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Wenn eine Epidemie auf privatisiertes Gesundheitswesen trifft: Die privaten Laboratorien Südafrikas „können jeden testen“. Kostet 65 Euro je Test – für manche ein Wochenlohn

Südafrikanische Community Healthcare Workers - das alternative Gesundheitssystem1.200 Rand berechnet eine der privaten Laboratorien-Ketten Südafrikas pro Corona-Test. Diese grob 65 Euro müssen „natürlich“ privat bezahlt werden – schließlich kostet der Test auch was. Die höchste Schätzung dafür liegt allerdings bei rund 20 Euro. Der „Rest“ ist eben neoliberal-kapitalistische Logik. Basis-Gesundheitsbewegungen, die in Südafrika relativ stark sind, organisieren derweil die solidarische Epidemie-Abwehr – wie sie es bereits bei HIV beispielsweise getan haben. Unter Bedingungen, die am deutlichsten werden, wenn daran erinnert werden muss, dass viele Menschen noch nicht einmal Zugang zur Information haben, dass es eine Epidemie gibt. Dieweil der keineswegs unumstrittene Vorsitzende der Economic Freedom Fighters (EFF) sich positioniert: Wenn die Privaten nicht kooperieren – Gesundheitswesen verstaatlichen. Weniger eindeutig, sondern eher deutlich unterschiedlich sind die gewerkschaftlichen Positionierungen zur aktuellen Entwicklung der „Ankunft der Epidemie“ in Südafrika und der entsprechenden Maßnahmen der Regierung. Siehe dazu drei aktuelle Beiträge, zwei gewerkschaftliche Stellungnahmen und einen Bericht über die Arbeit von Basis-Gesundheitsbewegungen:

„Corona und die südafrikanische Realität“ von Andreas Bohne am 18. März 2020 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link zur aktuellen Entwicklung in Südafrika und den politischen Reaktionen: „… Ebenso problematisch sind die sozialen und hygienischen Bedingungen in Südafrika. Wie sollen Quarantäne-Maßnahmen in einer informellen Siedlung aufrechterhalten werden, in der viele Menschen auf engstem Raum leben? Ebenso, wenn fließendes Wasser und Seife oder Desinfektionsmittel nicht vorhanden sind? Das Erbe der Apartheid und das Versagen der Regierungen, die Wohnungssituation und die Wasserversorgung grundlegend zu verbessern, würde im Ernstfall mit voller Wucht zurückschlagen. Dann greifen auch die besten Aufklärungskampagnen und Ermutigungen zu hygienischem Handeln nicht. Dass die Ministerin für «Menschliche Behausungen, Wasser und Sanitäres», Lindiwe Sisulu, nicht an der Kabinettsitzung letzten Sonntag teilnahm, auf der Präsident Ramaphosa die weiteren wichtigen Schritte zur Bewältigung der Epidemie  bekanntgab, ist eher ein beunruhigendes Zeichen. Die Krise trifft das Land in der jetzigen wirtschaftlichen Notlage hart. Die südafrikanische Wirtschaft befindet sich seit Jahren auf einer Talfahrt. Bergbauminister Mantashe traf sich zuletzt mit Vertreter*innen des Bergbausektors, über Ergebnisse dieses Gesprächs wurde nicht öffentlich berichtet. Finanzminister Tito Mboweni sagte, die Regierung sei bereit, zwei Dinge zu tun, um die fiskalischen Maßnahmen zu finanzieren: Erstens könnte sie Geld aus dem Nationalen Katastrophenfonds freigeben. Obwohl er keine Zahl nannte, sagten Quellen, dass 5 Milliarden Rand zur Verfügung gestellt werden könnten. Zweitens könnte die Regierung weitere Mittel bereitstellen, aber nur, wenn sie die Ausgaben in anderen Bereichen reduziert. Mit anderen Worten, es gäbe keine fiskalischen Anreize. Daher ist davon auszugehen, dass sich die Lage für die südafrikanische Arbeiterklasse noch weiter verschlechtern wird; ebenso die Situation der «casual worker», der Taxifahrer*innen und der Arbeiter*innen im informellen Sektor wie Straßenhändler*innen, wenn das öffentliche Leben weiter zum Stillstand kommt. Mit dem Fortbleiben der Kund*innen fällt die einzige Einkommensquelle weg – und das bei zu erwartenden höheren Preisen für Grundnahrungsmittel…“

„Malema warns private hospitals: Cooperate or be nationalised. Ramaphosa laughs“ von Charles Cilliers am 18. März 2020 bei The Citizen externer Link ist die Meldung (mit Video) von der Erklärung Julius Malemas von der EFF, der – ausnahmsweise – die Maßnahmen der Regierung unterstütze und an die Betreiber privater Krankenhäuser die Warnung richtete, der einzige Weg, ihre Wiederverstaatlichung zu verhindern sei es, Betten und Behandlung bei Bedarf anzubieten ohne Rechnungen auszustellen. In seiner Stellungnahme verwies er dabei unter anderem auf die Kette Lancet Laboratories, die am Montag verbreitet hatte, sie habe 51 Standorte, in denen Corona-Tests gemacht werden könnten. Wofür das Unternehmen eben jeweils 1.200 Rand kassieren will, also eben jene grob 65 Euro. Wobei Schätzungen der Kosten dafür zwischen etwa 150 und 400 Rand liegen – in jedem Fall also eine enorme „Gewinnspanne“…

„Covid-19 update: SA is getting price controls – here’s everything on the list“ am 19. März 2020 beim Business Insider externer Link meldet die Liste der Maßnahmen der südafrikanischen Regierung – unter anderem eben Preiskontrollen und Lieferverpflichtung bei Grundnahrungsmitteln…

„To survive this crisis, South Africans need a 5% interest rate cut“ am 19. März 2020 beim Gewerkschaftsbund SAFTU externer Link ist die Stellungnahme des linken Verbandes zu den Maßnahmen der Regierung und der Zentralbank, worin unter anderem eine Senkung des Zinssatzes gefordert wird, als Mittel zur Belebung der Wirtschaft und die Garantien dafür, dass niemand wegen der Virus-Krise noch mehr Einkommens-Einbußen erleiden werde, stattdessen dafür gesorgt werde, dass alle Zugang zu medizinischer Versorgung hätten.

„COSATU statement on the reduction of the interest rates by the SARB“ am 19. März 2020 beim (mitregierenden) Gewerkschaftsbund Cosatu externer Link dagegen begrüßt die Maßnahmen der Zentralbank und die Senkung der Zinssätze um 1 Prozent und sieht darin eine Chance, weitere Auswirkungen der Krise auf die Wirtschaft und die Menschen zu verhindern.

„The working class and the struggle against the corona virus“ am 16. März 2020 bei Karibu externer Link ist ein ausführlicher Bericht über die Aktivitäten der südafrikanischen Basis-Gesundheitsbewegung Community Healthcare Workers (CHWs), die vom Khanya College organisiert werden und die Basis der Gesundheitsversorgung in den ärmsten Gegenden des Landes sind. Dieser Bericht geht davon aus, dass es in Südafrika nach wie vor zwei Gesundheitssysteme gebe, für Reiche und Arme. Und er geht eben vom Leben der Menschen in den Townships aus – die etwa auf dem Weg zur Arbeit auf überfüllte Sammeltaxis angewiesen seien, zu Hause keineswegs alle fließendes Wasser haben – und schon gar nicht das Geld, sich bei privaten Laboratorien testen zu lassen – ein massives Plädoyer für ein demokratisches öffentliches Gesundheitssystem

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=164623
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