»
Kolumbien »
»
»
Kolumbien »
»
»
Kolumbien »
»

Nach dem Streik ist vor dem Streik – und ist auch während des Streiks: Der kolumbianischen Rechtsregierung hilft der Ausnahmezustand in der Hauptstadt nicht weiter…

Geeralstreik in Bogota 21.11.2019 - Hunderttausende...Kolumbiens Präsident Ivan Duque fällt auch nichts Neues ein – aber das hatte gerade von diesem Wiedergänger des faschistischen Expräsidenten Uribe ohnehin kaum jemand erwarten können: Den mit Abstand größten sozialen Protest der letzten Jahrzehnte versuchte er mit Erschießen, Verletzen, Verprügeln und Festnehmen erfolglos zu unterbinden. Also macht er das – wertlose – Angebot eines Dialogs. Wohl kaum mit jenen, die er töten ließ. Und so ist es nur naheliegend, dass die extrem massiven Proteste auch nach dem Generalstreik am 21. November 2019 fortgesetzt wurden: Tag 2, fand statt, Tag 3 fand statt, und weitere werden folgen. Im Land der paramilitärischen Banden, von sich und anderen Gleichgesinnten als Wirtschaftswunderland gepriesen, fasste wie in anderen Ländern gerade in diesen Tagen auch, der Slogan Fuß „Sie haben uns alles genommen, auch die Angst“. Zu den weitergehenden Protesten in Kolumbien nach dem eintägigen Generalstreik siehe zwei Bewertungen des Generalstreiks, je einen Beitrag zu den Hintergründen der Proteste und ihrer Fortsetzung nach dem Streiktag und einen Betrag über (wieder einnmal) bundesdeutsches Mitwirken an der Repression – sowie den Hinweis auf unseren ersten Bericht zum Generalstreik:

„Declaración del Comité Nacional de Paro“ am 21. November 2019 beim Gewerkschaftsbund CUT Colombia externer Link ist die Stellungnahme der größten Föderation Kolumbiens, in der nicht nur der Streiktag 21. November als voller Erfolg bewertet wird, sondern auch bereits dazu aufgerufen „weiterhin wachsam“ zu sein und zu weiteren Aktionen ebenso bereit, wie zur Abwehr etwaiger neuer Angriffe der Regierung Duque.

„Kolumbien: Vorläufige Einschätzung des Generalstreiks vom 21. November“ am 24. Novmber 2019 bei Enough is Enough externer Link ist eine Bewertung des Generalstreiks durch die (anarchistisch orientierte) Gruppe Via Libre, die von der Redaktion der Webseite übersetzt wurde und in der unter anderem hervorgehoben wird: „… Ein großer Tag des Kampfes erschütterte Bogotá und einen Großteil des Landes fast 16 Stunden lang. In der vom Regen heimgesuchten Hauptstadt wurde die Aktivität in vier großen Momenten organisiert: 1) Ein erster Moment von Aktivist*innen mit Straßenagitation und kleinen Blockaden in den Portalen von Transmilenio de Suba, Norte, 20 de Julio und Sur, zwischen 5:00 und 7:00 Uhr morgens unter der Leitung von Nachbarschaftsorganisationen, die einen erheblichen Einfluss auf die Mobilität der Stadt hatten. 2) Ein zweiter Moment der Massenbewegung, angeführt von der Gewerkschafts-, Student*innen- und Sozialenbewegung, mit dem großen Demonstrationszug ins Zentrum der Stadt, der locker 300.000 Menschen zählte, die zwischen 8:00 und 16:00 Uhr mobilisiert wurden, mit einer großen Anzahl von Bildungsarbeiter*innen, Staatsangestellten und Arbeiter*innen aus der Privatwirtschaft. In diesem Moment schlossen sie sich die Mobilisierungen der öffentlichen und privaten Universitäten an, die in der National University, die rund 20.000 Menschen zusammenbrachte, und den Märschen der territorialen Organisationen des Südwestens, die aus auf bis zu 5 verschiedenen Punkten zusammenkamen, um etwa 10.000 Menschen zusammenzubringen. 3) Ein dritter Moment der lokalen Wut der Jugendlichen, der sich zwischen 17:00 und 19:00 Uhr ausbreitete, wenn auch mit wichtigen Vorgeschichte und späteren Erweiterungen, wo ein Gruppe der lokale- und Universitätsjugend massiv mit der anwesenden Polizei und der National Police Mobile Anti-Disturbance Squad (ESMAD) in verschiedenen Punkten der Stadt zusammenstieß, wie in der 68th Avenue und später in der National University, dem Bolívar Platz und dann in dem gesamten historischen Zentrum der Stadt, aber vor allem der Bereich von Suba mit Cali Avenue, wo dieser Protest den ganzen Tag andauerte. 4) Ein vierter Moment der spontanen Solidarität der Bevölkerung, der um 19:00 Uhr begann, entwickelte massive Proteste in den Vierteln und sogar in den Stadtteilen der Mittel- und Oberschicht, mit Versammlungen und neuen Demonstrationen durch verschiedene Orte der Stadt. Dieser Tag hat mehr als 300 Mobilisierungen in mindestens 100 Städten und Regionen im ganzen Land hervorgebracht, darunter Dutzende von gleichzeitigen Proteste in den bevölkerungsreichsten Städten, in denen insgesamt mehr als eine Million Menschen leicht mobilisiert werden konnten. Gleichzeitig kam es nach dem Teilstreik und der massiven Mobilisierung zu Zusammenstößen zwischen Teilen der Demonstrant*innen und der Polizei in einem wesentlichen Teil des Landes sowie zu eher marginalen Plünderungsaktionen. Die dramatischsten Repressionssituationen ereigneten sich in der Stadt Cali, wo eine Ausgangssperre verhängt wurde, und in Manizales, wo schwere Verletzungen als Folge polizeilicher Repression gemeldet wurden...“

„Warum jetzt auch Kolumbien in Aufruhr ist“ von Hans Weber am 24. November 2019 bei amerika21.de externer Link hebt unter anderem hervor: „… Der Streik vom 21. November, zu dem Dutzende soziale Organisationen aufgerufen hatten, richtet sich gegen eine Reihe angekündigter Sparmaßnahmen der Regierung Duque, die Forderungen der OECD und des IWF entsprechen. Es geht dabei unter anderem um die Abschaffung des Mindestlohns, um die Senkung des Lohns für Jugendliche, die Privatisierung des Rentensystems, die Senkung von Steuern für Konzerne und die Privatisierung von staatlichen Unternehmen. Weitere Gründe für den Protest sind die repressive Politik gegen die sozialen Bewegungen und Verantwortung des Staates bei Morden an sozialen Führungspersönlichkeiten. Allein unter Duque sind knapp 250 Aktivisten und 170 Ex-Farc-Kämpfer getötet worden. Oft bleiben diese Taten straffrei. Für besondere Empörung sorgte zuletzt die Ermordung von 18 Kindern und Jugendlichen bei einem Bombenangriff der Luftwaffe auf ein Guerillalager. In Folge musste der Verteidigungsminister zurücktreten. Am Freitagabend sagte Duque er stehe für ein „nationales Gespräch“ in der kommenden Woche bereit. „Wir sind eine Regierung, die zuhört“, betonte er. Gleichzeitig rief er alle Bürgermeister und Landräte dazu auf, mit Ausgangssperren und anderen Maßnahmen zu reagieren, um „die öffentliche Ordnung zu bewahren“. Indes halten die Proteste an. Für das Wochenende hatten regierungskritische Gruppen mehrere Kundgebungen geplant. Ihr Motto: „El paro no para“ – der Streikt hört nicht auf. So versammelten sich erneut Tausende Menschen an mehreren Plätzen Bogotás, sind aber immer wieder durch die Esmad grundlos attackiert worden. Die Polizeieinheit hat dabei einen 18-Jährigen bewusstlos geschlagen. Er schwebt zwischen Leben und Tod…

„Colombia vive tercera jornada de protestas“ am 23. November 2019 bei Clajadep-LaHaine externer Link ist ein Beitrag, der ausführlich über die ungebrochene Fortsetzung der Proteste nach dem Generalstreik vom Donnerstag berichtet – hier eben bis einschließlich Samstag. Daraus wird deutlich, dass diese Proteste fortgesetzt werden trotz – und oftmals auch gerade: Wegen – des enormen Aufgebots an Repressionskräften, sowohl in der Hauptstadt – in Bogota versammelten sich am Samstag erneut Tausende, um die Repression zu denunzieren – als auch in zahlreichen anderen Orten und Regionen des Landes.

„Der Pakt der weißen Eliten (II)“ am 25. November 2019 bei German Foreign Policy externer Link hat das bundesdeutsche „Mitwirken“ an Duques Vorgehen zum Thema und hebt dazu hervor: „… Die Intensivierung der deutsch-kolumbianischen Beziehungen korreliert dabei mit dem Ausbau der Zusammenarbeit Kolumbiens mit der NATO. Das Land hat bereits im Jahr 2013 einen offiziellen „Dialog“ mit dem transatlantischen Kriegsbündnis aufgenommen. Im Mai 2017 folgte dann der Abschluss eines „Individuellen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens“, im Mai 2018 wurde Kolumbien als „globaler Partner“ der NATO eingestuft – ein Status, den nur acht weitere Staaten haben, darunter Australien, Japan und Südkorea. Die Zusammenarbeit zielt insbesondere darauf ab, Interoperabilität zwischen den Streitkräften Kolumbiens und denjenigen der NATO herzustellen, also gemeinsame Kriegführung zu ermöglichen. Das Bündnis weist darauf hin, dass Bogotá bereits 2015 den NATO-Einsatz am Horn von Afrika mit einem Kriegsschiff unterstützte. Dabei verfügt die kolumbianische Marine über Fregatten, Patrouillen- und U-Boote aus deutscher Produktion. Kolumbien hat darüber hinaus schon im Jahr 2006 rund 125.000 Pistolen des deutschen Herstellers Sig Sauer gekauft. Zwar wurde der Großteil davon von einem Sig Sauer-Werk in den Vereinigten Staaten produziert; wegen Überlastung lieferte die Firma allerdings auch 38.000 Pistolen, die in Deutschland hergestellt worden waren, was wegen fehlender Exportlizenzen ein Gerichtsverfahren zur Folge hatte. Wegen solcher Schwierigkeiten wickelt Sig Sauer inzwischen einen erheblichen Teil seines Geschäfts über seine Außenstelle in den USA ab. Zur politischen, ökonomischen und militärischen Kooperation zwischen Berlin und Bogotá kommen Sonderbeziehungen zum Partido Centro Democrático von Präsident Iván Duque hinzu. Die Partei, die zur Zeit vom ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe geführt wird, gehört der Unión de Partidos Latinoamericanos (UPLA) an, einem Zusammenschluss führender Rechtsparteien Lateinamerikas, der bereits seit 1992 von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt wird…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=157786
nach oben