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Die Politik, die Kanzler Kurz in Wien weiter verfolgen will: Kopftuch – verboten, Hakenkreuz – erlaubt, Geschäftsbeziehungen – gepflegt

Die Demonstration am 18.5.2019 in Wien wurde zur Freudenkundgebung, als die Meldung vom Rücktritt des faschistischen Innenministers kam - und führte sofort zur Forderung nach Rücktritt der gesamten Rechtsregierung

Die Demonstration am 18.5.2019 in Wien wurde zur Freudenkundgebung, als die Meldung vom Rücktritt des faschistischen Innenministers kam – und führte sofort zur Forderung nach Rücktritt der gesamten Rechtsregierung

„… Doch die Rücktritte sind noch lange nicht genug. Nicht nur, dass auch die anderen Parteien korrupt sind, sie stecken auch politisch unter einer Decke: Auch wenn die ÖVP die Koalition mit der FPÖ im Bund auflöst arbeitet sie z.B. in Oberösterreich weiter mit ihr zusammen. Auch die SPÖ koaliert in Bundesländern und Städten mit den Freiheitlichen, und auch die Grünen sitzen mit der FPÖ in Proporz-Regierungen. Die Politik dieser Parteien – jahrzehntelanger Sozialabbau kombiniert mit arroganter Abgehobenheit und Korruption, hat die FPÖ erst groß gemacht. Wir können uns nicht auf die etablierten Parteien oder die Medien verlassen. Auch wenn die Krone nun zum Schlag gegen Strache ausholt – gleichzeitig macht sie weiter mit ihrer rassistischen Hetze, also verbreitet weiter die Inhalte der FPÖ. Das Ende der Koalition bedeutet nicht das Ende ihrer Politik – und auch nicht das Ende von Korruption. Um das System der Reichen zu stürzen, müssen wir uns selbst organisieren. Neuwahlen alleine reichen nicht! Die Demos in ganz Österreich ab Samstag den 18.5. sind dafür ein guter erster Schritt. Doch wir demonstrieren schon seit einem Jahr gegen die Regierung – das reicht nicht mehr. Organisieren wir uns an unseren Arbeits- und Ausbildungsplätzen, gründen wir Aktionskomitees und greifen wir die korrupte Politik dort an, wo es ihnen am meisten weh tut: Bei den Profiten ihrer Geldgeber! Die Gewerkschaften hätten mit über einer Million Mitgliedern und Verankerung in den Betrieben die Möglichkeit, eine Bewegung gegen diese Politik enorm zu verstärken. Beim 12-Stunden-Tag hat die Gewerkschaft gezeigt, welches Potential sie hätte – und hat es dann ungenutzt verpuffen lassen! Das darf diesmal nicht geschehen…“ – aus dem Beitrag „Weg mit Strache UND dem ganzen korrupten System“ am 18. Mai 2019 bei der SLP externer Link, hier als ein mögliches Beispiel einer ganzen Reihe ähnlich orientierter Beträge bei verschiedenen linken Organisationen stehend. Siehe dazu eine Sammlung von Beiträgen, die deutlich machen sollen, was (auch) in der österreichischen Politik erlaubt und verboten ist, wie Geschäftsbeziehungen gepflegt werden und was für ein System dahinter schon seit langem steht…

a) Linke Stellungnahmen nach dem Teilrücktritt

„Primitiver Zynismus und politische Brutalität“ von Mirko Messner am 18.5.2019 bei der KPÖ externer Link ist die Stellungnahme des Bundessprechers, der unter anderem unterstreicht: „Innerhalb weniger Minuten wurde durch das Ibiza-Video im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus zum Skandal, was keines Videos bedurft hätte: dass es sich bei der FPÖ-Führung um eine korruptionsan­fällige bis hoch korrupte Ansammlung von Populisten handelt, die lukrative Beziehungen zu Superreichen und Oligarchen pflegen und am konsequentesten verkörpern, was wir den autoritären Kapitalismus nennen. Was die Bedeutung des Videos für die Volksaufklärung nicht schmälert, denn die Kombination des primitiven Zynismus und der politischen Brutalität, die es widerspiegelt, ist atemberaubend. Was das Video allein nicht ausleuchten kann, gehört seit Jahrzehnten zum politisch-kulturellen Alltag in Österreich: die Einbeziehung der extremen, deutschnationalen Rechten, sprich der FPÖ, in die politische Strategie von ÖVP und SPÖ. Vom hemmungslosen Buhlen um die Stimmen der Nazis gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs – gegen alle antifaschistischen Deklarationen und verfassungsmäßigen Vorgaben –, über die Einbeziehung der Nazi-Wiedergänger-Partei in diverse Koalitionen aus Landes- und Bundesebene, die freundliche Behandlung der FPÖ in den medialen und politischen Salons – es ist die Verantwortungslo­sigkeit der politischen Klasse Österreichs, der bürgerlichen und sozialdemokra­tischen Mitte, die Haider und Strache groß werden hatte lassen. Und die das aktuelle Zusammenspiel der neokonservativen Rechten mit den Rechtsextremen in Österreich und anderswo in Europa zu einer gefährlichen, demokratiebedro­henden Realität hat werden lassen…

„Massenkundgebung gegen Strache und die Regierung!“ am 18. Mai 2019 beim ArbeiterInnen-Standpunkt externer Link zu den Protesten am Samstag in Wien: „… Die Kundgebung selbst, die vor allem von spontanen Emotionen zuerst der Verärgerung und später (nach dem Bekanntwerden des Rücktritts von Strache) von Freude geprägt war kann aber nur der Anfang sein. Zum aktuellen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob die Kurz-ÖVP die Regierungskoalition mit der FPÖ aufkündigen wird, oder sie mit geänderter Besetzung fortsetzen wird. Diese Kundgebung muss der Auftakt einer Bewegung gegen die gesamte schwarz-blaue Regierung sein. Weder Neuwahlen noch die Rückkehr zur großen Koalition bedeuten einen Bruch mit der rassistischen, frauenhassenden und arbeiter*innenfeindlichen Politik von Schwarz-Blau. Ganz im Gegenteil: FPÖ und ÖVP haben noch viel vor, dass an die korrupten Versprechungen von Strache anknüpft. Die Steuerreform zur Entlastung der Reichsten, Sozial- und Gesundheitsabbau, und die Angriffe auf Gewerkschaftsbewegung und Arbeiter*innenkammer sind mehrmals angekündigt worden, aber noch nicht durchs Parlament gegangen. Diese Projekte werden die Parteien, auch unter anderer Führung oder nach Neuwahlen weiterverfolgen. Aber wir können die Krise der FPÖ in eine Krise der Regierung und eine Krise der Regierungspolitik verwandeln. Eine Massenbewegung auf der Straße, an Arbeitsplätzen, Schulen und Unis kann nicht nur die Koalition unter Druck setzen, sondern das System, dass sie verteidigen und verschärfen. Die zu Recht wütenden Arbeiter*innen, Jugendlichen und Arbeitslosen können ihre Wut auf die Korruption gegen das System richten aus dem sie entstanden ist. Es ist die Aufgabe von Revolutionär*innen und Linken, jetzt eine Strategie zu entwickeln, die das möglich macht…“

„FPÖ-”Macho” Strache ist gefallen – Schwarz-Blau in der Krise: Statt auf Neuwahlen zu setzen, aktiven WIDERSTAND organisieren!“ am 18. Mai 2019 bei der RKOB externer Link zu den Vorgängen in der FPÖ: „… Im Video fallen neben Beschimpfungen gegen den jetzigen ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz auch Vorschläge, Gelder durch einen “gemeinnützigen” Verein in die FPÖ zu schleusen. Strache erklärt in dem Video, dass auf diese Weise mehrere Reiche wie Heidi Horten, René Benko und Gaston Glock teilweise Millionenbeiträge am Rechnungshof vorbei an die FPÖ zahlen. Er nennt dabei aber auch Konzerne wie Novomatic, von denen neben der FPÖ auch die ÖVP profitiert haben soll. Im Gegenzug bekommen deren Firmen öffentliche Aufträge sowie Steuererleichterungen. Ebenso bietet Strache an, dass die russische Investorin die (grundsätzlich FPÖ-freundliche) Kronen-Zeitung kauft. Sie soll dann mit entsprechendem Personalwechsel dafür Sorge tragen, dass die Zeitung ausschließlich im Dienste der FPÖ berichtet. Als Vorbild für eine solche Vorgehensweise nennt Strache Viktor Orban. Als Anreiz wird der Kauf der STRABAG vorgeschlagen. Dieser österreichische Baukonzern ist auf dem bürgerlichen Parkett für hohe Spendensummen an die bürgerlich-liberale Kleinpartei NEOs bekannt. Als Gegenleistung soll die vornehmlich russische Investorin ebenso öffentliche Aufträge erhalte / 3. Die FPÖ ist allerdings nicht nur wegen dem Video in einer Öffentlichkeitskrise. Schon in den letzten Monaten kamen Parteifunktionäre der FPÖ immer wieder in den Verdacht rechtsradikale Kräfte wie die Identitäre Bewegung zu unterstützen. Erwiesenerweise gab es sogar Spendenflüsse an die Identitären. Vor wenigen Tagen hat der bekannte und vor kurzem aus der Haft entlassene Neo-Nazi Gottfried Küssel Straches rechtsradikale Vergangenheit bestätigt. Laut Küssel hat Strache “im stillen Kämmerlein den großen Nationalsozialisten gespielt“…

„#Strachevideo: Reden wir über die Reiter, nicht das zugekokste Ross“ von Peter Schaber am 18. Mai 2019 im Lower Class Magazin externer Link zu den Hintergründen und Zusammenhängen: „Das Video ist lustig. Und man kann es kaum ohne Schadenfreude ansehen. Dennoch liegt das Wesentliche nicht darin, dass Strache ein „Prahler“ (Süddeutsche Zeitung) ist. Um das zu wissen, hätte es keiner Enthüllung bedurft. Die Betonung, dass er Österreich an eine „Russin (!!!)“ verkauft hätte, geht auch am entscheidenden Punkt vorbei. Und ebenfalls nicht besonders überraschend ist, dass Strache und Gudenus sich gerne mal Vodka-Redbull mit Koka-Dip gönnen.  Die Pointe des Ibiza-Auftritts liegt darin, dass Strache der von ihm umworbenen Darstellerin einige Großspender seiner „Partei des kleinen Mannes“ nennt – und auch erwähnt, warum die (allegedly, vorläufig) an ihn und die Seinen zahlen. Sie seien „Idealisten“, in Straches Worten: sie wollen „Steuererleichterungen“.  Zu den Genannten gehören einige der reichsten Österreicher: Gaston Glock, ein Waffenhändler, dem seit langem ein Faible für die rechte FPÖ nachgesagt wird; Heidi Horten, Erbin eines aus Arisierungen zusammengeraubten Milliardenvermögens; René Benko, ein bereits wegen eines Korruptionsfalles verurteilter Immobilienspekulant; und Novomatic, ein Glückspielkonzern mit dubioser Reputation.  Nun haben wir zwar kaum einen Grund anzunehmen, dass die anderen bürgerlichen Parteien farben- und spektrenübergreifend nicht genau dieselben Ibiza-Gespräche führen (wenngleich sicher deutlich professioneller als die zu rasch aufgestiegenen Wirtshausrassisten). Was sich aber doch zeigt, ist, dass die diversen faschistischen Parteien für einen besonders reaktionären Teil des Großkapitals immer mehr zum attraktiven Personal zur Durchsetzung ihrer Interessen werden. Das hat mehrere Gründe: Den Grölglatzen von NPD&Co. traute man diese Funktion nicht zu, abgesehen davon hätten sie keine Wahlen gewonnen. Der neue Faschismus – von der deutschen AfD über den Front National bis eben zur FPÖ – tritt deutlich professioneller auf, und wichtiger noch für die besitzende Klasse: er hat ein klar neoliberales Wirtschaftsprogramm. Das kombiniert er mit der zu jeder Zeit beim Kapital beliebten Funktion der Ableitung der Wut nach unten. Schuld an der Misere sind dann nicht die Heidi Hortens oder René Benkos, sondern wahlweise Geflüchtete, emanzipierte Frauen* oder Erwerbslose…

b) Die üblichen Geschäftsbeziehungen – keineswegs nur Straches…

„Drei Minister für Glock“ von Georg Eckelsberger, Eja Kapeller, Florian Skrabal und András Szigetvari bereits am 22. September 2018 im Dossier externer Link unter anderem zu Waffendealern, Pferdesport und Geschäftsbeziehungen, die seit langem bekannt sind: „… Gemeinsam mit ihrem Mann bestimmt die heute 37-Jährige, wer an ihrem Tisch, oben auf dem Indoor-Balkon, angeblich hinter schusssicherem Glas, sitzen darf. Schauspieler, Models, Sängerinnen, Künstler. Stolz werden sie im Programmheft aufgezählt, eine Sorte Promi sucht man aber vergeblich: Politiker. Dabei kamen jüngst sogar Mitglieder der österreichischen Bundesregierung.  Anfang Juni 2018 reisten Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit Ehefrau Philippa und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) aus Wien an, um mit Familie Glock zu feiern. Vier Monate zuvor, im Februar 2018, war Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) Gast der Glocks. (…) Die Verbindungen zwischen der FPÖ und Glock reichen bis in die Ära von Jörg Haider zurück: Im Jahr 2000 fliegt Haider mit Gaston Glock in dessen Privatjet nach Moskau, um Verhandlungen zum Ankauf von Abfangjägern zu führen – die Öffentlichkeit sollte davon nichts erfahren.  Wegbegleiter berichten gegenüber DOSSIER von einer persönlichen Freundschaft und regelmäßigen Treffen der beiden Männer. Unter Schwarz-Blau I bekommt Gaston Glock auch einen öffentlichen Posten, er wird in den Aufsichtsrat der österreichischen Luftfahrtbehörde Austro Control berufen.  Im April 2018 ist es Kathrin Glock, die nun unter Türkis-Blau Aufsichtsrätin der Austro Control wird. Dank Verkehrsminister Hofer, der zwei Monate zuvor, im Februar 2018, noch bei ihrem Springreitturnier in Treffen am Ossiacher See zu Gast war…“

„Straches Gier auf die „Krone“ wurde ihm zum Verhängnis“ von Maria Sterkl am 18. Mai 2019 im Standard online externer Link zu üblichen Geschäftsbeziehungen hinter den Schlagzeilen: „Das Video wirft einige Fragen auf. Strache scheint bereits im Juli 2017 Informationen darüber zu haben, dass Immobilieninvestor René Benko bei der „Krone“ einsteigen will – was im Herbst 2018 ja dann geschah. Benko, den Strache offenbar kurz vor dem Treffen mit der vermeintlichen Oligarchennichte auf dessen Yacht besucht haben soll, pflegt wiederum beste Beziehungen zu Sebastian Kurz. Der Kanzler nahm ihn auf Wirtschaftsdelegationen in den Nahen Osten mit und ermöglichte, dass Benko den Kika/Leiner-Flagshipstore auf der Wiener Mariahilferstraße zu einem günstigen Preis kaufen konnte. Benko wurde in der Vergangenheit immer wieder als Wahlkampffinancier von Sebastian Kurz bezeichnet. Beide Seiten weisen das zurück. Auch Strache spricht in dem Video jedoch davon, dass Benko „die ÖVP und uns zahlt“. Diese Äußerung wirft erneut die Frage auf, wie die Kurz-ÖVP zu ihrem üppigen Wahlkampfbudget kam – wie berichtet, wurde die erlaubte Obergrenze von sieben Millionen Euro um rund sechs Millionen Euro überschritten…

„Neuwahlen: Der gefeierte Stratege Kurz hatte keine Optionen mehr“ von Frank Jödicke am 19. Mai 2019 bei telepolis externer Link zu des Kanzlers bisherigem und weiterem Wirken: „… Das weiß natürlich auch Sebastian Kurz und man darf annehmen, dies ist eine der wenigen guten Nachrichten dieses Tages für ihn. Am Abend gibt der Bundeskanzler eine Erklärung ab, die bereits nahtlos in eine Wahlkampfrede übergeht. Er erklärt der seit dem Mittag wartenden österreichischen Bevölkerung zu deren nicht geringer Verblüffung, dass die letzten 16 Monate doch eigentlich sehr erfolgreich gewesen seien. Man habe gemeinsam viel erreicht und umgesetzt, was im Wahlkampf versprochen wurde. Steuersenkungen, illegale Migration gelang es zu reduzieren und Reformen in der Bildung umzusetzen. An Verleugnungsbereitschaft gegenüber dem eigentlichen Thema, das in Wien mehrere tausend Menschen auf den Ballhausplatz getrieben hatte, schenken sich Strache und Kurz somit nichts. Danken wolle Kurz wohlgemerkt allen, die an dieser Regierung mitgearbeitet haben. Eine geradezu beinahe pathologische Fixierung auf den Erfolg und die gute Nachricht muss dem Kanzler hier wohl attestiert werden. Aber, räumt er dann ein, es sei ihm manchmal schwergefallen, all diese Dinge überhören zu müssen. Er erwähnt das Rattengedicht, in dem ein FPÖ-Politiker Migranten mit Ratten verglich. Ihm, Kurz, sei (plötzlich?) klar geworden, mit der FPÖ ginge es nicht, er bitte daher das Land, ihn dabei zu unterstützen, die wichtigen Reformen, die in den letzten eineinhalb Jahren begonnen wurden, nun auch fortzusetzen. Wie seinerzeit Kreisky, bittet der heutige Kanzler: „Lasst Kurz und sein Team arbeiten.“ Die absolute Mehrheit, die damals Kreisky erhielt, ist aber in weiter Ferne. Dies ahnt auch Kurz. Er beklagt sich geradezu. Man müsse verstehen, mit der FPÖ ginge es nicht und die SPÖ wolle ja leider nicht. Krokodilstränen, die viele in Österreich als solche erkennen werden. Der ehemalige SPÖ-Vorsitzende Kern hatte seinerzeit sehr wohl eine Schwarz-Rot-Koalition nicht ausgeschlossen und dank des jüngst erschienen Buches des ehemaligen ÖVP-Vorsitzenden Reinhold Mitterlehner ist das Intrigenspiel von Kurz gegen die SPÖ und auch die eigenen Partei offen gelegt. Jeder weiß, dass Kurz immer die Koalition mit der FPÖ im Blick hatte. Seine strategische Misere ist somit eklatant. Er hat 16 Monate lang eine Harmonie der Öffentlichkeit vorgespielt (die es hinter den Kulissen mutmaßlich wohl nie gab), die sich nun als eine herzliche und intensive Zusammenarbeit mit mutmaßlichen Kriminellen erwies…

c) Erlaubt und gefördert: Hakenkreuze. Verboten: Kopftuch. Nicht verboten: Zwangsweise Kleinstkinder taufen

„Bleiburg: „Ein faschistischer Aufmarsch hat in einer Demokratie nichts zu suchen“ „ am 19. MAI 2019 im Standard online externer Link ist eine Reportage über den alljährlichen Faschistenaufmarsch (keineswegs nur aus Kroatien): „… Der zentrale Punkt der Veranstaltung war auch heuer die Messe, die unter der Leitung von Fabijan Svalina, dem Leiter der kroatischen Caritas stattfand. Als „Pilger“ bezeichnet Svalina die Teilnehmer Veranstaltung und die hier 1945 zu Tode gekommenen Soldaten und Zivilisten als „Märtyrer“. Auch heuer nahmen an der Messe hohe kroatische Regierungsvertreter teil: Verwaltungsminister Lovro Kušćević, Kriegsverteranenminister Tomo Medved, die EU-Abgeordnete Ruža Tomašić (Kroatische Konservative Partei), Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović schickte ihre Staabchefin Ana Marija Kirinić. Im Vorfeld der Bleiburger Messe gab es auch kleinere Gegendemonstrationen. Aus Kroatien reiste einige Angehörige der linken Partei Radnička Fronta (Arbeiterfront) an. Ihre Spitzenkandidatin bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Katarinom Peović sagte die „jährliche Versammlung der Ewiggestrigen in Bleiburg“, schade nicht nur Kroatien sondern Europa. Hier würde Geschichtsrevisionismus mitten in der EU betrieben und toleriert. Viele der Teilnehmer seien „von der Politik immer wieder aufgehusste, ökonomische Verlierer“, so Peović…“

„Kein Verbot von Bleiburger „Faschistentreffen““ von Danijel Majic am 17. Mai 2019 in der FR Online externer Link im Vorfeld des Faschisten-Aufmarschs: „Bereits seit Jahren fordern Kritiker immer wieder ein Verbot des „Ustascha-Gedenkens“. Die österreichischen Behörden hatten sich bislang auf den Standpunkt zurückgezogen, keine rechtliche Handhabe gegen eine „religiöse Veranstaltung“ zu haben. Doch genau dieser Status ist der Gedenkfeier nun abhandengekommen. Ohne den Segen des Bistums Gurk-Klagenfurt fällt die Veranstaltung unter das Versammlungsrecht – ein Verbot wäre grundsätzlich möglich. Ein in der letzten Woche bekanntgewordenes Gutachten des renommierten Verfassungsrechtlers Heinz Mayer kommt sogar zu dem Schluss, dass ein Verbot zwingend ist, da die Gedenkfeier „objektiv geeignet“ sei, „nationalsozialistische Bestrebungen und Gedankengänge wieder zu beleben“. Doch einstweilen konnten sich die zuständigen Behörden in Österreich nicht zu einem Verbot durchringen. So rechnet die Landespolizei Kärnten in diesem Jahr mit rund 15 000 Teilnehmern. Zeitgleich mit der Gedenkfeier sind drei Gegendemonstrationen angekündigt…“

„Die #Antifa-Demo in #Bleiburg/Pliberk steht jetzt auf einer zentralen Straßenkreuzung“  am 18. Mai 2019 im Twitter-Kanal der Plattform Radikale Linke externer Link ist eine der zahlreichen Kurzmeldungen am Tage von der Gegendemonstrationen zum legalisierten Faschistenaufmarsch.

„Faschistische Identitäre Bewegung in Österreich nahm 700.000 Euro ein“ am 13. April 2019 bei Perspektive Online externer Link zur Förderungen der Freunde von faschistischen Terroristen unter anderem: „Geheimdienstlich identifizierte Mitglieder haben Verbindung zu den Regierungsparteien FPÖ und ÖVP. Rund ein Fünftel der Rechtsradikalen im Besitz von Schusswaffen. Das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) veröffentlichte einen Bericht, mit einer Liste von 364 „ausgeforschten Mitgliedern“ der faschistischen Identitären Bewegung(IB). Dabei geht das BVT von mehr als 500 festen Mitgliedern aus in Österreich aus. Auffällig sind auch die Verflechtungen mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), die gerade die Regierung des Landes stellen. So finden sich auf der Liste auch zwei Söhne eines ÖVP Politikers, ein FPÖ Bezirksparteivorsitzender und der FPÖ Gemeinderat aus Graz namens Herinrich Sickl, der gleichzeitig der Vermieter der IB-Zentrale der Stadt ist…“

„Österreich beschließt Kopftuchverbot an Grundschulen“ am 15. Mai 2019 bei Spiegel Online externer Link meldet folgende rechtsradikale Akrobatik: „Das österreichische Parlament hat ein Verbot von Kopftüchern an Grundschulen beschlossen. Mit der Entscheidung, die mit den Stimmen der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ durchgesetzt wurde, wird künftig „das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“, untersagt. Ausgenommen sind damit Verbände aus medizinischen Gründen oder Kopfbedeckungen als Schutz vor Regen oder Schnee. Die jüdische Kippa etwa bleibt erlaubt, da sich das Verbot auf Kleidungsstücke bezieht, „welche das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllen“. Es ist davon auszugehen, dass es Beschwerden gegen das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof geben wird. Durch den Vorstoß der rechtskonservativen Regierung in Österreich griff auch Nordrhein-Westfalen die Diskussion auf und kündigte an, ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren zu prüfen. Kinder in diesem Alter seien religiös unmündig, lautete die Argumentation. Das Kopftuch zwinge sie in vorgefertigte Geschlechterrollen…“ – Kippa darf, Kreuze auch (unfreiwillige Taufe von Kleinstkindern sowieso…)

d) Hintergründe, Vorgeschichte, Rahmenbedingungen

„Kurz nach 12. Wie weit die Rechte das Feld dominiert „ von Lisa Mittendrein in der Ausgabe Mai 2019  der Zeitschrift Luxemburg externer Link zur Vorgeschichte unter vielem anderen: „Wer glaubt, in Österreich gäbe es erst seit dem Antritt der schwarz-blauen Regierung im Dezember 2017 rechte Politik, irrt. Um die heutige Situation zu verstehen, müssen wir in die späten 1980er zurückgehen: Damals begann sowohl die (verspätete) Neoliberalisierung Österreichs als auch der Aufstieg der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ) unter Jörg Haider. Ihr gelang es seither, zwar fast nie selbst zu regieren, aber dennoch die einflussreichste Partei Österreichs zu werden. Schritt für Schritt wurden ihre rassistischen Positionen hegemonial. Noch 2006 erregte die FPÖ mit einem Plakat »Daham statt Islam« – einem Reim, der »Heimat statt Islam« bedeutet – Aufsehen. Heute gehört antimuslimischer Rassismus zum innenpolitischen Konsens. Der Rechtsrutsch in Österreich ist somit kein wahlarithmetisches Ereignis, sondern eine langfristige Entwicklung, die alle politischen Kräfte erfasst hat. Seit den späten 1980ern gibt es in Österreich durchgehend rechts-konservative Mehrheiten. Seit 2016 hat der Rechtsruck jedoch eine neue Qualität erreicht und die Koordinaten des politischen Systems dauerhaft verschoben. Die damals regierende Koalition aus Sozialdemokratie (SPÖ) und Konservativen (ÖVP) setzte nach dem Sommer der Migration 2015 auf staatlichen Rassismus und autoritäre Maßnahmen. Während sich hunderttausende Menschen auf den Weg nach Europa machten, entstand in Österreich eine riesige, solidarische Bewegung, die Geflüchtete willkommen hieß und praktische Hilfe leistete. Doch eine größere politische Artikulation dieser neuen Solidarität fehlte und es folgten rasch die politischen Gegenreaktionen. Die vielen Menschen, die nach wie vor in Solidaritätsinitiativen aktiv sind, bleiben bis heute politisch ungehört. 2016 und 2017 wurde in Österreich unter Rot-Schwarz Ganzkörperverschleierung verboten, eine Obergrenze für Geflüchtete eingeführt, das Versammlungsrecht eingeschränkt, wurden Asylbewerber*innen zu »Wertekursen« verpflichtet und durch ein »Staatsschutzgesetz« neue Überwachungsmöglichkeiten geschaffen, um nur einige Beispiele zu nennen. Besonders deutlich und folgenreich war der Rechtsruck der österreichischen Sozialdemokratie. Ex-Parteichef und damaliger Bundeskanzler Christian Kern versuchte die Partei zu modernisieren, um ihre Macht abzusichern. Er setzte auf den Staat als modernen wirtschaftspolitischen Gestalter, der durch unternehmensfreundliche Politik Innovation, Wachstum und Jobs sichert. Gleichzeitig schwenkte die SPÖ in Migrations- und Asylfragen völlig auf FPÖ-Linie ein. Der damalige SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil plante Abschiebungen mit Militärmaschinen und im Wahlkampf forderte Kern selbst Flüchtlingslager in Nordafrika. Politisch öffnete sich die SPÖ für eine mögliche Koalition mit der FPÖ. Sie versuchte nicht einmal mehr, der rechten Hegemonie etwas entgegenzusetzen, sondern sie zu nutzen, um an der Macht zu bleiben. Währenddessen bereitete im Hintergrund Sebastian Kurz, damals Außenminister und heute Kanzler, die Machtübernahme in der ÖVP und im Staat vor. Er und seine Unterstützer*innen sabotierten die ohnehin krisenhafte große Koalition und richteten die Partei scharf rechts aus. In der ÖVP bildeten zuvor sogenannte Bünde, also Teilorganisatonen, in denen Unternehmer*innen, Bäuer*innen und Arbeitnehmer*innen offiziell organisiert sind, die zentralen Machtstrukturen. Sebastian Kurz setzte sich über diese hinweg und konzentrierte alle Entscheidungskompetenzen bei sich selbst. Im folgenden Wahlkampf unterschieden sich Programm und Rhetorik von ÖVP und FPÖ kaum noch. All das wurde von einer selbst immer weiter nach rechts driftenden österreichischen Medienlandschaft begleitet. Linke Gegenpositionen fehlen bis heute…“

„Politik – Zur Kritik eines bürgerlichen Formprinzips“ von Franz Schandl in den Streifzügen 75 externer Link (Ausgabe Mai 2019) hebt dazu unter anderem hervor: „… Auch auf höchster Ebene ist Politik Verwaltung, nicht Gestaltung. „Wer Politik treibt, erstrebt Macht“ (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 822), ist so bloß hartnäckiger Schein. Politik ist eben nicht praktizierte Staatsbürgerkunde, sondern Über- und Umsetzung gesellschaftlicher Notwendigkeiten, die bestimmten Basislogiken und darauf aufbauend Basisbewegungen folgen, in die Sprache des Geldes (Budget) und des Rechts (Gesetzgebung). „Die ‚Politik‘ kann ihrem Wesen nach nicht die ‚Gestaltung‘ der menschlichen und natürlichen Ressourcen organisieren, obwohl sie die Sphäre der direkten gesellschaftlichen Kommunikation ist; aber diese Kommunikation ist nicht ‚frei‘ und nicht offen, sondern eingesperrt in die blinden Codierungen der Warenform und ihrer ‚Gesetze‘, die als bewusstlose Quasi-Naturgesetze der ‚zweiten Natur‘ allen bewusst gestalteten, juristischen Gesetzen der staatlich-politischen Sphäre immer schon vorgelagert sind.“ (Robert Kurz, Das Ende der Politik, S. 95) Politik ist jenes Medium, das die gesellschaftlichen Ergebnisse und Resultate in rechtliche und budgetäre Formen gießt, natürlich auch Korrekturen vornimmt, kurzum ein Ausloten der Möglichkeiten rundum die Notwendigkeiten. Diese Möglichkeiten verlassen jedoch nie den vorgegebenen Rahmen der Notwendigkeiten, können ihn nicht sprengen. Politik kann nur leisten, was Ökonomie zulässt, wobei die Ökonomie sich natürlich noch viel mehr leisten würde, würde die Politik es zulassen. Politik ist jedenfalls kein Prinzip, das über die Ökonomie hinausgeht: „Die ‚Politik‘ wird jetzt immer offener und eindimensionaler zur Wirtschaftspolitik. Wie in den vormodernen Gesellschaften alles und jedes religiös begründet werden musste, so muss nun alles und jedes ökonomisch begründet werden. Man sollte nur einmal zuhören, wie das Wort ‚Marktwirtschaft‘ im Munde der versammelten historischen Idioten seit 1989, vom US-Präsidenten über deutsche Grüne bis zu russischen Ex-Kommunisten einen liturgischen Klang annimmt.“ (Ebd., S. 88) Politik ist das Ein- und Auspendeln gesellschaftlicher Möglichkeiten auf der Ebene der aktuellen kapitalistischen Verwertungsbedingungen. Die Entideologisierung verdeutlicht nur, dass diese sich immer direkter und nackter durchsetzen, den Schein der Weltanschauung ganz einfach nicht mehr zulassen können…“

  • Siehe zum Hintergrund (und Auslöser) das kommentierte Video in: FPÖ-Chef stellte gegen Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht
    Auf heimlich aufgenommenen Videos von 2017 versprach Österreichs heutiger Vizekanzler Heinz-Christian Strache nach Informationen von SPIEGEL und SZ einer vermeintlichen Investorin aus Russland öffentliche Aufträge – wenn sie der rechtspopulistischen FPÖ zum Wahlerfolg verhelfe…“ Beitrag vom 17.05.2019 beim Spiegel online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=149024
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