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Der Kampf der polnischen Ärzte: Hungerstreik für ein besseres Gesundheitssystem

Oktober 2017 Katowice: Solidarität mit dem Hungerstreik der Ärzte in WarschauEine ältere Dame mit markanter Hornbrille ist umringt von jungen Männern und Frauen in schwarzen T-Shirts. „Haltet durch!“, ruft sie ihnen mit resoluter Stimme zu. „Aber überprüft immer eure Werte. Jeder Organismus reagiert anders!“, so die Präsidentin der polnischen Kammer für Krankenschwestern und Hebammen, Zofia Malas. Seit dem 2. Oktober demonstrieren 20 bis 30 Assistenzärzte mit einem Hungerprotest in der Pädiatrie der Warschauer Universitätsklinik gegen die Verhältnisse im polnischen Gesundheitswesen. Protestplakate, Kinderzeichnungen und Patientengrüße hängen an den Wänden im Untergeschoss des Klinikums. Die Mediziner, die von der Ärztegewerkschaft OZZL unterstützt werden, liegen auf Isomatten und Matratzen, wenn sie nicht gerade Solidaritätsbekundungen entgegen nehmen oder Interviews geben, bislang vor allem inländische. „Wir erfahren große Unterstützung“, so Piotr, ein Arzt im Praktikum aus Allenstein (Olsztyn), der seinen Nachnamen nicht nennen mag, aber darauf verweist, dass es den Ärzten „keinesfalls um das eigene Geld, sondern um das Gesamtwohl“ gehe. Vor allem fordern die Mediziner ein Anheben der Ausgaben für das Gesundheitswesen von 4,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf 6,8 Prozent (wie von der WHO empfohlen) innerhalb von drei Jahren. Und zudem – der Protest sei strikt unpolitisch“ – so beginnt der Beitrag „Polen: Hungern für das Gemeinwohl“ von Jens Mattern am 27. Oktober 2017  bei telepolis externer Link, worin deutlich wird, dass auch in Polen die Wartezeit von drei Monaten für einen Termin bei Spezialisten umgangen werden kann – finanzielle Möglichkeiten zur Privatversicherung vorausgesetzt, versteht sich. Weswegen dann auch die Hetze im Fernsehen nicht daran hindert, massive Solidarität zu organisieren. Siehe dazu drei weitere aktuelle Beiträge und einen Hintergrundartikel:

  • „Polish doctors on hunger strike in healthcare row“ von Kasia Madera am 28. Oktober 2017 bei der BBC externer Link ist ein Beitrag, der vor allem die Reaktionen der Hungerstreikenden und ihrer UnterstützerInnen auf die ersten „Angebote“ der polnischen Regierung thematisiert. Diese im wahrsten Sinne des Wortes Zugeständnisse – nach Stillschweigen und Hetze – sind zwar noch eher gering, aber deutlich sichtbar Ergebnis der organisierten Proteste und ihres gesellschaftlichen Echos, weswegen die zu Wort kommenden Aktiven für Weitermachen plädieren.
  • „Ärzte oder Panzer“ von Reinhard Lauterbach am 14. Oktober 2017 in der jungen welt externer Link thematisiert die Haushaltspolitik der Regierung: „Der Protest der »Residenten« kommt der Regierung ausgesprochen ungelegen. Denn der Zustand des öffentlichen Gesundheitswesens ist ein chronisches Aufregerthema. So war die erste Reaktion von Gesundheitsminister Konstanty Radziwill, daran zu erinnern, dass das Problem ja nicht mit der gegenwärtigen Regierung in die Welt gekommen sei – was stimmt, aber nichts daran ändert, dass es die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist, die einen »Wandel zum Besseren« einzuleiten versprochen hat. Die PiS-Leute wissen, dass die gute Konjunktur nicht ewig andauern kann und Kürzungen später schwer zu vermitteln sein würden. Vor allem aber steht höheren Ausgaben für das Gesundheitswesen ein mächtiger Konkurrent gegenüber: der in finanzieller Hinsicht unersättliche Verteidigungsminister Antoni Macierewicz. Der will die Militärausgaben kurzfristig auf 2,5 Prozent des BIP erhöhen und damit ein Viertel mehr ausgeben, als die NATO verlangt. Und er denkt öffentlich sogar über eine Steigerung auf drei Prozent nach: Weil Polen sich notfalls auch auf eigene Faust ohne NATO verteidigen können müsse“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=123360
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