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Kongo (Republik)

Auch der Präsident der Republik Kongo will im Amt bleiben: Frankreich hilft ihm dabei…

Republik Congo: Logo der Kampagne gegen eine weitere Amtszeit von Nguesso im Oktober 2015Nun folgt als nächster der Staatspräsident der Erdölrepublik Congo-Brazzaville – das Land weist rund 4,5 Millionen Einwohner/nnen auf und wird vom Äquator durchschnitten – als nächster auf der Liste. Am Sonntag dieser Woche (25. Oktober 15) wird er ein Referendum abhalten lassen, bei dem die Bürger/innen formal über einen Verfassungsänderung abstimmen sollen; formal, denn mit einem manipulationsfreien Ablauf ist durchaus nicht zu rechnen. Hübsch verpackt ist das Ansinnen dabei: Die bisherige Präsidialrepublik soll in ein „halbpräsidiales“ Regime umgewandelt werden, der Premierminister mehr Vollmachten erhalten. So weit zur offiziellen Begründung des Vorhabens. Niemand ist sich darüber im Unklaren, worum es in Wirklichkeit geht“ – aus dem Beitrag „Afrikas nächster Verfassungsputsch?“ von Bernard Schmid vom 23. Oktober 2015. (Der Beitrag wurde also vor dem Referendum am 25. Oktober verfasst – und der Autor hat, wie so viele andere, eine klare Position, wie dieses Referendum, angesichts der berichteten Repression und Atmosphäre ausgehen wird).

Afrikas nächster Verfassungsputsch?

François Hollande, als Präsident der früheren Kolonial- und aktuellen Neokolonialmacht, stützt den Autokraten der Erdölrepublik Congo-Brazzaville in seinem Vorhaben

Von Bernard Schmid am 23. Oktober 2015

Verfassungsmanipulationen, um sich an der Macht zu halten, sind bei den Präsidenten im französischsprachigen Afrika schwer in Mode. Zwar scheiterte Burkina Fasos Autokrat Blaise Compaoré mit dem Versuch, sich ein – verfassungswidriges – zusätzliches Mandat von einem willfährigen Parlament genehmigen zu lassen, und wurde vor bald einem Jahr (am 31. Oktober 2014) gestürzt. Doch der nächste auf der Liste, Burundis Machthaber Pierre Nkurunziza, kam bislang damit durch. Nachdem er Ende April 2015 verkündete, er fühle sich an die bisherige Verfassungsinterpretation nicht gebunden und habe ein Recht auf ein weiteres Mandat, weil das erste von ihm absolvierte nicht zähle, ließ er sich Ende Juli 15 formal durch die Wähler/innen im Amt bestätigen. Die Untransparenz der Wahl lässt keinen Zweifel, und zuvor waren annähernd 100 Menschen auf den Straßen durch Polizeikugeln getötet worden. Am Dienstag, den 20. Oktober 15 kündigten zwei französische Leitmedien, die Agentur AFP und der Radiosender RFI, eine Strafanzeige gegen das burundische Regime an, weil ihr eigener Korrespondent vor Ort gefoltert wurde.

Viele befürchteten bereits im Frühjahr 2015, Nkurunzizas schlechtes Beispiel öffne eine Büchse der Pandora. Auf dem Weltsozialforum in Tunis Ende März d.J. dieses Jahres wurde etwa debattiert, dass eine Reihe von Machthabern in der ganzen Region nur darauf warteten, das Signal aufzugreifen, um es Nkurunziza gleichzutun, falls er sich durchsetzen könne – und ihre jeweiligen Verfassungen zwecks Machterhalts zu manipulieren.

Nun folgt als nächster der Staatspräsident der Erdölrepublik Congo-Brazzaville – das Land weist rund 4,5 Millionen Einwohner/nnen auf und wird vom Äquator durchschnitten – als nächster auf der Liste. Am Sonntag dieser Woche (25. Oktober 15) wird er ein Referendum abhalten lassen, bei dem die Bürger/innen formal über einen Verfassungsänderung abstimmen sollen; formal, denn mit einem manipulationsfreien Ablauf ist durchaus nicht zu rechnen. Hübsch verpackt ist das Ansinnen dabei: Die bisherige Präsidialrepublik soll in ein „halbpräsidiales“ Regime umgewandelt werden, der Premierminister mehr Vollmachten erhalten. So weit zur offiziellen Begründung des Vorhabens. Niemand ist sich darüber im Unklaren, worum es in Wirklichkeit geht. Denn die Verfassungsänderung, die abgesegnet werden soll, hebt auch die bisherige Altersgrenze für eine Präsidentschaftskandidat (70 Jahre) auf, ebenso wie die derzeit geltende Begrenzung der Amtszeiten auf zwei. Staatsoberhaupt Denis Sassou-Ngessou wird in Bälde 72 und hat seit der letzten Verfassungsänderung bereits zwei Amtszeiten hinter sich, wenn die jetzige ausläuft.

Dass er nicht genügend Zeit an der Macht verbracht habe, um seine Vorhaben durchzusetzen, lässt sich wahrlich nicht behaupten. Sassou-Ngessou gründete, damals als pro-sowjetischer Marxist-Leninist kostümiert, die damalige Staatspartei „Kongolesische Arbeitspartei“ (PCT) im Jahr 1969. Von 1977 bis 1992 stand er selbst an der Spitze des Staates. Nach dem Wegfall des bisherigen bipolaren Weltsystems wandelte er sich vom Pseudo-Marxisten zum Wirtschaftsliberalen. Nach einem nur kurzem Intermezzo außerhalb des Präsidentenpalasts, von fünfjähriger Dauer, putschte er sich 1997/98 gegen Amtsinhaber Pascal Lissouba an die Macht zurück. Manifeste Unterstützung erhielt er dabei von der Ex-Kolonialmacht Frankreich, insbesondere aber von dem in La Défense bei Paris ansässigen Erdölkonzern ELF (inzwischen TOTAL). In dessen Hauptquartier wurde ein eigener Krisenstab zu Congo-Brazzaville eingesetzt, wie Le Monde am 10. Juni 1997 berichtete. Am 11. Juni desselben Jahres erwähnte die französische Wirtschaftszeitung La Tribune auch eine „erstaunlich starke Unterstützung“ für Sassou-Ngessou aus Kreisen des französischen Neogaullismus. Der Putsch löste einen blutigen Bürgerkrieg mit bis zu 40.000 Toten aus. 1999 wurde der bisherige Chef des parteieigenen „Sicherheitsdiensts“ des Neofaschisten Jean-Marie Le Pen, des DPS, mit Namen Bernard Courcelle zum Chef der Präsidentengarde von Congo-Brazzaville. Sassou-Ngessou annullierte ein Vorhaben seines Vorgängers Lissouba, der die Staatsquote bei den Einnahmen aus dem im Land geförderten Erdöl von 17 auf 35 Prozent hatte erhöhen wollen, was ELF nicht gefiel.

Die Opposition im Land war lange Jahre hindurch terrorisiert und eingeschüchtert. Nun ist sie zu neuem Leben erwacht und widersetzt sich massiv der Ankündigung auf den „Verfassungsputsch“, wie sie das Vorhaben zur Abänderung des Verfassungstexts bezeichnet. Am letzten Sonntag im September (27. September 15) demonstrierten 25.000 Menschen in der Hauptstadt Brazzaville dagegen. Die organisierte Opposition, der sich in den Wochen zuvor auch einige Ex-Minister Sassous-Ngessous anschlossen, setzte dem amtierenden Regime daraufhin ein Ultimatum bis zum Dienstag dieser Woche, dem 20. Oktober d.J., um ihr Vorhaben zurückzuziehen. An diesem Dienstag wurden in Congo-Brazzaville der Zugang zum Internet auf Mobiltelefon sowie der Empfang für den französischen Auslandsrundfunksender RFI gesperrt – was allerdings nicht sonderlich intelligent war, weil RFI jedenfalls in der Hauptstadt immer noch über die Frequenz des Nachbarstaats Congo-Kinshasa (oder Demokratische Republik Kongo) empfangen werden kann.

Zuvor hatte die Polizei am Sonntag (18. Oktober 15) in der Hafenstadt Pointe-Noire das Feuer eröffnet, zwei Protestierende wurden getötet und elf verletzt. Unter den dort eingesetzten Polizeitruppen befinden sich ehemalige „Cobras“, wie die im Bürgerkrieg formierte Miliz Sassous-Ngessous bezeichnet werden; rund 4.000 Mann dieser Killertruppe sollen derzeit einen aktiven Dienst an der Waffe verrichten.

Anders als in der Vergangenheit distanzierte sich Sassou-Ngessou jedoch offiziell von der tödlichen Repression und sprach von einem Fehler des örtlichen Einsatzleiters der Polizei. Auch ein Autokrat wie der kongolesische Staatspräsident kann sich im Zeitalter von Handyphotos und Internet nicht mehr Alles erlauben, sonst winkt ihm möglicherweise eine Fahrkarte zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Doch am Dienstag dieser Woche (20. Oktober) kam es auch in der Hauptstadt Brazzaville zu schweren Zusammenstößen zwischen Protestierenden und „Sicherheits“kräften. Die Nachrichtenlage dazu ist verworren. Die Angaben reichen von vier Toten – eine Mindestzahl, die den internationalen Nachrichtenagenturen als gesichert gilt – bis zu dreißig.

Die regierende französische Sozialdemokratie hatte den Autokraten Denis Sassou-Nguesso zunächst offiziell aufgefordert, von seinem Vorhaben abzusehen, auch wenn Frankreichs Regierungspolitik ihn de facto in Ruhe lässt.

Am Mittwoch Abend dieser Woche (21. Oktober 15) empfing der Außenminister der Ex-Kolonialmacht, Laurent Fabius, dann jedoch seinen Amtskollegen aus Brazzaville und Abgesandten der Diktatur, Jean-Claude Gakosso. Am selben Tag unterstützte Fabius’ Vorgesetzter, der französische Staatspräsident François Hollande, das Vorhaben des Autokraten in Congo-Brazzaville. Anlässlich einer Pressekonferenz am Rande des Besuchs seines malischen Amtskollegen, Ibrahim Boubacar Keïta, erklärte Hollande im Blick auf das Pseudo-Referendum vom Sonntag wörtlich: „Der Präsident Sassou kann sein Volk konsultieren, das ist sein Recht, und das Volk muss antworten. Danach, wenn das Volk einmal geantwortet hat, muss man darauf achten, zu sammeln, zu respektieren und für Ruhe zu sorgen.“ Typisch Hollande’sches Gewäsch… Vgl. dazu „Entretien avec M. Ibrahim Boubacar KEITA, président de la République du Mali“ am 21. Oktober 2015 externer Link

Dies wurde als klares Signal seitens der früheren Kolonialmacht gewertet. In einem Pressekommuniqué reagierte die internationale Kampagne Tournons la page („Schlagen wir ein neues Kapitel auf“), die von christlichen NGOs gegründet wurde und gegen Amtszeitverlängerungen und Verfassungsmanipulationen durch afrikanische Autokraten kämpft, mit scharfer Kritik an François Hollande. Und spricht von einem „Messerstich in den Rücken der kongolesischen Bevölkerung“; vgl. dazu „Le Président François Hollande plante un couteau dans le dos du peuple congolais“ vom 22. Oktober 2015 externer Link

Am Donnerstag Abend (22. Oktober) verlautbarte dann aus dem Elysée-Palast, François Hollande fordere den Autokraten dazu auf, es müsse bei dem Pseudo-Referendum „transparent zugehen“, vgl. „Référendum/Congo: Hollande réclame la transparence“ am 22. Oktober 2015 externer Link und „Evènements en République du Congo“ ebenfalls am 22. Oktober 2015 externer Link

Treuherzig, treuherzig. Hingegen fordert die US-Administration relativ deutlich die Absage des Pseudo-Referendums, vgl. „Les USA demandent au dictateur Sassou-Nguesso d’annuler son référendum du 25 octobre 2015“ am 22. Oktober 2015 externer Link

Unterdessen hat die Opposition vor Ort in Brazzaville ihren Aufruf für Demonstrationen am heutigen Freitag, den 23. Oktober – also zwei Tage vor der geplanten Abstimmungsfarce – zurückgezogen, wohl aus Furcht vor Repression. Vgl. dazu „La manifestation prévue vendredi par l’opposition annulée“ am 23. Oktober 2015externer Link

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