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Nach dem Polizeiüberfall auf die Wiener Klima-Demonstration am 31. Mai: Massive Kritik an Prügelorgie und Scheinhinrichtung erzwingt Rückzugsgefechte der Behörde und mobilisiert zu einer Demo am 6. Juni 2019

Demonstrationsplakat für die Wiener Aktion gegen Polizeigewalt am 6.6.2019Als am Samstag, 1. Juni 2019 die Nachrichten von einem Polizeiüberfall auf die Klimademonstration in Wien am Vorabend auch hierzulande begannen die Runde zu machen, konnte man noch glauben, es handele sich insoweit um eine „normale Vorgehensweise“ in der heranwachsenden Europäischen (Polizeistaats) Union, als es ja fast schon an der Tagesordnung ist, dass Protesten mit Polizei begegnet wird. Das für die Täter peinlicherweise zirkulierende Video aber zeigt ganz anderes (auch wenn bundesdeutsche Leid-Medien sofort Fachleute der Polizeihochschule präsentierten, die entgegen aller Bilder behaupteten, man könne da keine Absicht erkennen): „Auto-Boarding“, will heißen, der Mann wird festgehalten, unter den Polizeiwagen geschoben und der Wagen wird gestartet – ganz in mobiler Abwandlung des US-Patents „Waterboarding“. Inzwischen sind die diversen Verteidigungslinien der Polizei zumindest insofern aufgelöst, als die Staatsanwaltschaft Wien gezwungen war, Ermittlungen aufzunehmen. Die demokratischen Kräfte in Wien allerdings setzen darauf nicht besonders viele Hoffnungen, sondern organisieren ihrerseits eine Protestdemonstration am heutigen Donnerstag, 06. Juli 2019 ab 18 Uhr vor dem Innenministerium. Siehe zu den polizeilichen Taten und der wachsenden Kritik daran einige aktuelle Beiträge – inklusive des Demonstrationsaufrufs für den 6. Juni in Wien:

„Polizeigewalt war bei unserem antikapitalistischen Klima-Protest am Freitag kein Einzelfall“ am 03. Juni 2019 beim Twitter-Kanal Radikal Autofrei externer Link ist das kurz kommentierte und dokumentierte Video der polizeilichen Untat „Auto-Boarding“ – das einzige, was da noch zu fragen bleibt ist, wie sogenannte Experten es wagen können, aus diesen Bildern „Absichtslosigkeit“ zu machen…

„Nur „weiterleiten“ reicht nicht“ von Ralf Leonhard am 02. Juni 2019 in der taz online externer Link meldete als einer der Ersten in der BRD: „… Einen Tag später reagierte Polizeisprecher Patrick Maierhofer ausführlicher. Man kenne die Namen der Polizistinnen und Polizisten auf dem Video: „Ein erster Anlassbericht ist an die Staatsanwaltschaft Wien gegangen“. Im Laufe der Woche sollen Zeugen des Vorfalls, das Opfer sowie die beteiligten Polizisten vom Referat für besondere Ermittlungen vernommen werden. Laut Polizei hat der Mann auf Polizisten, die ihn wegtragen wollten, eingetreten. Eine Schilderung durch den Demonstranten steht noch aus. Auch ist unbekannt, ob das Opfer der Polizeigewalt Anzeige erstattet hat. Mattis Berger, Sprecher des Aktionsbündnisses Ende Geländewagen, sagt, dass der Mann mit 100 weiteren Festgenommenen bis 3 Uhr früh festgehalten wurde und sich dann im Krankenhaus untersuchen ließ. Es handle sich um einen Passanten, der sich spontan dem Sitzstreik angeschlossen habe. Die viel befahrene Aspernbrücke über den Donaukanal verbindet den 1. mit dem 2. Bezirk. Die Aktion, für die die Brücke mit einem Seil blockiert wurde, habe sich „gegen die zerstörerische Verkehrspolitik“ gerichtet, so Berger. 250 Menschen beteiligten sich an der Sitzblockade. Berger kennt weitere Verletzte…“

„Schwere Vorwürfe gegen Wiener Polizei“ von Srdjan Govedarica am 05. Juni 2019 bei tagesschau.de externer Link ist auch ein Beispiel für die Entwicklung der Berichterstattung in den drei Tagen: „… Zwei Polizisten fixieren den Mann auf dem Boden direkt neben einem Polizeiwagen. Der Kopf des Mannes liegt dabei unter dem Auto, unmittelbar neben dem linken Hinterreifen.  Der Polizist am Steuer schaut sich mehrmals um und fährt los. Ein Aufschrei geht durch die Menge. Im letzten Moment ziehen die beiden Polizeibeamten den Mann weg. Der fast überfahrene Mann heißt Anselm Schindler und stammt aus München. Der Aktivist hatte nach eigenen Angaben den Polizeieinsatz gefilmt und sei daraufhin von Polizisten angesprochen worden. Es soll dann zu einem Streit und einem Handgemenge gekommen sein. Was dann passierte schildert Anselm Schilder im ORF so: „Ich habe von Anfang an deutlich gemacht und habe gerufen, dass ich mich nicht wehre und dass von mir keine Gewalt ausgeht und die haben immer fester gedrückt. Das war ihnen egal und ich lag dann vor einem Polizeiauto, das losgefahren ist und habe nur gesehen, wie von rechts der Reifen immer näherkommt.“ (…) Ob das so war, will die Wiener Polizei zunächst selbst ermitteln. Das Video sei dem Referat für besondere Ermittlungen vorgelegt worden, aber auch die Staatsanwaltschaft befasse sich mit dem Video. Der beschuldigte Polizist sei vorerst in den Innendienst versetzt worden. Zum Fall des beinahe überfahrenen deutschen Aktivisten sei das Handyvideo an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. In einer Pressemitteilung weist die Wiener Polizei „die teils absurden Anschuldigungen gegen die Wiener Polizei, die in diversen sozialen Netzwerken kursieren“, aufs Schärfste zurück und betont, dass auch für Polizisten im Dienst die Unschuldsvermutung gelte…“

„Polizeigewalt: Weitere Aktivist*innen bei Klimaprotest verletzt / Attac verurteilt brutales Vorgehen der Polizei“ am 03. Juni 2019 bei Attac Austria externer Link ist eine Pressemitteilung, die hier auch als Beispiel für den Protest zahlreicher Organisationen und Personen steht. Darin heißt es unter anderem: „… Das globalisierungskritische Netzwerk Attac verurteilt die Polizeigewalt gegen gewaltfreie Klimaaktivist*innen während des Aktionstags für Klimagerechtigkeit am 31. Mai in Wien. Neben der – bereits in einem Video dokumentierten – Gewalt gegen einen Passanten, der sich an der Sitzblockade beteiligte, wurden dabei auch weitere Aktivist*innen durch das brutale Vorgehen der Polizei verletzt. Die Folge davon: Einem Aktivisten wurde der Mittelhandknochen gebrochen, einem anderen wurden Platzwunden im Gesicht zugefügt, andere haben mehrere Hämatome.  Beim Aktionstag hatten Aktivist*innen von „Ende Geländewagen“ den Ring und die Aspernbrücke blockiert, um eine Mobilitätswende hin zu mehr öffentlichem Verkehr, Rad- und Gehwegen zu fordern.   „Wir sind schockiert und verurteilen die Gewalt gegen die Aktivist*innen aufs Schärfste“, erklärt Iris Frey von Attac Österreich. „Gewaltfreier ziviler Ungehorsam ist eine legitime Aktionsform um endlich wirksame Maßnahmen der Regierungen gegen die eskalierende Klimakrise einzufordern. Wir erklären uns solidarisch mit den Aktivist*innen und fordern, dass die Vorkommnisse umfassend aufgeklärt werden.“…“

„Organisierte Polizei Gewalt“ am 06. Juni 2019 bei Auf zu neuen Ufern externer Link fasst die Entwicklung der Enthüllungen und Reaktionen und ihre politischen Zusammenhänge so zusammen: „Die Polizeigewalt während der Räumung einer gewaltfreien Blockade letzten Freitag sorgt für einige Diskussionen. Es sind vor allem zwei Videos, die Aufsehen erregen. Auf einem ist zu sehen, wie ein Polizist einen Menschen, der bereist von anderen Uniformierten am Boden festgehalten wird, heftig schlägt. Im anderem wird ein Mann unter einem Polizeibus direkt vor dem Reifen fixiert. Der Wagen startet und fährt los. Erst im letzten Moment reißen Polizisten den Verhafteten aus dem Gefahrenbereich. Diskutiert wird vor allem das individuelle Fehlverhalten einzelner Beamte*innen. Doch schon bei den Videos wird die Organisation der Polizeigewalt deutlich. Im ersten Film ist eine Wagenburg aus Polizeifahrzeugen zu sehen. Sie dient dazu, neugierige Blicke fernzuhalten. Auch das Zusammenspiel der Polizeikräfte ist bemerkenswert: In der ersten Aufnahme ist ein „In die Nieren!“-Ruf zu hören, der Schläger in Uniform kommt dem offensichtlich nach. Im anderem Clip gibt es ein Zusammenspiel zwischen dem Fahrer und den beiden Polizisten, die den Mann fixieren. In beiden Fällen war viele Polizist*innen rundherum, die vor allem eines taten: eine kritische Öffentlichkeit unterbinden; Menschen, die dokumentieren oder solidarische Zeug*innen sein wollten, vertreiben. Es haben sich also nicht einzelne Beamt*innen daneben benommen, es ist ein ganzer Apparat, der das deckt und begünstigt. Auch der Kontext der Polizeiaktion spricht klar für eine organisierte Polizeigewalt und gegen persönliche Verfehlungen. Eine Blockade am Ring und der Aspernbrücke wurde geräumt. Es war eine Aktion im Rahmen des Aktionstages des Klimacamps und fand im Anschluss an die wöchentliche “Friday for Future”-Demonstration statt. Dabei gab es einen klaren Aktionskonsens: keine Gewalt! Es gab folglich keine konkrete Bedrohungslage; ob die Räumung eine Stunde länger oder kürzer dauert, ist egal – nur ein paar Autofahrer*innen müssen einen Umweg machen. Die Polizei war mit 200 Personen vor Ort, es waren in etwa gleich viele Aktivist*innen vor Ort – oder anders gesagt: die Polizei hatte die Lage stets im Griff. Und dennoch gab es am Ende des Tages fast 100 Verhaftete und zumindest vier Menschen mit schwereren Verletzungen. Es war also die Polizei, die hier vorsätzlich eskalierte…

„Heute 18 Uhr Verkehrsministerium: Demo gegen jede Polizeigewalt!“ am 06. Juni 2019 beim Twitter-Kanal der Autonomen Antifa Wien externer Link ist der Aufruf zur heutigen Protestdemonstration, inklusive Links zum Facebook-Event und verschiedenen weiteren Twitter-Kanälen…

Wir empfehlen den Twitter-Kanal von Anselm Schindler @AnselmSchindler, dem unsere Solidarität gebührt…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=149907
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