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Wer in der Schweiz die Banken kritisiert bekommt es mit deren Polizei zu tun. Wie die Klima-AktivistInnen von Zürich und Basel

Dossier

Aktion von Collective Climate Justice in der Schweiz: ‘Fossil Banks, too big to stay’„… Skandal im Geldbezirk: Um 7 Uhr morgens setzten mehrere Dutzend Klimaaktivist*innen in weissen Ganzkörperanzügen vor die Eingänge des Hauptsitzes der Credit Suisse am Zürcher Paradeplatz. Sie brachten Fahrräder und Pflanzenkübel mit, an die sie sich anketteten. Zur gleichen Zeit wurde auch in Basel der dortige Hauptsitz der UBS blockiert. Mit dieser Aktion wollte das Collective Climate Justice auf den Umstand aufmerksam machen, dass alleine diese beiden Schweizer Grossbanken mit ihren Investitionen doppelt so viel CO2-Ausstoss verursachen wie die ganze Schweiz. In beiden Städten griff der Staat hart durch. Die Blockaden wurden nach wenigen Stunden geräumt, alle Aktivist*innen für über 48 Stunden in Haft genommen und mit hohen Geldstrafen belegt. Ausländische Aktivist*innen erhielten zudem Landesverweise von bis zu drei Jahren. Eine Person, die sich weigert, ihre Identität preiszugeben, sitzt immer noch in Haft. Doch damit nicht genug. Letzte Woche publizierte das Collective Climate Justice eine Liste, welche die polizeilichen Übergriffe zusammenfasst. Sie ist lang: Verweigerung von Rechtsbeistand und Dolmetscher*innen, keine Auskunft über den Grund der Festnahme, keine medizinische Versorgung, nicht genügend Essen, mehrfache Leibesvisitationen, Beleidigungen und Einschüchterungen, Gewaltanwendung, Einschränkung der Pressefreiheit…“ – aus dem Beitrag „Klimanotstand am Finanzplatz – Zürich und Basel gehen hart gegen Aktivist*innen vor“ am 23. Juli 2019 beim Aujour Magazin externer Link zur Reaktion auf Bankenkritik in der Schweiz. Siehe dazu auch einen Erfahrungsbericht über das Vorgehen der Polizei und den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zu den Klimaprotesten gegen Schweizer Banken:

  • Klimaprozesse: Eine Bewegung vor Gericht New
    Am Freitag endet in Basel das Verfahren gegen fünf AktivistInnen, die im Sommer 2019 den UBS-Hauptsitz blockierten. Auch andernorts wird die Klimabewegung juristisch verfolgt. «Es war angenehm, wir hatten zum Teil sehr interessante Diskussionen»: So beschreibt ein Polizist die Stimmung vor dem Basler UBS-Hauptsitz bei seiner Befragung vor Gericht. Mehr als hundert Leute blockierten im Sommer 2019 das Gebäude am Aeschenplatz. Sie hatten sich in den frühen Morgenstunden versammelt, Äste und Holzkohle vor den Eingängen abgeladen, mit Kohlestücken Parolen an die Wände gemalt, sich auf den Boden gesetzt. Mit der Blockade forderten die AktivistInnen den Ausstieg der Grossbank aus der Finanzierung klimaschädlicher fossiler Energien. Am Nachmittag griff die Polizei auf Antrag der Bank durch: Wer den Platz nicht umgehend räumte, wurde kontrolliert, wer sich nicht ausweisen konnte, wurde verhaftet. Nicht nur das Vorgehen der BeamtInnen, auch die Anklagepunkte der Strafbefehle muten angesichts der friedlichen und gewaltfreien Natur des Protests unverhältnismässig an: Nötigung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung «mit grossem Schaden». 56 der Betroffenen erhoben Einsprache gegen die Strafbefehle, seit dem 5. Januar werden die ersten fünf am Basler Strafgericht verhandelt. Der Prozess in Basel ist eines von mehreren Verfahren gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung, die derzeit die Schweizer Justiz beschäftigen. Auch in Zürich steht bald ein Bankenprozess an. Zeitgleich zur Aktion in Basel blockierten AktivistInnen das Credit-Suisse-Hauptquartier am Paradeplatz. Die Anklagepunkte ähneln sich nur teilweise, so fehlen etwa Vorwürfe wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruch. Auch die geforderten Strafen seien tiefer angesetzt worden als in Basel, sodass in Zürich kein kollektiver Einspruch eingelegt worden sei, sagt Frida Kohlmann vom Collective Climate Justice (CCJ), das die Proteste in Basel und Zürich mitorganisiert hat. Ähnlich klingt es bei den BesetzerInnen des Bundesplatzes, die im Dezember Strafbefehle erhielten. Zwar hatte das Rechtsteam von Rise Up For Change den AktivistInnen im Vorfeld empfohlen, Einsprache zu erheben. Da die meisten lediglich wegen «Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung» belangt wurden und niedrige Bussen erhielten, wird auch hier kein Prozess angestrebt. Die öffentlichen Verfahren gegen die Klimabewegung, der nach wie vor ein positives Image anhaftet, erregen jeweils grosses Medieninteresse, das die AktivistInnen für sich zu nutzen wissen. (…) Das Urteil im ersten Basler Bankenprozess wird am Freitag verkündet. Anwalt Andreas Noll, der eine der Personen vor Gericht vertritt, rechnet mit einem Freispruch. Gleichzeitig kritisiert er die Härte, mit der die Basler Staatsanwaltschaft in jüngster Zeit AktivistInnen verfolgte, etwa im Rahmen der parallel stattfindenden «Basel Nazifrei»-Prozesse. Insbesondere den Anklagepunkt des Landfriedensbruchs findet der Jurist problematisch. Dieser komme in Basel momentan überaus häufig zur Anwendung und sei angesichts der völlig gewaltfreien und passiven Natur des Protests vor der UBS «geradezu absurd». «Das kommt einer Kriminalisierung der Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit gleich.» Damit in Zusammenhang stehen die verhältnismässig hohen geforderten Strafmasse von bis zu fünf Monaten bedingter Freiheitsstrafe. Sollten die fünf AktivistInnen freigesprochen werden, könnte das Urteil auf die anderen 51 ausgedehnt werden…“ Artikel von Ayse Turcan vom 21.01.2021 in der WoZ online externer Link
  • „Massive Repression gegen friedliche Klimaproteste: Erfahrungsberichte aus Zürich“ am 20. Juli 2019 beim Collective Climate Justice externer Link dokumentiert unter anderem: „… Auch Aussenstehende merkten an besagtem Montagmorgen schnell, dass das riesige Polizeiaufgebot nicht bloss ein Einsatz, sondern vor allem eine Machtdemonstration  war.Polizist*innen legten den Verkehr um den Paradeplatz lahm, stellten sich wie an einer Militärparadeauf und liefen in soldatischen Kolonnen auf die Klimaaktivist*innen zu. Diese wurden brutal zu Boden gedrückt, grob festgehalten und schonungslos abgeführt. In Kastenwagen und mit Kabelbindern gefesselt, begann dann das lange Warten, für einige sogar bei brütender Hitze in Tiefgaragen. Bei den anschliessenden Durchsuchungen und Befragungen zeigte sich, dass die Polizei nicht das leiseste Interesse daran hatte, diese mit einer möglichst geringen Belastung für die Inhaftierten zu gestalten. So mussten sich einige mehrmals einer Leibesvisitation unterziehen und das «Informationsblatt für festgenommene Personen», auf dem die Rechte der Verhafteten notiert sind, wurde teilweise gar nicht oder zu spät ausgehändigt. Telefonate an Angehörige und an eine rechtliche Vertretung wurden verwehrt und Fragen nach dem weiteren Vorgehen schroff abgewiesen. Verhafteten mit keinen oder schlechten Deutschkenntnissen wurde ausserdem eine Übersetzung auf Französisch oder Englisch verweigert; für sie verständliche Auskünfte nach ihren Rechten und nach den ausgehändigten Formularen wurden ihnen barsch vorenthalten. Besonders hervorzuheben ist die sexistische Gewalt, welcher Aktivistinnen* ausgesetzt waren. Während den Verhaftungen wurde trotz lautstarker Aufforderungen deren Recht missachtet, ausschliesslich von Polizistinnen* angefasst und abgeführt zu werden. Die Polizist*innen machten sich anschliessend einen Spass daraus, deren Geschlecht mit Ausdrücken wie «Mannsweib» oder «Weiblein» zu «erraten». Bei den Leibesvisitationen fielen wiederholt abfällige Bemerkungen über den Körper der Verhafteten; eine Aktivistin wurde gar mehrfach als «Fotze» beleidigt. Des Weiteren wurden Aktivistinnen*, die während ihrer Haft ihre Periode hatten, Hygieneartikel verwehrt. Erstunter Androhung, die Wände der Zelle mit Blut zu beschmieren, wurden diese zähneknirschend ausgehändigt...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152136
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