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„Kein Frieden mit dem Militär“: Streitkräfte attackieren Zivilbevölkerung in Kolumbien

Dossier

Aufstandsbekämpfungseinheit ESMAD in den Straßen Kolumbiens. Foto: Colombia InformaBewohner im Departamento Chocó berichten von Übergriffen durch die Armee. Militarisierung der Region nimmt seit Jahren zu. Seit Wochen greift das kolumbianische Militär im Departamento del Chocó die Zivilbevölkerung an. Vor wenigen Tagen hat ein Kommando das Dorf Monte Bravo überfallen. Die Streitkräfte schossen laut Angaben von Augenzeugen wahllos auf die fliehenden Menschen und alles, was sich bewegte. Nachdem die Bewohner in den Fluss gesprungen und geflohen waren, brachen die Soldaten in die Häuser ein und stahlen persönliche Habseligkeiten, Handys, Ausweispapiere und das wenige Bargeld der sehr armen Bevölkerung. Die Soldaten zerstörten Matratzen und Möbel. Der Chocó ist eine der ärmsten Regionen des Landes und die Bevölkerung sind zu einem Großteil Afrokolumbianer und Indigene. (…) Viele Bewohner vermuten, das Militär nutze die aktuelle politische Lage, denn aufgrund der Proteste in vielen größeren Städten des Landes gebe es keine Aufmerksamkeit für die ländlichen Regionen. „Wir sind alleine und vollkommen ausgeliefert“, sagt ein Bauer aus Monte Bravo gegenüber amerika21…“ Artikel von Ariana Pérez am 01.07.2021 bei amerika21 externer Link, siehe dazu (und zur Vorgeschichte):

  • Eskalation der Gewalt in Kolumbien: 217 Massaker und 830 Opfer in zwei Jahren New
    Allein in diesem Jahr haben sich in Kolumbien 31 Massaker mit 114 Opfern ereignet. Besonders betroffen sind ländliche Gegenden in Antioquia, Putumayo und Cauca. Die Organisation Indepaz veröffentlichte am 13. April die alarmierende Statistik, die 217 Massaker und 830 Opfer in den letzten beiden Jahren erfasst. Die zunehmende Gewalt im Land prägt auch den Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen am 29. Mai. (…)  Während Menschenrechtsverteidiger:innen und demobilisierte Farc-Kämpfer:innen zunehmend in Unsicherheit leben und ständig mit Verfolgung und Angriffen rechnen müssen, verkündete Präsident Iván Duque vor dem UN-Sicherheitsrat, Kolumbien sei ein Land, das „die wesentlichen Grundsätze des Friedens anerkennt“. Kurz zuvor hatte der Leiter der UN-Mission in Kolumbien, Carlos Ruíz Massieu, eine Untersuchung und Aufklärung der Hintergründe des Militäreinsatzes in Putumayo gefordert, bei dem Soldaten am 28. März elf Zivilist:innen getötet hatten. Nach Aussagen von Augenzeug:innen und Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen handelt es sich um einen weiteren Fall von „falsos positivos“, da das Militär die getöteten Zivilist:innen als Mitglieder illegaler bewaffneter Gruppen darstellten, obwohl es sich um Bauern und Bäuerinnen handelte…“ Beitrag von Sara Meyer vom 22.04.2022 bei amerika21 externer Link
  • Militär in Kolumbien verübt erneut Massaker an Zivilbevölkerung 
    „… Die kolumbianische Armee hat eine Gruppe von zivilen Personen im südlichen Departamento de Putumayo mutmaßlich getötet. Präsident Iván Duque und der Verteidigungsminister Diego Molano sprechen jedoch von einem erfolgreichen Schlag gegen elf Angehörige der Farc-Dissidenten und der Drogenkriminalität. Lokale und nationale Menschenrechtsorganisationen sowie die Nationale Organisation indigener Völker des kolumbianischen Amazonas (Opiac) bestreiten die offizielle Version der Regierung. Sie belegen, dass es sich bei mindestens sieben der elf getöteten Menschen um Zivilist:innen handelt, die keiner bewaffneten Gruppe angehörten. Unter den Opfern befindet sich ein indigener Gemeindevertreter, ein Minderjähriger und der Vorsitzende der Bürgervertretung (Junta de Acción Comunal, JAC) des Landbezirks Remanso. Nichtregierungsorganisationen sind alarmiert und sprechen von einer Rückkehr der systematischen Tötungen von Zivilist:innen durch das Militär, auch unter dem Begriff „falsos positivos“ bekannt. Das Netzwerk für Menschenrechte in Putumayo berichtet über den Ablauf des mutmaßlichen Massakers. Morgens gegen circa sieben Uhr stürmten 25 vermummte Einsatzkräfte das Grundstück eines Gemeindehauses. Dort fand am Vorabend eine öffentliche Feier statt, weshalb viele der noch anwesenden Personen unter Einfluss von Alkohol standen. Ziel der Veranstaltung war es, Geld für die Gemeinde zu sammeln. Augenzeugenberichten zufolge gaben sich die Einsatzkräfte zunächst als Farc-Dissidenten aus und eröffneten unvermittelt das Feuer. Später bezeichneten die Einsatzkräfte die Dorfbewohner:innen als Guerilla-Mitglieder und hielten sie bis zum Nachmittag fest. Die Dorfbewohner:innen erhielten keine Informationen über den Anlass des Einsatzes, durften nicht auf Toilette gehen oder sich mit Nahrungsmitteln versorgen. Auch die medizinische Behandlung der Verletzten wurde untersagt: In einigen Fällen seien die Menschen erst nach einigen Stunden an den Schusswunden gestorben, was durch eine angemessene medizinische Versorgung hätte verhindert werden können. Mobiltelefone, mit denen die Anwohner:innen das Geschehen dokumentierten, wurden durch die Einsatzkräfte beschlagnahmt und Menschenrechtsorganisationen der Zugang zur Gemeinde verwehrt, wie Yuri Quintero vom Netzwerk für Menschenrechte in Putumayo im Interview mit amerika21 bestätigt…“ Beitrag von Dennis Schlömer vom 5. April 2022 bei amerika21 externer Link
  • Erneut Verstrickungen von Militärführung und Paramilitärs in Kolumbien aufgedeckt 
    „Der ehemalige Oberbefehlshaber der kolumbianischen Streitkräfte, Leonardo Alfonso Barrero Gordillo, wird beschuldigt Teil einer paramilitärischen Organisation zu sein, die für den Clan de Golfo Verbrechen begeht und im Drogenhandel aktiv ist. Den Ermittlungen zufolge zahlte die kriminelle Organisation Millionengehälter an Offiziere und Soldaten der Armee, die Zuarbeiten durchführten und „bei der Beseitigung von Feinden“ halfen. (…) Mit Barrero zusammen ist laut dem Dokument auch der Oberst Robinson González del Río in die Taten verstrickt. Er wurde bereits verurteilt für die illegale Ausbildung einer Konterguerilla und der Spezialeinheiten von Matamba sowie zahlreiche Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen. Mit Barrero soll er gemeinsam Armeeeinheiten versetzt haben, um sie in den Dienst der Paramilitärs zu stellen sowie Geheimdienstinformationen über Guerillamitglieder und Aktivist:innen an die Paramilitärs weitergegeben haben, um diese zu „eliminieren“. Er versorgte Matamba mit Informationen über Operationen gegen ihn, den Standort von Truppen in dem Gebiet und mit technischen Geheimdienstberichten. Barrero war von 2014 bis 2015 Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Nur sechs Monate nach seinem Amtsantritt veröffentlichte die Zeitschrift Semana eine Tonaufnahme, in der Barrero mit González del Río über die Gründung einer paramilitärischen Organisation sprach. Am 18. Februar 2014 wurde er auf Anordnung des damaligen Präsidenten Juan Manuel Santos vorgeladen und vom Dienst suspendiert. Im Jahr 2015 trat Barrero der Partei des ultrarechten Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, Centro Democrático, bei und kandidierte für das Gouverneursamt des Departamento de Cauca. Nur massive Kritik von Menschenrechtsorganisationen im In-und Ausland konnte im Februar 2019 verhindern, dass Innenministerin Nancy Gutiérrez Barrero Gordillo zum Leiter für den „Aktionsplan zur rechtzeitigen Prävention und zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, Sozialaktivisten und Journalisten“ ernennt…“ Beitrag von Ariana Pérez vom 18. Februar 2022 in amerika21 externer Link
  • Kolumbien: Arauca ist Schauplatz eines Krieges gegen die sozialen Bewegungen – die von sozialen Organisationen geschaffenen alternativen Projekte sollen mit allen Mitteln zerstört werden 
    „Wer das Glück hatte, mit den sozialen Anführer:innen der Region Arauca zusammenzukommen, wird sicherlich die Freude und Stärke gespürt haben, die von den alternativen Projekten ausgeht, in denen ihr politisches Programm für eine neue Gesellschaft Gestalt annimmt. Es ist ermutigend, Unternehmen vorzufinden, denen es auf Grundlage der gemeinschaftlichen Organisation gelingt, wirksame und überdies gut funktionierende Antworten auf die sozialen Bedürfnisse zu geben, wie es etwa bei der Wasserversorgung und bei der Müllabfuhr der Fall ist. (…) Inmitten eines Kapitalismus, in dem weniger als zwei Prozent der Bevölkerung 98 Prozent des Einkommens auf sich vereinen, erlangen diese Initiativen eine hoffnungsvolle Bedeutung, da sie eine Gesellschaft schaffen wollen, in der diejenigen, die sich bemühen zu produzieren, von den Ergebnissen ihrer Arbeit profitieren und zudem gemeinschaftlich entscheiden, was und wie es zu tun ist. Bedauerlicherweise missfällt dies den Eigentümern des Kapitals in all seinen Formen, einschließlich der multinationalen Ölkonzerne, der Drogenhändler, der Regierung und deren Militärs, die ‒ mittels Stigmatisierung, Verfolgung, politisierter und ungerechter Strafverfolgung, Mordanschlägen und Bomben ‒ diese alternative Lebensweise versuchen auszulöschen. Auf der Grundlage dieser politischen und moralischen Elemente können wir die Überlegungen zur Verschärfung des Krieges gegen die soziale Bewegung im Departamento de Arauca am besten anstellen. Es handelt sich um einen Krieg gegen die soziale Bewegung, wie die „Frente 28 der Dissidenten der Farc“ (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) selbst in einem Kommuniqué vom 23. Januar bestätigte, in dem sie erneut mit der Ermordung der sozialen Anführer droht, nachdem bereits in der Nacht des 19. Januars versucht wurde, sie durch eine Autobombe zu töten. (…) Es ist lebenswichtig, dass soziale Organisationen angesichts eines durch und durch verfaulten Kapitalismus als Ausdruck des Nonkonformismus und als Trägerinnen eines Projekts für eine alternative Gesellschaft verstanden werden. Denn nur so kann ein bewaffneter Akteur von einem anderen unterschieden werden, der nur mit zivilen Mitteln vorgeht. Es ist diese Grenze, die von denen überschritten wird, die mit Attentaten und Bomben versuchen, die Lichter der Zukunft auszuschalten. Dementsprechend muss man die Böswilligkeit sehen, mit der die hochrangigen Befehlshaber der Armee sowie Minister Molano selbst handeln. (…) Uns allen, die diese Situation schmerzt, bleibt die tägliche Aufgabe, vor dem Land und der Welt die kritische Lage anzuprangern, in die die Bewohner der Region gebracht wurden; auf das barbarische und ungerechtfertigte Szenario der Gewalt hinzuweisen, dem sie ausgesetzt sind, den Lügen und den Darstellungen entgegenzutreten, die die Geschehnisse für den eigenen Vorteil verdrehen. Uns bleibt die Aufgabe, an ihr Beispiel zu erinnern und unsere Achtung vor denjenigen zu stärken, die an vorderster Front des Kampfes stehen, die Barbarei niederreißen und die Hoffnung näherbringen.“ Analyse von Centro de pensamiento y teoría crítica PRAXIS in der Übersetzung von Gerrit Kleiböhmer bei amerika21 am 11. Februar 2022 externer Link

Siehe zum Hintergrund auch unser Dossier: Generalstreik in Kolumbien gegen neoliberale Reformen am 28. April 2021 – verlängert und zu Paramilitärs in Kolumbien viele, zu viele Beiträge, auch im LabourNet-Archiv…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=191471
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