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Rentenproteste in Russland gehen weiter – werden auch die Gewerkschaften weiter mobilisieren?

Unter der Lupe: RentenarmutFreilich scheint die nach der jüngsten Präsidentschaftswahl eingetretene scheinbare Ruhe nun in Frage zu stehen. Soziale Proteste entzündeten sich schon an der Frage »Wohin mit dem Müll« (in Russland wird der Müll kaum verarbeitet, sondern nur auf Deponien verkippt) und anderen lokalen umweltpolitischen Problemen. Das Problem scheint groß zu sein, weil der Moskauer Bürgermeister in einem Interview ausführlich darauf einging – ohne allerdings eine tragfähige Idee zu entwickeln. Die Erhöhung des Rentenalters führt nun auch auf Seiten der ansonsten eher ruhigen Gewerkschaften zu Protesten. Erste Etappe war eine Petition gegen das Vorhaben, die innerhalb weniger Tage von mehr als zwei Millionen Menschen unterstützt wurde. Führende Figur der Proteste seitens der Gewerkschaften ist Oleg Schein, Vizepräsident der »Konföderation der Arbeit« (etwa zwei Millionen Mitglieder in etwa 20 Mitgliedsorganisationen) und Duma-Abgeordneter für »Einiges Russland«. Auch andere Abgeordnete der »Präsidentenpartei« habe sich bereits gegen das Gesetz ausgesprochen. Eine relevante linke Partei gibt es in Russland nicht und selbst die Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften und Parteien mit sozialer Orientierung ist wenig entwickelt. Gerade eben gründete einer der Gewerkschaftsverbände eine Expertenkommission, in der Formen der Zusammenarbeit mit Parteien gefunden werden sollen. Alle Oppositionsparteien in der Duma haben sich bereits gegen das Gesetz ausgesprochen. Sowohl die Linke um Sergej Udalzow als auch die Bürgerlich-Liberalen um Alexej Nawalny planen Proteste oder führen schon Aktionen durch…“ – aus dem ausführlichen Beitrag „Die russische Rente“ von Lutz Brangsch am 10. Juli 2018 in neues deutschland externer Link – hier eben mit einigen der Passagen über die Positionierung der Gewerkschaften zur russischen Rentenreform, die so ungewöhlich ist, wie es Proteste des DGB gegen die Große Koalition wären… Siehe dazu auch einen Hintergrundbeitrag, der die aktuell fortgesetzten Proteste gegen die Rentenreform im Zusammenhang mit der Entwicklung linker und selbstorganisierter Opposition betrachtet – sowie den Verweis auf den bisher letzten unserer Beiträge zum Thema:

  • „Rechte bekommt man nicht, man nimmt sie sich“ von Ute Weinmann im Juli 2018 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link ist ein Beitrag über die Renten-Gegenreform vor dem Hintergrund der Fußball-WM, und den Entwicklungen der sozialen Opposition, in dem es unter anderem heißt:Auf lokaler und regionaler Ebene könnten die sich bereits abzeichnende Zunahme von Protesten durchaus zu einer zielgerichteten Vernetzung von Aktivist_innen führen. Initiativen wie die Russische Sozialistische Bewegung RSD und Moskauer Linke um die Gewerkschaft Universitätssolidarität diskutieren über Optionen für eine parteiorientierte Zusammenarbeit mit linken Strukturen in den Regionen. Hilfreiche Kontakte gibt es durchaus, aber die Ressourcen sind beschränkt und die Aussichten eine neue Partei zu registrieren ohnehin trübe.  Sergej Udaltsow, vormals Anführer der Linksfront, setzt auf eine Erneuerung bestehender Parteien bzw. auf Synergien zwischen Anhänger_innen von KPRF und dem Gerechten Russland, sie sich durch den derzeitigen Zuschnitt der Parteien nicht vertreten fühlen. Aber noch viel wichtiger scheint im Moment zu sein, dass Beispiele von Selbstorganisation die Runde machen und sich Basisbewegungen von unten bilden, die eigene Interessen artikulieren und trotz massiver staatlicher Gegenwehr in Teilen durchsetzen. In dieser Hinsicht haben russische LKW-Fahrer in den vergangenen zwei Jahren mit ihrem couragierten Vorgehen eine enorme Vorarbeit geleistet für regional übergreifende Zusammenschlüsse. Immerhin konnten sie einige Teilerfolge für sich verbuchen, wenngleich auch sie dem politischen, aber auch ökonomischen Druck letztlich nicht vermochten standzuhalten. Doch ihre im Verlauf der langanhaltenden Streiks geschaffene Struktur besteht weiter und ermöglicht somit einen organisierten konzeptionellen Austausch. Von einer breiten Öffentlichkeit unbemerkt finden auch in Kleinstädten Proteste statt, die sich gegen lokale Missstände richten, aber auch gegen die Politik des Moskauer Machtzentrums…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=134509
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