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„Im spanischen Strafgesetzbuch steht nichts davon, dass Wählen ein Verbrechen sei…“ – warum die sozialdemokratische Minderheitsregierung Spaniens nicht mehr unterstützt wird

wahlergebnis katalonienZum Verhängnis wurde Sánchez, dass er angesichts des Drucks seiner Parteirechten und vor der Demonstration am Sonntag den zaghaften Dialog mit der katalanischen Regierung abgebrochen hatte, was auch Podemos kritisierte. Deshalb haben die Katalanen auch geschlossen den Haushalt abgelehnt, weil es bisher den versprochenen Dialog oder Entspannungsgesten nicht gab. Der Sprecher der Republikanischen Linken (ERC) Joan Tardá, dessen Formation Sánchez besonders weit entgegenkommen wollte, nannte Sánchez einen Falschspieler. Man sei „zu leichtgläubig“ gewesen und der Regierungschef habe ihre Unterstützung monatelang „für nichts“ erhalten, sagte Tardá selbstkritisch. Das Verhalten der ERC hatte zu starken Spannungen im Unabhängigkeitslager geführt, es wurde auch schon von Spaltung gesprochen. Tardá sprach von einer verlorenen Chance, weil Sánchez vor der Rechten in „Angststarre“ verfallen sei. Doch nun ist deutlich, dass die Unionisten gespalten sind und es Spanien über den Haushalt und Gesten nicht gelang, das Unabhängigkeitslager zu spalten. Es fallen vielmehr die Parteien übereinander her, die gemeinsam Katalonien im vergangenen Herbst eine Zwangsverwaltung verpasst haben. Statt Politik zu machen, kamen Knüppel, Gummigeschosse, Richter und Staatsanwälte zum Einsatz. Der Todesstoß für den Haushalt gab am zweiten Prozesstag gegen 12 Anführer der Unabhängigkeitsbewegung das Ministerium für Staatsanwaltschaft. Während über den Haushalt im Kongress debattiert wurde, hielt das Ministerium an den absurden Anschuldigungen der Rebellion und Aufruhr in einem von Unregelmäßigkeiten geplagten Verfahren fest, welche der Verteidiger Jaume Alonso Cuevillas schon im Telepolis-Gespräch herausgearbeitet hatte. „Alle geltenden Regeln“ seien geändert worden, führte er auch massive Verstöße gegen Verteidigerrechte und Rechtsgrundsätze an. Dass 120 Juraprofessoren verschiedener Universitäten aus ganz Spanien das Verfahren als „Irrtum“ bezeichnen, mit dem „Rebellion und Aufstand banalisiert“ würden, interessiert die Anklage auch nicht….“ – aus dem Beitrag „Pedro Sánchez stürzt über den Prozess gegen Katalanen“ von Ralf Streck am 13. Februar 2019 bei telepolis externer Link über den Zusammenhang der Niederlage bei der Haushaltsabstimmung und dem Abbruch der Gespräche mit den katalanischen Unabhängigkeitskräften zum Beginn des Schauprozesses gegen sie. Siehe zur aktuellen Regierungskrise in Spanien und ihren Ursachen zwei weitere aktuelle Beiträge, darunter einer über die Erklärung des Hauptangeklagten im Katalonien-Prozess und einen Kommentar zu dieser Entwicklung:

  • „Spanien macht einem katalanischen Märtyrer den Prozess“ von Judith Korman am 14. Februar 2019 in der NZZ externer Link zum beginnenden Prozess: „Als es brenzlig wurde, floh Carles Puigdemont ins Ausland. Oriol Junqueras blieb. Jetzt drohen ihm 25 Jahre Haft. Junqueras ist der Hauptangeklagte im Prozess gegen die katalanischen Separatistenführer. Seit dem 12. Februar steht er mit elf weiteren Angeklagten in Madrid vor dem Obersten Gericht, weil sie an dem unerlaubten Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 und der anschliessenden Unabhängigkeitserklärung Kataloniens beteiligt waren. Über drei Monate soll sich das Verfahren hinziehen. Das Urteil werden die Richter wohl erst in einem halben Jahr bekanntgeben. Für Oriol Junqueras könnte es besonders hart ausfallen. Junqueras war 2017 Kataloniens Vizeregierungschef in der Regionalregierung von Carles Puigdemont. Nun wirft ihm die Staatsanwaltschaft Rebellion und Aufruhr vor sowie Veruntreuung öffentlicher Mittel. Auch für die übrigen Angeklagten fordert die Staatsanwaltschaft langjährige Haftstrafen, die höchste aber soll Junqueras bekommen. Man könnte meinen, die spanische Justiz wolle an ihm ein Exempel statuieren…“
  • „Repression und Dialogverweigerung stürzt spanische Regierung“ von Ralf Streck am 14. Februar 2019 bei telepolis externer Link ist ein Kommentar zu diesen aktuellen Vorgängen, in dem unter anderem zum Zusammenhang zwischen parlamentarischer Niederlage und Prozess gegen katalanische Politiker unterstrichen wird: „Sánchez hat die Geschichte seines angekündigten Absturzes selbst geschrieben. Es war seit langem klar, dass er mit seinem Haushalt über den „Schauprozess“ gegen die Katalanen stürzen würde, wenn er das Ruder in den Beziehungen zu den Katalanen nicht herumreißen würde. Das geschah nicht, weshalb sogar schon die Behandlung des Haushalts im Madrider Parlament abgelehnt wurde und er nun gezwungen ist, nach nur neun Monaten Neuwahlen anzusetzen. Die Katalanen setzen keine Hoffnungen mehr in ihn, nachdem der Prozess gegen die ehemalige Regierung und Aktivisten begonnen hat. Wofür also das Zeitfenster während der Behandlung des Budgets offenhalten, um die Verabschiedung dann wegen dessen Politik zu verhindern. Die letzten Zweifel bei der ERC und PDeCat haben die Anklagevertreter des Ministeriums für Staatsanwaltschaft und des Juristischen Dienstes der Regierung mit ihren absonderlichen Ausführungen und Anklagen ausgeräumt, als am Mittwochmorgen unweit vom Obersten Gerichtshof über den Haushalt debattiert wurde…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=144363
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