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Fortschritte und Rückschritte im gewerkschaftlichen Kampf in der Schweiz – eingebunden in das System der Sozialpartnerschaft

Schweizer Elektriker im Kampf für einen neuen GAV im Sommer 2019„… Die Fortschritte sind beachtlich, gleichzeitig zeigt sich in den Verhandlungsresultaten aber auch, wie eng der Spielraum für Verbesserungen auf Basis der Sozialpartnerschaft ist. Während die Löhne zwar steigen, nimmt der Druck auf die ArbeiterInnen weiter zu. Die Zahl der möglichen Überstunden wird hochgeschraubt, die Spesenregelung verwässert und ein Karenztag soll die Angestellten bei Krankheit daran hindern, allzu schnell der Arbeit fernzubleiben. Hier zeigt sich: Auch in einer Branche die sich weitgehend von der Konkurrenz ausländischer Firmen abriegelt, muss die Produktivität gesteigert werden, um der fallenden Profitrate bei stetiger Konkurrenz und Preisdruck entgegenzuwirken. Die Bosse zahlen also zwar bald mehr Lohn, erhalten im gleichen Moment aber auch kräftige Hebel, um die Ausbeutung der Angestellten zu steigern. Was den GewerkschafterInnen unter dem Strich bleibt, ist ein Zuwachs an eigener Organisationsstärke und ein gesteigertes Selbstbewusstsein. Doch gerade hier macht die Bürokratie der Basis einen Strich durch die Rechnung. Im Kanton Waadt, wie auch in der Ostschweiz, sorgten die Auseinandersetzungen zwischen Branchengruppen und Bürokratie zum Ausscheiden der jeweiligen Sekretäre. Die Gewerkschaftsführung will unter keinen Umständen die Kontrolle abgeben. In der Angst die eigene Stellung zu verschlechtern, greift der Apparat immer dann ein, wenn die neu aktivierte Basis spontane Initiative zeigt und sich nicht an Konventionen halten will. Firmenbosse öffentlich an den Pranger zu stellen oder die Sozialpartnerschaft an sich zu hinterfragen passt nicht in den Kampagnenplan und wird unterbunden…“ – aus dem Beitrag „Elektro-GAV: Gewerkschaften unter Spannung“ von Beat Schenk am 14. September 2019 in Der Funke externer Link über die Ergebnisse der Auseinandersetzungen um den Gesamtarbeitsvertrag in der Schweizer Elektrobranche. Siehe zur Rolle der Gewerkschaften in der Schweiz auch einen Hintergrundbeitrag:

  • „Gewerkschaft am Tropf der Sozialpartnerschaft“ von Caspar Oertli und Michael Wepf am 21. August 2019 ebenfalls in Der Funke externer Link zu konkreten Formen der Einbindungen iny System der Sozialpartnerschaft, Variante Schweiz unter anderem: „… Obschon das illegal ist, macht der Staat keine Anstalten, echte Massnahmen zu treffen. Mit dem Rahmenabkommen stehen die wenigen bestehenden Kontrollmöglichkeiten wieder voll unter Beschuss. Natürlich können die Lohnabhängigen in der Schweiz nicht auf die bürgerlichen PolitikerInnen zählen. Diesen ist im besten Fall egal, ob die ArbeiterInnen ihren Lohn erhalten, solange nur die Profite stimmen. Oft werden Kontrollstellen aktiv sabotiert (z.B. mit Zutrittssperren). Den Lohnabhängigen bleibt deshalb nur ihr traditionelles Werkzeug, die Gewerkschaften. Doch warum kämpfen die Gewerkschaften nicht energischer gegen den Druck, den das vereinte Kapital auf die Löhne ausübt? Den Schlüssel zur Antwort finden wir in den FlaM und ihrer Rolle in der Entwicklung der Gewerkschaften, allen voran der Unia. (…) Am 1. Juni 2019 waren die Flankierende Massnahmen nun 15 Jahre lang in Kraft. Sie erleichterten die Ausweitung der landesweit allgemeingültigen Gesamtarbeitsverträge (GAV). Während so die GAV-Abdeckung eine enorme Steigerung erfuhr, gilt kaum das gleiche für das Lohnniveau. Trotz GAV müssen verschiedene Branchen schleichende Reallohnverluste hinnehmen. Echte Verbesserungen kommen nicht von alleine, nur durch Kampf! Die «Vollzugskostenbeiträge» sind ein zwingender Lohnabzug bei allen Branchen mit einem GAV. Dieses Geld geht an die Gewerkschaft, die mit der Kontrolle der Einhaltung des Vertrages beauftragt ist. Diese Zahlungen wurden zu einer zentralen Finanzierungsquelle der Gewerkschaften (über 10 Millionen Franken für die UNIA). Damit müssen die Gewerkschaften die Kontrolle der Einhaltung dieser GAV finanzieren. Über dieses System wurden die Gewerkschaften noch stärker in die Regulierung des Arbeitsmarkts integriert: Sie übernehmen staatliche Funktionen und sind finanziell direkt von diesen Zahlungen abhängig. Das führt dazu, dass sie wenig Anreiz haben, zu kämpfen. Stattdessen finden sie sich mit dem Komfort der scheinbar gesicherten Finanzierungsbasis ab...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=154454
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