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Spaniens Regierung auf Terroristenjagd. Deren besonders gefährliche Waffe heißt Selbstorganisation in Katalonien, oder aber auch: Kneipenschlägerei im Baskenland

Solidaritätsaktion mit den angeklagten von Altsasu: 375 Jahre ins Gefängnis wegen einer Kneipenschlägerei?Die Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR) in Katalonien sind meist, aber keineswegs ausschließlich, auf Initiative der linken, separatistischen CUP entstanden – rund 300 dieser Gruppen gibt es quer durch Katalonien. In denen, nach verschiedenen Angaben und Schätzungen, rund 10.000 Menschen aktiv sind. Die auch für die bürgerliche Führung der katalonischen Unabhängigkeitsbestrebungen ein „Stein im Schuh“ sind – für die spanische Rechtsregierung aber die Spitze allen Übels. Weil sie nicht nur separatistisch sind, republikanisch sowieso, sondern auch klar Position beziehen gegen Kapitalismus. Was des Terrors zu viel ist, weswegen jetzt die Guardia Civil eine regelrechte Repressionskampagne gegen die CDR organisieren muss. Die sich ihrerseits dagegen zur Wehr setzen. Zur selben Zeit stehen besonders gefährliche jugendliche Terroristen vor einem Prozess, in dem die Staatsanwaltschaft insgesamt 375 Jahre Haft beantragt hat: Wegen einer Kneipenschlägerei mit Guardia Civil-Leuten in Altsasu im Baskenland, worüber sich selbst Regionalpolitiker und staatstragende Gewerkschaften aufregen. Siehe zur Repressionskampagne gegen die CDR in Katalonien und zum Widerstand dagegen vier aktuelle Beiträge, sowie drei Beiträge zum Schauprozess in Altsasu:

„Nun sollen die Katalanen auch schon „Terroristen“ sein“ von Ralf Streck am 10. April 2018 bei telepolis externer Link, worin es unter anderem heißt: „Sechs Personen wurden von den Mossos d`Esquadra festgenommen, wobei es konkret darum geht, dass sie am 30. Januar die Umzäunung zum Parlament durchbrochen haben, als Spanien die erneute Amtseinführung von Carles Puigdemont mit vielen Tricks verhindert hatte. Sie sind inzwischen wieder alle auf freiem Fuß. Als Reaktion auf die Festnahmen gab es sofort eine neue Straßenblockade auf einer Hauptverkehrsader in Barcelona.  Dass die spanischen Behörden nun neben der grotesken Rebellionsanschuldigung sogar zu Terrorismus-Anklagen greifen, war zu erwarten. Die Abschreckung soll hochgefahren werden und es würde einen wundern, wenn die beiden Personen nicht von der Hardlinerin Carmen Lamela nun in Untersuchungshaft gesteckt werden würden. Unter angeblichen Terrorismus hält die Richterin am Sondergericht „Audiencia Nacional“ schon baskische Jugendliche in Haft. Wegen einer Kneipenschlägerei mit zwei im baskischen Alsasua stationierten Paramilitärs sollen sie wegen angeblichem Terrorismus bis zu 62 Jahre ins Gefängnis. Der Prozess beginnt nun in der kommenden Woche und sogar das Regionalparlament in Navarra ruft auf, sich am Samstag an einer Demonstration in Iruña (Pamplona) zu beteiligen, um „Gerechtigkeit“ zu fordern“.

La Guardia Civil responde con detenciones a la campaña de criminalización de los CDR“ von Vilaweb am 10. April 2018 bei kaosenlared externer Link ist ein kurzer Beitrag über die laufenden Festnahmen von CDR-Aktiven durch die Guardia Civil. Ein Mann in Esplugues de Llobregat und eine Frau in Viladecans, wurden unter der Anschuldigung von „Rebellion und Terrorismus“ zur Fahndung ausgeschrieben, die frau bereits festgenommen. Ihr Terrorakt bestand in angeblicher Teilnahme an Straßenblockaden, bei denen auch noch – ganz besonders schlimm – die Zahlstellen der Autobahn zur freien Durchfahrt geöffnet worden waren.

„Los CDR salen a la calle por la libertad de los presos políticos y contra la represión“ am 10. April 2018 ebenfalls bei kaosenlared externer Link ist ein Bericht von den Protestdemonstrationen der CDR in zahlreichen Orten Kataloniens an diesem Tag. Die Proteste, die sich gegen die Festnahmewelle richteten, mobilisierten alleine in Barcelona knapp Tausend Menschen.

„Katalonien: Wer hat Angst vor den CDRs? von Jorge Martin am 10. April 2018 beim Solidaritätskomitee Katalonien externer Link ist die Übersetzung eines Artikels aus In Defence of Marxism, der zu den CDR in der aktuellen Situation hervor hebt: „Genau an diesem Punkt, an dem die Kluft zwischen dem Rank-and-File und den Anführern der wichtigsten Pro-Unabhängigkeitsparteien (ERC und PDECAT) größer ist, hat der Staat eine Kampagne zur Kriminalisierung der CDRs gestartet. Die Verantwortlichen von ERC und PDECAT haben unter den Hammerschlägen der spanischen staatlichen Repression akzeptiert, dass es sinnlos ist, dem Regime zu trotzen, und die Idee einer katalanischen Republik auf Eis gelegt. Das einzige Hindernis für die „Normalisierung“ – d.h. die vollständige Einstellung der Missachtung der Verfassung von 1978 – sind die CDRs. So gab der Staatsanwalt der Nationalen Audienz am 1. April eine unglaubliche Erklärung heraus, in der er die CDRs bedrohte. Die spanische Nationale Audienz ist ein Tribunal, das sich mit Verbrechen gegen den Staat befasst und ein direkter Nachfolger des verhassten Tribunals der öffentlichen Ordnung aus der Franco-Ära ist (wiederum eine Fortsetzung des Sondertribunals für die Repression der Freimaurer und des Kommunismus). Die Aussage ist es wert, ausführlich zitiert zu werden. Sie beschreibt die „unerträglichen Handlungen“ und „vandalischen Handlungen“ der „so genannten CDRs“ als „eine Bedrohung nicht nur des öffentlichen Friedens und der verfassungsmäßigen Ordnung, sondern auch des Wesens des demokratischen Systems, das wir zu verteidigen haben“. Denken Sie daran, dass es sich hier um friedliche Akte des zivilen Ungehorsams handelt, die nach Ansicht des Staatsanwalts eine Bedrohung für das gesamte „demokratische System“ darstellen! Man fragt sich, wie demokratisch das System wirklich ist“.

„“Aufruhr“ in Katalonien?“ von Ralf Streck am 29. September 2017 bei telepolis externer Link war ein Beitrag – kurz vor dem Referendum – in dem das Vorgehen der spanischen Behörden gegen die Unabhängigkeitsbewegung Thema war – und dort eben schon die Terrorismus-Keule, die sie schwingen wollen. In diesem Zusammenhang wurde als weiteres Beispiel für diese Vorgehensweise in dem Beitrag kurz auf die Ereignisse und Anklagen in Altsasu verwiesen: „Dass Richterin Lamela es mit ihrer massiven Kriminalisierungsdrohung ernst meint, wird aus ihrem bisherigen Vorgehen deutlich. Seit fast einem Jahr hält sie zum Beispiel baskische Jugendliche in Haft, die in Alsasua in eine Kneipenschlägerei am frühen 15. Oktober 2016 mit zwei Mitgliedern der paramilitärischen Guardia Civil verwickelt waren. Neun Jugendlichen aus der Kleinstadt in Navarra drohen Haftstrafen bis zu 62 Jahren. Insgesamt fordert die Staatsanwaltschaft 375 Jahre für die neun jungen Basken. Was im Fall des spanischen Stierkämpfers José Pardilla als Körperverletzung zu einer Strafe von sieben Monaten führte, die auf Bewährung ausgesetzt wurde, wird im Fall der Basken als „Terrorismus“ im Umfeld der ETA eingestuft, die seit sechs Jahren den Kampf definitiv eingestellt hat und entwaffnet. Bei Terrorismus ist nicht ein Lokalgericht in Pamplona, sondern Lamela am Nationalen Gerichtshof in Madrid zuständig. Sogar Martín Pallín, emeritierte Richter am Obersten Gerichtshof, spricht von einem „maßlosen“ Vorgang, „fern jeder Realität“, womit die Justiz eher Konflikte schaffe, statt sie zu lösen“.

„El cuatripartito llama a participar en la manifestación para reclamar justicia para los jóvenes de Altsasu“ am 12. April 2018 bei Naiz externer Link ist ein Bericht einer Pressekonferenz von vier Fraktionen im Regionalparlament von Navarra im Baskenland, die parteiübergreifend vertreten, bei dem anstehenden Prozess müsse der gesamte Anklagestrang unter der Überschrift „Terrorismus“ zurück genommen werden und in einer normale Anklage wegen einer Schlägerei verändert. Und weil dies nicht geschehe, rufen auch diese Parteien zur Teilnahme an der Protestdemonstration gegen die Justizwillkür des spanischen monarchischen Regimes auf, die am Samstag, 14. April 2018 stattfinden wird.

„Sindicatos navarros piden que se retire la calificación de „terrorismo“ para los jóvenes de Altsasu“ am 06. April 2018 bei Noticias de Navarra externer Link ist der Bericht über eine gemeinsame Stellungnahme der Gewerkschaften CCOO, ELA, LAB, ESK, CGT, Steilas, Hiru und EHNE aus der Region, die darin ebenfalls fordern, die Anklage wegen „Terrorismus“ gegen die Jugendlichen unbedingt fallen zu lassen. Was nicht nur an sich bemerkenswert ist, sondern vor allem auch aufgrund der Tatsache, dass Gewerkschaften wie die staatstragende CCOO und die im Baskenland stärksten Regionalgewerkschaften ELA und LAB normalerweise keine besonders engen Beziehungen pflegen.

Zur Repression (nicht nur) in Spanien zuletzt: „Puigdemont wird einstweilen nicht ausgeliefert – die Repression in Spanien geht immer weiter“ am 06. April 2018 im LabourNet Germany

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=130514
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