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Mexikos Regierung mobilisiert die Armee: Gegen die Epidemie? Gegen die Gewaltkultur? Oder gegen den Widerstand, auf den Großprojekte und Arbeitszwang treffen?

Demonstration gegen Gewalt in Piebla (Mexico) - ein zentrales Thema der Wahl am 1. Juli 2018„… Die Veröffentlichung dieser Kompetenzerweiterung am 11. Mai forderte unmittelbare Reaktionen heraus. Die Menschenrechtskommission der Stadt Mexiko verlangte eine Rechtfertigung für diesen Einsatz des Militärs. Die Partei der Demokratischen Revolution reichte Klage vor der „Comisión Nacional de los Derechos Humanos“ (nationale Menschenrechtskommission) ein. Beide verweisen darauf, dass durch die Militarisierung vermehrt Menschenrechtsverletzungen zu befürchten wären und die Straflosigkeit zunehmen würde. Auch das Büro der UNHCHR in Mexiko nahm neben mexikanischen Menschenrechtsorganisationen und anderen Kollektiven kritisch Stellung. Faktisch würde das Dekret die Militarisierung der öffentlichen Sicherheit normalisieren. Die Teilhabe der Streitkräfte an Funktionen der öffentlichen Sicherheit sei nicht als „außerordentlich“ zu werten, da die Intervention für das ganze Land gilt, ohne zwischen verschiedenen Verbrechen und Situationen zu differenzieren. Entgegen dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, der die Unterordnung des Militärs gegenüber zivilen Kräften verlangt, ist im Rahmen des neuen Erlasses von Koordination die Rede. Ebenfalls problematisch sei, dass die Kontrolle über das Agieren der Soldaten nicht unabhängig und extern, sondern durch entsprechende interne Organe der Streitkräfte erfolge. Zwar ist das Militär zur strikten Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet, jedoch fehlt es an Konkretisierungen, die sein Handeln in diesem Kontext eingrenzen…“ – aus dem Beitrag „Mexiko: Neues Dekret für den Einsatz des Militärs in der öffentlichen Sicherheit“ von Sabrina Spitznagel am 22. Mai 2020 bei amerika21.de externer Link über den militärischen Sondereinsatz durch eine als links bezeichnete Regierung. Siehe dazu jeweils einen Beitrag zum Widerstand gegen Arbeitszwang, gegen das Großprojekt Tren Maya und zum Leben in der Stadt der Drogen – worin deutlich wird, dass Militäreinsatz wohlkaum der richtige Weg sein dürfte…

  • „Mexiko: Klassenkampf in Zeiten von Corona“ am 24. April 2020 bei Wildcat online externer Link zum Thema: „… Nachdem Präsident AMLO so wie seine Amtskollegen weiter nördlich und südlich zunächst Corona »geleugnet« hatte, verschiebt die Regierung nun Investitionen und kürzt im Öffentlichen Dienst. Der Peso verlor seit Jahresbeginn ein Drittel seines Gegenwerts in Dollar, das proletarische Einkommen sinkt kontinuierlich ab im Verhältnis zu jenem in den USA. Insgesamt wird die Armut noch heftiger ansteigen als in und nach der Krise 2008, wenn die Bewegungen von unten kein Gegenmittel finden. »Möglicher Tod durch Covid-19 oder sicherer Tod durch Verhungern«, ist leider eine weitverbreitete Einstellung. Noch ein Problem ist die Grenzschließung zu den USA. 2019 wurden 36 Milliarden Dollar von mexikanischen Arbeitsmigranten aus den Staaten an ihre Angehörigen nach Mexiko überwiesen. Über 200 000 Arbeiter gingen mit einem H2A-Arbeitsvisum über die Grenze auf die Felder nach Kalifornien, Washington State, usw. Dieses Jahr werden es deutlich weniger sein. Das frisst sich durch in die südlichen Nachbarländer, wo 34 Millionen Menschen leben (Guatemala, Belize, El Salvador, Honduras): z. B. betragen in Guatemala die Remesas (Rücküberweisungen) 30 Prozent der Einkommen, am Land können sie bis zu 90 Prozent ausmachen. Dazu kommt ein stärker umkämpfter Drogenschwarzmarkt, weil sich die Preise für Rohstoffe aus China vervielfachen (z. B. beliefern Wuhans Chemiefabriken direkt mexikanische Drogenproduktionsstätten). Gegen fallende Ölpreise und eine sinkende Ölrente sichert sich der mexikanische Staat an der Wall Street ab – durch Hedging im Futures-Markt kam er zumindest 2009 mit einem blauen Auge davon. Wie 2019 begannen die Streiks im Bundesstaat Tamaulipas mit 3,3 Millionen Einwohnern an der Grenze zu Texas. Ende April haben sich Streiks und Proteste auf andere Bundesstaaten ausgeweitet (…) Streiks und Proteste weiteten sich nach Westen in die Industriestädte Ciudad Juárez, Mexicali und Tijuana aus. Dort arbeiten mehrere Zehntausend Menschen in Maquilas – 120 000 von über 300 000 arbeiteten in Ciudad Juárez trotz steigender Fälle von Covid-19 weiter. In Mexicali arbeiten sieben Prozent der Einwohner in solchen Betrieben, knapp 70 000 Menschen. Am 16. April begannen Arbeiterinnen in Ciudad Juárez einen Streik für Schutzausrüstung, seitdem schließen sich kontinuierlich andere Belegschaften oder Teile von Belegschaften der Bewegung an. Noch eine Forderung ist die Weiterzahlung des vollen Lohns und Betriebsstillegungen – Arbeiter bei Foxconn und Eaton konnten dies schon erreichen.2 Es liegt in der Natur einer Streikdynamik, dass genaue Zahlen über streikende Arbeiter und bestreikte Betriebe, über Aktionen, usw. gerade nicht genau angeführt werden können. Jedenfalls können New York Times und andere nicht mehr wegschauen...“
  • „Zapatisten, Wissenschaftler und NGOs in Mexiko mobilisieren gegen Tren Maya“ von Nina Baghery am 23. Mai 2020 bei amerika21.de externer Link über den Widerstand gegen das Großprojekt: „… Die Regierung selbst verteidigt indes den Bau-Beschluss damit, die „Wirtschaft der Region reaktivieren“ und die „historischen Schulden des Staates gegenüber dem mexikanischen Südosten“ begleichen zu wollen. Die Zugstrecke soll über eine Länge von 1.460 Kilometern die fünf Bundesstaaten Chiapas, Tabasco, Campeche, Yucatán und Quintana Roo miteinander verbinden. Während der ersten Bauphase sollen bis zu 80.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dass der Bau der Zugstrecke für viele, vor allem indigene Gemeinschaften mit dem Verlust ihrer Länder und einer sozialen Verelendung zusammenfalle, scheine die Regierung nicht zu erkennen, so die Kritik. Violeta R. Nuñez Rodríguez, Wissenschaftlerin der Autonomen Universität Xochimilco, weist darauf hin, dass der Südosten des Landes nicht erst unter prekären Zuständen leide, weil der Staat nicht ausreichend Kapital dort investiert habe. Gerade die staatliche Förderung von Großprojekten wie des Tren Maya, würde zur „Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der menschlichen Arbeitskraft“ führen und dadurch prekäre Lebensverhältnisse kontinuierlich reproduzieren. Eine Untersuchung des Instituts zur Transformation mexikanischer Landgebiete (Ceccam) zweifelt den sozial wirkungsvollen Charakter des Projekts ebenfalls an: „Viele der beteiligten Gemeinschaften, die angeblich davon profitieren würden, werden in Wahrheit der Möglichkeit beraubt, frei zu bestimmen, ob sie das Projekt unterstützen sollten oder nicht.“ Außerdem verschweige die Regierung, dass diese Infrastruktur lediglich dem industriellen Ausbau des Landes diene und nicht – wie behauptet – Strukturen sozialer Gerechtigkeit schaffe, warnt das Institut. Man könne feststellen, dass mit dem bisherigen Prozess der Umsetzung „fortwährende Gewalt gegenüber den indigenen Gemeinschaften“ verbunden gewesen sei...“
  • „Schlaglichter von der Grenze“ von Kathrin Zeiske am 20. Mai 2020 in der jungle world externer Link (Ausgabe 21/2020) ist eine Reportage vor allem über das Wirken von Gangs in Zeiten der Epidemie, in der unter anderem hervor gehoben wird: „… »Quarantänemaßnahmen sind in ­einer Stadt mit so krassen sozialen Unterschieden wie Ciudad Juárez eine Klassenfrage und haben eine Postleitzahl«, sagt Carlos Murillo, Universitätsdozent und Zeitungskommentator. Seine Familie und er halten schon ­lange eine akribische Quarantäne ein. Seit die Universität ihre Türen schloss und wie die Schulen in vorgezogene Osterferien ging, bleiben sie zu Hause, vor allem, um Murillos Schwiegereltern zu schützen. Diesen liefern sie ­jeden dritten Tag Einkäufe an die Haustür – ein Luxus, ermöglicht durch Lohnfortzahlungen. »Wie aber soll jemand, der seinen Wochenlohn in der Fabrik bezieht oder vom täglichen Einkommen im informellen Sektor lebt, zu Hause bleiben?« fragt Murillo. Während bessergestellte Familien, die in der Regel gut über Covid-19 informiert sind, sich bereits freiwillig in Quarantäne begaben, noch bevor die mexikanische Regierung auf die Pandemie reagierte, bleibt die soziale Abgrenzung für die Mehrheit der Bevölkerung schwer ­einzuhalten. Ende April verordnete die Regierung neue Schutzmaßnahmen. Die Fußgängerzone im Zentrum von Ciudad Juárez, in der sonst kaum ein Durchkommen ist, liegt nun verlassen da. Die Gänge der Markthallen, die sonst von Waren überquellen, liegen gespenstisch brach, Metallrollos verschließen Verkaufsnischen. Straßenstände sind abgebaut und Händler mit selbstgebauten Wagen zum Verkauf von Maiskolben, Säften und Fleischspießen bleiben zu Hause. Auch der sogenannte Prediger, eine kugelrunde, sonnengegerbte Erscheinung, die entfernt an Jesus Christus in Sack­leinen erinnerte und tagtäglich, bei Schnee, Sturm oder in brennender Hitze, das Ende der Welt verkündete, ist nicht mehr da...“
  • Siehe zuletzt am 20. Mai 2020: In den Maquilas in Mexiko wird gearbeitet – und gestorben. Auf Kommando der US-Konzerne und deren Regierung
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=172908
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