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Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP): Die Kosten der Klimakrise müssen durch diejenigen getragen werden, die sie verursacht haben

Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP): Die Kosten der Klimakrise müssen durch diejenigen getragen werden, die sie verursacht haben„… Als Arbeiter*innen sind wir nicht verantwortlich für die Krise, deren Preis wir zahlen. Allein hundert Unternehmen verantworten über 70 % der globalen Treibhausgasemissionen. Die Struktur dieser Emissionen spiegelt auch die sich verschärfenden sozialen und einkommensbezogenen Ungleichheiten wider (…) Die Ausbeutung der Menschen und die Zerstörung des Planeten resultieren aus ein- und demselben Akkumulationsprozess von Macht und Kapital in den Händen einer kleinen Elite, die nur auf kurzfristige Profite blickt. Daher fordern wir eine Politik der Klassenverantwortung für die Klima- und Umweltkrise. (…) Die Klima- und Umweltkrise bedeutet eine soziale Katastrophe. Es reicht nicht, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um ihre schlimmsten Folgen zu verhindern. Wir müssen das gesamte sozio-ökonomische System ändern. (…) Wir fordern die Vergesellschaftung, Entkarbonisierung und Dekommodifizierung grundlegender Waren und Dienstleistungen (Energie, Nahrung, Transport), Arbeitszeitverkürzungen, radikale Umverteilung von Reichtum, universellen Zugang zu bezahlbarem öffentlichem Wohnraum sowie kostenlose Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur…“ Aus der Übersetzung der Positionierung der Klima-Gruppe in der IP aus dem Englischen durch Toni Puck – siehe den ganzen Text und Hintergründe:

Im Rahmen ihrer Publikationsreihe zu Klimakrise und Klassenkonflikt externer Link hat die Transnational Social Strike Platform externer Link (TSS) einen Text der Klima-Gruppe in der polnischen Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza externer Link (IP, Arbeiter-Initiative) zur Notwendigkeit einer Politik der Klassenverantwortung veröffentlicht. Dieser Text ist die Einleitung zum bald erscheinenden Buch „Against exploitation and devastation. Workers’ Initiative in face of the climate and ecological crisis“ (Gegen Ausbeutung und Zerstörung. Die Arbeiter-Initiative angesichts der Klima- und Umweltkrise).

Aus dem Text:
Als Arbeiter*innen sind wir nicht verantwortlich für die Krise, deren Preis wir zahlen. Allein hundert Unternehmen verantworten über 70 % der globalen Treibhausgasemissionen. Die Struktur dieser Emissionen spiegelt auch die sich verschärfenden sozialen und einkommensbezogenen Ungleichheiten wider: Die reichsten 10% der Weltbevölkerung sind für die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich. Die reichsten 1% emittieren 30-mal mehr als die ärmsten 50 % der Bevölkerung. Die Ausbeutung der Menschen und die Zerstörung des Planeten resultieren aus ein- und demselben Akkumulationsprozess von Macht und Kapital in den Händen einer kleinen Elite, die nur auf kurzfristige Profite blickt. Daher fordern wir eine Politik der Klassenverantwortung für die Klima- und Umweltkrise. Die Kapitalist*innen (Unternehmensführungen und Politiker*innen, die ihnen dienen), also die Klasse, die die Produktionsmittel kontrolliert und uns unser gegenwärtiges ökonomisches System aufzwängt, hat uns an den Rand einer sozialen und ökologischen Katastrophe gedrängt. Um diese Katastrophe zu verhindern, brauchen wir die Solidarität aller Gruppen, die die globale Arbeiterklasse ausmachen. Wir erklären unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen sozialen Bewegungen und Organisationen, die die Perspektive der Arbeiter*innen vertreten.“

Zum englischsprachigen Artikel vom 14.02.2022: We Stand for a Policy of Class Responsibility: the Cost of the Climate Crisis is Borne by Those who Caused it externer Link

Hier die Übersetzung ins Deutsche:

Wir stehen für eine Politik der Klassenverantwortung. Die Kosten der Klimakrise müssen durch diejenigen getragen werden, die sie verursacht haben

Highlights // Offene Fragen:

  • Die Ausbeutung der Menschen und die Zerstörung des Planeten resultieren aus ein und demselben Prozess der Akkumulation von Macht und Kapital. Doch obwohl Arbeiter*innen nicht für die ökologische Krise verantwortlich sind, leiden sie unter den Folgen. Wie gehen wir damit um, dass diese Folgen auf globaler Ebene ungleich verteilt sind und nicht alle Arbeiter*innen in derselben Lage sind?
  • Gefordert ist eine Politik der Klassenverantwortung, im Rahmen derer die Kapitalist*innen für diese Katastrophe zahlen. Dafür erforderlich ist aber die Solidarität aller Gruppen, die die globale Arbeiterklasse ausmachen. Wie stärken wir eine gemeinsame Perspektive auf die ökologische Krise? Insbesondere, wenn wir berücksichtigen, dass sowohl die Klimakrise, wie auch die ökologische Wende nicht zu mehr Solidarität, sondern stärkerer Konkurrenz um Ressourcen, Investitionen und Arbeitsplätze führen?
  • Die Reduktion von Emissionen reicht nicht aus; „Green-Washing“ des gegenwärtigen politischen Systems reicht nicht aus. Wir brauchen eine radikale sozio-ökonomische Transformation unter Beteiligung der Arbeiter*innen. Wie bauen wir eine gemeinsame Kraft auf, die in der Lage ist, sich auf derselben Ebene aufzustellen, wie die Klimakrise und die Kapitalakkumulation – nämlich auf der globalen und transnationalen Ebene?

Mit der Intensivierung der Wirtschaft seit der industriellen Revolution nahm die Konzentration von Karbondioxin und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre stark zu und führte zu einem globalen Klimawandel. Großbrände, Dürren und Überschwemmungen, extreme Kälte- und Hitzewellen haben bereits tausende Tote gefordert und zerstören die Lebensgrundlage von Hunderttausenden auf der ganzen Welt – sie alle sind das Ergebnis der Destabilisierung des Klimas. Dies wird auch durch andere Krisen begleitet: Verlust der Biodiversität, Übersäuerung der Meere, Störung biochemischer Kreisläufe und Veränderungen in der Landnutzung. Diese zerstören nicht nur die Ökosysteme der Erde, sondern bedrohen auch unsere Lebensgrundlagen. Sterilisierte Böden sind weniger ertragreich, Trinkwasservorräte schrumpfen und Infektionskrankheiten verbreiten sich. Die COVID-19-Pandemie kann als Teil dieser ökologischen Krise verstanden werden, da sie Ergebnis kapitalistischer Ausbeutung der Ressourcen der Erde, sowie des Drucks auf die Ökosysteme ist.

Als Arbeiter*innen sind wir nicht verantwortlich für die Krise, deren Preis wir zahlen. Allein hundert Unternehmen verantworten über 70 % der globalen Treibhausgasemissionen. Die Struktur dieser Emissionen spiegelt auch die sich verschärfenden sozialen und einkommensbezogenen Ungleichheiten wider: Die reichsten 10% der Weltbevölkerung sind für die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich. Die reichsten 1% emittieren 30-mal mehr als die ärmsten 50 % der Bevölkerung. Die Ausbeutung der Menschen und die Zerstörung des Planeten resultieren aus ein- und demselben Akkumulationsprozess von Macht und Kapital in den Händen einer kleinen Elite, die nur auf kurzfristige Profite blickt. Daher fordern wir eine Politik der Klassenverantwortung für die Klima- und Umweltkrise. Die Kapitalist*innen (Unternehmensführungen und Politiker*innen, die ihnen dienen), also die Klasse, die die Produktionsmittel kontrolliert und uns unser gegenwärtiges ökonomisches System aufzwängt, hat uns an den Rand einer sozialen und ökologischen Katastrophe gedrängt. Um diese Katastrophe zu verhindern, brauchen wir die Solidarität aller Gruppen, die die globale Arbeiterklasse ausmachen. Wir erklären unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen sozialen Bewegungen und Organisationen, die die Perspektive der Arbeiter*innen vertreten.

Bereits seit Längerem sind Gewerkschaften überall auf der Welt in Klimapolitiken eingebunden. Sie haben dabei eigene Ansätze entwickelt und einen gerechten Übergang (just transition) gefordert. Als „Arbeiter-Initiative“ interessieren wir uns seit Beginn unserer Aktivitäten auch für ökologische Fragen. Wir sind aus einer Welle der globalisierungskritischen Proteste heraus entstanden, die sowohl arbeits- wie auch umweltpolitische Probleme bewegte. Von Anfang an waren wir uns auch der Grenzen des Systems, was nach der Transformation 1989 entstanden war, bewusst. Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung sind Teil unserer Aktivitäten. Die Klima- und Umweltkrise bedeutet eine soziale Katastrophe. Es reicht nicht, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um ihre schlimmsten Folgen zu verhindern. Wir müssen das gesamte sozio-ökonomische System ändern. Diese Herausforderung kann ohne die Beteiligung der Arbeiter*innen nicht erfolgreich gemeistert werden.

Unsere Forderungen sind:

Gewerkschaften und Basisorganisationen sowie weitere horizontale Formen der Arbeiter*innenorganisation stärken durch: Ausweitung des Streikrechts, Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards und Arbeitsschutzvorgaben, Demokratisierung der betrieblichen Beziehungen, stärkere Beteiligung von Arbeiter*innen an Entscheidungsprozessen.

Sozioökonomische Transformation anstelle einer reinen Energietransformation: Der Prozess der Abkehr von einer Ökonomie, die auf der Nutzung fossiler Brennstoffe und der missbräuchlichen Ausbeutung von Rohstoffen basiert, sollte unter der Kontrolle der Arbeiter*innen und mit ihrer Beteiligung stattfinden. Wir fordern die Vergesellschaftung, Entkarbonisierung und Dekommodifizierung grundlegender Waren und Dienstleistungen (Energie, Nahrung, Transport), Arbeitszeitverkürzungen, radikale Umverteilung von Reichtum, universellen Zugang zu bezahlbarem öffentlichem Wohnraum sowie kostenlose Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur. Wir schlagen die Schaffung neuer Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor und eine Lohnerhöhung für die Beschäftigten in Schlüsselberufen vor – also die, deren Arbeit der gesamten Gesellschaft nützt (Gesundheitsversorgung, Bildung, öffentlicher Transport, Pflege, kommunale Dienstleistungen etc). Ökonomischer Wandel muss Hand in Hand mit der Demokratisierung des politischen Systems, der sozialen Beziehungen und der Beziehungen am Arbeitsplatz gehen – ansonsten reproduziert er nur die bestehenden Ungleichheiten und das unfaire System in einer neuen „grünen“ Version.

Umweltpolitik auf Grundlage einer Klassenverantwortung für die Krise: Wir sind nicht damit einverstanden, dass der Kampf gegen die Krise durch Arbeitsplatzabbau, Lohnkürzungen oder Kürzungen der öffentlichen Daseinsfürsorge oder als „green-washing“ geführt wird, indem dreckige Industrien in Regionen der Welt verlagert werden, in denen soziale und umweltbezogene Standards nicht eingehalten werden. Die Kosten sollen von denjenigen getragen werden, die über Jahre von der Ausbeutung der Umwelt und der Arbeiter*innen profitiert haben.

In Polen geht diese Transformation auch mit der sozialen und ökonomischen Katastrophe einher, die viele Regionen und Berufsgruppen infolge der politischen Veränderungen nach 1989 erfahren haben. Wir haben daraus gelernt. Energiewende und Entkarbonisierung der Wirtschaft sind unserer Meinung nach so lange ein unfairer Prozess, wie sie nicht mit einer verstärkten Einbindung der Arbeiter*innen in Entscheidungsfindungsprozesse, Arbeitszeitverkürzungen und Investitionen in den öffentlichen Sektor einhergehen.

Übersetzung aus dem Englischen: Toni Puck

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=198225
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