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Auch in Tschechien haben die Gewerkschaften mit dem „Stempel: Kommunistisches Überbleibsel“ zu kämpfen

[Buch von Sebastian Friedrich] Lexikon der Leistungsgesellschaft. Wie der Neoliberalismus unseren Alltag prägt„…Die Gewerkschaften haben in einem Land, dessen Politik in einem neoliberalen Diskurs verhaftet ist und dessen Wirtschaft hochgradig vom ausländischen Kapital abhängig ist und sich in einer ungünstigen Zuliefererposition in den transnationalen Wertschöpfungsketten befindet, kein einfaches Terrain. Sie führen einen Kampf um gesellschaftliche Legitimität, denn sie fallen bei vielen, gerade jüngeren Menschen in die Kategorie »kommunistisches Überbleibsel, brauchen wir in einer freien Gesellschaft, wo jeder werden kann, was es möchte, wenn er sich nur anstrengt, nicht mehr«. Diese Legitimitätsfrage ist eng verknüpft mit der Frage ihrer Überlebensfähigkeit, sind sie doch von der Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge abhängig, deren Knappheit sich bei tschechischen Gewerkschaften, gepaart mit ihrer mangelnden Attraktivität als Arbeitgeber, in sehr schwachen Strukturen manifestiert. Lange waren sie einem rasanten, stetigen Mitgliederschwund ausgesetzt; in 2018 stieg die Anzahl der Mitglieder erstmalig. Dieser Erfolg kann dem aktuellen Vorsitzenden des Gewerkschaftsdachverbandes ČMKOS, Josef Středula, zugerechnet werden. Im April 2018 für die zweite vierjährige Amtsperio-de mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt, ist er eine charismatische, gut vernetzte Person. In seiner mittlerweile fünfjährigen Amtszeit hat er dem Gewerkschaftsdachverband einen relativ modernen und progressiven Anstrich verpasst (…) Herausragendes Thema seiner Reden ist die mangelnde Konvergenz zwischen den alten und neuen EU-Mitgliedsländern. In der Konsequenz fordern die Ge-werkschaften auch eine langfristige wirtschaftspolitische Reform, die das Land aus der abhängigen Position in den europäischen und globalen Wertschöpfungsketten führt, ins-besondere mit Blick auf drohende Rationalisierungen aufgrund der steigenden Digitalisierungsprozesse. Verstärkt nehmen sich die Gewerkschaften aktuell auch der Frage der gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung an und fordern eine Verkürzung der Arbeitszeiten. Damit wollen sie auch als gesellschaftspolitischer Akteur wahrgenommen werden, eine Rolle, die ihnen eher abgesprochen wird und die sie bislang auch kaum eingenommen haben. Auf der Ebene der Einzelgewerkschaften bzw. ihrer konstituierenden Betriebsorganisationen sind keine maßgeblichen aktuellen Ereignisse nennenswert. In einzelnen Betrieben wurden Arbeitskämpfe bis hin zum mehrtägigen Warnstreik ausgetragen, der durchschnittliche reale Lohnzuwachs von 6 Prozent, der in Tschechien insbesondere auf betrieblicher Ebene verhandelt wird, lag höher, als in den Vorjahren...“ – aus dem „Gewerkschaftsmonitor Tschechien 2018“ im Mai 2019 bei der Friedrich Ebert Stiftung externer Link – informativ, insbesondere wenn man jeweils den Faktor „parteipolitische Neigung“ mit einkalkuliert…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=172651
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