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Der Linksblock unterstützt die portugiesische Minderheitsregierung: Wenn es gegen Privatisierung und Prekarität geht

CGTP Demo in Lissabon gegen die neuen Arbeitsgesetze der Sozialdemokratie am 26.6.2018Zweifellos. Der Kollaps der Syriza-Regierung fand im Juni statt und unsere Wahlen im Oktober. Darüber hinaus hatten wir eine sehr enge Beziehung zu Syriza. Was nach dem griechischen Oxi-Referendum geschah, war ein Schlag. Das hatten wir nicht erwartet. Griechenland besaß keinen Plan B, hatte keine technischen Vorbereitungen getroffen, um den Euro zu verlassen. Erforderlich gewesen wäre ein Zentralbank-Gesetz, um zu wissen, was mit den in- und ausländischen Schulden passiert. Nichts war vorbereitet. Es war schrecklich. Uns diente das dazu, den Diskurs zu radikalisieren und uns auf die Notwendigkeit zu konzentrieren, eine Alternative vorzubereiten und so ein möglichst günstiges Kräfteverhältnis zu schaffen, um zu verhindern, dass die Europäische Union hier so interveniert wie in Griechenland, denn dort ist das griechische Volk das Opfer und die EU sowie Deutschland der Aggressor…“ – sagt der Abgeordnete des portugiesischen Linksblocks (BE) Francisco Louca zu den Konsequenzen des BE aus griechischen Erfahrungen in dem Interview „Sparmaßnahmen sind eine Politik der sozialen Zerstörung“ (ursprünglich in gekürzter Fassung am 23. Juli 2018 in der jungen welt) – die Übersetzung von Andreas Schuchardt (wir danken dem Übersetzer) eines in der baskischen Gara erschienen Gesprächs von Benat Zaldua mit Louca, in dem er auch noch auf die Fragen der Zukunftsaussichten nach der kommenden Wahl eingeht, wie auf das Verhältnis von Minderheitsregierung und stützenden Parteien:

„Sparmaßnahmen sind eine Politik der sozialen Zerstörung“

Francisco Louca ist Professor für Wirtschaftswissenschaften, Mitbegründer und Abgeordneter des portugiesischen Linksblockes Bloco d’Esquerda (Interview: Benat Zaldua)

 Seit drei Jahren unterstützt der Linksblock (BdE) jetzt, zusammen mit der Kommunistischen Partei, die sozialdemokratische Minderheitsregierung in Portugal. Wie lautet Ihre Bilanz bis heute?

Es waren drei gute Jahre. Das bestätigen auch die Meinungsumfragen, die der Regierung eine große Popularität bescheinigen. Die Erklärung dafür ist, dass die Angst vorbei war, die direkten und indirekten Löhne zu erhöhen. Die Besteuerung der Arbeit wurde gesenkt, Beschäftigung geschaffen, Privatisierungen beendet usw. Trotz der sehr positiven Wahrnehmung der Öffentlichkeit bestehen zwischen den drei Parteien der Parlamentsmehrheit starke Spannungen, was Themen wie Bildung / Lehrer oder eine Reform des Arbeitsrechts anbelangt.

Wieso war 2015 plötzlich etwas möglich, was vorher immer unmöglich war?

Alle Parteien standen unter großem Druck ihrer Wähler. Die hätten weitere vier Jahre einer Regierung der Rechten und der Troika aus EU, EZB und IWF nicht verstanden. Die Führung der Sozialisten hat begriffen, dass eine Tolerierung der Rechten für sie sehr teuer geworden wäre und deshalb zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Pakt mit der Linken sondiert.

Fast zeitgleich gab es in Griechenland den abrupten Kurswechsel der Syriza in die andere Richtung. Hatte das Einfluss auf den Bloco und die KP?

Zweifellos. Der Kollaps der Syriza-Regierung fand im Juni statt und unsere Wahlen im Oktober. Darüber hinaus hatten wir eine sehr enge Beziehung zu Syriza. Was nach dem griechischen Oxi-Referendum geschah, war ein Schlag. Das hatten wir nicht erwartet. Griechenland besaß keinen Plan B, hatte keine technischen Vorbereitungen getroffen, um den Euro zu verlassen. Erforderlich gewesen wäre ein Zentralbank-Gesetz, um zu wissen, was mit den in- und ausländischen Schulden passiert. Nichts war vorbereitet. Es war schrecklich. Uns diente das dazu, den Diskurs zu radikalisieren und uns auf die Notwendigkeit zu konzentrieren, eine Alternative vorzubereiten und so ein möglichst günstiges Kräfteverhältnis zu schaffen, um zu verhindern, dass die Europäische Union hier so interveniert wie in Griechenland, denn dort ist das griechische Volk das Opfer und die EU sowie Deutschland der Aggressor.

Zu Anfang weckte die portugiesische Lösung in Brüssel Misstrauen, nun aber haben sie den Vorsitz der Eurogruppe inne…

Die Rechte und Europa hatten ein Problem, diese Regierung zu attackieren und es ist ja auch keine Koalition. Die Linke ist nicht Teil der Exekutive und behält genug Unabhängigkeit ihr gegenüber. Anders als bei Syriza besteht das Kabinett aus Leuten, die seit Jahren Teil der europäischen Institutionen und des dortigen Konsens sind. Gleichzeitig konnte sich die EU keine zweite Front leisten. Sie war in Griechenland bereits zu weit gegangen.

Man spricht inzwischen von einem portugiesischen Wirtschaftswunder. Gibt es das wirklich?

Es ist kein Wunder, denn es gibt keinen Strukturwandel und es herrscht noch viel Prekarität. Sehr günstige externe Faktoren, wie der niedrige Ölpreis, zu denen sich eine Erholung der Binnennachfrage gesellte, hatten positive Auswirkungen. Nach vielen Krisenjahren hatte das eine starke und unmittelbare politische und soziale Wirkung. Doch aufgrund der europäischen Haushaltsauflagen gibt es noch immer sehr wenig öffentliche Investitionen. Portugal hat gezeigt, dass Sparmaßnahmen eine Politik der sozialen Zerstörung sind, die keine ökonomische Basis oder irgendetwas besitzt, das zu Wachstum und Entwicklung verhelfen könnte. Sie bringt nur Unterwerfung und Zerstörung.

War die Einführung des Euro für Portugal ein gutes Geschäft?

Nein, es ist eine Katastrophe – für alle Länder des Südens. Der Euro organisiert die Trennung in Schuldner und Gläubiger. Er ist eine Technologie zur politischen und sozialen Unterwerfung der Schuldner. Und vor allem ist er ein schrecklicher politischer Fehler, denn ein Land, das über keine finanziellen und monetären Kapazitäten verfügt, kann keine demokratische Entscheidung treffen. Es kann überhaupt nichts entscheiden.

Über den Euro wird in Portugal intensiv diskutiert. In welcher Weise genau?

Ich denke, dass es in Portugal mehr politische Diskussionen über den Euro gibt als in Spanien. Es gibt mehr Studien und Arbeiten darüber, ob wir die Gemeinschaftswährung verlassen sollten oder nicht. Selbst in der Sozialistischen Partei (PS) gibt es einige Ökonomen, die den Euro ohne einen Politikwechsel in Europa nicht für nachhaltig halten. Diese Ansicht verteidigen auch der Bloco die KP ohne Angst.

Wie sind die Beziehungen zwischen den drei Parteien der Mehrheit?

Leider hat die Kommunistische Partei (PCP) Verhandlungen zu dritt nie akzeptiert. Diese getrennten Gespräche verschafften der PS einen großen Vorteil. Zwischen Linksblock und KP existieren gewisse Spannungen. (Ein Teil der Bloco-Mitglieder war früher in der KP; jW.) Doch für gewöhnlich sind die Beziehungen zwischen den Führungen herzlich, auch wenn wir sehr unterschiedliche Parteikulturen haben. Die PCP glaubt immer noch an die Idee einer Einheitspartei.
Mit der Sozialistischen Partei ist die Sache komplizierter, weil es da um das Verhältnis zur Regierung geht. Außerdem herrschen dort interne Spannungen. Einige sagen, dass dieses Bündnis das Beste ist, was dem PS passieren konnte. Andere meinen, man müsse alles tun, um eine absolute Mehrheit zu erreichen und nicht mehr von der Linken abhängig zu sein.

Wo steht der Ministerpräsident Antonio Costa?

Er ist dem Willen zur absoluten Macht näher. Aber da er ein sehr schlauer Typ ist, weiß er, dass es nicht besonders intelligent wäre, einen Wahlkampf zu führen, mit dem man offen eine absolute Mehrheit anstrebt. Er will es, aber er wird es nicht sagen.

Würde mit einer absoluten Mehrheit der Sozialdemokraten der Politikwechsel enden?

Ohne jeden Zweifel. Aber sie haben es schwer. Sie müssten 42 bis 43 Prozent der Stimmen erreichen und die Umfragen geben ihnen etwa 37 Prozent. Die Rechte ist schon sehr tief gesunken, da erscheint es schwierig, dass sie noch mehr verliert.

Also besteht die Möglichkeit einer Fortsetzung dieses Experimentes?

Das wird vom Wahlergebnis abhängen. Es ist notwendig, dass die Linke eine starke Stellung behält und sich stolz zu dem Erreichten bekennt, weil sich das Leben dank ihr verbessert hat. Wir befinden uns noch nicht in der Zeit der politischen Propaganda, doch der Kampf für den Sozialismus ist der aktuellste Kampf unseres Lebens. Es ist wichtig, einen starken Disput zur Macht und zur Mitte aufrechtzuerhalten. Danach werden die Bündniskonstellationen immer vom Kräfteverhältnis abhängen.

Eine längere Version dieses Interviews erschien zuerst in der linken baskischen Tageszeitung „Gara“.

Übersetzung: Andreas Schuchardt

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=135445
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