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Gastro und Tourismus in Österreich: Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung nicht nur in der Corona-Pandemie ein Problem

Dossier

A&W Ausgabe Dezember 2021 "Die Rechnung!" „… Damals wie heute war das Einhalten des 8-Stunden-Tages in den touristischen Dienstleistungsbetrieben ein großes Problem. Momentan verschärft die Corona-Pandemie die Arbeitslage für alle – in der Tourismusbranche besonders. (…) als Mitarbeiter eines Wiener Hotels nahm deshalb Marcel Hortensky seinen ganzen Mut zusammen, prangerte Unregelmäßigkeiten im Betrieb an und gründete selbst einen Betriebsrat. (…) Was folgte, waren Versuche des Arbeitgebers, den jungen Arbeitnehmer:innenvertreter zu mobben und ihm Informationen vorzuenthalten, die Belegschaft mit falschen Auskünften zu manipulieren, sie auseinanderzudividieren oder ihr mit Kündigungen zu drohen. (…) „Auch die Gewerkschaftsbewegung muss hier neue Wege gehen – das Thema Social Media zum Beispiel wird immer wichtiger“, unterstreicht auf Anfrage Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida. „Solange sich die Arbeitgeber:innen aber nicht mit der großen Stärke der Arbeitnehmer:innen konfrontiert sehen, werden sie am Verhandlungstisch nicht nachgeben…“ Artikel von Heike Hausensteiner vom 10. Januar 2022 bei arbeit-wirtschaft.at externer Link des ÖGB: „Betriebsräte im Tourismus: Ducken oder aufmucken“ – siehe einige weitere zu den Arbeitsbedingungen im Tourismus:

  • „Würdest du deine Kinder in die Gastro schicken?“ Der Arbeitskräftemangel in der Gastronomie kommt nicht von ungefähr. Die Abbrecher-Quote unter den Lehrlingen ist enorm hoch New
    „Die Branche Gastronomie und Tourismus schafft sich ihre Problemfelder selbst. Arbeitsdruck, ungeregelte Arbeitszeiten und geringer Lohn führen zu einem Arbeitskräftemangel in der Gastronomie. Zusätzlich brachen zwischen 2018 und 2020 rund 51 Prozent der Lehrlinge im Bereich Restaurantfachmann/-frau und 40,7 Prozent bei Köch:innen die Lehre ab. Viele der Jobs sind längst auf der Mangelberufsliste. (…) „Als Lehrling hätte ich eigentlich eine Fünf-Tage-Woche gehabt, hatte aber eine Sechs-Tage-Woche. Und in sechs Tagen habe ich von früh bis spät nur Besteck poliert, tausende von Wannen ganz alleine geputzt, gestaubsaugt, den Boden gewischt. Ich habe mir gedacht, was ist das für ein scheiß Beruf“, gab ein ehemaliger Lehrling im Rahmen der qualitativen Studie „Was steckt hinter dem Personalmangel? Arbeitsbedingungen in Gastronomie und Hotellerie in Oberösterreich“ zu Protokoll. Studienautorin Johanna Neuhauser und ihr Forscher:innenteam bestätigen damit, was die AK Oberösterreich-Rechtsberatungsstatistik belegt. Von 2013 bis 2020 entfielen jeweils rund 15 Prozent aller abgeschlossenen Rechtsakte auf den Bereich Gastronomie und Hotellerie. Obwohl nur drei Prozent der unselbständig Beschäftigten in Oberösterreich in dieser Branche arbeiten. (…) Zwei von drei Beschäftigte in Gastronomieberufen gaben laut Arbeitsklima Index schon vor der explodierenden Teuerungswelle an, dass sie von ihrem Einkommen nicht oder gerade noch leben können. Das ist wenig verwunderlich. Das Bruttomedianeinkommen in der Gastronomie liegt rund 30 Prozent unter dem österreichischen Medianeinkommen. (…) Außerdem seien die oft kurzfristigen Dienstplanänderungen belastend, so die Befragten. „Um 14 Uhr weißt du oft nicht, wie du arbeitest, ob du um 15 Uhr arbeitest oder um 17 Uhr. Du sitzt zu Hause und wartest“, beschreibt es ein Befragter in der Studie. (…) „Ein deutliches Ergebnis unserer Studie war, dass es besonders vulnerable Gruppen gibt. Junge Beschäftigte, zum Beispiel Lehrlinge und andere Auszubildende, sowie Migrant:innen“ sind besonders betroffen. Diese Gruppen berichteten am meisten von Arbeitsrechtsverletzungen, da sie häufig als „günstigere“ Arbeitskräfte wahrgenommen werden. Aufgrund ihres Alters bzw. mangelnder Sprach- und Rechtskenntnisse sind sie auch leichter Opfer von Ausbeutung. (…) Noch eklatanter ist die Sachlage bei migrantischen Saisoniers aus Drittstaaten. Die Beschäftigungsbewilligungen werden vom AMS an die Betriebe und nicht an die Beschäftigten selbst ausgestellt. Das befördere die Abhängigkeit vom jeweiligen Unternehmen und damit potenziell auch Ausbeutung, so Neuhauser. Denn wenn die Arbeitsbewilligung erlischt, muss man Österreich verlassen, um den Arbeitgeber zu wechseln. (…) Die Studienbefunde zeigen deutlich, dass es ein Umdenken bräuchte. Weg von einer Förderung der Ausbeutung günstiger Arbeitskräfte und hin zu einer Stärkung am Arbeitsmarkt benachteiligter Beschäftigter. Berend Tusch fasst die Gewerkschaftsforderungen zusammen: „Wir fordern: keine geteilten Dienste mehr, sofern es das Geschäftsmodell zulässt. Dienstpläne müssten zumindest 14. Tage im Vorhinein bekannt gegeben werden und sie sollten auch das halten, was sie versprechen. Sollte es dennoch Abweichungen vom Dienstplan geben, ist die Flexibilität der Arbeitnehmer:innen entsprechend zusätzlich abzugelten.“ Es bedarf zudem Arbeitszeitmodelle, welche auch größere Freizeitblöcke am Stück zulassen. Auch ein Lebensarbeitsphasenmodells (Junge, Ältere, Familiengründung usw.), bei dem zumindest in gewissen Zeiten eine 4-Tage-Woche möglich ist, kann hilfreich sein. Eine 4-Tage-Woche sollte jedoch zeitgleich auch mit einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit einhergehen: „Arbeitnehmer:innen im Hotel- und Gastgewerbe müssen auch ein Anrecht auf ein freies Wochenende haben!“ Werden diese Forderungen umgesetzt, würden sich wohl auch die Personalprobleme der Branche lösen lassen – oder wie es ein Befragter in der Studie ausdrückte: „Wenn mich jemand fragt, wieso es keine Fachkräfte gibt: ‚Würdest du deine Kinder in die Gastronomie schicken?‘ Wenn er dann ja sagt, dann hat man was richtig gemacht.“ Beitrag von Georg Sander vom 17. Dezember 2022 bei Arbeit & Wirtschaft des ÖGB externer Link
  • Arbeitsbedingungen im Tourismus: Mangelware Respekt
    „Großes Gejammer herrscht in der Gastronomie und der Hotellerie. Es fehlt an arbeitswilligen Fachkräften, behauptet die WKO. Doch fragt man die Beschäftigten, tritt ein ganz anderer Mangel zutage: ein Mangel an Lohn, an tolerablen Arbeitszeiten – und an Respekt. (…) Wer einmal in einer großen Küche gearbeitet hat, der kennt den dort herrschenden, militärisch anmutenden Kommandoton. (…) Raoul beherrscht die klare Ansprache. Seit 22 Jahren arbeitet er in Österreich als Koch. Raoul ist nicht sein echter Name. Seine wahre Identität wollen wir schützen, denn die Arbeitgeber:innen in der Gastronomie mögen klare Worte nur in der Küche, nicht aber wenn es um eine Kritik des in der Branche vorherrschenden Geschäftsmodells geht. Und kritische Punkte hat Raoul, der von einem ganz anderen Kontinent nach Österreich gekommen ist, so einige anzubringen. Raoul arbeitet in einem Restaurant für die gehobene Kundschaft, in einem der eher teuren Bezirke Wiens. „Seinen“ Laden bezeichnet er im Gespräch salopp als „Fast-Food-Bude für reiche Leute“. Auch sonst wählt er harte Worte. Sein Chef sei vom Typus „Donald Trump“, der mittels staatlicher Hilfsgelder bislang gut durch die Corona-Krise gekommen sei. (…) Im Restaurant seines Chefs arbeitet Raoul „wie ein Volltrottel, 70 bis 80 Stunden pro Woche, manchmal über 300 Stunden im Monat“. Die Entlohnung steht dazu in keinem Verhältnis – wenn sie denn kommt. Denn die Zahlungsmoral ist schlecht. „Ich habe 1.000 Euro offen. Ich habe Weihnachtsgeld offen. Außerdem habe ich 46 Urlaubstage offen. Manche Kolleg:innen haben 100 Urlaubstage offen“, erzählt Raoul. Legal kriegt er 1.600 Euro pro Monat. Der Rest des Lohnes wird „unter dem Tisch“, also schwarz, bezahlt. „Insgesamt kriege ich meistens 2.600 Euro im Monat, manchmal sind es 3.000. Ich kann aber sagen, dass ein McDonald’s-Mitarbeiter in Österreich mehr verdient als ein gelernter Koch.“ (…)Solche Arbeitsbedingungen können nicht nachhaltig sein. Sie sind es auch nicht. Das weiß Anna Daimler, Generalsekretärin der Gewerkschaft vida. Die vida ist im österreichischen Gewerkschaftsbund unter anderem auf Gastronomie und Hotelgewerbe spezialisiert. „Die Branche hat einen extremen Personalverschleiß“, sagt Daimler. „Zwischen 210.000 und 250.000 Leute sind in der Branche beschäftigt. 500.000 Leute wechseln innerhalb eines Jahres durch.“ Für diesen Durchlauferhitzer hat Anna Daimler ein eindringliches Sprachbild parat: „Es ist wie ein Kübel mit Loch. Oben werden die Beschäftigten eingefüllt. Unten fließen sie wieder heraus. Es gelingt der Branche nicht, die Leute zu halten.“ Die Branche habe schon vor zehn Jahren nach Fachkräften geschrien. „Gleichzeitig wurden aber die verfügbaren Ausbildungsplätze um ein Viertel reduziert.“ Und apropos McDonald’s: „Mit ihnen haben wir einen eigenen Kollektivvertrag, der tatsächlich besser ist als der Kollektivvertrag für die restliche Gastronomie.“…“ Beitrag von Christian Bunke vom 5. Januar 2022 bei arbeit-wirtschaft.at externer Link des ÖGB
  • Saisonarbeit: „Alles ein Topfen“. Der Saisonarbeit im Tourismus eilt ein Ruf voraus: unmenschliche Arbeitsbedingungen für einen Hungerlohn. Wie lange geht das noch gut?
    Artikel von Johannes Greß vom 5. Januar 2022 bei arbeit-wirtschaft.at externer Link
  • Tourismus in Österreich: Auf der Suche nach Plan B
    Artikel von Johannes Greß vom 3. Januar 2022 bei arbeit-wirtschaft.at externer Link
  • Österreichs Unternehmerverband erwartet von seiner neuen Regierung nachhaltigen Tourismus: Beschäftigte sollen nachhaltig zwangsverpflichtet werden
    „… Viele Aussagen des Präsidenten der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, in der ORF-Pressestunde am 19. Jänner waren rücksichtslos und menschenverachtend. Wenn man über „Zwangsverpflichtung“ von Beschäftigten im Tourismus spricht, sollte man sich im Klaren sein, dass es hier um Familien, die auseinandergerissen werden. Laut Kapsch sollen Jobsuchende verpflichtet werden, Stellen auch in anderen Bundesländern anzunehmen. Genau diese Art und Weise wie Georg Kapsch über die Menschen drüberfährt, ist einer der Hauptgründe, warum immer mehr Beschäftigte dem Tourismus den Rücken kehren. Das beweist auch der jüngste Arbeitsklima Index. Weiters ist es „letztklassig, wie fleißige Köche und Köchinnen von Kapsch schlecht geredet und als arbeitsunwillig dargestellt werden. Es geht vielmehr darum, den Menschen im Tourismus endlich gute Angebote bei den Arbeitsbedingungen und in der Entlohnung zu machen. Welcher Koch verlegt seinen Lebensmittelpunkt für eine Saison in ein anderes Bundesland? Diese Menschen brauchen andere Perspektiven. Es müssen Jahresarbeitsplätze geboten werden…“ – aus der Stellungnahme „Brutal, herzlos und autoritär – Klares NEIN zur Zwangsverpflichtung von Beschäftigten im Tourismus“ der Gewerkschaft vida vom 20. Januar 2020 externer Link zum jüngsten Vorstoß der Unternehmen in der in Österreich besonders wichtigen Branche…
  • Siehe auch die gesamte A&W Ausgabe Dezember 2021 externer Link „Die Rechnung!“: Gastro- und Tourismusbeschäftigte schlittern seit Corona von Kurzarbeit zu Kurzarbeit. Die Arbeit ist hart, Aussichten und Gehälter schlecht. Wer kommt dafür auf?…
  • und den Schwerpunkt Tourismus bei der vida externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=197038
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