»
Spanien »
»
»
Spanien »
»
»
Spanien »
»

Die sozialen Auswirkungen der Epidemie in Spanien: Wachsende Armut – wachsender Widerstand

marcha_madrid2015„… Manchmal stundenlang müssen die Menschen anstehen, um eine Tüte mit Lebensmitteln zu bekommen. Die wochenlangen Ausgangssperren zur Verhinderung einer ungebremsten Ausbreitung des Coronavirus haben viele Menschen an die Grenze ihrer Kräfte gebracht – und um ihre Ersparnisse. Vor allem, wenn sie ihre Arbeit verloren haben: In nur zwei Monaten wurden Hunderttausende ihren Job los. Und Millionen bekommen derzeit lediglich Kurzarbeitergeld. Wenigstens sorgte die Regierung dafür, dass während des Notstands Strom- und Wasserabschaltungen wegen unbezahlter Rechnungen ebenso verboten sind wie Zwangsräumungen von Mietern. (…) Vor der Coronakrise war die Einführung des Mindesteinkommens für Januar 2021 geplant, um Familien aus der Situation extremer Armut zu holen. Die ursprüngliche Forderung von Podemos war ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1 000 Euro pro Person. Mit der linkssozialistischen Vereinigten Linken (IU) stimmte man sich intern in der Richtung ab, dabei Renten anzurechnen. Die PSOE, die mit Pedro Sánchez den Ministerpräsidenten stellt, ließ sich letztlich nur auf eine Höhe von exakt 461,53 Euro ein. Der UN-Sonderberichterstatter für Armut Philip Alstom begrüßt die »gute Richtung«, bemängelt aber eine »niedrige Abdeckung« sozialer Risiken durch die Hilfe. Erst im Februar hatte Alstom Spanien besucht und Alarm geschlagen. Er kritisierte die Lage der Landarbeiter und das Ausmaß an Kinderarmut. Sollte sich an der Situation nichts ändern, prognostizierte Alstom ähnliche Proteste, wie sie Chile zuletzt erlebte…“ – aus dem Beitrag „Neustart mit Fragezeichen“ von Carmela Negrete am 26. Mai 2020 in neues deutschland online externer Link über die aktuellen Entwicklungen – die eine Verschärfung bereits vorher zu sehender Prozesse bedeuten. Zu den aktuellen sozialen Problemen, den Vorhaben der Tegierung und den daraus entstehenden Auseinandersetzungen in Spanien drei weitere aktuelle Beiträge:

  • „Knapp unter dem Mindestlohn“ von Reiner Wandler am 25. Mai 2020 in der taz online externer Link zum Grundeinkommen unter anderem: „… Auch wenn am Montag noch unter Hochdruck an kleineren Verfahrensdetails gearbeitet wurde, steht das Gesetz im Großen und Ganzen. Während die spanische Presse aus Entwürfen zitiert, gab der Minister für Inklusion, Soziale Sicherheit und Migration, der Sozialist José Luis Escrivá, zwei Tageszeitungen ein Interview, in dem er erklärte, was er zusammen mit dem stellvertretenden Regierungschef, dem linksalternativen Pablo Iglesias, angesichts der Covid-19-Krise schneller ausgearbeitet hat als ursprünglich geplant. „Spanien hat ein erhebliches Defizit, wenn es um die öffentliche Umverteilungspolitik geht“, sagt Escrivá und verweist auf die Statistiken. 21,5 Prozent der 47 Millionen Spanier lebten bereits vor der Covid-19-Krise in Armut oder an der Armutsgrenze. In der Eurozone sind es 17 Prozent. Lange Schlangen an Sozialküchen und Lebensmittelausgaben durch spontan entstandene Hilfskomitees überall im Lande zeigen, dass der Lockdown dieses Problem noch verschärft hat. Das neue Mindesteinkommen richtet sich an 850.000 Haushalte mit rund 2,3 Millionen Mitgliedern. Das neue Gesetz klassifiziert die bedürftigen Haushalte in 14 Gruppen, je nach Anteil der Erwachsenen und Kinder, und legt das entsprechende Mindesteinkommen fest. Wer dies nicht erreicht, erhält die Differenz vom Staat. Alleinstehende haben ein Recht auf mindestens 461 Euro im Monat. Das ist knapp unter dem, was Rentner erhalten, die nie eingezahlt haben. Das Existenzminimum für Lebensgemeinschaften aus Erwachsenen und Kindern wird auf bis zu 1.015 Euro monatlich festgelegt, knapp weniger als der gesetzliche Mindestlohn. Wer die Hilfe beantragt, muss mindestens 21 Jahre alt sein und sich vor drei Jahren vom Elternhaus emanzipiert haben. Obergrenze sind 65 Jahre. Ab dann gibt es Rente, auch für die, die nicht eingezahlt haben…“
  • „»Es ist der Horror – und uns reicht es«“ am 28. Mai 2020 in der jungen welt externer Link ist ein Interview von Carmela Negrete mit Serigne Mamadou, Sprecher der Initiative »#RegularizacionYa« , worin dieser unter anderem ausführt: „… Unsere Situation hat sich in der Coronakrise stark verschlechtert. Ansonsten ist nichts geschehen. Wir kämpfen jeden Tag ums Überleben. Stellen Sie sich vor, wie es ist, wenn Sie keine Rechte haben, keine Wohnung. Auf dem Land lassen sie uns draußen schlafen – wenn es regnet, dürfen wir in einem Parkhaus schlafen. Sonst tun wir es auf der Straße unter Kartons. Wenn die Polizei kommt, sagt sie, das gehe nicht. Manchmal machen sie in den Parks den Boden nass, damit wir dort nicht schlafen können. Von sechs Uhr morgens bis sieben Uhr abends bist du auf dem Feld und bekommst dafür 25 Euro. Wir werden zudem misshandelt, beleidigt, verprügelt. Es ist der Horror – und uns reicht es. (…) Bei »Regularización Ya« habe ich mich zum ersten Mal einer Initiative angeschlossen, weil die Menschen darin meist selbst Migranten und ehrlich sind. Dank dieser Kampagne sind wir jetzt stark wie nie und haben viel Unterstützung bekommen. Die Migration ist eine der treibenden wirtschaftlichen Kräfte des Landes – und wir kämpfen für das Recht, unseren Lebensunterhalt in Würde zu verdienen. In Spanien gibt es Tausende Migranten, die arbeiten und Steuern zahlen. Die Rechtspartei Vox verachtet uns besonders, obwohl ihr Chef als Politiker seit vielen Jahren von öffentlichen Geldern lebt...“
  • „Der Linksregierung zittern die Hände“ am 27. Mai 2020 in neues deutschland online externer Link ist ebenfalls ein Interview – von Ralf Streck mit Fernando Badera über den Widerstand der Mieter und ihre Streikbewegung in Spanien. Worin unter anderem berichtet wird: „… Wir haben der Regierung ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, in dem die Aussetzung der Mietzahlungen genauso enthalten war, wie die Einführung eines Grundeinkommens. Die Leute brauchen ihr Geld jetzt für Lebensmittel, Medikamente und andere lebenswichtige Dinge. Die, die viele Wohnungen besitzen, können auf die Zahlungen temporär verzichten und einen Beitrag zur Bewältigung des Notstands leisten. Die Regierung hat unsere Vorschläge aber nicht beachtet. Auf unserer Webseite haben sich aktiv etwa 20 000 Menschen gemeldet. Wir bilden nun Streikgruppen in Gebieten und Sektoren. Die Komitees bilden sich langsam, aber sicher und es gibt schon mehr als 100. Es geht auch um die Mieten von kleinen Gewerbetreibenden, Selbstständigen oder Barbesitzern …, die nicht mehr bezahlen können. Wir gehen davon aus, dass die Beteiligung Monat für Monat zunimmt. Dass Spanien in der Frage in Europa hervorsticht, ist kein Verdienst von uns. Es ist das Ergebnis davon, dass die Lage hier besonders schlecht ist. Allerdings ziehen andere nach, so haben auch Initiativen in New York zum Mietenstreik aufgerufen und wir stehen in Kontakt zueinander. (…) Es ist wohl so, dass denen, die uns näher stehen, die Hände zittern, wenn sie in Machtpositionen sind. Klar ist aber auch, dass die Lage noch viel schlechter wäre, wenn wir in dieser Situation eine Rechtsregierung hätten. Wir wissen, dass das, was erreicht wurde, über UP gegen den Widerstand von Calviño erreicht wurde. Meine persönliche Meinung ist, dass UP zwar im Kabinett Druck ausübt, aber gleichzeitig auch nicht das Bündnis in Frage stellen und Stabilität garantieren will...“
  • Siehe auch die Einschätzung zum Grundeinkommen in Spanien durch Raul Zelik in seinem Thread vom 29.5.2020 bei Twitter externer Link
  • Siehe auch vom 08. April 2020: Auch in Spanien sind Millionen in Erwerbslosigkeit und Kurzarbeit: Während der Druck für ein Grundeinkommen wächst, hat die rechtsradikale Regierung in Andalusien eine andere Lösung parat – Arbeitszwang
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=173165
nach oben