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Brutale Push Backs in Melilla: Spanische Regierung will Völkerrechtsbruch per Gesetz legalisieren

Dossier

Brutale Push Backs in MelillaWährend der Staatsanwalt von Melilla eine strafrechtliche Untersuchung des brutalen Einsatzes der Guardia Civil vom 15. Oktober 2014 einleitet, drängt die spanische Regierung darauf, die Praxis der Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Schutzsuchenden nach Marokko zu legalisieren. Die Gewaltexzesse an den einzigen Landgrenzen zwischen Afrika und Europa halten an…“ Meldung bei Pro Asyl am 31.10.2014 externer Link – nicht die erste zu Melilla, siehe allein die früheren im LabourNet hier unten (und unser Dossier zur spanischen Asylpolitik allgemein). Siehe hier die unendliche und tragische Geschichte von #Melilla:

  • [Petition] Am 24. Juni  jähren sich die tödlichen Vorfälle an der Grenze der spanischen Enklave Melilla: Gerechtigkeit für die Toten und Vermissten von Melilla! New
    Am 24. Juni  jähren sich die tödlichen Vorfälle an der Grenze der spanischen Enklave Melilla. Damals setzten die marokkanischen und spanischen Sicherheitskräfte Tränengas, Schlagstöcke und Gummigeschosse ein, um eine große Gruppe Schwarzer Menschen daran zu hindern, den Grenzzaun von Melilla zu überqueren. Die angewandten Methoden trugen zum Tod von mindestens 37 Menschen und zu Verletzungen von Dutzenden weiteren bei. Das Schicksal und der Verbleib von mindestens 77 Personen sind nach wie vor unbekannt; ihre Familien haben seitdem nichts von ihnen gehört. Die spanische Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen zu den Menschenrechtsverletzungen in Melilla schon im Dezember vergangenen Jahres eingestellt. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass die Menschen medizinische Hilfe benötigt hätten. Anzeichen für Straftaten durch spanische Sicherheitskräfte gebe es nicht. Diese Behauptungen sind ein weiterer Schlag in das Gesicht der Betroffenen und widersprechen den Recherchen von Amnesty International. Wir fordern von der spanischen Regierung eine lückenlose und unabhängige Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen! Werde aktiv und beteilige dich an unserer Online-Petition an den spanischen Ministerpräsidenten und den marokkanischen Justizminister…“ Petition bei Amnesty International Deutschland externer Link
  • Melilla: AI-Bericht belegt massive Gewalt durch die Sicherheitskräfte – Spaniens Justiz stellt Ermittlungen zu Tod von 23 Flüchtlingen ein

    • Melilla: Spaniens Justiz stellt Ermittlungen zu Tod von 23 Flüchtlingen ein
      „… Die spanische Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen zum Tod von mindestens 23 Migranten am Grenzzaun der spanischen Nordafrika-Exklave Melilla im Juni eingestellt. Sie habe keine Anzeichen für eine Straftat im Handeln der spanischen Sicherheitskräfte gefunden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die spanischen Beamten hätten nicht gewusst, dass Menschen in der Menge medizinische Hilfe benötigt hätten. Dafür hätten sich die Flüchtlinge »ständig feindselig und gewalttätig« gegenüber der marokkanischen und der spanischen Polizei verhalten. (…) Spanien und Marokko haben jede Verantwortung für den Tod der Menschen zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft betonte, alles habe sich sehr schnell entwickelt und die spanischen Sicherheitskräfte hätten die Gefahr nicht erkennen können. Der Tod der Flüchtlinge bei dem Massenansturm auf den Grenzzaun von Melilla hatte international für Empörung gesorgt. Der SPIEGEL hat die Geschehnisse gemeinsam mit internationalen Partnermedien in einem Video aufwändig rekonstruiert. (…) Amnesty International hat schwere Vorwürfe auch gegen spanische Polizisten erhoben. »Wir sprechen hier von massiven Tötungen, dem Verschwinden lassen von Menschen, Folter, Pushbacks (gewaltsame Zurückführungen) und Rassismus«, sagte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard vergangene Woche bei einer Pressekonferenz in Madrid. Der Direktor der spanischen Sektion der Menschenrechtsgruppe, Esteban Beltrán, machte ausdrücklich auch spanische Beamte für die Tragödie verantwortlich. (…) Das spanische Innenministerium wies den [Amnesty-]Bericht zurück und erklärte, er enthalte »falsche Behauptungen«. Auf spanischem Boden habe es keine Toten gegeben, betonte Innenminister Fernando Grande-Marlaska. Es handle sich um tragische Umstände auf dem Territorium eines anderen Landes, nämlich Marokko. Spanische Polizisten hätten sich an Recht und Gesetz gehalten…“ Meldung vom 24. Dezember 2022 beim Spiegel online externer Link
    • Spanien/Marokko: Untersuchung von 37 Todesfällen an der Grenze von Melilla ist unzureichend
      „Die spanischen und marokkanischen Behörden haben bei der Aufarbeitung der tödlichen Vorfälle an der Grenze der spanischen Enklave Melilla im Juni dieses Jahres, bei der mindestens 37 Menschen aus Subsahara-Afrika getötet wurden, versagt. Zu diesem Ergebnis kommt Amnesty International in einem neuen Bericht. Augenzeug*innen berichten darin von tödlicher Gewalt und unterlassener Hilfeleistung. (…) Der Bericht „‚They hit him in the head to see if he was dead‘: Evidence of crimes under international law at the Melilla border“ schildert die Ereignisse vom 24. Juni an der Grenze der spanischen Enklave Melilla, als Tausende Migrant*innen und Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika versuchten, von Marokko nach Spanien zu gelangen. Dabei kam es zu massiver Gewalt durch die Sicherheitskräfte. Mindestens 37 Menschen starben, 77 weitere gelten nach wie vor als vermisst. Die Behörden beider Staaten haben es versäumt, wirksame und transparente Ermittlungen durchzuführen, um die Geschehnisse an jenem Tag aufzuarbeiten. „Wir fordern Aufklärung darüber, wer die brutale und tödliche Gewalt gegenüber den Geflüchteten zu verantworten hat. Es muss strafrechtliche Konsequenzen geben“, sagt Franziska Vilmar, Asylexpertin von Amnesty International in Deutschland. „Dass spanische und marokkanische Behörden ein halbes Jahr nach den tödlichen Ereignissen am Grenzzaun von Melilla noch immer keine Untersuchungsergebnisse veröffentlicht haben, gibt den Anschein von Vertuschung. Auch die EU muss sich sowohl mit den Vorfällen befassen, als auch die generelle spanisch-marokkanische Zusammenarbeit beim Grenzschutz auf den Prüfstand stellen. Hier geht es insbesondere auch um Rassismus gegenüber Schwarzen Geflüchteten. (…) Anhand von Augenzeugenberichten, Videomaterial und Satellitenbildern zeichnet der neue Amnesty-Bericht ein detailliertes Bild der Ereignisse an dem als „Barrio Chino“ bekannten Grenzübergang nach Melilla nach. Demnach bewarfen Polizeikräfte Schwarze Geflüchtete mit Steinen und feuerten in geschlossenen Räumen Tränengas auf sie ab. Viele der Verletzten wurden geschlagen und getreten, als sie schon auf dem Boden lagen, fast bewusstlos waren, nicht reagierten oder nach Atem rangen. Ein Augenzeuge berichtete Amnesty International, dass spanische Sicherheitskräfte verletzte Personen über die Grenze nach Marokko zurückdrängten, obwohl sie „bluteten und offene Wunden hatten“. Der Bericht zeigt, dass die Ereignisse dieses Tages vorhersehbar und der Verlust von Menschenleben vermeidbar waren…“ Pressemitteilung von Amnesty International vom 13. Dezember 2022 externer Link zum 66-seitigen englischsprachigen AI-Bericht externer Link
  • [Reconstructing the Melilla Massacre] Tod an EU-Grenze. Spanien: Medienberichte belegen völkerrechtswidrige Maßnahmen in Melilla. Innenminister winkt ab 
    Schwere Vorwürfe erschüttern Spanien – Innenminister Fernando Grande-Marlaska steht unter Druck. Konkret: Ende Juni sollen mehrere Menschen bei ihrer Flucht auf der spanischen Seite des Zauns der Enklave Melilla in Nordafrika gestorben sein. Laut am Mittwoch veröffentlichter Berichte der spanischen Tageszeitung El País, des Magazins Der Spiegel, der französischen Tageszeitung Le Monde und der Recherchegruppe Lighthouse Reports wurden die Leichen jedoch weder in Spanien untersucht noch begraben, sondern zurück nach Marokko gebracht. Das würde einen weiteren Verstoß gegen spanisches und internationales Recht darstellen. (…)Die genannten Medien werfen den marokkanischen Streitkräften vor, die Migranten, die in den nahegelegenen Wäldern schliefen, angegriffen und mit Gewalt zur Weiterreise aufgefordert zu haben, was zu einer Massenpanik führte. Besonderes Augenmerk liegt aber auf der Rolle der spanischen Grenzpolizei. Denn das Innenministerium behauptete bislang felsenfest, dass auf der spanischen Seite keine Menschenrechtsverletzungen stattgefunden hätten und die Todesfälle sich auf der marokkanischen Seite des Zauns ereigneten. Die nun veröffentlichten Videos zeigen, wie marokkanische Beamte bewusstlose Körper auf der marokkanischen Seite des Zauns über den Boden ziehen. Mehrere Zeugen und auch eine visuelle Rekonstruktion des Geschehens widersprechen allerdings der Darstellung Madrids. Eine Aufnahme der spanischen Polizei mit den entscheidenden Minuten wird unter Verschluss gehalten. Einer der Zeugen erklärte, dass sein Freund auf spanischem Boden von einem marokkanischen Polizisten getötet worden sei. Sie seien in dem Gedränge gewesen, manche Flüchtlinge hätten am Boden gelegen, aber die Polizei habe dennoch Tränengas in die Menge geschossen. Sein Freund soll aber von einem Beamten durch einen Schlag mit einem Stock auf den Hinterkopf getötet worden sein. (…) Spaniens Innenminister Grande-Marlaska beharrte am Donnerstag weiterhin auf seine Version: Es habe keine Todesfälle auf der spanischen Seite gegeben. Wie zur Verhöhnung der Opfer wiederholte er, dass die Antwort der Polizisten »angemessen« gewesen sei. Der spanische Ombudsmann, Ángel Gabilondo, forderte die Regierung nochmals zur Einhaltung der Menschenrechte an der Grenze auf. In einem am Donnerstag von der spanischen Nachrichtenagentur Europapress veröffentlichten Dokument erklärte Gabilondo, dass in der Zeit zwischen Eintritt nach Spanien und der »Rückführung« lediglich zwei Minuten vergangen seien. Es wäre unmöglich gewesen, dass dies unter »legalen Anforderungen stattgefunden« habe. Somit wären auch die bestätigten »Rückführungen« illegal gewesen. Der Ombudsmann erinnerte die Regierung zudem daran, sie müsse garantieren, dass die Grenzpolizisten identifizierbar seien. Abschiebungen müssten individuell nach der Abwägung der Gründe für den Asylantrag vorgenommen werden.“ Artikel von Carmela Negrete in der jungen Welt vom 03.12.2022 externer Link, siehe dazu:

  • Spaniens Regierung wegen Melilla-Massaker unter Druck. BBC enthüllt Beteiligung spanischer Sicherheitskräfte an Vorgängen am Grenzzaun zur Exklave Melilla 
    „… Es waren äußerst brutale Vorgänge am 24. Juni an den hohen Grenzzäunen zur spanischen Exklave Melilla, die umschlossen von Marokko auf dem afrikanischen Kontinent liegt. Das tödliche Vorgehen gegen Flüchtlinge an diesem Abschnitt der EU-Außengrenze wurde auch durch zahlreiche Videos dokumentiert, wie Telepolis berichtet hatte. Doch nicht der Skandal im eigenen Land brachte die sozialdemokratische Regierung stark unter Druck, sondern erst mit vier Monaten Verspätung die Tatsache, dass die britische Rundfunkanstalt BBC in einer TV-Reportage und auf Twitter die Vorgänge ungeschminkt einer internationalen Öffentlichkeit präsentiert hat. „Mindestens 24 afrikanische Migranten starben bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen“, schreibt die BBC. Nach offiziellen marokkanischen Angaben verloren bei den Vorgängen 23 Einwanderer und Flüchtlinge das Leben. (…) So zeigt die BBC nun, dass sich die Migranten direkt nach einer Polizeiaktion am Vortag auf den Weg zur Grenze machen. Gezeigt werden auch Videos, dass Marokko nicht verhindert hat, die Gruppe zur Grenze vorstoßen zu lassen. Angesichts der herbeilaufenden Menge wurden zahlreiche Polizeifahrzeuge vor den Grenzzäunen abgezogen. Als die große Gruppe dann an der Grenze war, wurde sie dann von hinten von marokkanischen Sicherheitskräften angegriffen, womit nur noch der Weg in Richtung Melilla blieb. Alles spricht dafür, dass dahinter ein gut organisiertes Vorgehen Marokkos steht, um eine Bedrohungssituation zu schaffen. (…) Die Reportage widerlegt auch die Angaben des Innenministers, der stets erklärt hatte, auf spanischem Gebiet habe es keine Todesfälle gegeben. Auf Basis der BBC-Reportage titeln nun auch zahlreiche Medien, dass „alle Toten“ auf spanischen Territorium zu verzeichnen waren. (…) In der BBC-Reportage ist unter anderem zu sehen, wie marokkanische Beamte an den drei Grenzzäunen die Migranten aus Spanien nach Marokko zurückbringen. Ein Opfer, das von BBC interviewt wurde, erklärte den Journalisten, dass sie nach der Rückführung noch über Stunden von den marokkanischen Sicherheitskräften bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt worden seien. (…) Auffällig an den Vorgängen und deren Enthüllung ist, dass sich daran vor allem Medien wie El País oder die Radiokette Ser beteiligt sind, die eng mit den Sozialdemokraten (PSOE) verbunden sind. Sie schießen sich aber vor allem auf den Innenminister ein, dessen Tage wohl im Sinne eines Bauernopfers gezählt sind. Grande-Marlaska war ohnehin immer umstritten, da er stets mit Folter in Spanien in Verbindung gebracht wurde. In der Mehrzahl der Fälle, in denen Spanien wegen Folter vom Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg verurteilt wurde, war er der zuständige Ermittlungsrichter…“ Beitrag von Ralf Streck vom 11. November 2022 bei Telepolis externer Link
  • Gewalt gegen Migranten in Marokko: Tod am Grenzzaun. Griff die Polizei brutal gegen Migranten durch, weil es politisch gewollt war? Darauf deuten Recherchen hin. 
    „Am 26. Juni dieses Jahres geht im EU-Parlament in Brüssel ein Brief ein. Er ist unterschrieben von Lahcen Haddad, einst Tourismusminister von Marokko, heute Vorsitzender der EU-Kontaktgruppe des marokkanischen Parlaments. Sein Land sei ein „formidables Bollwerk“ gegen die illegale Migration nach Europa, heißt es darin. Marokko leiste Enormes dabei, diese abzuwehren – es bekomme dafür nur leider viel zu wenig Geld von den Europäern. Die „Erfolgsgeschichte“ der Zusammenarbeit aber dürfe nun keinesfalls durch die „tragischen Ereignisse der vorangegangenen Tage getrübt werden“, so Haddad. Was Haddad „tragische Ereignisse“ nennt, hat in sozialen Medien längst einen anderen Namen: „Massaker von Melilla“ – unter diesem Schlagwort werden die Vorfälle des 24. Juni vor den Toren der spanischen Exklave im Norden Marokkos bekannt. (…) Videos, Aussagen von Überlebenden und Augenzeugen, Berichte von Anwälten und Nichtregierungsorganisationen verdichten sich heute zu einem klaren Bild. Es zeigt: Die Sicherheitsbehörden Marokkos wurden an jenem Tag keineswegs überrannt. Die plausibelste Erklärung ist, dass die zur Schau gestellte Brutalität ein Zeichen in Richtung Europa setzen sollte: Wenn wir wollen, halten wir die Grenze dicht – egal, zu welchem Preis. In den vergangenen Tagen veröffentlichte die marokkanische Menschenrechtsliga Association Marocaine des Droits Humains (AMDH) einen detaillierten Bericht auf Grundlage der Befragung Überlebender. Zuvor hatte schon die spanische Nichtregierungsorganisation Caminando Fronteras einen ähnlichen Report vorgelegt. Die taz konnte zudem Aussagen Überlebender anhören, mit Augenzeugen und Rechtsanwälten sprechen. Ihre Angaben decken sich mit den an diesem Tag entstandenen Videos…“ Recherche von Christian Jakob am 5. Oktober 2022 in der taz online externer Link
  • Marokko erhält 500 Millionen Belohnung für das „Massaker von Melilla“ von der Europäischen Union um seine Grenzen zu kontrollieren 
    „… Das autokratische Königreich Marokko bekommt eine Vorzugsbehandlung aus der EU, Spanien und auch Deutschland. Dass man in der EU und in Deutschland die Augen davor verschließt, dass in Spanien ankommendes Gas nicht in der EU verbleibt, sondern trotz Gasnotstand nach Marokko geliefert wird, ist schon ein klares Beispiel dafür. Dass man damit zudem den großen Gaslieferanten Algerien mitten in einer Gaskrise vor den Kopf stößt, ist ein deutlicher Hinweis einer fatalen Energiepolitik, die hier betrieben wird und die Verbraucher teuer trifft. Man sollte sich nicht wundern, wenn Algerien die Drohung wahrmacht und den Gashahn nach Spanien abdreht und den Gasnotstand in der EU zuspitzt. Denn Spanien höhlt die Bestrebungen der UN zur Entkolonisierung der Westsahara aus. Praktisch hat die ehemalige Kolonialmacht Spanien im Frühjahr die Souveränität Marokkos über die „letzte Kolonie Afrikas“ anerkannt hat. (…) Dass diese Vorgänge aber aus Brüssel gedeckt werden, hatte schon der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell deutlich gemacht. Er setzt unter anderem alles daran, ein höchstrichterliches Urteil auszuhebeln. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg hatte schon im vergangenen Jahr ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und Marokko für nichtig erklärt, weil darüber auch die Westsahara ausgeplündert wird. Statt das Urteil umzusetzen, hatte Borrell nichts Besseres zu tun, als gemeinsam mit Marokko zu erklären, dass sichergestellt werde, dass das rechtliche Rahmenwerk erhalten bleibt. Angesichts dieser Vorgänge muss man wahrlich nicht mehr darüber wundern, wenn es dem Mann und der EU-Kommission auch nicht in den Sinn kommen, Marokko für die tödlichen Vorgänge an den Grenzen zu den Exklaven Ceuta und Melilla zu bestrafen, sondern sie sogar belohnt. Ende Juni kamen bei äußerst brutalen Vorgängen allein an den Grenzzäunen zu Melilla mindestens 37 Menschen ums Leben. Statt auf die Einhaltung der Menschenrechte und Aufklärung von Marokko zu fordern, soll das autokratische Königreich offenbar nun mit einer halben Milliarde Euro aus dem EU-Haushalt bedacht werden. „Marokko wird mehr Geld als je zuvor von der Europäischen Union erhalten, um seine Grenzen zu kontrollieren“, schreibt die große spanische Zeitung El País. Sie ist praktisch das Verlautbarungsorgan der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) und damit der Regierung. Sie unterhält sehr enge Kontakte zu Borrell, weshalb davon auszugehen ist, dass die EU tatsächlich dabei ist, „ein Paket von mindestens 500 Millionen Euro zu schnüren, um die Bemühungen Rabats zur Bekämpfung der irregulären Einwanderung zu finanzieren“. (…) Wenn dieser menschenverachtende Posten an einen Staat tatsächlich beschlossen wird, der für Menschenrechtsverletzungen auf allen Ebenen bekannt ist, wird definitiv klargestellt, dass auch die EU will, dass nun auch scharf auf Menschen an den Außengrenzen geschossen wird. Das haben Menschenrechtsorganisationen an der „Mauer“ in Melilla kürzlich belegt. Die stellen fest, dass die Politik der spanischen Sozialdemokraten „deckungsgleich“ mit der von Rechtsradikalen ist. Das soll die neue Brüsseler Linie werden…“ Beitrag von Ralf Streck vom 18. August 2022 bei Telepolis externer Link („Marokko erhält 500 Millionen Belohnung für das „Massaker von Melilla““)
  • [Report] Das Gemetzel an der Grenze zwischen Nador und Melilla, 24. Juni 2022 
    „… Seit Mai dieses Jahres sind die Lager in den Wäldern um Melilla zu einem Kriegsgebiet geworden. Militärische Übergriffe mit immer aggressiveren Strategien und militärischer Ausrüstung haben zwei- bis dreimal jede Woche stattgefunden. Dabei wurden Menschen und Eigentum erheblich geschädigt. Die Sicherheitskräfte greifen die Lager der Migrant*innen in den frühen Morgenstunden an. Zunächst umstellen Gruppen von Soldaten die Ghettos (mit diesem Begriff werden informelle Lager bezeichnet, die aus behelfsmäßigen Unterkünften aus Holz und Plastik bestehen), während die Menschen schlafen, und überrumpeln sie. Dann kommen Hubschrauber und beginnen Gas zu versprühen, das nach Aussagen von Migranten*innen dazu dienen soll,  sie auf der Flucht vor den Hilfstruppen zu ersticken. Diese Operationen dauern Stunden und enden damit, dass die Lager dem Erdboden gleichgemacht werden. Bei jeder Razzia verlieren die Menschen die wenigen materiellen Besitztümer, die sie noch besitzen. Sie berichten auch von einer Verschlechterung ihrer körperlichen und psychische Gesundheit als Folge dieser Praktiken. Die von unserer Organisation befragten Opfer/Überlebenden beschrieben die Auswirkungen der Razzien auf ihr Leben (…) Am 24. Juni kam es zwischen 08:00 und 14:00 Uhr zu Zusammenstößen zwischen Migrant*innen und Soldaten. In den ersten Stunden beschränkten sich diese Zusammenstöße auf Handgemenge. Später wurden die Stöcke, die Steine, die Verzweiflung und Angst der Migrant*innen mit Drohnen, Überwachungskameras, Tränengas und Schusswaffen beantwortet. Die erste Gruppe, die den Grenzzaun erreichte, versuchte mit der Motorsäge die Drähte zu durchtrennen, aber Zeugen erklärten, dass ihnen schnell die Batterie ausging und sie mit der Schere nicht mehr viel ausrichten konnten. Einige Leute schafften es die andere Seite des Zauns zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Soldaten die Menschen bereits von hinten eingekreist und diejenigen, denen es nicht gelungen war die andere Seite zu erreichen, wurden umzingelt. Sie saßen in der Falle; die Menschen fielen einer nach dem anderen zu Boden, erhielten aber keine Hilfe. Es gab keine koordinierte Unterstützung aus Spanien oder Marokko für die Menschen am Zaun, die unter den Auswirkungen des von den Soldaten verursachten Drucks am Boden lagen. Im Gegenteil, Zeugen berichten, dass die marokkanischen Streitkräfte die Körper der zu Boden Gefallenen zertrampelten. Diejenigen, die nicht mehr in der Lage waren, sich zu bewegen, wurden weggeschleppt und in die Sonne geworfen, ohne dass versucht wurde, das Ausmaß ihrer Wunden zu beurteilen. Wenn sie sich bewegten, wurden sie geschlagen, bis sie sich nicht mehr bewegten. (…) Den mündlichen Aussagen der Opfer und Überlebenden zufolge hat der spanische Staat Dutzende von potenziellen Geflüchteten und unbegleitete Minderjährige am 24. Juni nach Marokko zurückgedrängt. Diese Abschiebungen erfolgten unter der Beobachtung spanischer Behörden, welche die Folter und unmenschliche und erniedrigende Behandlung direkt mit ansahen. Die spanischen Behörden sahen, was geschah und nutzten diese Informationen, um die repressiven Militärstrategien Marokkos zu unterstützen. Keines der beiden Länder unternahm Anstrengungen, um den Opfern zu helfen und die schrecklichen Folgen der Tragödie zu lindern…“ Aus der deutschen Übersetzung des Reports „Masacre Frontera Nador-Melilla 24J“ von Ca-minando Fronteras bei migration control.info vom 5. August 2022 externer Link
  • Tödliche spanisch-marokkanische Flüchtlingspolitik / Spanische Migrationspolitik: „Deckungsgleich mit der des rechtsradikalen Salvini!“
    • Spanische Migrationspolitik: „Deckungsgleich mit der des rechtsradikalen Salvini!“
      So im Interview von Ralf Streck vom 2. August 2022 bei Telepolis externer Link die vielfach preisgekrönte Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Helena Maleno „…Caminando Fronteras sammelt im neuen Monitoring auch viele Stimmen der überlebenden Migranten des so genannten Massakers von Melilla. Was berichten die Opfer über die Ereignisse am 24. Juni? Helena Maleno: Der Bericht ist in drei Teile aufgegliedert. Im ersten Teil wurde vor allem die Zeit vor dem Massaker beschrieben. Nach einem Abkommen zwischen Marokko und Spanien im März gab es sehr harte militärische Aktionen gegen die Flüchtlinge, bei denen sie auch aus Hubschraubern mit Tränengas beschossen wurde. Es gibt eine militärische Aufrüstung gegen die Menschen. Für die war das in den Wäldern an der Grenze zu Melilla eine unhaltbare Situation, die sie praktisch verzweifelt zur Mauer getrieben hat. Es war auffällig auf den Bildern, dass sie keine Leitern wie sonst üblich dabeihatten. Die fertigen sie sich normalerweise an. Das zeigt, dass das nicht vorbereitet war. Sie wurden mit Militäraktionen, mit Festnahmen und Prügel zu der Aktion gedrängt, bei denen sogar der Wald angezündet wurde, in dem sie sich aufgehalten haben. Es muss hier auch gesagt werden, dass bei den Razzien, die von der EU finanziert werden, die Frauen zur Strafe vergewaltigt werden. (…) Direkt vor Ort konnten wir 37 Tote dokumentieren. Bestätigt haben wir weitere drei Tote, die in Hospitälern an den schweren Verletzungen gestorben sind. Einige Schwerverletzte wurden auch in Bussen deportiert und es ist unklar, was mit ihnen passiert ist. Was uns, neben den vielen Toten, auch aufgefallen ist, war die große Zahl der Verletzten. Es waren mehr als 800. (…) Wir haben selbst einen jungen Mann versorgt, dem eine Kugel herausoperiert werden musste, aber viele Toten wurden ohne Untersuchung schnell verscharrt. Mehr als 12 Stunden wurden Verletzte nicht behandelt, was letztlich zu der großen Todeszahl geführt hat. Die Verantwortung dafür liegt klar bei Spanien und Marokko. Was mich aber besonders überrascht, ist, warum man uns das Massaker gezeigt hat. Die Videos wurden von Sicherheitskräften aufgenommen. Dort zwischen den drei Zäunen konnten Hilfsorganisationen keine Aufnahmen machen und die Migranten lagen verletzt am Boden. Es war das Ziel, dass das gezeigt wird. Wir verstehen nur nicht warum. Vielleicht ist es ein Signal an Europa, um zu zeigen, was man tun will. (…) Das ist der Rassismus. (…) Wir haben es mit einer Fortführung des europäischen Kolonialismus zu tun, wie die steigende Zahl der Toten zeigt. Es ist auch offensichtlich, dass der Krieg um die Rohstoffe schon in vollem Gange ist, dazu kommt der Klimawandel in einer begrenzten Welt. Das führt zu weiteren gewaltsamen Vertreibungen und noch mehr Tote. Wenn es eine Lösung gibt, dann kommt die aus dem Süden und nicht von einer Linken aus Nordeuropa, die letztlich auch Komplizen dieser Politik sind.“
    • EU-Migrationspolitik: Tödliche spanisch-marokkanische Flüchtlingspolitik
      „… Menschenrechtsorganisationen wie »Caminando Fronteras/Walking Borders« beklagen die »Normalisierung des Todes« an den EU-Außengrenzen. Für sie sind die brutalen und tödlichen Vorgänge an den Landgrenzen zwischen Afrika und den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta eine neue Eskalationsspitze. Mindestens 40 Tote wurden von der Nichtregierungsorganisation (NGO) bei den Vorfällen Ende Juni bestätigt. Spanien und Marokko stehen dafür vor allem auf dem afrikanischen Kontinent unter Druck, wo die Afrikanische Union genauso eine Untersuchung fordert wie ein Sonderausschuss der Vereinten Nationen. Auch 51 Europaabgeordnete forderten die EU-Kommission auf, die »Verantwortlichkeiten« zu benennen. Bisher ist aber kaum etwas passiert. In Marokko werden die Vorgänge verschleiert, die Toten schnell verscharrt. Auch in Spanien gibt es wenig Druck. (…) Erkauft hat sich Spanien das blutige Vorgehen Marokkos über einen Deal. Die Regierung unter Pedro Sánchez hatte plötzlich im März praktisch die Souveränität Marokkos über die illegal besetzte Westsahara anerkannt, ein rohstoffreiches ehemaliges spanisches Gebiet. Seither geht Marokko wieder brutal gegen Flüchtlinge und Migranten vor, die sich in einem unzugänglichen Wald nahe der Grenze aufhalten. »Caminando Fronteras« hat nun einen Bericht vorgelegt, der sich mit den Entwicklungen an den spanischen Außengrenzen beschäftigt. Ein Schwerpunkt sind die Vorgänge an den sechs Meter hohen Grenzzäunen um Melilla am 24. Juni, bei dem nachweislich mit scharfer Munition geschossen wurde. Das »Massaker« sei bewusst provoziert worden, um Videos zur Abschreckung zu veröffentlichen und die Vorgänge als Drohpotential vor dem Nato-Gipfel Ende Juni in Madrid zu präsentieren, vermutet die NGO. Die zynische Reaktion der sozialdemokratischen Regierung erreicht dabei genauso eine neue Qualität wie die Tatsache, dass scharf auf Menschen geschossen wird und marokkanisches Militär sogar von Spanien aus gemeinsam mit der paramilitärischen spanischen Guardia Civil agiert. (…) Dass die Nato auf ihrem Madrider Gipfel kurz nach den Vorgängen in Melilla in ihrer neuen Doktrin Einwanderung als »Bedrohung« nennt, wie es Spanien schon vor dem 24. Juni gefordert hatte, deutet auf eine weitere Eskalation an den Außengrenzen hin. Migration wird nun in einem Atemzug mit Terrorismus genannt. Damit wird der Einsatz von Waffengewalt gegen Menschen gerechtfertigt, die vor Kriegen flüchten und auf dem Weg nach Europa neue Mauern überwinden. Allein an den spanischen Grenzen wurden im ersten Halbjahr bereits fast 1000 Todesfälle registriert, darunter 118 Frauen und 41 Kinder.“ Artikel von Ralf Streck vom 1. August 2022 in neues Deutschland online externer Link
  • Prozess nach Ansturm auf Melilla: In Marokko stehen 33 Menschen vor Gericht. Sie und Hunderte andere hatten versucht, den Grenzzaun zur Exklave Melilla zu überwinden. 
    „In der nordmarokkanischen Stadt Nador hat am Montag ein erstes Verfahren gegen 33 Menschen begonnen, die am 24. Juni versucht hatten, den Grenzzaun zur spanischen Exklave Melilla zu überwinden. Den Angeklagten, von denen 29 aus dem Sudan und 4 aus dem Tschad stammen, wird vom erstinstanzlichen Gericht vorgeworfen „die klandestine Ein- und Ausreise von Ausländern nach und aus Marokko begünstigt und organisiert“ zu haben. Außerdem werden ihnen „Gewalt und Beleidigungen“ gegen marokkanische Grenzschützer sowie ein „bewaffneter Menschenauflauf“ vorgeworfen. Die Eröffnung des Verfahrens war mehrmals verschoben worden. Die Anklage bezieht sich auf den frühen Morgen des 24. Juni, als zwischen 1.500 und 2.000 Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika die Grenze zum spanischen Melilla stürmten. Dabei kamen laut marokkanischen Behörden 27 Flüchtlinge ums Leben. Menschenrechtsorganisationen aus Spanien und Marokko sprechen gar von 37. Insgesamt sollen 140 Beamte und 76 Migranten Verletzungen erlitten haben. Neben den Angeklagten wurden 32 weitere Personen festgenommen. 28 von ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, „die Ein- und Ausreise von Menschen“ sogar „regelmäßig organisiert“ zu haben. Damit ist es kein einmaliger Gesetzesverstoß, sondern erfüllt den Straftatbestand des Menschenhandels. Außerdem wird ihnen Brandstiftung und Geiselnahme vorgeworfen. Sie sollen einen marokkanischen Polizisten entführt und in einer Elendssiedlung im Wald Feuer gelegt haben. Die Eröffnung ihres Verfahrens wurde auf den 27. Juli verschoben. In den Ermittlungsakten, zu denen die spanische Nachrichtenagentur EFE Zugang hatte, steht, dass einige Angeklagte bereits ein Geständnis abgelegt haben. Die Verteidiger erklärten allerdings gegenüber EFE, dass diese Aussagen zurückgezogen worden seien.(…) Was in jenen frühen Morgenstunden im Juni tatsächlich geschah, ist bis heute nicht aufgeklärt. Offizielle Untersuchungen gibt es keine, weder auf spanischer noch auf marokkanischer Seite. Die marokkanischen Behörden verscharrten die Opfer umgehend in Massengräbern. (…)Trotz der schweren Vorwürfe durch Menschenrechtsorganisationen lobten sowohl die Regierung in Rabat als auch die Linkskoalition in Madrid den Einsatz der Polizei beider Länder. Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez erklärte, die Grenzschützer hätten „eine außerordentliche Arbeit“ geleistet, um „einen gewaltsamen Angriff auf die Integrität unseres Landes, der von der Menschenhändlermafia organisiert wurde“, abzuwehren. Auch in Marokko ist immer wieder von einer Mafia die Rede. Die Flüchtlinge würden vom Nachbarn Algerien nach Marokko eingeschleust, lautet einer der Vorwürfe.“ Artikel von Reiner Wandler vom 19. Juli 2022 in der taz online externer Link
  • Melilla: Der Umgang mit den Lebenden wie den Toten offenbart das Versagen Europas – für die Beendigung der tödlichen EU-Kooperation mit Marokko bei der Grenzabwehr
    • Migration: Wider die Entmenschlichung. Der Umgang mit den Lebenden wie den Toten offenbart das Versagen Europas
      „Auch Tage nach den tödlichen Vorkommnissen an der Grenze zur spanischen Exklave Melilla kursieren in sozialen Netzwerken die verstörenden Bilder von den Europäischen Außengrenzen. (…) Es ist das Bild aufgehäufter menschlicher Leiber, von Halbtoten und Toten, das ein neues Niveau der Feindschaft und Entmenschlichung demonstriert. Bilder zeigen, wie bewaffnete Grenzpolizisten an jenem Freitag, den 24. Juni, Steine auf Migrierende schmeißen, selbst noch auf Verletzte und auf dem Boden liegende Menschen einprügeln, sie verhöhnen. Stundenlang wurden Verletzte ohne Hilfe liegen gelassen, was die Zahl der Todesopfer noch erhöhte, berichtet die Organisation Walking Borders. Was sich an der Grenze zur Exklave Melilla, diesem Überbleibsel des spanischen Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent, abspielt, ist neuer trauriger Höhepunkt einer migrationspolitischen Entwicklung, die wir seit Jahren beobachten und immer wieder kritisiert haben. Die Polarisierung zwischen den G7-Staaten und dem Rest der Welt spitzt sich kontinuierlich zu: durch wirtschaftliche, soziale und ökologische Krisen, die Vernichtung von Lebensgrundlagen und Hunger. Doch die Antwort Europas gegenüber Fliehenden aus dem Globalen Süden beschränkt sich immer stärker auf den Ausbau von „robusten Grenzanlagen“ und direkte Gewaltanwendung. (…)Seit einigen Jahren beobachten wir jedoch eine weitere folgenreiche Diskursverschiebung: die Bezeichnung von Migration als „Waffe“ oder „Angriffskrieg“. Mit dieser sprachlichen Wendung erscheint Migration nicht länger als humanitäre Frage, auf die im Rahmen der Menschenrechte und der Genfer Flüchtlingskonvention reagiert wird. Stattdessen werden Schutzsuchende zu Angreifern erklärt, zu Kriegsteilnehmenden, gegen die wir uns verteidigen müssen und denen keinesfalls unser Mitleid gelten kann. So wird das Recht auf Flucht und Suche nach einem besseren Leben endgültig delegitimiert. (…) Auch auf juristischer Ebene wird es zunehmend schwieriger, Menschenrechtsverletzungen anzufechten. So haben beispielsweise Bulgarien und Polen ihre gewaltsamen Pushback-Praktiken de facto legalisiert. (…) Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) scheint seine Rechtsprechung zunehmend dem migrationsfeindlichen Umfeld anzupassen. (…) Gewalt und Entmenschlichung in Melilla verweisen in aller Deutlichkeit auf die rassistische Ordnung, die sich an den Grenzen Europas manifestiert. Sie teilt Menschen in solche, die zu leben verdienen, und andere, deren Tod hingenommen oder sogar gerechtfertigt wird. Europa wendet sich – zu Recht! – dem Schicksal der Menschen in der Ukraine zu, betrauert ihren Tod und empfängt Flüchtende mit offenen Armen. Gleichzeitig wendet es sich von Menschen ab, die als fremd wahrgenommen werden. (…) Deshalb schließen wir uns der Forderung marokkanischer Menschenrechtsorganisationen an, die Vorfälle an der Grenze zu Melilla durch eine unabhängige internationale Kommission, bestehend aus Menschenrechtsorganisationen, Menschen- und Völkerrechtler:innen, Familienangehörigen der Opfer und kritische Wissenschaftler:innen, zu untersuchen. Wir fordern die Europäische Kommission auf, den alltäglichen und systematischen Bruch internationalen und europäischen Rechts an Europas Grenzen zu beenden. Sie muss Vertragsverletzungsverfahren gegen die jeweiligen Mitgliedstaaten initiieren und die Grenzschutzagentur Frontex aus diesen Ländern abziehen.“ Analyse des Rates für Migration und von medico international vom 30. Juni 2022 externer Link (der Rat für Migration ist ein bundesweiter Zusammenschluss von über 180 Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen) – super Analyse und Positionsbestimmung! Auch die Forderungen am Schluss sind wichtig! Siehe auch:
    • Melilla: Bundesregierung muss sich einsetzen für die Beendigung der tödlichen EU-Kooperation mit Marokko bei der Grenzabwehr
      „Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL begrüßen, dass die spanische Justiz die brutale Gewalt gegen Schutzsuchende an der Grenze zur spanischen Exklave Melilla untersuchen will. (…) Nachdem Grenzkräfte an den europäischen Außengrenzen in Melilla auf Schutzsuchende eingeprügelt haben, Hunderte schwer verletzt zurückließen und dabei mindestens 23 Menschen zu Tode kamen, erklärt Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung bei PRO ASYL: „Nicht nur ist die Gewalt, mit der die Grenzkräfte in Melilla gegen Schwarze Menschen auf der Flucht vorgegangen sind, völlig außer Kontrolle geraten. Auch die politischen Reaktionen sind außer Kontrolle: Sie zeigen die Menschenverachtung, die Verantwortliche nutzen, um das Geschehene zu legitimieren. In Melilla fallen die letzten Tabus in der europäischen Abwehrpolitik. Das Recht auf Leben und auf Schutz sowie die Menschenwürde lösen sich auf.“ So lobte der spanische Ministerpräsident Sanchez das Vorgehen der Sicherheitskräfte, und EU-Ratspräsident Charles Michel sagte den spanischen Behörden seine volle Unterstützung zu. (…) Es ist wichtig, dass zumindest die spanische Justiz zu erkennen scheint, dass hier die Menschen- und Grundrechte der Schutzsuchenden verletzt wurden. Auch mehrere UN-Organisationen und die Afrikanische Union hatten eine Untersuchung gefordert. Doch das reicht nicht. Von der Bundesregierung fordern Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL eine deutliche Verurteilung der Brutalität an der Grenze und eine klare Positionierung gegen dieses tödliche europäische Grenzregime. Karl Kopp dazu: „Von einer Bundesregierung, die nach eigenen Aussagen das Leid und den Tod an den Außengrenzen beenden will, erwarten wir eine klare Verurteilung dieser Menschenrechtsverletzungen. Zudem muss sie sich dafür einsetzen, die tödliche EU-Kooperation mit Marokko bei der Grenzabwehr zu beenden. Die Normalisierung von Gewalt gegen Geflüchtete an den EU-Außengrenzen muss ein Ende finden.“…“ Pressemeldung vom 29. Juni 2022 von und bei Pro Asyl externer Link
  • #MasacreEnMelilla: Spaniens Premier findet kein Wort des Bedauerns und lobt seine Sicherheitskräfte – dem stehen breite Proteste gegenüber
    • Ein neuer Abgrund für Europa
      Spaniens Premier findet kein Wort des Bedauerns angesichts 37 toter Migranten in Melilla. Stattdessen lobt er seine Sicherheitskräfte. Es sind nicht mehr nur die Rechtsextremen, die die Werte des Kontinents zugrunde richten. (…) Die Normalisierung dieses Sterbens geschieht gewöhnlich schleichend, man nimmt es hin und schaut weg. Aber an diesem Wochenende hat Europa einen neuen Abgrund erreicht: Da stellte sich Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez vor die Mikrofone und lobte – ja, lobte – angesichts von mutmaßlich 37 Toten an der Grenze zwischen Marokko und Melilla die „außergewöhnliche Arbeit unserer Sicherheitskräfte“. Sie hätten sich erfolgreich gegen einen „gewaltsamen Angriff auf die territoriale Integrität Spaniens“ zur Wehr gesetzt und dies, so unterstrich Sánchez, in „koordinierter Zusammenarbeit“ mit den marokkanischen Sicherheitskräften. Kein Wort des Bedauerns von Sánchez, der einst als Oppositionsführer das Sterben an den EU-Außengrenzen selbst scharf angeprangert hatte. Keine Ankündigung, die Todesursachen bei den 37 Opfern zu ermitteln. Stattdessen plumpe Kriegsrhetorik und Schmeicheleien in Richtung Rabat. Wie tief ist die Moral in Europa schon gesunken, dass ein linker, nach eigener Definition progressiver Politiker derart gefühllos über den Tod Unbewaffneter spricht? Dass er es gutheißt, wenn Grenzschützer halbtote und tote Menschen vor sich zu Haufen auftürmen, wie es Videomaterial von der Grenze in Melilla dokumentiert, und den Vorfall damit als „gut gelöst“ bezeichnet?…“ Kommentar von Karin Janker vom 26. Juni 2022 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
    • „Massaker von Melilla“: Viele Tote an spanischer EU-Außengrenze
      „… Das Entsetzen ist groß über das, was in der Nacht zum Samstag an der marokkanisch-spanischen Grenze passierte. Mindestens 37 Asylsuchende starben bei dem Versuch, aus Marokko die spanische Exklave Melilla zu erreichen. Die Bilder und Videoaufnahmen von dem, was an den sechs Meter hohen Grenzzäunen, die Afrika von der EU trennen, geschah, sind verstörend. Sie dokumentieren, wie marokkanische Sicherheitskräfte sogar auf der spanischen Seite der „Mauer“ Jagd auf Schwarzafrikaner:innen machen, sie dort festnehmen und mit Gewalt zurück auf das marokkanische Territorium bringen, wie in einem Video zu sehen ist, das u.a. die Online-Zeitung „Público“ veröffentlicht hat externer Link . Auch eldiario.es veröffentlichte Videos, wie die marokkanische Gendamerie die Einwanderer und Flüchtlinge mit Steinen bewarf und auch die spanische Guardia Civil an den sogenannten „heißen Abschiebungen“ beteiligt gewesen ist externer Link . Andere Aufnahmen zeigen Dutzende von Menschen, die am Grenzzaun liegen, einige blutend und viele offensichtlich leblos, während marokkanische Sicherheitskräfte über ihnen stehen. In einem der Clips schlägt ein marokkanischer Sicherheitsbeamter offenbar mit einem Schlagstock auf eine am Boden liegende Person ein externer Link . (…) Amnesty International zeigt sich in einer Erklärung tief besorgt über die Ereignisse an der Grenze externer Link. (…) Der Fotojournalist und Pulitzer-Preisträger Javier Bauluz teilte ein Video auf Twitter, auf dem Schüsse auf die am Boden sitzenden Migranten und Schläge auf diejenigen zu sehen sind, die aus großer Höhe zu Boden stürzen externer Link . Von der marokkanischen Seite werden die Menschen dabei mit Steinen beworfen, wie auf dem Video zu sehen ist. (…) Erst kürzlich wurde der Journalist über das Maulkorbgesetz mit einer Strafe von 1.000 Euro belegt, weil er über ankommende Migranten auf den Kanarischen Inseln berichten wollte externer Link. Das Gesetz der ultrakonservativen Vorgängerregierung – so hatten es die Sozialdemokraten und der linkere Koalitionspartner „Unidas Podemos“ (UP) versprochen –, sollte längst gestrichen sein. Es wurde mit Blick auf die Vorgänge in Katalonien aber sogar verschärft externer Link. (…) Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte in Melilla resultiert nicht zuletzt aus einem spanisch-marokkanischen Abkommen, das von der UP mitgetragen wird. Mit dem Abkommen hat die Sánchez-Regierung die Souveränität der Westsahara de facto preisgegeben (Marokko besetzt seit Jahrzehnten widerrechtlich die Westsahara), um sich im Gegenzug dafür vom autokratisch regierten Königreich die Garantie zu erkaufen, Asylsuchende und Migrant.innnen an der EU-Grenze abzuwehren. Marokko hat Spanien hinsichtlich der Abwehr von Flüchtlingen immer wieder erpresst…“ Beitrag von Ralf Streck vom 27. Juni 2022 in Telepolis externer Link
    • Mord im EU-Auftrag. Nach Massaker bei Melilla: Marokko hebt Massengräber für tote Geflüchtete aus. Spaniens Premier bedankt sich bei Rabat
      Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Spuren des Verbrechens so schnell wie möglich verwischt werden sollen. Seit Sonntag werden auf einem Friedhof der nordmarokkanischen Stadt Nador Massengräber ausgehoben – vermutlich, um diejenigen zu begraben, die am Freitag beim Versuch, in die spanische Exklave Melilla zu gelangen, starben oder getötet wurden. Das berichteten mehrere spanische Medien am Montag. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation AMDH erklärte am Sonntag, es sei zu befürchten, dass die Toten ohne Obduktion und Identifizierung begraben werden. »Die Behörden wollen die Tragödie verschleiern«, so die Vermutung. Journalisten sei der Zugang zu den Krankenhäusern, in denen rund 70 Verletzte liegen, sowie zum Friedhof verwehrt worden. Internationale NGOs forderten in einem offenen Brief, die Toten zu identifizieren und ihre Überreste an die Hinterbliebenen zu übergeben. Während die marokkanische Regierung von 21 Todesopfern spricht, schätzt AMDH ihre Zahl auf 37. (…) Am Sonntag nachmittag versammelten sich in mehreren spanischen Städten Tausende, um ihre Abscheu über das an der EU-Außengrenze verübte Massaker kundzutun. Dabei kritisierten viele Teilnehmer auch die Reaktion des spanischen Regierungschefs Pedro Sánchez, dessen sozialdemokratischer PSOE eine Koalition mit dem Linksbündnis Unidas Podemos (UP) führt...“ Artikel von Carmela Negrete in der jungen Welt vom 28.06.2022 externer Link mit einigen Fotos
    • Für breite Proteste und Demonstrationen, wie z.B. in Madrid und Barcelona, siehe #MasacreEnMelilla
  • Schon wieder: 37 Menschen beim Sturm auf den Zaun von Melilla getötet, schon wieder Übergriffe marokkanischer Gendarmen und Push Backs durch spanische Guardia Civil
    „… Dutzende von Migranten stehen auf spanischem Gebiet Schlange, um nach Marokko zurückgeschickt zu werden, wo sie gerade einen sechs bis zehn Meter hohen Zaunsprung und eine Lawine auf der marokkanischen Seite der Grenze überlebt haben, bei der mindestens 37 Menschen ums Leben kamen. Ein junger Mann, der sich unsicher an der Spitze des Zauns festhält, weicht Steinen aus, die von marokkanischen Polizisten vom Dach eines spanischen Kontrollpunkts geworfen werden. Andere Männer laufen niedergeschlagen zwischen den beiden Zäunen, die die Grenze zu Melilla bilden, während sie von alawitischen Agenten geschlagen und geschubst werden, während einige junge Männer der Polizeikontrolle ausweichen und in Panik fliehen, um ihrer Rückkehr zu entgehen. Dies sind einige der unveröffentlichten Bilder, die elDiario.es an diesem Freitag aufgenommen hat und die einen Teil der Geschehnisse bei dem tragischen Versuch zeigen, Melilla auf der spanischen Seite der Grenze zu betreten, die zu diesem Zeitpunkt für die Presse geschlossen war. Am Freitagmorgen schafften es von den „2.000 Personen“, die die Gruppe bildeten, die versuchte, sich Melilla zu nähern und den Zaun zu überwinden, 500 Männer, „mit der Einreise nach Melilla zu beginnen“, so die offiziellen Zahlen, die auf einer groben Schätzung beruhen. Von diesen 500 konnten nach Angaben der Regierungsdelegation 133 in der autonomen Stadt bleiben. Was ist mit dem Rest geschehen? Der Rest wurde sowohl von den marokkanischen Sicherheitskräften als auch von den marokkanischen Sicherheitskräften und -korps aufgehalten“, so die gleichen Quellen.
    Auf die Frage, ob sie „an der Grenze zurückgewiesen“ worden seien (der von der Regierung verwendete Begriff für die Rückführungen), vermied die Regierungsdelegation den ganzen Tag über eine Antwort, aber die Bilder, auf die elDiario.es Zugriff hat, zeigen, dass Dutzende von Menschen ohne jedes Verfahren nach Marokko abgeschoben wurden. Mindestens zwei von ihnen wurden von den marokkanischen Behörden in dem Bereich zwischen den beiden auf spanischem Boden errichteten Stacheldrahtzäunen geschlagen und gestoßen.
    Schließlich bestätigten Quellen aus dem Innenministerium gegenüber dieser Zeitung, dass der Polizeieinsatz auch heiße Rückführungen umfasste, wenngleich sie keine Angaben über die Anzahl machten: „Es gab Zurückweisungen an der Grenze in Anwendung des geltenden Gesetzes“. Die von Fernando Grande-Marlaska geleitete Abteilung erinnerte auch an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der Spanien in erster Instanz wegen eines dieser dokumentierten Fälle von sofortiger Rückführung verurteilt hatte und schließlich von der Großen Kammer freigesprochen wurde. Internationale Gremien verurteilen jedoch weiterhin die Rückführung ohne Verfahren, da sich unter den zurückgeschickten Migranten Menschen befinden können, die Schutz suchen müssen. Nach Angaben örtlicher NRO stammten viele der Personen, die am Freitag versuchten, nach Melilla zu gelangen, aus dem Sudan, einem Land, das Flüchtlinge aufnimmt.
    Die Bilder, die elDiario.es zwischen 11 und 12 Uhr aufgenommen hat, zeigen auch zwei marokkanische Gendarmen, die an der Grenze auf dem Dach eines spanischen Kontrollpunkts eingesetzt sind und abwechselnd versuchen, einen Migranten zu steinigen, der sich oben am Zaun wehrt. Unten, am Fuße des Zauns, fanden Dutzende von summarischen Rückführungen im Rahmen einer Operation statt, an der die Guardia Civil und die spanische Polizei in Abstimmung mit den alawitischen Sicherheitskräften teilnahmen. In dem Gebiet zwischen den beiden Grenzzäunen sammelten marokkanische Agenten die zurückgeschickten Migranten ein und schlugen und traten einige der Migranten, die sie in Gewahrsam hatten, mit Schlagstöcken. (…)
    Auf der marokkanischen Seite der Grenze hat die marokkanische Vereinigung für Menschenrechte (AMDH) in Nador zahlreiche Videos veröffentlicht, auf denen Dutzende subsaharischer Männer zu sehen sind, die verletzt oder sehr müde auf dem Boden liegen und von alawitischen Bereitschaftspolizisten umzingelt sind. Andere Bilder zeigen, dass die Gendarmen einige dieser Personen verprügelten, die versuchten, nach Melilla zu gelangen, obwohl sie keinen Widerstand leisteten und sich in einem sehr schwachen Zustand befanden. Die AMDH hat gefordert, dass „die schnelle Beerdigung der verstorbenen Migranten“ nicht ohne die Einleitung einer „umfassenden, schnellen und ernsthaften Untersuchung zur Feststellung von Verantwortlichkeiten und Mängeln“ durchgeführt werden sollte. Caminando Fronteras hat vor Verzögerungen bei der medizinischen Versorgung von Verletzten auf der alawitischen Seite gewarnt. „Die Opfer der Tragödie von Melilla quälten sich stundenlang unter den grausamen Blicken derjenigen, die ihnen helfen sollten, dies aber nicht taten“, klagte Helena Maleno, Gründerin des Netzwerks. (…)
    Auf Seiten der marokkanischen Streitkräfte wurden 140 Agenten verletzt. Nach Angaben von Caminando Fronteras und der marokkanischen Vereinigung für Menschenrechte wurden bereits 37 Migranten getötet, und zwei alawitische Gendarmen kamen bei dem Einsatz ums Leben. Auf spanischer Seite beziffert die Regierungsdelegation die Zahl der „unterschiedlich schwer“ verletzten Migranten auf 57 und die der „leicht“ verletzten Agenten auf 49…“ Maschinenübersetzung aus dem span. Artikel von Javier G. Angosto und Gabriela Sánchez bei elDiario.es am 25.6.2022 externer Link samt Video und Fotos

    • Siehe die Berichte von AMDH Nador auf Twitter externer Link – bezeichnenderweise fast alle als „Nicht jugendfreier Inhalt mit Altersbeschränkung“ gekennzeichnet
    • Für Fotos und Videos, aber auch erste Proteste siehe #Melilla
  • CGT verurteilt das repressive Vorgehen der Sicherheitskräfte am Zaun von Melilla 
    „“Wir verurteilen das Vorgehen der repressiven Kräfte des spanischen Staates in Melilla angesichts des Versuchs von Migranten vom afrikanischen Kontinent, durch einen Sprung über den mörderischen Zaun, der Marokko von Spanien trennt, in die Stadt zu gelangen“, erklärt der Gewerkschaftsbund. Die anarchosyndikalistische CGT hat das Vorgehen der staatlichen Sicherheitskräfte am Zaun von Melilla öffentlich als einen Akt der Repression gegen Menschen in einer extrem verletzlichen Situation verurteilt. Am vergangenen Freitag, gegen 10.00 Uhr, rückten Beamte der Guardia Civil aus und unterdrückten gewaltsam einen Versuch von Flüchtlingen aus Subsahara-Staaten, den Zaun zu überwinden.
    „Die Medien haben wiederholt Bilder von unbewaffneten, wehrlosen und verängstigten Migranten gezeigt, die den Zaun überklettern, der ihnen die Chance auf ein besseres Leben geben könnte“, erklärte die Gewerkschaft. „Auch die unverhältnismäßige und unnötige Gewalt, mit der die Repressionskräfte des Staates gegen die Migranten vorgingen, denen es gelang, spanischen Boden zu erreichen, war zu sehen“, fügen sie hinzu und betonen insbesondere die Gewaltanwendung der Polizeikräfte, die auf den Bildern der audiovisuellen Medien zu sehen ist, die über die Ereignisse berichtet haben.
    Die Gewerkschaft erklärt, dass sie sich weiterhin für die Menschenrechte, die Freizügigkeit aller Menschen in der Welt und die Achtung ihrer Würde einsetzen wird. Ebenso „verurteilt sie, wie es nicht anders sein kann, die Haltung und das gewalttätige Vorgehen der so genannten spanischen Staatssicherheitskräfte gegenüber Migranten an der Südgrenze und fordert, dass sowohl die beteiligten Agenten als auch der Innenminister Grande Marlaska zur Verantwortung gezogen werden„.“ Machinenübersetzung der (span.) Erklärung vom 6.3.2022 bei der CGT externer Link, siehe – von vielen – das Video im Thread von Daniel Howden vom 5.2.2022 externer Link samt seinem (engl.) Kommentar: „Was sollen wir von Europas schizophrener Flüchtlingsreaktion halten? In der Woche, in der wir 1,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben, müssen wir wirklich zusehen, wie dieser junge Mann geschlagen wird, weil er über einen EU-Grenzzaun geklettert ist? Während Europa sein Mitgefühl für Flüchtlinge wiederentdeckt, sollten wir uns dieses Video in Dauerschleife ansehen. Spaniens afrikanische Exklave Melilla hat seit langem die stärkste Destillation der Festung Europa. Schau dir das an und denk nach…“
  • Push-Backs an EU-Grenzen: Menschenrechte außer Kraft. Große Kammer des EGMR verwirft Beschwerden gegen Spanien 
    Der Rechtsstaat endet an den Grenzen Europas: N.D. und N.T.* gelangten am 13. August 2014 über die Grenzanlage bei Melilla nach Spanien. Doch wie mindestens 70 andere Menschen wurden die beiden festgenommen und umgehend nach Marokko „zurückgeschoben“ – ohne Verfahren oder eine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Videos, Fotos und Zeugenaussagen belegen die kollektiven, brutalen und völkerrechtswidrigen Rückschiebungen (auch Push-Backs genannt). Dennoch hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg den Fall N.D. und N.T. gegen Spanien heute abgewiesen. Anlass des Urteils waren die Individualbeschwerden gegen Spanien, die N.D. aus Mali und N.T. aus der Elfenbeinküste mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Februar 2015 eingereicht hatten. Es war das erste Verfahren vor dem EGMR zu Push-Backs an den Landgrenzen Europas…“ Pressemitteilung vom 13.02.2020 von und bei ECCHR externer Link, siehe weitere (erste) Bewertungen:

    • EU-Menschenrechtsgericht: Grundsatzurteil schafft Recht auf Asyl faktisch ab
      So nah und doch so fern: Von Marokko aus versuchen Menschen immer wieder, in die spanische Exklave Melilla und damit in die EU zu gelangen – und werden oft direkt wieder abgeschoben. Jetzt fiel ein Urteil zu dieser Praxis. Spaniens Vorgehen sei rechtens. Experten befürchten weitreichende Folgen. In einem Grundsatzurteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Abschiebung zweier Afrikaner an der spanischen Grenze als rechtmäßig beurteilt. Die Männer hätten sich ihre sofortige Zurückführung aus der spanischen Exklave Melilla nach Marokko selbst zuzuschreiben, weil sie auf illegale Weise eingedrungen seien, erklärte der EGMR am Donnerstag in Straßburg. (AZ: 8675/15 und 8697/15). Spanien habe weder das Verbot der Kollektivausweisung noch das Recht auf wirksame Beschwerde verletzt, urteilte die Große Kammer des EGMR und revidierte damit die Entscheidung einer niederen EGMR-Kammer von 2017 externer Link. Das jetzige Urteil ist endgültig und könnte nach Befürchtungen von Kritikern weitreichende Folgen haben. „Es wird als eine Blankovollmacht für gewalttätige Push-Backs überall in Europa angesehen werden“, erklärte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR), das die beiden Männer unterstützt hatte…“ Meldung vom 14.02.2020 beim Migazin externer Link
    • Menschenrechtsgerichtshof: Spaniens Abschiebepraxis rechtens
      Spanien darf in seiner Exklave Melilla Migranten bei Grenzübertritt umgehend nach Marokko zurückweisen. Dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist auch für andere EU-Staaten von Bedeutung…“ Beitrag von Klaus Hempel vom 13.02.2020 bei tagesschau.de externer Link
    • Europäisches Menschenrechtsgericht: Weltfremdes Urteil
      Spanien darf weiter umgehend nach Marokko abschieben. Der Richterspruch aus Straßburg wird die teils brutale Praxis der Zurückschiebung von Flüchtlingen begünstigen…“ Kommentar von Wolfgang Janisch vom 13.2.2020 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Spanien: Keine Hilfe mehr für Bootsflüchtlinge in marokkanischen Gewässern
    Am 20. Juni unterbrach eine Fähre zwischen der spanischen Nordafrika-Enklave Melilla und dem südspanischen Motril ihre Fahrt: Ein Schlauchboot mit 27 afrikanischen Flüchtlingen wartete im Mittelmeer zwischen Spanien und Afrika dringend auf Hilfe. 22 weitere Afrikaner seien an Bord bereits gestorben, sie hätten die Toten ins Meer geworfen, berichteten die Bootsflüchtlinge. Seit drei Tagen hätten sie im Mittelmeer getrieben. Obwohl die spanische Luftwaffe zusammen mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex zwei Tage vergeblich nach dem Boot gesucht hatte, sprechen Flüchtlingsaktivisten von einem fatalen Kurswechsel. Denn die spanische zivile Seenotrettung hatte nicht eingegriffen. Das Boot befand sich in marokkanischen Gewässern. Bislang lobten die Flüchtlingshilfswerke, dass die spanische Seenotrettung mit ihrer umfangreichen Flotte aus Booten, Flugzeugen und Hubschraubern Schiffbrüchige auf hoher See ausfindig machte und ihnen zu Hilfe kam. Ursprünglich galt diese zivile Seenotrettung vor allem Fischern und der kommerziellen Schifffahrt, aber zwischen Marokko und Spanien helfen die Retter vor allem Flüchtlingen. Private Seenotretter waren deshalb in diesen Gewässern nicht aktiv. Mit diesem Programm kommt Spanien seinen Verpflichtungen der „Search and Rescue Convention“ (SAR) nach, in der festgelegt ist, welche Staaten in welchen Gebieten für die Rettung Schiffbrüchiger zuständig sind. Doch bislang halfen die spanischen Boote weit über diese festgelegten Gebiete hinaus auch in den SAR-Zonen, in denen eigentlich Marokko eingreifen müsste. Von fast 50.000 Menschen, denen die spanische Seenotrettung im vergangenen Jahr half, befand sich ein Drittel in marokkanischem SAR-Gebiet. Die Flüchtlinge wurden anschließend stets in spanische Häfen gebracht. Das hat sich in diesem Jahr geändert. Die Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez hat die Seenotrettung angewiesen, nur noch dort zu helfen, wo auch Spanien zuständig ist. Damit will sie offenbar vermeiden, dass die Flüchtlinge schon kurz nach dem Ablegen von der marokkanischen Küste die spanischen Behörden alarmieren. Zudem kreuzen die spanischen Seenotretter nicht mehr im Mittelmeer auf der Suche nach Schiffbrüchigen, sondern legen erst von ihren Stützpunkten ab, wenn sie alarmiert worden sind, protestiert die Gewerkschaft der Seenotretter CGT…“ Beitrag vom 27. August 2019 beim Migazin externer Link
  • Oktober 2018: Neues Todesopfer am Grenzzaun zu Marokko – und Gefängnis für Protest gegen den Feldzug der marokkanischen Armee im Auftrag der EU
  • 2017: [Film] Jakob Preuss: Als Paul über das Meer kam – Grenzgänge eines Dokumentaristen
  • ›The Border is not where the border is‹ – Die spanisch-marokkanische Grenze als Beispiel des europäischen Grenzregimes
    Viele Aspekte der spanischen Migrationsabwehrpolitik in den Enklaven Ceuta und Melilla sind beispielhaft für das europäische Grenzregime. Dazu gehören der Ausbau der Grenzanlagen, eine rechtswidrige Abschiebepraxis und die Externalisierung der Grenzkontrolle. Zwei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängige Beschwerden prangern diese Politik als menschenrechtswidrig an. Das Bild der spanischen Grenzanlagen um Ceuta und Melilla wird von einem dreifachen Zaun bestimmt. Auf einen ersten, sechs Meter hohen und mit Klingendraht und engmaschigen Antikletter-Gittern versehenen Zaun folgt ein drei Meter hohes und mehrere Meter breites Hindernis aus Drahtseilen und ein dritter, wiederum sechs Meter hoher Zaun. Vervollständigt wird die auf spanischem Staatsgebiet errichtete Anlage durch Überwachungskameras, Scheinwerfer und einen Patrouillenweg. In regelmäßigen Abständen installierte Türen dienen der direkten Abschiebung von MigrantInnen, die es geschafft haben, die Zäune den marokkanischen und spanischen Grenzschutzkräften zum Trotz zu überwinden. Anfang 2015 haben die marokkanischen Behörden vor den spanischen Grenzanlagen einen weiteren Zaun inklusive Klingendraht und einen Graben fertig gestellt…Beitrag von Simon Rau im Sonderbrief Rassismus und Recht des RAV (April 2016) externer Link
  • Abschiebungen im Niemandsland – EGMR-Verfahren zum span. Grenzzaun
    Die Grenzzäune an den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla stehen seit langem für das Bild der „Festung Europa“. Über die Abschiebepraxis der spanischen und marokkanischen Behörden muss nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entscheiden. Das Urteil könnte zu einem bedeutenden Präzedenzfall über das EU-Grenzregime werden. An der spanisch-marokkanischen Grenze stoßen Flüchtlinge auf eine fast undurchdringliche Wallanlage aus Zäunen, Antikletter-Gittern und Überwachungskameras. Immer wieder finden dort Abschiebungen von Flüchtlingen statt – ohne rechtsstaatliches Verfahren, ohne Prüfung ihrer Asylgründe. „Heiße Abschiebungen“ nennen die spanischen Grenzpolizisten diese Praxis. Denn schaffen es Flüchtlinge dennoch die Zäune zu überqueren, dienen Tore in der Wallanlage dazu die Menschen sofort auf die makkanische Seite zurückzudrängen. Die rechtliche Fiktion dahinter: Zwar betreten die Flüchtlinge spanisches Territorium, jedoch sei das spanische Flüchtlingsrecht erst anwendbar, wenn die hinter den Zäunen stehenden Polizeiketten überwunden werden. Die spanische Grenze ist in diesem Sinne nicht statisch, sondern dynamisch und hängt von dem Gusto der eingesetzten PolizistInnen ab…“ Beitrag von und bei ProAsyl vom 18. Dezember 2015 externer Link

    • Aus dem Text: „… Diese menschenrechtlich höchst fragwürdige Praxis wurde schon sehr lange durch Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Auch PRO ASYL hat im Rahmen seiner Rechtshilfe schon einige Flüchtlinge unterstützt, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen an der spanischen Grenze geworden sind. Dank dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), einer juristischen Organisation aus Berlin, wurde nun ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eröffnet (N.D. und N.T. gg Spanien, Az.: 8675/15 und 8697/15). Der spanische Staat muss bis zum 21. Dezember 2015 Stellung nehmen, ob die Abschiebepraxis in Melilla mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist. Geklagt haben zwei Flüchtlinge aus Mali und der Elfenbeinküste. Sie werfen dem spanischen Staat vor am 13. August 2014 von Melilla nach Marokko abgeschoben worden zu sein…
  • „Erster Europäischer Mauerfall“ – Wir werden die neuen EU-Außengrenzen zum 25. Jahrestag des Mauerfalls kurzerhand wieder abreißen (umfangreiche Dokumentation)
  • Februar 2014: Flüchtlinge auf dem Weg nach Spanien ertrunken (umfangreiche Dokumentation)
  • Abwehr mit Tradition
    Die Flüchtlingsabwehr an der europäischen Außengrenze in der spanischen Exklave Melilla in Marokko wird immer stärker kritisiert. Der Wechsel der Europäischen Kommission zum 1. November wurde im spanischen Innenministerium mit Erleichterung aufgenommen. Denn die Nachfragen und die Kritik der EU-Kommissarin für Innenpolitik, Cecilia Malmström, wurden immer hartnäckiger und lästiger für die Politiker, die für die Abschottung an der spanischen Südgrenze der Europäischen Union verantwortlich sind. Die nehmen es nämlich weder mit den spanischen noch den europäischen Gesetzen allzu genau, wenn es um die rabiate Zurückweisung von Flüchtlingen geht. Es gibt immer mehr Videoaufnahmen antirassistischer Gruppen aus Melilla, die das brutale Vorgehen der spanischen Grenzpolizei gegen Flüchtlinge dokumentieren, die versuchen, die Grenzbefestigungsanlagen um Melilla zu überwinden…Artikel von Gaston Kirsche in der „Jungle World“ vom 6. November 2014 externer Link

Siehe zuvor im LabourNet Germany zu Melilla:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=68949
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