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[SVP-Kündigungsinitiative am 27. September 2020] Urabstimmung über einen neuen nazionalistischen Vorstoß der Schweizer Rechten – ein Aufruf zum „Nein!“

Dossier

Nein zur SVP-Kündigungsinitiative am 27. September 2020„… Am 27. September stimmen wir nicht bloss über unseren Wohlstand ab. Im Kern greift die SVP-Kündigungsinitiative eine emanzipatorische Errungenschaft an: das Recht, überall in Europa zu leben, zu lernen, zu arbeiten und zu lieben. Das Recht, RechtsträgerIn zu sein. Die SVP will, dass wir SchweizerInnen dieses Recht in Europa aufgeben und dass wir es den EuropäerInnen in der Schweiz entziehen. Die Annahme der Initiative würde die EuropäerInnen in der Schweiz und die SchweizerInnen in Europa wieder zu BittstellerInnen machen. Eine Kündigung der Personenfreizügigkeit würde grossen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Darauf weisen viele hin in diesem Abstimmungskampf und machen das zu ihrem zentralen Argument: der Bundesrat, die Wirtschaftsverbände, die Gewerkschaften. Doch im Kern geht es um mehr – um die Menschen, die alle auf ihre Weise von den Rechten Gebrauch machen, die ihnen die Personenfreizügigkeit gibt. Es geht um Menschlichkeit. Das Migrationsrecht der Schweiz war lange ein Willkürreservat, also ein Rechtsgebiet, in dem Menschen kaum Ansprüche haben – anders als sonst im Verwaltungsrecht. Auf einen Führerschein etwa hat man Anspruch, sobald man die Bedingungen dafür erfüllt...“ – aus dem Beitrag „Wollen wir zurück ins Willkürreservat?“ von Stefan Schlegel am 03. September 2020 in der WoZ externer Link (Ausgabe 36/2020) über – gegen – die neue Initiative der Schweizer Rechten. Siehe dazu Hintergründe und gewerkschaftliche Aktionen sowie ein Interview mit einem Gewerkschafter über dessen Gründe, gegen die Initiative zu sein:

  • „Schwexit“ gescheitert: Rechter Vorstoß in der Schweizer Volksabstimmung mehrheitlich abgelehnt New
    „… Das Ansinnen der SVP wurde deutlich abgelehnt. Das erfreuliche Abstimmungsresultat bestärkt die Unia in ihrer klaren Haltung. Die Flankierenden Massnahmen (FlaM) im Rahmen der Personenfreizügigkeit und damit der Lohnschutz müssen gestärkt und nicht geschwächt werden. Die Unia fordert mehr Lohnkontrollen, schärfere Sanktionen bei Dumping sowie Berufs- und Branchenregister, welche offenlegen, ob die Löhne und Arbeitsbedingungen der Firmen bei Kontrollen korrekt waren. Es braucht zudem kantonale Mindestlöhne sowie mehr allgemein verbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge. Auch der Schutz für Arbeitnehmende und gewerkschaftliche Vertrauensleute, die sich gegen Lohndumping wehren, muss verstärkt werden. Der Schutz der Löhne und Arbeitsbedingungen hat auch im Hinblick auf die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU Priorität. Ein Rahmenabkommen, das Arbeitnehmendenrechte und Lohnschutz schwächt, wird die Unia entschlossen bekämpfen. Es wird ebenso scheitern wie heute die infame Initiative der SVP…“ – aus der Meldung „Angriff auf Lohnschutz und Rechte der Arbeitnehmenden abgewehrt“ am 27. September 2020 bei der Unia externer Link über die Niederlage der Rechten bei ihrem Angriff auf die Löhne und die Freizügigkeit. Siehe dazu weitere Meldungen zum Ergebnis und Konsequenzen:

    • „Der „Schwexit“ ist gescheitert“ am 27. September 2020 bei tagesschau.de externer Link meldet zur Abstimmung: „… Die Schweizer haben eine Begrenzung des Zuzugs von EU-Ausländern bei einer Volksabstimmung klar abgelehnt. Laut Endergebnis stimmten 61,7 Prozent gegen die Vorlage der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Somit gilt weiter Personenfreizügigkeit zwischen der Eidgenossenschaft und den EU-Ländern.vDie SVP hatte die „Begrenzungsinitiative“ gestartet und von der Regierung in Bern eine starke Drosselung der Migration in die Eidgenossenschaft verlangt. Die Initiative sah vor, dass die Regierung mit der EU innerhalb von zwölf Monaten das Ende der Freizügigkeit aushandeln sollte. Würde das nicht gelingen, so hätte die Regierung die Freizügigkeit innerhalb weiterer 30 Tage einseitig kündigen müssen...“
    • Entkrampfung jetzt! Bürgerrecht ausweiten, EU-Beziehung verstetigen: Mit dem Nein zur SVP-Initiative kann eine neue, offensive Phase in der Schweizer Politik beginnen
      Das Resultat ist klar, deutlich – und hocherfreulich: Mehr als sechzig Prozent der Stimmenden lehnen die SVP-Kündigungsinitiative ab. So erwartbar das Ergebnis am Ende war, so weitreichend sind seine Konsequenzen. Das Nein bedeutet eine doppelte Zäsur, migrations- wie europapolitisch. 25 lange Jahre seit der EWR-Abstimmung dominierte die Rechtspartei die beiden Politikfelder. Das ist mit dem heutigen Sonntag fürs Erste vorbei. Mit der Personenfreizügigkeit stand eine der zentralen migrationspolitischen Errungenschaften auf dem Spiel: die Gleichberechtigung aller Beschäftigten, zumindest wenn sie aus dem EU-Ausland stammen. Um die weitreichende Bedeutung des Resultats zu verstehen, muss man aber auf die gesamte Kaskade ausländerfeindlicher Vorlagen der Rechtspartei in den letzten Jahren zurückblicken – auch wenn man dabei all ihre diffamierenden Bezeichnungen nochmals aufzählt. Mit der «Ausschaffungsinitiative» (2010) etablierte die SVP eine Zweiklassenjustiz für AusländerInnen, mit der «Masseneinwanderungsinitiative» (2014) brachte sie die Personenfreizügigkeit ins Wanken. Die «Durchsetzungsinitiative» (2016), die «Selbstbestimmungsinitiative» (2018) und jetzt die «Begrenzungsinitiative» hätten ihren Anliegen endgültig zum Durchbuch verhelfen sollen. In ihrer Absolutheit sollten sie elementare Verfassungsgrundsätze sowie die völkerrechtlichen Verträge mit der EU aushebeln. Damit ist die SVP nun definitiv gescheitert. Es gibt keinen angeblichen Volkswillen, der eine immer härtere Diskriminierung von MigrantInnen fordert. Im Gegenteil. Das Fenster der Handlungsmöglichkeiten steht in der Migrationspolitik nun weit offen. Den besten Ansatz für eine Offensive bietet eine Vereinfachung der Einbürgerungspraxis. Denn nur das Bürgerrecht schützt die MigrantInnen vor Diskriminierungen bis hin zu Ausschaffungen und löst gleichzeitig das fundamentale Demokratiedefizit der Schweiz: dass immer mehr EinwohnerInnen des Landes von der Mitbestimmung ausgeschlossen sind…“ Artikel von Kaspar Surber vom 27.09.2020 in der WoZ online externer Link
  • Die SVP-Kündigungsinitiative greift unsere Rechte an. Hilf mit, dass auch deine Freunde und Kolleginnen am 27. September Nein stimmen: Schreib ihnen eine Postkarte!“ Protestaktion auf der Protestseite der Unia externer Link, siehe auch „Nein zur Kündigungsinitiative – Nein zu Experimenten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten“ – die Aktionsseite der Kampagne gegen die Kündigungsinitiative externer Link sowie „Tatort Arbeitsplatz – Weshalb die Kündigungsinitiative den Arbeitnehmenden in der Schweiz schadet“, die Sonderseite des SGB externer Link
  • Das will die SVP-Kündigungsinitiative: «Herrliberg first, Büezer second!»
    Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat ein Video zur SVP-Kündigungsinitiative ­veröffentlicht. Es ist Satire – und wie jede gute Satire entlarvend und erhellend zugleich. Die Kündigungsinitiative der SVP ist brandgefährlich. Sie will die bilateralen Abkommen mit der EU schrotten – und greift die Rechte und Löhne aller Arbeitnehmenden in der Schweiz frontal an. Die Fakten sind gecheckt, die Analysen sind gemacht, die Irrtümer der Kontingentspolitik geklärt. Auch in diesem work wieder . Zusätzlich beschreitet der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) jetzt neue Wege und setzt bei aller Ernsthaftigkeit des Themas auch auf Humor…“ Artikel von Clemens Studer in der Unia-Zeitung Work vom 4. September 2020 externer Link und das Video externer Link
  • «Magdalena Martullo-Blocher ist selber ein Problemfall»“ ebenfalls am 03. September 2020 in der WoZ externer Link ist ein Interview von Yves Wegelin mit dem Ökonomen des Schweizer Gewerkschaftsbundes SGB, worin dieser unter anderem gegen die Initiative unterstreicht: „… Christoph Blocher hat in einem Interview in der NZZ die Antwort gegeben: Die Arbeitgeber müssten so viele Arbeitskräfte rekrutieren können, wie sie wollten. Aber ohne Lohnschutz und Lohnkontrollen: Frau Martullo-Blocher und ihr Kollege Thomas Aeschi kämpfen öffentlich gegen die flankierenden Massnahmen, die wir seit der Personenfreizügigkeit aufgebaut haben. Es ist diese Vorstellung aus Herrliberg, nach der der Patron in der Firma bestimmen soll. Der von der Blocher-Familie geführten SVP sind starke Gewerkschaften und gute Gesamtarbeitsverträge ein Dorn im Auge. Es sind die Schweizer Firmen, die Leute entlassen, und nicht die Migrantinnen und Migranten. Beispielsweise Unternehmen wie die Ems-Tochter Eftec, die – wie die WOZ aufgedeckt hat – mitten in der Coronakrise ältere Mitarbeitende auf die Strasse gestellt hat. Ems-Chefin Martullo-Blocher ist selber ein Problemfall. Dass das Parlament kürzlich die von uns Gewerkschaften vorgeschlagene Überbrückungsrente beschlossen hat, war ein wichtiger Schritt. Sie sichert älteren Ausgesteuerten eine Rente bis zu ihrer Pensionierung. Darüber hinaus verlangen wir Gewerkschaften, dass der Kündigungsschutz für langjährige ältere Mitarbeitende ausgebaut wird. Es braucht solche Fortschritte. Die Personenfreizügigkeit zu kündigen, wäre hingegen ein Rückschritt. Die Lage würde sich für die Arbeitnehmenden nur verschlechtern. (…) Wir kämpfen für mehr allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge mit Mindestlöhnen. Hier gibt es Lücken: Die grösste ist beim Detailhandel, Handlungsbedarf gibt es aber auch beim Lastwagentransport oder im Journalismus, wo die Löhne nur teilweise geschützt sind. Ohne Mindestlöhne können Kantone Firmen nur auffordern, sich an die üblichen Löhne zu halten. Die ausländischen Firmen lenken zwar meistens ein. Aber bei der Hälfte der Schweizer Firmen landen die Briefe im Abfallkübel. Wenn wir Gesamtarbeitsverträge mit Mindestlöhnen haben, können Firmen, die dagegen verstossen, gesperrt oder gebüsst werden…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=177632
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