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Der österreichische Arbeitsmarktservice und sein diskriminierender Algorithmus: Vom Datenschutz gestoppt…

[Buch] Kritik des Computers. Der Kapitalismus und die Digitalisierung des Sozialen„… Die österreichische Datenschutzbehörde hat laut Medienberichten eine folgenreiche Entscheidung getroffen: Sie stoppt mit einem Bescheid ein umstrittenes algorithmisches System zur Kategorisierung von Jobsuchenden wegen rechtlichen Bedenken. Der laufende Testbetrieb des Algorithmus wird eingestellt. 2018 hatte das Arbeitsmarktservice (AMS) angekündigt, künftig die Chancen von Arbeitssuchenden mit einem automatisierten System zu bewerten. Der Algorithmus teilt Menschen auf Basis von Daten wie Ausbildung, Alter und Geschlecht in drei Kategorien ein, diejenigen in der untersten Kategorie bleibt der Zugang zu teuren Fortbildungen verwehrt. Das System sollte eigentlich mit 1. Januar 2021 in den regulären Betrieb übergehen, allerdings verzögerte sich der Start wegen der Corona-Pandemie. Laut der AMS-Führung sollte der Algorithmus den menschlichen Berater:innen lediglich als Entscheidungshilfe dienen, allerdings fürchteten Kritiker:innen des Projekts, dass die Urteile des Computers in der Praxis unumstößlich würden. Menschen mit geringen Jobchancen würden damit benachteiligt, ihre Diskriminierung noch einzementiert. Die Menschenrechts-NGO epicenter.works und weitere Organisationen starteten zuletzt die Kampagne „Stoppt den AMS-Algorithmus“...“ – aus dem Beitrag „Datenschutzbehörde stoppt Jobcenter-Algorithmus“ von Alexander Fanta am 21. August 2020 bei netzpolitik.org externer Link über das (vorläufige?) Scheitern des Versuchs, Diskriminierung per Computer zu systematiseren…  Siehe dazu auch eine Stellungnahme zum Entscheid der Datenschützer, eine Webseite zur Kampagne gegen diesen Algorithmus und den Verweis auf unseren bisher letzten Beitrag dazu:

  • „AMS-Algorithmus illegal: Für freie Kurswahl statt Bevormundung!“ am 22. August 2020 bei den Aktiven Arbeitslosen Österreich externer Link begrüßt den Schritt der Datenschützer und stellt Forderungen dazu: „… In der Diskussion um den AMS-Algorithmus wird leider meist übersehen, dass das AMS vom Gesetz her verpflichtet ist, grundsätzlich jede Verwendung der Versicherungs- und Steuergelder auf die Sinnhaftigkeit im Einzelfall zu begründen, gleichartige Fälle gleich zu behandeln und Diskriminierung von Arbeit Suchenden durch die Wirtschaft durch besondere Förderungen auszugleichen (§ 31 AMSG). Das AMS wollte also offenbar hier seine gesetzlichen Pflichten systematisch missachten. In Österreich haben die Versicherungszahler*innen im Versicherungsfall Erwerbslosigkeit beim AMS immer noch kein Recht, eine Begründung für die Ablehnung eines Kursantrages vom AMS in Form eines Bescheides zu bekommen. In Deutschland hingegen haben Hartz-IV-Bezieher*innen seit 2004 mit dem „Bildungsgutschein“ ein Recht auf frei ausgesuchte Kurse – auch am freien Kursmarkt – im Rahmen der vom Jobcenter genehmigten Bildungsziele. Wenn das Jobcenter dem Antrag nicht ganz oder gar nicht statt gibt, muss es das in einem Bescheid begründen, der nach weiterer Überprüfung in einem Widerspruchsverfahren anschließend auch beim Sozialgericht bekämpft werden kann. Bei der nun groß angekündigten Aufstockung des Budgets für AMS-Kurse und -Maßnahmen um 700 Millionen Euro fehlt aber jegliche inhaltliche Konkretisierung und vor allem auch die Garantie, dass wir Versicherte die Kurse bzw. Maßnahmen auch selbst aussuchen können, was die allereinfachste Qualitätssicherung wäre. Selbst die AMS-interne Forschung ist in Studien zum Schluss gekommen, dass selbst gewählte Kurse als am sinnvollsten erlebt werden. Arbeitsministerin Christine Aschbacher ist somit aufgerufen, endlich für eine rechtskonforme und sinnvolle Arbeit des AMS zu sorgen und die Verantwortlichen für die Jahre langen Rechtsbrüche zur Rechenschaft zu ziehen!...“
  • „Stoppt den AMS‑Algorithmus“ externer Link ist die Kampagnen-Webseite – worin es grundlegend zum Thema heißt: „… Bislang war es so, dass der Einsatz ganz neuer Technologien zumindest öffentlich debattiert und mit einem Gesetz demokratisch legitimiert wurde. Das ist beim AMS-Algorithmus nicht so. Dieses System wurde ohne öffentliche Debatte entwickelt und präsentiert. Die Zivilgesellschaft war in diesen Prozess nicht eingebunden und bis heute fehlt es hier grundlegend an Transparenz, wie dieses System arbeitet und über uns entscheidet. Ein ähnliches System wurde in Polen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Auch in den Niederlanden wurde ein algorithmenbasiertes System, das Sozialhilfeempfänger*innen kontrollieren sollte für rechtswidrig erklärt und eingestellt. Wir dürfen nicht zulassen, dass Merkmale, auf die man keinen Einfluss hat, entscheidend dafür sind, ob Menschen Aus- und Weiterbildungen verboten werden. Algorithmische Systeme müssen Vorurteile und Ungerechtigkeiten bekämpfen und dürfen diese Ungerechtigkeiten nicht auch noch einzementieren...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=177236
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