich zusammentun, müssen wir das auch tun«…“
  • Ein blutiger Rekord: Über 2.000 Tote bei Arbeitsunfällen in der Türkei in 2018
    Tote durch Arbeitsunfälle in der Türkei 20172006 Menschen starben im Jahr 2017 in der Türkei durch Arbeitsunfälle oder auf dem Weg zur Arbeit bei Verkehrsunfällen. Noch einmal mehr, als es im Jahr zuvor gewesen waren – 1970. Unter diesen Toten des letzten Jahres waren auch 116 Frauen – und 60 Kinder, von denen es inzwischen nach verschiedenen Schätzungen rund 2 Millionen geben soll, die informell beschäftigt werden. Und nicht irgendwo in der hintersten Provinz gibt es die meisten Todesopfer des türkischen Kapitalismus, sondern in Istanbul, wo 230 Opfer zu beklagen sind. Was auch damit in Verbindung steht, dass die tödlichste Branche in der Türkei die Bauindustrie ist. Und in Istanbul die Megaprojekte der AKP-Regierung verwirklicht werden – zu denen es sogar besonderen Druck gibt, die gesetzten Fristen einzuhalten. 453 Bauarbeiter im ganzen Land bezahlten den Bauboom mit ihrem Leben. Sie sind der Regierung genauso wenig etwas wert, wie es 2014 die toten Bergarbeiter von Soma waren, als ein Herr Erdogan seinen ganzen menschenfeindlichen Zynismus öffentlich machte. Siehe zu den Arbeitsbedingungen in der Türkei zwei aktuelle Beiträge, sowie einen Hintergrundbericht zu den Ergebnissen der Unfall-Untersuchungen  – und auch einen Hinweis auf den letzten der vielen Berichte im LabourNet Germany zu diesem schrecklichen Thema:

    • „2,006 workers killed in workplace accidents in 2017 in Turkey: Report“ am 08. Januar 2018 bei den Hurriyet Daily News externer Link ist eine Meldung über die offizielle Statistik der Workers’ Health and Work Safety Assembly (İSİGM). Darin werden nicht nur die oben genannten Zahlen berichtet, sondern auch die Aussagen von Oppositionsabgeordneten, die im mehrfach verlängerten Ausnahmezustand – inklusive eben der weiteren Beschränkung gewerkschaftlicher Tätigkeit – eine der Ursachen für weiter wachsende Unternehmer-Willkür sehen.
    • „Constructors forced to work nonstop to finish airport project until Erdoğan’s birthday“ am 08. Januar 2018 bei SolInternational externer Link ist ein Beitrag über die Terminhetze beim Bau des neuen, des dritten, Flughafens in Istanbul – dort müssen die Arbeiter 7 Tage die Woche, auch in Nachtschicht arbeiten, mit – laut Aussagen befragter Bauarbeiter – Ausrüstung, die allen Sicherheitsbestimmungen Hohn spricht. Grund: Der Flughafen soll unbedingt bis zum 26. Februar 2018 fertig gestellt werden. Einmal darf geraten werden, welche Person da ihren Geburtstag feiert…Von der Kritik von Umweltschutzgruppen und auch Ingenieuren an dem Projekt soll jetzt einmal nicht die Rede sein…
    • Das Grubenunglück in Soma„No Worker Death Case Resolved in the Past Six Years“ am 20. Mai 2014 im BiaNet externer Link war ein Beitrag, in dem Bilanz gezogen wurde über die verschiedenen Untersuchungen, die im Zusammenhang mit größeren Katastrophen in diversen Unternehmen organisiert worden waren – eine eindeutige Bilanz, die bereits in der Überschrift des Beitrags zusammen gefasst wird. In den Jahren zwischen 2008 und 2014 wurde keine einzige der angestellten Untersuchungen mit irgendeinem Ergebnis beendet – alles blieb in der Schwebe…Dabei wurden von der Gruppe der Hinterbliebenen Families of Workers Seeking Justice insgesamt 9 verschiedene größere Arbeitsunfälle bilanziert.
  • Ein Dauerthema: Die Todesopfer des türkischen Kapitalismus
    Die Todesgrafik der Türkei für Mai 2017Wieder einmal neue Zahlen, hinter denen sich Schicksale verbergen, die nur tragisch zu nennen sind: Die tödlichen Arbeitsunfälle in der Türkei im Mai 2017 erreichten die “Zahl“ 146. Nicht, dass es nicht schon Monate gegeben hätte, in denen der türkische Kapitalismus mehr Menschen umgebracht hätte – gab es. Am übelsten dabei, dass der ständige Blutzoll kein wirkliches Thema der gesellschaftlichen Debatte ist, sondern als sozusagen selbstverständlich hingenommen wird. Am bekannten „Beispiel“ Soma, als über 300 Bergarbeiter sterben mussten und der heutige Präsident erst meinte, das sei halt so und dann noch seine Horde auf protestierende Menschen einprügeln ließ – so sehr respektiert der Typ „sein Volk“, das er für jede reaktionäre Machenschaft anruft – zeigt sich, dass dies eben kein Zufall, sondern Regierungspolitik der AKP ist. In der ausgesprochen versachlichten Meldung „146 Workers Killed in Occupational Homicides in May“ am 05. Juni 2017 im Bianet externer Link, worin die Zahlen des Gesundheits- und Sicherheitsrates im Berufsleben berichtet werden wird darauf verwiesen, dass in den ersten fünf Monaten des Jahres 2017 bereits 741 Menschen sterben mussten, Opfer des kranken Systems.

  • [Workers Memorial Day 2017] Die tödliche Jahresbilanz der Türkei – der Gewerkschaftsbund DISK klagt an
    Plakat der CGT Spanien zum 28. April 2016: Workers Memorial Day„Report on Work Murders in 2016“ am 05. April 2017 beim Gewerkschaftsbund DISK externer Link ist der (leider alljährliche) Überblick über die Bilanz des türkischen Kapitalismus gegen die arbeitenden Menschen des Landes: 1.970 hat das System im letzten Jahr getötet, ein neuer Höchststand, bei dem, wie seit langem bekannt (und auch im LabourNet Germany schon des Öfteren Thema) die Beschäftigten der Bauindustrie diejenigen sind, die in der größten Gefahr von Arbeitsunfällen leben – und auch in der Landwirtschaft sind die Gefahren überdurchschnittlich groß. Dieser Beitrag ist Teil des Special zum Workers Memorial Day 2017: Ein Tag der Bilanz des tödlichen Kapitalismus – und des Kampfes dagegen: „Gegen die weltweite Vernichtungsmaschine“
  • Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle in der Türkei – Tendenz: steigend
    Tödliche Arbeitsunfälle in der Türkei im August 2016: Grafik (bianet.org)Mindestens 199 Menschen kamen bei Arbeitsunfällen in diesem August in der Türkei ums Leben, in den ersten acht Monaten des Jahres liegt die Zahl bereits bei 1.250 Toten. Dies gibt der Rat für Arbeitnehmergesundheit und Arbeitssicherheit (İşçi Sağlığı ve İş Güvenliği Meclisi – İSİG) in seinem aktuellen Bericht bekannt. Demnach ereigneten sich die Unfälle im August vor allem in der Land- und Forstwirtschaft (22%), auf dem Bau (21%) sowie im Transportwesen (14%). Tödlich verlaufende Unfälle sind vor allem Verkehrsunfälle (28%), Zerquetschungen (17%) und Stürze (17%). Im August 2013 lag die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle noch bei 133, in den Jahren 2014 und 2015 im selben Monat bei 160 bzw. 162. Siehe dazu den (türkischen) Beitrag „İSİG: Ağustos ayında en az 199, sekiz ayda bin 250 işçi yaşamını yitirdi“ vom 5. September 2016 bei sendika.org externer Link

  • Siehe für monatliche Berichte über Arbeitsunfälle İSİG Meclisi externer Link (Health and Safety Labor Watch )

Siehe auch im LabourNet:

2020:

2019:

2018:

2014:

2013:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=83021
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