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»Modernisierung« der Arbeitsmarktgesetze: Eine 92-Stunden-Woche droht in Südkorea – dem Land mit bereits längsten Arbeitszeiten der Welt

Dossier

Vor dem Streik in SeoulIn der von der OECD durchgeführten Analyse der von ihren 36 Mitgliedern erfassten jährlichen Arbeitsstunden externer Link lag Korea auf Platz 3. Jede(r) erwerbstätige KoreanerInnen arbeitete im Jahr 2020 1.908 Stunden pro Jahr, 221 Stunden mehr als der OECD-Durchschnitt von 1.687 Stunden. Von 2008 bis 2011 verzeichnete das Land vier Jahre in Folge die längsten Arbeitszeiten unter den OECD-Ländern. Die amtierende Regierung hat schrittweise eine 52-Stunden-Woche eingeführt und die frühere 68-Stunden-Woche durch eine Lohnskala ersetzt. Separate OECD-Daten zeigen, dass Südkorea trotz der langen Arbeitszeiten bei der Beschäftigungsquote von 65,9 Prozent weit hinter den großen Ländern zurückliegt. Im Gegensatz dazu lag der Anteil der ZeitarbeiterInnen in Korea im Jahr 2020 bei beachtlichen 26,1 Prozent der gesamten Beschäftigten. Dies war der zweithöchste Wert unter den OECD-Mitgliedern und übertraf bei weitem den OECD-Durchschnitt von 11,4 Prozent – so die Zusammenfassung der (engl.) Meldung vom 17.08.2021 in The Korea Herald online externer Link, siehe dazu:

  • Südkorea will Kinderlosigkeit bekämpfen – mit der 69-Stunden-Woche – und kippt den Plan nach Protesten (vorläufig?) New
    • Südkorea will Kinderlosigkeit bekämpfen – mit der 69-Stunden-Woche
      „Während die Rufe nach der Vier-Tage-Woche in Deutschland immer lauter werden und Staaten wie Großbritannien in Pilotprojekten mit dem neuen Konzept experimentieren, will Südkorea die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 69 Stunden erhöhen. Erst 2018 haben die Südkoreaner die Wochenarbeitszeit auf 52 Stunden verkürzt. Darin enthalten sind 40 Stunden reguläre Arbeitszeit und zwölf Überstunden, die die Arbeitnehmenden pro Woche anhäufen können. 2021 schufteten abhängig Beschäftigte in Südkorea durchschnittlich 1915 Stunden. Bevor die Wochenarbeitszeit vor fünf Jahren verkürzt wurde, waren es gar 2052 Stunden jährlich. Zum Vergleich: Für Deutschland nennt die OECD eine Arbeitsleistung von 1349 Stunden im Jahr bei einem Pro-Kopf-Einkommen von 48.950 Dollar. Die Wirtschaftsleistung je Kopf der Südkoreaner lag 2021 mit rund 35.004 US-Dollar deutlich drunter. Für Aufsehen sorgt vor allem die Begründung der konservativen Regierung von Präsident Yoon Suk Yeol: Mit der hohen Zahl an Arbeitsstunden soll werdenden Müttern geholfen werden. Haben sie die Überstunden erst einmal angehäuft, können sie sich später länger freinehmen – zum Beispiel, um ihr Kind großzuziehen. Damit soll einer gefährlichen Statistik entgegen gearbeitet werden: Südkorea weist mit durchschnittlich 0,87 Kindern pro Frau die zweitniedrigste Geburtenrate der Welt auf – gleichzeitig ist die Lebenserwartung mit rund 84 Jahren eine der höchsten weltweit. Damit schrumpft nicht zuletzt der Teil der Bevölkerung, der erwerbsfähig ist. (…) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat lange Arbeitszeiten mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und Herzkrankheiten in Verbindung gebracht. „Eine Wochenarbeitszeit von 55 Stunden oder mehr ist ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko“, sagte Maria Neira, Direktorin der Abteilung für Umwelt, Klimawandel und Gesundheit. Dabei sind laut einer UN-Studie aus dem Jahr 2021 Ostasien, Südostasien und der indische Subkontinent besonders stark durch arbeitsbedingte Herz-Kreislauf-Erkrankungen belastet. Im Nachbarland Japan gibt es sogar ein eigenes Wort für den Tod durch Überarbeitung: „Karoshi“. Erst 2017 kam es in Japan zu mehreren Todesfällen durch Unmengen von Überstunden.“ Artikel von Angelika Melcher vom 13. März 2023 in der WirtschaftsWoche online externer Link
    • Nach Jugendprotesten: Südkorea kippt Plan für 69-Stunden-Woche
      „… Proteste junger Leute brachten den südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol nun dazu, seine Pläne noch einmal zu überdenken. Es gehe nun darum, »besser mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, insbesondere mit der Generation Z und den Millennials«, zitiert die britische Tageszeitung »Guardian« die Pressesprecherin des Präsidenten, Kim Eun-hye. »Der Kern von [Yoons] Arbeitsmarktpolitik ist der Schutz der Rechte und Interessen von unterprivilegierten Arbeitnehmern. Wie der (…) von Arbeitnehmern, die keiner Gewerkschaft angehören, und von Arbeitnehmern, die in kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten«, zitiert der »Guardian« Kim nach der südkoreanischen Tageszeitung »Korea Herald«. Yoon, ein Konservativer, der als wirtschaftsfreundlich gilt, hatte die Erhöhung der Arbeitszeit unterstützt, um den Arbeitgebern mehr Flexibilität zu ermöglichen. Gewerkschaftsführer hatten jedoch bereits kritisiert, dass Yoons Pläne die Menschen nur weiter unter Druck setzen würden. Südkorea ist für seine straffen Arbeitsbedingungen bekannt. (…) »Damit wird es legal, fünf Tage hintereinander von 9 Uhr morgens bis Mitternacht zu arbeiten. Auf die Gesundheit und die Erholung der Arbeitnehmer wird keine Rücksicht genommen«, so der koreanische Gewerkschaftsbund laut »Guardian« in einer Erklärung.“ Meldung vom 15. März 2023 im Spiegel online externer Link
  • 52-Stunden-Arbeitswoche in Südkorea in Gefahr
    „In einem Land mit einer der längsten Arbeitszeiten der Welt ist die 52-Stunden-Regel nur wenige Jahre nach ihrer Einführung auf den Prüfstand geraten
    Die Vier-Tage-Woche ist derzeit weltweit ein heißes Thema. Tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Großbritannien nehmen an dem bisher größten Experiment mit verkürzten Arbeitszeiten teil. In Südkorea steht ein Gesetz, das die Wochenarbeitszeit auf 52 Stunden begrenzt, aus dem entgegengesetzten Grund auf dem Prüfstand.  Letzte Woche erklärte Arbeitsminister Lee Jeong-sik, dass die Regierung erwägen würde, die derzeitige 52-Stunden-Woche auf eine monatliche Basis umzustellen, um Arbeitgebern und Arbeitnehmern mehr Flexibilität zu ermöglichen. Mit anderen Worten: längere Arbeitszeiten. (…) Die 52-Stunden-Woche wurde erstmals 2018 unter der vorherigen Regierung Moon Jae-in eingeführt, um ein »Leben mit Pausen« zu gewährleisten. Vor der Änderung des Arbeitsnormengesetzes durften Arbeitnehmer bis zu 68 Stunden pro Woche arbeiten. Während viele Arbeitnehmer 40 Stunden pro Woche arbeiten, schreibt das Gesetz vor, dass nicht mehr als 12 Stunden Überstunden pro Woche geleistet werden dürfen, so dass die Gesamtstundenzahl auf 52 begrenzt ist.  Im Juli letzten Jahres wurde diese Regelung auf Betriebe mit nur fünf Beschäftigten ausgedehnt. Diese Maßnahme wurde von einigen als ein Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Sie wurde jedoch auch kritisiert – vor allem von den Arbeitgebern – weil sie die Flexibilität am Arbeitsplatz einschränkt. (…)  Südkorea hat eine der längsten Arbeitszeiten unter den Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das Land hatte 2020 die viertlängsten Arbeitszeiten – mit durchschnittlich 1.908 Stunden pro Jahr. Südkoreanische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiteten 576 Stunden länger als ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen. Gapjil119, ein eingetragener Verband, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertritt, warnte, dass die Pläne des Ministeriums es Arbeitgebern theoretisch ermöglichen würden, ihre Angestellten eine Woche im Monat bis zu 92 Stunden arbeiten zu lassen. »Wenn du zwischen Freitag, Samstag und Sonntag 40 Stunden arbeitest und dann von Montag bis Donnerstag 52 Stunden arbeitest, wäre das technisch gesehen immer noch kein Verstoß gegen die 52-Stunden-Regel (wie vom Ministerium vorgesehen).« Die Gruppe behauptete, dass es in Korea immer noch viele Arbeitnehmer gibt, die unter langen Arbeitszeiten ohne angemessenen Ausgleich leiden. »Ein Informant hat nur 10.000 Won [7,58 €] für eine Nachtschicht und ein anderer 10.000 Won für eine Taxifahrt erhalten, obwohl er 16 Stunden am Tag und insgesamt 90 Stunden einschließlich des Wochenendes gearbeitet hat«, so der Verband. »Lange Nachtschichten können krank machen und zum Tod durch Überarbeitung führen«, heißt es weiter…“ Aus dem engl. Artikel von Yim Hyun-su am 30.06.22 im Korea Herald externer Link
  • Yoon’s Überarbeitungsgesellschaft? Eine 92-Stunden-Woche könnte in Korea bevorstehen
    „Die vom Ministerium für Arbeit und Beschäftigung angekündigten Vorschläge stehen im Einklang mit Yoons Rhetorik zu Arbeitsmarktreformen
    Nachdem Präsident Yoon Suk-yeol immer wieder betont hat, dass der Arbeitsmarkt reformiert werden muss, hat das Ministerium für Arbeit und Beschäftigung eine Reihe von Vorschlägen zur Umstrukturierung der Arbeitszeit und des Lohnsystems in Südkorea vorgelegt. Obwohl das Ministerium erklärt, dass es sein Ziel ist, das Arbeits- und Beschäftigungssystem zu »modernisieren«, um es an die sich ändernden Bedürfnisse der Zeit anzupassen, ist sein Vorschlag einer, der den Forderungen der Unternehmen, wie z.B. die Ausweitung der Berechnungseinheit für Überstunden, deutlich entgegenkommt. Daher wird erwartet, dass der Vorschlag, sollte er Realität werden, eine Gegenreaktion auslösen wird. Wie das Ministerium für Arbeit und Beschäftigung am Donnerstag mitteilte, will es die Überstundengrenze, die derzeit bei 12 Stunden pro Woche liegt, auf monatlicher Basis anpassen. Die derzeitige wöchentliche Obergrenze von 12 Stunden für Überstunden entspricht einem Maximum von 52 Überstunden (12 Stunden × 4,345 Wochen) im Laufe eines Monats. Das würde bedeuten, dass man in einer Woche maximal 92 Stunden arbeiten könnte (40 reguläre Arbeitsstunden + 52 Überstunden), wenn man alle Überstunden in einer einzigen Woche verbrauchen würde. Mit anderen Worten: Die Aussage, die Yoon als Präsidentschaftskandidat gemacht hat, dass »man in einer einzigen Woche 120 Stunden arbeiten können sollte«, könnte Wirklichkeit werden. (…) Nach Ansicht des Ministers würde die Einführung von 11 aufeinanderfolgenden Stunden Ruhezeit zwischen den Arbeitstagen, so dass ein Arbeitnehmer, der um Mitternacht Feierabend macht, am nächsten Tag um 11 Uhr wieder zur Arbeit gehen kann, die Gesundheit der Arbeitnehmer vor den negativen Auswirkungen langer Arbeitszeiten schützen. Es ist jedoch unklar, ob dieses System tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird, da es lediglich in Erwägung gezogen wird und nicht in den offiziellen Pressematerialien des Ministeriums enthalten war. Darüber hinaus erklärte das Ministerium, dass es die Einführung eines »Arbeitszeitkontosystems« prüfen werde, bei dem Überstunden mit Freizeit abgegolten werden, den Abrechnungszeitraum für das flexible Arbeitszeitsystem ausweiten und die Arbeitszeitregelungen für Start-ups und Spezialisten lockern werde. Die Umstrukturierung des Lohnsystems nach Funktion und Leistung, die während der Regierung Park Geun-hye aktiv vorangetrieben wurde und das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie zwischen Arbeitnehmern und Regierung verschlechtert hat, gehört ebenfalls zu den wichtigsten politischen Zielen des Ministeriums für Beschäftigung und Arbeit. (…) In einem Kommentar erklärte der Koreanische Gewerkschaftsbund (KCTU): »[Die Verwaltung] will die Arbeitszeiten noch flexibler gestalten, um die 52-Stunden-Woche aufzuheben und die Arbeitszeiten auf unbestimmte Zeit zu verlängern, das System der Leistungszulagen ausweiten, um die Autorität der Arbeitgeber bei der Leistungsbeurteilung zu stärken und die Löhne zu senken, und zu diesen Zwecken Konflikte unter den Arbeitnehmern schüren.« »Persönliche Überzeugung und Fachwissen als Leiter des Arbeitsministeriums sind bei Lee nicht zu finden«, fügte der KCTU hinzu…“ Aus dem engl. Artikel von Park Tae-woo vom 24.06.22 in The Hankyoreh externer Link
  • Siehe zum Hintergrund unsere Meldung von 2015: Gewerkschaftsbund KCTU ruft zum politischen Streik gegen das neue Arbeitsgesetz der südkoreanischen Regierung
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=192682
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