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„Heißer Herbst“ des ÖGB gegen 12 Stundentag: Wien meldet Temperaturen nahe des Gefrierpunktes…

Nein zum 12-Stunden-Tag in ÖsterreichTiming ist bekanntlich alles. Und bis knapp nach 14 Uhr waren am Dienstag auch alle Kameras und Augen auf ÖGB-Chef Wolfgang Katzian gerichtet. Der hatte 900 Gewerkschafter in die Wiener Meta-Stadt zur Konferenz gerufen. Zwei Tage vor Beginn der richtungsentscheidenden Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller wollte Katzian alle Arbeitnehmervertreter auf ein gemeinsames Ziel einstimmen: Das neue Arbeitszeitgesetz der türkis-blauen Regierung, das einen 12-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche unter gewissen Auflagen ermöglicht, muss so weit wie möglich entschärft oder teuer in Form eines hohen Lohnabschlusses abgegolten werden. Der oft zitierte „heiße Herbst“ war also eingeläutet… (…) Die, die lieber gleich streiken statt debattieren wollen, mussten am Dienstag draußen bleiben. Vor den Backsteintoren der Meta-Stadt trotzten einige junge Gewerkschafter mit Schildern, Flugzetteln und Sprüchen wie „12-Stunden-Tag wegstreiken“ dem Wind. „ÖGB aufrütteln“ nennt sich dieser Flügel. „Wir sind für eine kämpferische Politik im ÖGB“, sagt Organisator Flo Klabacher. „Die Regierung diktiert uns Klassenkampf und wir können nicht klein beigeben und der Sozialpartnerschaft nachweinen.“…“ – aus dem Kongressbericht „Kollektivverhandlungen: „Das ist heute der erste Schritt““ von Gerhard Hofer und Antonia Löffler am 18. September 2018 in Die Presse externer Link aus dem deutlich wird, dass die Temperaturen wahrlich nicht besonders hoch sind… Zur gewerkschaftlichen Haltung zum 12-Stundentag und der Debatte darum vier weitere Beiträge, ein kurzes Video und der Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zum Thema:

  • „Der 12-Stunden Tag in Österreich“ von Frequenzkonsum bei Radio Pi Berlin am 25. September 2018 externer Link Audio Datei dokumentiert im freie-radios.net fasst die Bedeutung der Arbeitszeitverlängerung durch die Rechtsregierung im Rahmen des ganzen antisozialen Kampfprogramms so zusammen: „Die Bundesregierung hat bei ihrem neuen Gesetz zur Arbeitszeit weder die Vertretung der ArbeitnehmerInnen noch die Opposition oder andere Betroffene eingebunden. Ein dramatischer Bruch mit allem bisher üblichen. Dem nicht genug wurde das Gesetz ohne die sonst übliche mehrwöchige Beugtachtungszeit beschlossen. Die ParlamentarierInnen der Opposition bekamen den Gesetztesentwurf erst 48-Stunden vor der Sitzung zugestellt. Bereits davor informierte die Regierung die Medien über die wichtigen Eckpunkte und Inhalte.  Die nächste Demütigung des Parlamentarismus folgte auf dem Fuß: Im Gesetzesentwurf war ersichtlich, dass das Gesetz nicht – wie bisher immer bekanntgegeben – ab 1. Januar 2019 in Kraft treten soll, sondern bereits ab 1. September, also einen Monat nach Beschluss Mitte August.  Seit 23 Tagen ist in Österreich also der 12-Stunden-Tag offiziell wieder eingeführt. Eine Rückkehr in vorindustrielle Arbeitspolitik. Die Gewerkschaft rüstet jedenfalls zur Gegenwehr und möchte die Verschlechterungen in den Tarifverhandlungen im Herbst auffangen.  Der Unmut über dieses Gesetz und das Vergehen ist noch immer groß. Trifft das Gesetz doch vor allem hart arbeitende Menschen, die oftmals keinen starken gewerkschaftlichen Schutz besitzen. Kurz: Das Gesetz trifft die Kernwählerschaft der FPÖ. Hier ist der Unmut groß.  Ob und inwiefern sich diese Regelung in einem Umdenken und einer Neuorientierung der WählerInnen niederschlagen wird, ist noch nicht erwiesen. Doch das Arbeitszeitgesetz für den 12-Stunden-Tag war nicht die letzte rückwärtsgewandte Maßnahme der rechtskonservativen Regierung in Österreich, die nächsten Gesetze zur Verschlechterung der Lebensverhältnisse wie die Zerschlagung der Krankenkasse, die Kürzung des Kindergeldes oder die Reformierung des Arbeitslosengeldes sind jedenfalls schon in der Vorbereitung…“
  • „GLB verlangt den Kampf für Arbeitszeitverkürzung zu intensivieren“ am 19. September 2018 beim Gewerkschaftlichen Linksblock externer Link zu den Ergebnissen der Kollektiv-Verhandlungs-Konferenz: „Als „durchaus legitim“ bezeichnet der Vorsitzende des Gewerkschaftlichen Linksblocks im ÖGB (GLB) das Ergebnis der bundesweiten gewerkschaftsübergreifenden KV-Konferenz: „Es war und ist selbstverständlich, dass Gewerkschaften bei KV-Verhandlungen nicht nur Löhne und Gehälter, sondern auch Verbesserungen der gesetzlich festgelegten Mindestnormen mitverhandeln. Das gilt jetzt auch für das neue Arbeitszeitgesetz mit dem 12-Stunden-Arbeitstag und der 60-Stunden-Arbeitswoche!“  Ebenso positiv sieht Stingl Katzians Idee einer rechtsverbindlichen Vier-Tage-Woche. „Allerdings, 4 x 12 sind noch immer 48-Stunden. Einfach viel zu viel, wie schon die bis vor kurzem geltende 40 Stunden-Woche. Die Produktivität explodiert seit Jahrzehnten, die Abgeltung dafür sind uns die Unternehmer_innen aber ebenso lang schuldig geblieben.“ (…) Die Abfederung der neuen Arbeitszeitregelung ist eine Sache, auf den Kampf gegen das neue Arbeitszeitgesetz und den in der Zwischenzeit zahlreichen schwarz-blauen Sauereien darf dabei aber nicht vergessen werden. (…)„Intensivieren wir daher den Kampf für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Zum Beispiel mit der Forderung von 4 x 8 Stunden“, richtet ÖGB-Bundesvorstandsmitglied Josef Stingl seinen Appell an die sozialdemokratisch dominierte Gewerkschaftsführung…
  • „ÖGB: Hunde, die bellen, beißen nicht“ von Sonja Grusch am 19. September 2018 bei der SLP externer Link hebt zur „Kongresskultur“ unter anderem hervor: „Exklusiv war schon einmal der Zugang der Konferenz. Diverse bürgerliche Medien waren geladen und willkommen – ÖGB-Vorsitzender Katzian begrüßte diese auch explizit und ersucht sie lediglich um „faire Berichterstattung“. Gleichzeitig versuchten übereifrige ÖGB-Beschäftigten (also streng genommen Angestellte der Gewerkschaftsmitglieder ohne politisches Mandat) linken GewerkschaftsaktivistInnen den Zutritt zu verwehren. Auch wenn das letztlich nicht gelang zeigt es doch von der Nervosität der Gewerkschaftsführung die Angst vor kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen hat. Sie wollten verhindern, dass kämpferische Initiativen mit den VerhandlerInnen diskutieren und eine alternative, eine kämpferischere Strategie vorschlagen können, bevor der offizielle Teil beginnt. Dabei hat doch die bisherige Strategie, nämlich die eigene Mitgliedschaft von Diskussionen und Informationen auszuschließen, nicht nur nicht funktioniert, sondern hat sich als schädlicher Rohrkrepierer herausgestellt! Im Vorfeld, so erzählte uns ein als kämpferischer bekannter Gewerkschafter, wurde er extra ersucht, sich nicht in die Debatte einzubringen. Aber das war ohnehin nicht vorgesehen. Um kritische Stimmen zu vermeiden war gleich gar keine Diskussion vorgesehen. Vorsitzende von Teilgewerkschaften, SpitzenfunktionärInnen und handverlesene BetriebsrätInnen sprachen zu unterschiedlichen Aspekten des 12-Stunden Tages. Die „Informationspolitik“ des ÖGB wurde fortgesetzt: seit Monaten werden v.a. jene, die ohnehin schon dagegen sind wieder und wieder und wieder mit Informationen gefüttert, warum der 12-Stunden Tag schlecht ist. Nichts gegen gute Argumente, aber es ist davon auszugehen, dass die KollegInnen, die am 18.9. extra nach Wien gekommen sind wissen, warum sie gegen dieses Gesetz sind. (…)Erinnern wir uns an den Kurs des ÖGB: Der12-Stunden-Tag wurde abgelehnt, Katzian hat auf seine Geheimhaltestrategie gesetzt. Über 100.000 kamen zur Demonstration am 30. Juni. Die Gewerkschaft hat nichts mit diesem Potential gemacht. Über zwei Monate passierte – zumindest für die absolute Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder – nichts. Am 1. September, als das Gesetz in Kraft trat, gab es gerade mal eine PR-Aktion der Gewerkschaft. Katzians Ansage „wir holen uns das bei den KV-Verhandlungen zurück“ ist eine „Strategie“ die mit dieser Gewerkschaftssführung von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Und so wurden dann auch schon in den Wortmeldungen betont, dass nicht alle Forderungen in allen KVs umgesetzt werden. Der gemeinsame KV-Kampf wurde also begraben, bevor er überhaupt begonnen hat!…
  • „Wir machen uns die Arbeit, wie sie uns gefällt“ von Sonja Luksik am 18. September 2018 in mosaik externer Link ordnet die aktuelle Offensive folgendermaßen ein: „Am 1. September trat der von ÖVP, FPÖ und NEOS beschlossene 12-Stunden-Tag in Kraft. Bereits Ende Juni rief die Gewerkschaft zu einer Großdemo in Wien auf, 100.000 Menschen nahmen daran teil. Zu weiteren Kampfmaßnahmen wie einem Generalstreik kam es bisher jedoch nicht. Zwischenfazit: Die Empörung über den 12-Stunden-Tag ist groß, der Protest bisher verhalten, die skandierten Sprüche mal mehr, mal weniger kreativ. Viele meinen, dass der 12-Stunden-Tag eine „rote Linie“ verletzt. Allerdings stellt die aktuelle Arbeitszeitverlängerung nur den Höhepunkt einer schon länger andauernden Flexibilisierungsoffensive von UnternehmerInnen und ihren politischen VertreterInnen dar. Bereits ab den 1990er-Jahren begann in Österreich eine arbeitszeitpolitische Flexibilisierung. Schritt für Schritt wurde seither die mögliche Maximalarbeitszeit ausgedehnt und die Auszahlung von Überstundenzuschlägen vermieden. Die aktuelle schwarz-blaue Regierung ist also nur konsequent, wenn sie im Jahr 2018 den 12-Stunden-Tag umsetzt…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=137899
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