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Sterben für Jade: Was in dem Bergwerk in Myanmar geschah – wird wieder einmal „Unglück“ genannt

In Myanmar geht es um grüne Jade„… Nach einem Erdrutsch in einer Bergbauregion in Burma ist die Zahl der Toten auf mindestens 166 gestiegen. Das teilte die Feuerwehr auf Facebook mit. Bei dem Unglück am Donnerstag hatten Arbeiter in einer Abraumhalde der örtlichen Jade-Minen nach den wertvollen grünen Steinen gesucht, als sie von den Schlammmassen begraben wurden. Der starke Monsunregen, der den Erdrutsch ausgelöst hatte, erschwert laut Behördenangaben nun auch die Bergungsarbeiten. Mindestens 70 Menschen hätten bislang verletzt aus dem Schlamm gerettet werden können, sagte ein Parlamentsabgeordneter des Unglücksortes Hpakant. Unterdessen gingen die Behörden von weit über 200 Todesopfern aus, da Dutzende weitere Personen noch vermisst würden. Die Hälfte der Todesopfer sei noch nicht identifiziert worden. Ungewöhnlich heftige Regenfälle hatten die Überschwemmungen und Schlammlawinen am Donnerstag ausgelöst. Das arme Burma ist einer der weltgrößten Lieferanten der grünen Schmucksteine, die besonders in China beliebt sind. Aus der Region des Unglücksortes im Norden des Landes kommen die meisten davon. Die Branche ist kaum reguliert, tödliche Unfälle kommen immer wieder vor. In den Minen schuften schlecht bezahlte Arbeiter, darunter viele Migranten. (…) Menschenrechtler werfen den am Jade-Geschäft beteiligten Firmen sowie der Regierung vor, beim Schutz für die Arbeiter versagt zu haben. „Die Regierung hat die fortgesetzten illegalen und räuberischen Bergbaupraktiken in Hpakant ignoriert, obwohl sie versprochen hatte, den gefährlichen Sektor zu reformieren“, erklärte die auf Rohstoffen in Konflikten spezialisierte Organisation „Global Witness“. Das Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft werde von mächtigen, mit Burmas Militär verbundenen Firmen, deren Kumpanen und bewaffneten Gruppen dominiert...“ – aus der Meldung „Mehr als 160 Opfer nach Erdrutsch in Jade-Mine“ am 03. Juli 2020 in der FAZ online externer Link über das neueste der endlosen Reihe von „Unglücken“ im Jade-Bergbau Myanmars. Zu den Folgerungen und den gesellschaftlichen Bedingungen des Jade-Bergbaus in Myanmar zwei weitere aktuelle Beiträge:

  • „Der vergessene Jade-Konflikt in Myanmar“ von Benedict Wermter am 05. Juli 2020 bei der Deutschen Welle externer Link kommentiert die Verhältnisse in der Bergbauregion unter anderem so: „… Verstrickt in den Jade-Abbau sind Drogenbarone und Warlords, protegiert vom burmesischen Militär, den Tatmadaw. Die Tatmadaw kämpfen im Norden Myanmars mit der Ethnie der Kachin um die Minen, um ihren korrupten Generälen Anteile am Geschäft mit den Schmucksteinen zu sichern, die vor allem nach China verkauft werden. Hunderttausende Kachin sind geflohen, der Konflikt wurde schon als „Slow Genocide“ bezeichnet, als schleichender Genozid. Hunderttausende junge Männer wiederum strömen hinein in die Region, zu denen wohl auch die Opfer des aktuellen Erdrutschs gehörten. Sie heißen Yemasay und suchen wie im Jade-Rausch nachts auf den Schuttbergen des industriellen Abbaus nach „Rockstones“ – so werden die Jadesteine genannt, die erst nach dem Öffnen ihren Wert zeigen. Häufig spritzen sich diese illegalen Bergleute Heroin oder rauchen Amphetamine, die sie von Offiziellen der Minen beziehen können. Rund um die Minen von Hpakant ist vor allem auch deswegen ein HIV-Epidemie ausgebrochen. Die burmesische Regierung unter Aung San Suu Kyi hatte zu Beginn ihrer Amtszeit stärkere Kontrollen rund um das Geschäft mit den wertvollen Steinen angekündigt. Was aber will die Regierung kontrollieren? Tatsächlich lässt sich mit einem Open-Source Projekt jetzt nachvollziehen, welche Mine welchem Unternehmen, General oder Milizenführer gehört. Der Einfluss auf die Industrie ist aber gering, und die Arbeitsbedingungen für die illegalen Bergmänner ändern sich dadurch nicht. Sie brauchen vielmehr versicherte, gut bezahlte und technisch moderne Jobs, anstatt zugedröhnt nachts in Steinhalden zu wühlen. Kontrollen und Ermittlungen sind in Myanmar zumeist eine Farce. Viel zu eng ist die Regierung um Aung San Suu Kyi noch immer mit dem Militär verwoben. Da hilft es sicher nicht, dass die Weltöffentlichkeit seit Jahren vor allem auf die Vertreibung der Rohingya blickt – freilich ein grausamer Konflikt – und die Gefechte und Epidemien im Norden des Landes ignoriert...“
  • „Tödliche Suche“ von Thomas Berger am 04. Juli 2020 in der jungen welt externer Link zum aktuellen Fall: „… Der Vorfall mag zwar in der Branche der größte seit vielen Jahren gewesen sein – in Anbetracht der Umstände ist die Katastrophe allerdings keine Überraschung. Schätzungsweise 90 Prozent der weltweit abgebauten Jade kommt aus Myanmar, Hauptabnehmer des Edelsteins ist das benachbarte China. Besonders im Bundesstaat Kachin hat der Abbau durchwühlte Mondlandschaften hinterlassen, ein Stück südlich in der Region Sagaing gibt es einige weitere Abbaugebiete. Da nur ein Teil der Förderung in organisierten Minen und gemäß staatlichen Regularien stattfindet, ist es äußerst schwierig, den Gesamtumfang der Abbauaktivitäten und erzielten Erlöse verlässlich zu beziffern. Schätzungen gehen davon aus, dass die Industrie im Land einen Wert von rund 30 Milliarden US-Dollar besitzt. Von den meisten Katastrophen nimmt die Außenwelt jedoch kaum Notiz: Im April vergangenen Jahres kamen 59 Menschen ums Leben, als die Randbereiche eines Restwassersees abrutschten. Im Juli starben bei einem Erdrutsch in einer anderen Mine 17 Arbeiter. »Obwohl es Vorschriften der Regierung zur systematischen Aufschichtung von Resterdreich und andere Regularien gibt, werden sie kaum umgesetzt«, wird Ko Naung Latt, der Vorsitzende der Umweltvereinigung Green Land, von Irrawaddy zitiert. Auch andere Nichtregierungsorganisation werfen der Politik vor, die Branche ungenügend zu überwachen. Laut einer Übersicht des Natural Resource Governance Institute (NRGI), das sich weltweit für Reformen im Bergbau einsetzt, hat die Regierung weniger Lizenzen zum Abbau von Jade vergeben, Anfang 2016 waren es 21.000 und Ende 2018 nur noch 6.000. Doch nur ein Teil des Abbaus wird ansatzweise überwacht. Nach dem regulären Betrieb, der teilweise schon nach einigen Monaten wieder aufgegeben wird, graben sich unzählige Menschen durch das bereits umgepflügte Erdreich – in der Hoffnung, noch einen nennenswerten Fund zu machen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=175108
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