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[Auch in Österreich] Reinigung als Branche mit prekären Arbeitsbedingungen

Dossier

Aktionsbündnis "Auslagerung und Befristung verbieten!"Um in der Reinigungsbranche arbeiten zu können, müssen Menschen in Österreich kaum formale Qualifikationen mitbringen. Zugleich ist die Tätigkeit oft herausfordernd und mit vielen Belastungen und Problemen verbunden. So arbeiten knapp zwei Drittel der Frauen in Teilzeit, häufig mit wenigen Wochenstunden. Zugleich wünschen sich in der Reinigung besonders viele ArbeitnehmerInnen mehr Wochenstunden. Die Arbeit fällt oft am Tagesrand an, mit allen Problemen der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Gearbeitet wird an unterschiedlichen Orten, die Einbindung in die Firma ist oft gering, das zeigt auch die hohe Fluktuation. Zugleich ist die Bezahlung in der Reinigung besonders niedrig…“ Artikel von Bettina Stadler vom 12. Mai 2021 im A&W-Blog des ÖGB externer Link („Reinigungsbranche – Beschäftigte unter Druck“) und mehr daraus/dazu:

  • Nicht alles ganz sauber? Reinigungskräfte und vida fordern nach Umfrage der Arbeiterkammer „Gesunde Arbeitszeit“ und transparentes Lohnschema New
    • Unentbehrlich, aber unsichtbar: Wie sauber arbeitet die Reinigungsbranche?
      Arbeitgeber ziehen sich gern weiße Westen an. Die Gewerkschaft beklagt Missstände. Über zerrissene Arbeitszeiten, hohen Kostendruck und das Feilschen um Löhne
      Sie zählten während der Pandemie zu den Helden am Arbeitsplatz. Sie hielten in Büros und Industriebetrieben, in Spitälern und Supermärkten die Stellung, begleitet vom Risiko, sich mit Covid zu infizieren. Allein schon ihre stete Präsenz vermittelte ein Gefühl von Hygiene und Sicherheit. So schnell sie vor den Vorhang geholt wurden, so schnell verschwanden sie aber wieder dahinter und wurden, wie schon zuvor, weitgehend unsichtbar. 63.000 Menschen arbeiten in Österreich in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung – für einen Brutto-Mindestlohn von 10,58 Euro pro Stunde. 71 Prozent sind Frauen. 70 Prozent haben Migrationshintergrund. Mehr als 60 Prozent sind teilzeitbeschäftigt. Ihre Gesichter und Namen kennen die wenigsten Auftraggeber, obwohl sie Zugang bis in persönlichste Lebensräume haben. Als systemrelevant erwiesen sie sich in Zeiten der Corona-Krise. Dennoch wird im Alltag vielerorts grußlos über sie hinweggesehen. Am 31. Oktober beginnt hierzulande das jährliche Ringen darum, wie viel Reinigungsdienste den Österreichern wert sind. Drei Termine haben die Sozialpartner für die Verhandlungen reserviert. Anfang Dezember sollte der neue Kollektivvertrag unter Dach und Fach sein…“ Artikel von Verena Kainrath vom 20. Oktober 2023 in Der Standard.at externer Link
    • AK & vida: Reinigungskräfte fordern faire Arbeitsbedingungen
      Die Reinigungstrupps in Büros, Hotels, Supermärkten oder Fitnesscentern sind unsichtbar – geputzt wird meist zu den Tagesrandzeiten. Ebenso unsichtbar seien in der Branche gängige Arbeitsrechtsverletzungen, schlugen die Arbeiterkammer (AK) und die Gewerkschaft vida heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz Alarm.
      „Offene Überstunden und offene Mehrstunden und die kurzfristige Einteilung von Diensten sind ein Problem“, so AK-Juristin Bianca Schrittwieser. Mehr- und Überstunden würden oft nicht korrekt bezahlt. Ein weiteres Problem seien Löhne, die nicht oder nicht pünktlich überwiesen werden, sowie der hohe Arbeitsdruck und geteilte Dienste.
      Der jeweilige Putzauftrag gehe sich in der vorgegebenen Zeit häufig nicht aus, auf den geleisteten Mehrstunden bleibe dann die Arbeitskraft sitzen. Dabei gehe es nicht um Einzelfälle, sondern das sei „symptomatisch für die Branche“, so die Leiterin der Abteilung Arbeitsrecht in der AK.
      Teilzeitquote „signifikant hoch“
      Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten den Angaben zufolge in Teilzeit. „Die Teilzeitquote ist signifikant hoch“, strich Ursula Woditschka, Fachbereichssekretärin Gebäudemanagement bei der Gewerkschaft vida, hervor. Die Arbeitsstunden seien zudem häufig in „zerrissenen Diensten“ zu absolvieren. „Ein und dieselbe Dame“ arbeite in der Früh ab 6.00 bis 8.00 oder 9.00 Uhr und dann wieder ab 16.00/17.00 Uhr bis 20.00/21.00 Uhr. Dazwischen würden Kinder versorgt und die Hausarbeit verrichtet. Außerdem fielen dadurch jeden Tag doppelt so hohe Fahrzeiten zur und von der Arbeit an. „Dass sich die Damen fühlen, als wenn sie mehr als Vollzeit beschäftigt wären, ist auch klar“, so Woditschka.
      „Gesunde Arbeitszeit“ und transparentes Lohnschema
      Die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer fordern daher „vor allem mehr Erholungsmöglichkeiten, das heißt Tagesarbeitszeiten“, damit die Reinigungskräfte zu normalen Ruhezeiten über Nacht kommen können. Weiters sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit erhalten, die sechste Urlaubswoche pro Jahr früher zu erreichen. Die Arbeitnehmervertreterinnen wollen „eine gesunde Arbeitszeit beziehungsweise eine Verkürzung“ der Normalarbeitszeit von 40 auf 30 bis 35 Wochenstunden…“ Meldung vom 19. Oktober 2023 bei ORF externer Link
    • Reinigungsbranche: Nicht alles ganz sauber? Zur aktuellen Situation der Beschäftigten in der Reinigungsbranche.
      Reinigungskräfte: Die unsichtbaren Held:innen
      Wir alle haben es gerne sauber. Aber wie geht es den Menschen, die oft unsichtbar hinter uns herräumen und reinigen? Leider nicht annähernd so gut, wie sie es verdienen würden. Warum das so ist, war zentrales Thema bei einer Pressekonferenz von AK und vida am 19. Oktober 2023 in Wien.
      Zu wenig Wertschätzung
      Obwohl Reinigungskräfte, die meist Migrant:innen sind, unverzichtbare Arbeit leisten, erfahren die Beschäftigten zu wenig Wertschätzung und Respekt. Auch die Arbeitsbedingungen sind extrem belastend und arbeitsrechtliche Verstöße keine Seltenheit. In der Regel werden Reinigungsdienste an Reinigungsfirmen ausgelagert – der Preisdruck in der Branche ist enorm und das führt wiederum zu sehr hohem Arbeitsdruck für die Beschäftigten.
      Ausbeutung als Geschäftsmodell…“ vida-Meldung vom 19.10.2023 externer Link mit umfangreicher Forderungsliste
    • Das „unsaubere Geschäft“ mit der Sauberkeit? #AK Wien hat heuer 108 Fälle innerhalb von 3 Monaten in ihrer Rechtsberatung dokumentiert. 76 %, die in AK Hilfe suchten, waren  Frauen. Fast die Hälfte war älter als 45 Jahre…“ Thread vom 20. Okt. 2023 der Arbeiterkammer Wien externer Link
  • Das dreckige Geschäft mit der Reinigung: Über Plattformen wie haushaltshilfe24.at und betreut.at vermittelte Reinigungskräfte arbeiten in Österreich mutmaßlich oft schwarz 
    „Die vermeintlich günstige Reinigung geht letztlich auf Kosten der Arbeiter:innen und Steuerzahler:innen, während die Plattformen Gewinne machen. Stolz nimmt Anuya* einen Bund mit einem guten Dutzend Schlüsseln aus ihrer Tasche und legt ihn auf den Tisch. „Die Leute vertrauen mir“, sagt sie, und zählt ihre namhaftesten Kund:innen auf: Anwälte, Diplomatinnen, Universitätsprofessoren, Ärztinnen. Dass sie illegal im Land lebt und unangemeldet arbeitet, weder Bankverbindung noch Meldezettel hat, störe die wenigsten. Anuya – ihr richtiger Name ist der Redaktion bekannt – ist Anfang 30, in Indien geboren und lebt seit rund zehn Jahren in Österreich. Mal ist sie Asylwerberin, mal wird sie ausgewiesen und kommt zurück. Seit drei Jahren lebt sie ohne Papiere in Österreich. Ihr Geld verdient sie mit Reinigungsaufträgen, die sie über die Plattform haushaltshilfe24.at vermittelt bekommt. Solange alles glatt geht, reicht das zum Überleben, sagt sie. Kann Anuya, beispielsweise krankheitsbedingt, nicht arbeiten, verdient sie nichts. „Ich achte sehr auf mich“, bekräftigt Anuya. Sie mache jeden Tag Sport und habe einen Schmerzmittel-Vorrat angelegt. Die WZ hat mit mehreren Reinigungskräften gesprochen, die ihre Dienste auf den Plattformen haushaltshilfe24.at oder betreut.at anbieten. Ihre Erfahrungen gleichen jenen von Anuya: Meist sind es Frauen mit Migrationsgeschichte, die die Wohnungen berufstätiger junger Pärchen aus der oberen Mittel- und Oberschicht reinigen, für acht bis 20 Euro pro Stunde, bar auf die Hand. Auch Politiker:innen und Botschafter:innen gehören laut ihren Aussagen zum Kund:innenstamm. Die meisten der Reinigungskräfte haben aufgrund persönlicher Schicksalsschläge, fehlender Aufenthaltstitel oder mangelnder Sprachkenntnisse am Arbeitsmarkt kaum Alternativen. Auf den ersten Blick ist das eine Win-Win-Win-Situation: Kund:innen, die sich ihre Wohnung günstig reinigen lassen können; Migrant:innen, die unkompliziert an Geld kommen und Unternehmen, die mit deren Vermittlung Geld verdienen. Es lohnt sich ein zweiter Blick. Recherchen der WZ und Studien legen nahe, dass es sich bei der vermittelten Reinigungstätigkeit oftmals um Schwarzarbeit handelt. Dem Staat und den Sozialversicherungen entgeht dadurch Geld, gleichzeitig profitieren Unternehmen, die hierzulande nicht ansässig sind und aufgrund ihrer bloßen Vermittlungstätigkeit keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge für die Reinigungskräfte zahlen. Sie profitieren von der Vermittlung von Menschen, die aufgrund ihrer Notsituation oft auf die Reinigungsaufträge angewiesen sind…“ Artikel von Johannes Greß vom 2. Oktober 2023 in der WienerZeitung online externer Link
  • Professorin arbeitete als Putzfrau: „Da geht es um Nichtanerkennung als Mensch“ 
    Ein halbes Jahr in einer Putzkolonne: Die Ökonomin Jana Costas erforschte die Unsichtbarmachung von Reinigungskräften und ihren alltäglichen Kampf um Würde
    Es scheint eine Pandemie gebraucht zu haben, um jene Menschen, die Tag für Tag den Dreck der anderen wegräumen, die putzen und sauber machen, für einen Moment ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Die Reinigungskräfte mussten trotz Coronavirus hinaus und wurden dafür kurz mit Applaus bedankt. Aber das war’s auch schon. Aus den Augen, aus dem Sinn. Jana Costas hingegen hat den Blick bewusst auf diese Gruppe gerichtet und deren Blick auf sich und die Welt untersucht. Die Wirtschaftswissenschafterin forschte fast ein Jahr in einem der größten Reinigungsunternehmen Deutschlands und arbeitete dort sechs Monate selbst als Putzfrau. Nicht undercover, alle in ihrer Kolonne wussten, dass eine Forscherin mit ihnen den Gebäudekomplex Potsdamer Platz reinigt. Das Ergebnis ihrer ethnografischen Studie ist im Verlag Suhrkamp das Buch Im Minus-Bereich. Reinigungskräfte und ihr Kampf um Würde. (…)
    Diesen Begriff verwenden die Reinigungskräfte selbst, um den bis zu vier Ebenen umfassenden Bereich unterhalb des Potsdamer Platzes zu bezeichnen. Der Minusbereich ist für sie sehr relevant, dort ziehen sie sich um, da sind der Materialraum und die Schließfächer. Es ist aber auch der Bereich, den sie benutzen, wenn sie sich oben nicht mehr aufhalten dürfen. Denn ab neun Uhr sollen sie nicht mehr mit dem Reinigungswagen sichtbar unterwegs sein. Der Minusbereich ist quasi ihr Bereich. Ich benutze den Begriff aber auch im übertragenen Sinne. Diese räumliche Zuordnung sagt etwas über den Status der Reinigungskräfte aus, nämlich dass sie ganz unten in der Hierarchie angesiedelt werden. Eine Reinigungskraft hat von sich als „Minus-Mann“ gesprochen. Der Begriff zeigt nicht nur, wie hier Statushierarchien räumlich geschaffen werden. Diese räumliche Zuordnung sagt auch etwas über die Unsichtbarmachung der Reinigungskräfte aus, die zeitlich, räumlich und sozial passiert. (…)
    Ich habe gesehen, dass in diesen ungleichen Begegnungen im Alltag ein Kampf um Würde stattfindet. Würde ist etwas, auf das wir alle angewiesen sind. Sie fußt auf zwei Komponenten: Wie sehe ich mich als Mensch, und wie sehen die anderen mich? Erkennen sie mich in dem, was ich mache, an? Erfahre ich Wertschätzung von anderen? Bei den Reinigungskräften stehen diese zwei Komponenten im Konflikt. Auf der einen Seite verleiht ihnen ihre Arbeit, der sie sich bewusst zuwenden, auch eine gewisse Würde. Sie sind stolz darauf. Auf der anderen Seite gibt es alltägliche Begegnungen, die das untergraben. Ihnen wird gerade wegen ihrer Arbeit wenig Respekt und Anerkennung entgegengebracht, was ihren Status und ihr Selbstwertgefühl angreift.
    [STANDARD: Sie sprechen von „Dramen der Würde“, die der Beruf der Reinigungskraft mit sich bringe oder generiere. Welche zum Beispiel?]
    Costas: Ein typisches Beispiel ist die Reinigungskraft, die unglaublich stolz ist, dass sie in einem bestimmten Objekt, das vielleicht ein eher luxuriöses Gebäude ist, eine Schicht übernehmen kann, die für die neuesten Reinigungsutensilien sorgt, und dann beschwert sich der Manager, dass sie einen Fußabdruck hinterlassen habe. Dabei hat sie gerade erst sauber gemacht, und eine Minute später ist irgendwer von draußen über den Teppich gelaufen. Oder was Reinigungskräfte sehr oft erleben, ist, dass sie komplett ignoriert und nicht gegrüßt werden, als ob sie gar nicht existieren würden. Oder es wird ihnen Müll vor die Füße geworfen, obwohl der Mülleimer danebensteht. Das macht ja etwas mit einem. Das ist die soziale Form der Unsichtbarmachung. Da geht es um Nichtanerkennung als Mensch. (…)
    Zum einen hat die Dienstleistungsbranche an sich etwa im Vergleich zu industriellen Facharbeitern und Facharbeiterinnen keine so stark gewerkschaftlich organisierte Tradition. Zum anderen gibt es innerhalb dieser sehr heterogenen Gruppe selber eine strukturelle Segregation. Es gibt Personen, die haben einen Minijob, andere arbeiten Vollzeit oder hoffen auf Festanstellung. Oder es putzen Menschen mit und ohne Ausbildung. Es gibt in der Reinigungsbranche auch keine etablierte und verbindende Berufskultur, wie man sie in der Arbeiterklasse findet…“ Interview von Lisa Nimmervoll vom 16. August 2023 in Der Standard.at externer Link
  • Weiter aus dem Artikel von Bettina Stadler vom 12. Mai 2021 im A&W-Blog des ÖGB externer Link: „… Die Reinigungsbranche verdankt ihre Etablierung als eigener, wichtiger Wirtschaftszweig der Auslagerung von Unternehmensaufgaben an externe Unternehmen, mit dem Ziel, Kosten zu senken. Die Idee der Kosteneinsparung stand bei der Beauftragung von externen Anbietern für die Reinigung, z. B. von Büros, Gebäuden oder der Zimmer eines Hotels, bereits am Anfang der Branchenentwicklung. Auch heute noch herrscht ein harter Wettbewerb, und meist kommen die Billigstbieter zum Zug. Eine Studie der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) hat sich mit den Arbeitsbedingungen und den Beratungs- und Rechtsschutzanliegen der ArbeitnehmerInnen in der Reinigungsbranche beschäftigt. Die Gesamtergebnisse der Studie werden im Juni 2021 präsentiert und veröffentlicht…““
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=190027
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