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Italien hat eine neue Regierung. Eine „Technokraten-Regierung“. Also: Mit jede Menge Faschisten dabei…

"Die Party ist vorbei" - zum italienischen Innenminister und seinem Hetzaufruf„… Berühmt geworden für sein Versprechen während der Eurokrise 2012, alles Notwendige (»whatever it takes«) zu tun, um die Stabilität des Euro zu garantieren, soll Draghi nun im Amt des Minister­präsidenten alles Notwendige tun, damit die 209 Milliarden Euro, die Italien aus dem EU-Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der ­Corona­krise erhalten soll, nach Maßgaben der EU-Kommission und der italienischen Unternehmen investiert und nicht als Sozialleistungen umverteilt werden, also nicht, wie der Focus schrieb, »in strukturelle Haushaltslöcher« fließen. Den Kern der neuen Regierung – eine »Regierung der Umweltschützer«, wie Draghi sagte – bilden acht parteiunabhängige Expertinnen und Experten. An sie gingen die für die Aufteilung der Fördergelder relevanten Ressorts, das Wirtschaftsministerium und die beiden neu geschaffenen, Vorgaben der EU geschuldeten ­Ministerien für digitale Innovation und ökologischen Umbau. 15 weitere Kabinettsposten erhielten Vertreter der die Einheitsregierung unterstützenden Parteien. Ein Triumph ist der Regierungswechsel dennoch allein für die Rechten. Nicht nur die Lega, sondern auch die eigentlich schon fast zur Splitterpartei geschrumpfte Forza Italia kehren in die Regierung zurück und besetzen jeweils drei Ministerien. Auf Druck der norditalienischen Unternehmerschaft und wegen der veränderten transatlantischen Ausgangslage haben sich die Kräfteverhältnisse in der Rechten allerdings verschoben. Der Lega-Vorsitzende Matteo Salvini musste seine EU-kritischen Töne mäßigen und die Entsendung moderater Konservativer und klassischer Wirtschaftsliberaler in Draghis Kabinett akzeptieren. Die Verbindung zur rechtspopulistischen und neofaschistischen Anhängerschaft wird bis auf Weiteres Giorgia Meloni überlassen, die seit 2014 den Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) vorsitzt…“ aus dem Kommentar „Alles Notwendige“ von Catrin Dngler am 18. Februar 2021 in der jungle world externer Link (Ausgabe 7/2021) – worin alles Notwendige zum rechten Sumpf in Italiens neuer Regierung geschrieben ist… Siehe dennoch zum Einfluss der Rechten in der neuen italienischen Regierung zwei weitere aktuelle Beiträge:

  • „Der Banker als Retter“ von Jens Renner am 21. Februar 2021 im Freitag online externer Link (Ausgabe 7/2021) hebt dazu hervor: „… „Aber Draghi ist nicht wie Monti!“, beschwichtigen heute auch der Partito Democratico (PD) und die Gewerkschaften. In der Tat hat Draghi im Vorjahr einen Kurswechsel vollzogen. Ende März rief er angesichts der Corona-Pandemie die EU-Regierungen dazu auf, deutlich mehr Schulden zu machen – außergewöhnliche Umstände verlangten, „wie in Kriegszeiten“, eine Änderung der Denkweise. Auf seinen Appell hin, veröffentlicht in der Financial Times vom 25. März 2020, folgte im August in Rimini ein Auftritt bei der katholischen Bewegung Comunione e Liberazione. Seine Rede, in der er eine „Rückkehr zum Wachstum“ forderte, wurde allgemein als Bewerbung um höhere Ämter verstanden. Draghis prominentester Förderer war Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi. Als dessen Kleinpartei Italia Viva im Januar ihre beiden Ministerinnen aus dem Kabinett holte, war das der Anfang vom Ende der Regierung Conte II. Die Suche nach einer neuen, dauerhaften Mehrheit für eine dritte Regierung dieses Zuschnitts blieb erfolglos. Nach mehrtägigen Konsultationen meldete der von Staatsoberhaupt Sergio Mattarella beauftragte Parlamentspräsident Roberto Fico (Fünf Sterne) das Scheitern seiner Mission – der Weg war frei für Draghi, der in beiden Parlamentskammern über eine breite Mehrheit verfügt. Einzige Oppositionsfraktion sind die postfaschistischen Fratelli d’Italia. Die Mitte-links-Parteien PD und LeU (Freie und Gleiche) hatten bis zuletzt auf eine rein „technische“ Regierung parteiloser Experten gehofft. Nun sitzen sie mit Berlusconis Forza Italia und Matteo Salvinis Lega an einem Tisch. Möglich wurde das, weil Salvini einen bemerkenswerten Kursschwenk hingelegt hat. Neuerdings gibt er den seriösen Staatsmann und überzeugten Europäer, der in Zeiten der Not seine patriotische Pflicht tut…“
  • „Technokraten des Kapitals“ von Anna Maldini am 19. Februar 2021 in nd online externer Link dazu: „… Allgemein wird der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank EZB in erster Linie als eiskalt kalkulierender Finanzexperte gesehen, dem menschliche Regungen mehr oder weniger fremd seien und der sich in übernationalen Sphären wohler fühle als unter »normalen Leuten«. Einige Risse in dieser Fassade zeigten sich allerdings schon in den vergangenen Tagen: Bei seiner Antrittsrede im Parlament verhaspelte sich Draghi mehrmals und fragte seine Mitarbeiter fast schüchtern, wie er sich auf den Regierungsbänken zu verhalten habe. »Darf ich mich jetzt hinsetzen?«, fragte er zum Beispiel nach seiner Rede im Senat. Und als er mit den Worten eines Abgeordneten besonders einverstanden war, musste ihn ein Minister davon abhalten, in die Hände zu klatschen: »Das tut man hier nicht!«, wies er ihn zurecht. Die Medien fanden das »niedlich« oder zumindest unerwartet menschlich: Auch Superhelden haben also ihre Schwächen! Die Italiener setzen große Erwartungen in die neue Regierung, vor allem in den Ministerpräsidenten. Aber etwas beunruhigt sind sie auch: Schon zu oft haben sie in der jüngeren Geschichte gehofft, dass die Lösung ihrer Probleme durch etwas »vollkommen Neues« von da oben kommen könnte. Das hofften sie in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, als sie dem Medienunternehmer Silvio Berlusconi ihr Vertrauen schenkten – und dann enttäuscht wurden. Vor wenigen Jahren schien die Fünf-Sterne-Bewegung das absolut Neue – und gerade die ist jetzt dabei zu implodieren und sich aufzulösen. Nun ist das Neue Mario Draghi, und die Mehrheit der Bevölkerung setzt auf ihn. Aber die Italiener wären nicht Italiener, wenn neben ihrer Begeisterung nicht auch eine ganz gehörige Portion Skepsis mit im Spiel wäre. »Weiß der überhaupt, wer wir sind?«, »Weiß er, was hier passiert?«, »Kennt er unsere Sorgen?«, fragen sie sich – oder sogar »Ist der eigentlich Italiener?«. Viele Menschen sind verunsichert: Zu groß erscheint die Diskrepanz zwischen Draghi und seinen Experten, die über einen Großteil der Geschicke des Landes entscheiden werden, und den Parteien, die ihn unterstützen, sich aber genauso verhalten wie eh und je: lautstarke Streitereien, Eitelkeiten, Polemiken, Gemeinheiten …“
  • Siehe zur Lage in Italien unser Dossier: Italien: Erzwingt die Coronakrise mit verschärfter Erwerbslosigkeit und Prekarisierung die Verlängerung des Kündigungsverbots und der Kurzarbeit? und darin v.a. die letzte Meldung: Mario Draghi trifft “Sozialpartner” – eine neue Ära des italienischen Korporatismus? / Mario Draghi’s Angriff auf die Arbeiter*innen ist schon vorgeplant
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=186843
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