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So kämpft die Armee Paraguays „gegen den Terror“: Zwei elfjährige Mädchen erschossen (und anschließend in Guerilla-Uniform gesteckt…)

Paraguays Armee und ihr für kleine Mädchen tödlicher Kampf gegen den Terror...Seit einigen Jahren (je nach politischer Einstellung wird der Beginn ihrer Tätigkeit entweder auf das Jahr 2008 oder aber bereits auf 1994 datiert) gibt es in Paraguay die EPP – eine heute vorwiegend ländliche Guerilla-Bewegung, die vor allem in den Grenzregionen zu Brasilien, einem der traditionellen Armutsgebiete Paraguays ihre Organisation ausbauen konnte und mehrere hundert Bewaffnete umfasst – die mit einem Anschlag auf eine Armeeinheit im Jahr 2016 international Aufsehen erregte. Drei Jahre zuvor hatte die rechte Putschregierung Cartes die Spezialeinheit FTC (Gemeinsame Kraft für die Aufgabe –Fuerza de Tarea Conjunta) aus Polizei und Armee geschaffen, um die EPP zu bekämpfen. Zur selben Zeit wurden für die Menschen der Region Sozialprogramme versprochen – deutlicher Hinweis darauf, dass das Bürgertum in Paraguay durchaus sieht, wo die Wurzeln des Wachstums der EPP liegen. Neben dem weltweit üblichen Problem, dass diese Versprechungen auf dem Papier blieben, wuchs im Lauf der Zeit der Druck auf Innenministerium und FTC, endlich „Ergebnisse“ zu liefern. Deswegen Anfang September 2020 eine Aktion, die von der Regierung sofort als der „bisher größte Schlag“ gegen die EPP bewertet und propagandistisch ausgenutzt wurde. Dabei wurden nach offiziellen Bekundungen zwei Frauen getötet. Was zunächst nicht bekundet wurde: Die beiden Frauen waren jeweils 11 Jahre alt. Und wurden ohne forensische Untersuchung verscharrt. Pech für die Regierung Paraguays: Die beiden ermordeten Mädchen waren Argentinierinnen, weswegen jetzt international einige Probleme entstehen – und sie waren Verwandte von Guerilla-Aktiven. Zum paraguayischen Weg der Terror-Bekämpfung und den ersten Reaktionen darauf einige aktuelle Beiträge:

„EPP: Mehr Details zum Tod beider Mädchen“ am 06. September 2020 im Wochenblatt externer Link (es gibt seit der damals großen Migration aus Deutschland nach Paraguay – mit damals ist gemeint: Nach 1945… dort auch deutschsprachige Medien) gibt im Wesentlichen die Ausführungen des Kommandeurs der FTC auf einer Pressekonferenz wieder (und unterscheidet sich so recht wenig von deutschsprachigen Medien in der BRD). Der Kommandeur unterschied sich in seinen Ausführungen auch nicht sehr von Polizeisprechern hierzulande: „… Chamorro erklärte, dass es dazu in einem waldreichen Gebiet kam, rund 1.000 m vor dem eigentlichen Camp und auf einer Estancia mit 10.000 ha Fläche. Dies war keine Attacke, sondern wir drangen in das Waldgebiet ein um es zu verifizieren. Rund 80 vom Camp entfernt sahen wir vier Menschen, doch in dem Gebiet mit dem Bewuchs und der hügeligen Oberfläche und ohne Trampelpfade konnten wir unglücklicherweise nicht erkennen ob es sich um Frauen, Männer, Alte oder Kinder handelte. Chamorro sagte, dass es zu dem ersten Kontakt nur Minuten vor dem zweiten Aufeinandertreffen kam. Die Patrouille schaute wen sie gegenüber hatte und wir sahen Personen mit grünen Uniformen. Wir schauen nicht in die Gesichter, sondern welche Waffen sie tragen, denn damit können sie Schaden anrichten. Als sie die Menschen vernehmen wollten, suchten sie eine bessere Position, um sie verhaften zu können. Das Umfeld war jedoch dreckig und mit nur einem Schritt macht man auf sich aufmerksam. Deswegen blieben die Soldaten wo sie waren und observierten. Als wir erkannt wurden, gaben wir uns zu erkennen und dann begannen auch schon die ersten Schüsse auf die vier Personen. Es könnten jedoch auch mehr gewesen sein. Chamorro argumentierte, dass sie auf uns geschossen haben. In dem Moment hatten wir absolut keine Idee wer sie waren, weder das Alter, ihre Identität oder das Geschlecht. Da gab es keine andere Möglichkeit lebendig rauszukommen, wenn man selber schießt. Und das taten wir. Wir merkten wie die Schüsse aus ihrer Richtung weniger wurden nachdem wir begannen mit Schüssen zu antworten. Wir wussten bei besten Willen nicht, dass nach nur wenigen Metern das eigentliche Camp in Erscheinung tritt. Laut dem Kommandant kam es nur Sekunden später zu einem zweiten Aufeinandertreffen mit einer anderen Gruppe der FTC, die in einem anderen Sektor patrouillierte. 600 m in einer Stadt zu gehen ist einfach, aber die gleiche Strecke im Wald, ohne Wege, im Dickicht braucht seine Zeit. Wir haben uns mit Funkgeräten verständigt, doch durch die Schüsse waren sie vorgewarnt. Bei dem zweiten Aufeinandertreffen starb das zweite Mädchen. Beide Leichen blieben am Boden bis der Staatsanwalt dazukam, weswegen sie weder das Alter noch die Identitäten klären konnten. Kommandant Chamorro erklärte, dass die Mädchen beide uniformiert aufgefunden wurden, was mit Fotos und Videos bestätigt werden kann. Eine hatte einen Rucksack aber beide waren mit Pistolen und einem Gewehr und einer Schrotflinte bewaffnet. Falls ein Lügendetektortest notwendig werden sollte, sind die Soldaten unter seinem Kommando gern bereit diesen durchzuführen…“ – wobei es aus durchaus verschiedenen Richtungen Kritik daran gibt, dass die erwähnten Fotos allesamt von Soldaten selbst stammen und die toten Mädchen dabei eben tot waren…

„Abogada de los familiares de las niñas asesinadas confirma que Abdó Benítez amparó el crimen y ordenó enterrarlas para tapar las pruebas“ am 05. September 2020 bei Resumen Latinoamericano externer Link meldet, dass – laut der Anwältin der Opferfamilie – der paraguayische Präsident Benitez persönlich die sofortige Beerdigung der Opfer angeordnet habe, nachdem er die Tötung öffentlich feierte.

„Por asesinato de las dos niñas, presentación de la Gremial de Abogad@s de Argentina ante el Comité de los Derechos del Niño de la ONU“ am 06. September 2020 ebenfalls bei Resumen Latinoamericano externer Link meldet, dass die Anwaltsvereinigung Argentiniens beim Komitee für Kinderrechte der UNO Klage gegen die Regierung Paraguays erhoben hat. Auch zahlreiche weitere demokratische Organisationen aus Argentinien haben massive öffentliche Kritik an der Regierung Paraguays verbreitet.

„COMUNICADO A LA OPINIÓN PÚBLICA“ am 04. September 2020 bei der Redaktion Ultima Hora externer Link (Facebook) ist eine Protesterklärung der Redaktion der Tageszeitung gegen die Vorgehensweise der Regierung, die der Berichterstattung zum Tod der beiden Mädchen nur gestatten will, Regierungsquellen zu benutzen…

„¿Cuánto poder tiene el Ejército del Pueblo Paraguayo, la guerrilla que cometió la peor matanza de militares en los últimos años en Paraguay?“ am 04. September 2016 bei der BBC externer Link (Spanisch) war ein Beitrag nach dem Überfall der EPP auf eine Armeeinheit, worin nach der Stärke der Guerilla gefragt wurde. Dabei ist die wesentliche vermittelte Tatsache, dass dies deswegen schwierig zu beurteilen sei, weil es sich nicht um im klassischen Sinne organisierte Guerillas handele, sondern, sozusagen um „Freizeit-Aktivitäten“, sprich, diese Aktionen werden von Menschen getragen, die zur selben Zeit als Bauern arbeiten, also oftmals nicht klar abgegrenzt werden können, zumal sie – was am Rande aufscheint – offensichtlich durchaus breitere regionale Unterstützung der Bevölkerung genießen…

„Ejército del Pueblo Paraguayo, ¿un nuevo grupo insurgente o simples bandidos?“ von Jeremy McDermott in der Ausgabe 1/2015 von Perspectivas externer Link (Friedrich Ebert Stiftung) war eine Studie zur EPP, in der unter anderem –neben zahlreichen staatstragenden Erörterungen – deutlich wird, dass die EPP eben durchaus regionale Unterstützung genießt – und welche sozialen Gründe es dafür gibt – die im wesentlichen in der neoliberalen Politik der diversen Rechtsregierungen Paraguays liegen…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=177776
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