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Massenproteste im Libanon erzwingen Verzichtspolitik: Neuer Regierungschef – verzichtet. Parlament – verzichtet auch: Auf eine Sitzung, bei der man sich selbst amnestieren wollte…

Demonstration in Beirut am 29. August 2015 - nicht mehr nur wegen Müll, sondern gegen die Regierung„… Bis zum heutigen Tag hat die Bewegung nicht nur ihren klassen- und konfessionsübergreifenden Charakter bewahrt, es ist bisher auch keiner politischen Partei oder Gruppierung gelungen, die Führung oder Kontrolle über die Bewegung zu erlangen. Auch wenn verschiedene der etablierten politischen Parteien die Proteste unterstützen (so z.B. Lebanese Forces, Progressive Sozialistische Partei, Kommunistische Partei), so bleibt ihre Rolle marginal und keine Parteiflaggen oder Parteisymbole sind auf den Demonstrationen sichtbar. Geschwenkt wird vor allem die libanesische Flagge als Zeichen eines Nationalismus, der als Stolz auf die umfassenden Massenproteste im ganzen Land und der Ablehnung der etablierten politischen Parteien verstanden werden kann. Neben diesen nationalen Symbolen gibt es auch einige Gruppierungen innerhalb der Bewegung, die sich für die Rechte von palästinensischen und syrischen Geflüchteten sowie migrantischen Hausangestellten einsetzen. Auch das baut auf der Arbeit von Initiativen und Bewegungen der letzten Monate und Jahre auf, die die systematische Entrechtung dieser Gruppen im Libanon skandalisiert…“ – so zur Entwicklung im Libanon Passagen aus dem Beitrag «Was machen wir jetzt?» von Miriam Younes und Mohamad Blakah im November 2019 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link (worin die Entwicklungen im Libanon und im Irak parallel betrachtet werden), die den Hintergrund deutlich machen, weshalb die Bewegung entschlossen genug ist, den diversen Manövern der Herrschenden eine Abfuhr zu erteilen. Zur Entwicklung im Libanon vier weitere aktuelle Beiträge – auch über die wachsende Rolle von Streikbewegung im Rahmen der Proteste – die die „Verzichtspolitik“ deutlich machen, sowie der Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zu den Massenprotesten:

  • „Demonstranten versperrten Abgeordneten im Libanon Weg zum Parlament“ am 19. November 2019 im Standard.at externer Link meldet den nächsten „Verzicht“: „… Bei Protesten gegen die Führung im Libanons ist es in Beirut zu teils chaotischen Szenen gekommen. Demonstranten versuchten am Dienstag mit Menschenketten und Straßenblockaden, Abgeordneten den Weg ins Parlament zu versperren. Sie wollten verhindern, dass die Abgeordneten über Gesetze zu Korruption und einer Generalamnestie beraten.Die Demonstranten befürchten, dass diese dem Schutz korrupter Politiker dienen. Mehrere Wagen fuhren mit hohem Tempo durch die Menschenmenge, um die Blockade der Demonstranten zu durchbrechen, wie auf Bildern des libanesischen Fernsehsenders MTV zu sehen war. Aus einem Fahrzeug wurden sogar mehrere Schüsse in die Luft gefeuert. Das Kalkül der Demonstranten ging auf: Die für Dienstagvormittag anberaumte Parlamentssitzung musste auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, da nicht genügend Mandatare anwesend waren…
  • „Politische und wirtschaftliche Unruhen im Libanon eskalieren“ von Jean Shaoul am 18. November 2019 bei wsws externer Link unter anderem zu verschiedenen wachsenden Streikbewegung im Rahmen der Proteste: „… Die politische und wirtschaftliche Krise im Libanon verschärft sich zusehends. Seit mehr als fünf Wochen finden im ganzen Land Streiks und Proteste statt, an denen sich massenhaft Arbeiter und arme Bauern, unabhängig von Herkunft oder Religionszugehörigkeit, beteiligen. Am 12. November rief der libanesische Nationale Gewerkschaftsbund einen Generalstreik aus, der sich gegen die Misswirtschaft der Regierung und ihre Weigerung richtet, die Forderungen der Demonstranten, darunter die Bildung einer neuen Regierung, umzusetzen. Die Demonstranten strömten auf die Straße, errichteten Straßensperren und riefen „Alle bedeutet alle!“. Es ist der Schlachtruf der Protestbewegung gegen sämtliche Parteien, um die Abschaffung des gesamten, auf Religion beruhenden politischen Systems zu erreichen. Die Universitäten und Schulen, die letzte Woche kurzzeitig wieder geöffnet wurden, sind bis auf weiteres erneut geschlossen. Schüler und Studenten demonstrieren derweil gegen die korrupte Regierung, fehlende Arbeitsplätze und grundlegende Sozialleistungen, sowie die rasant steigenden Lebenshaltungskosten. Bei Alfa and Touch, dem staatseigenen Mobilfunkanbieter, streiken die Beschäftigten für Lohngarantien (…) Das Syndikat der Privatkrankenhäuser kündigte an, dass das medizinische Personal ab dem 15. November in den Streik treten werde, wenn die Regierung weiterhin Zahlungen an die Krankenhäuser verweigert. Durch die Bankenkrise wird es obendrein unmöglich, Dialysefilter, Gefäßstützen zur Behandlung von Herzerkrankungen und andere medizinische Ausrüstung zu kaufen, die in Dollar bezahlt werden müssen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=157525
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